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Full text of "Das Tier im Spiegel der Sprache. Ein Beitrag zur vergleichenden Bedeutungslehre"

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1 



Neusprachliche Abhandlungen 



aus den Gebieten der 



Phraseologie, Realien, Stilistiii und Synonymik 



unter BerücksiclitigiLiig der Etymologie. 



Heransgegeben 



von 



Dr. Clemens Klöpper -Rostock. 



Heft XV. XVL 



Dresden und Leipzig, 1907. 

C. A. Kochs Verlagsbuchhandlung 



(H. Ehlers). 



Das Tier 



im 



Spiegel der Sprache. 



Ein Beitrag 
zur vergleichenden Bedeutungslehre 



von 



Richard Riegler, 

Professor. 



Dresden und Leipzig, 1907. 

C. A. Kochs Verlagsbuchhandlung 



(H. KUen). 



w 



Vorwort. 



Im Jahre 1878 erschien im Verlage von Adolf Marcus in 
Bonn ein Werk mit dem Titel: Die Metaphern, Studien über 
den Geist der modernen Sprachen von Friedrich Brinkmann. 
Dieses großangelegte Werk, das eine vergleichende Metaphoro- 
logie der modernen Sprachen hätte werden sollen, ist leider 
Torso geblieben. Es liegt nur der erste Band vor, der die 
Tierbilder der Sprache behandelt, jedoch mit Beschränkung 
auf die Haustiere, unter die Brinkmann auch den Pfau, den 
Schwan und die Biene einreiht. Das Buch, obwohl für ein 
größeres Publikum bestimmt, hat über fachwissenschaftliche 
Kreise hinaus trotz seiner Gediegenheit und allgemeinen Ver- 
ständlichkeit keine Verbreitung gefunden, wohl hauptsächlich 
infolge seines fragmentarischen Charakters. In der folgenden 
Abhandlung soll nun der Versuch gemacht werden, eine Art 
Ergänzung zu dem Buche zu liefern, indem die übrigen Tier- 
namen, insofern sie semasiologisch und phraseologisch von 
besonderem Interesse sind, in den Kreis der Betrachtung 
gezogen werden.*) Hierbei sei von vornherein bemerkt, daß 
vorliegende Untersuchung nicht auf derselben breiten Basis 
wie das Brinkmannsche Werk angelegt ist. Auf ein kon- 
sequentes Zitieren von Belegstellen aus Schriftstellern wurde 
verzichtet. Was die Darstellung hierdurch an Breite einbüßt, 
gewinnt sie an Übersichtlichkeit, die man bei Brinkmann 
manchmal vermißt. 

Was die Theorie der Metapher betrifft so sei auf die 
einleitenden Kapitel bei Brinkmann verwiesen, der den Gegen- 

*) AnffaUenderweise Uefern Tiemamen wie „Beb'', „Hirsch*', „Geier*^ 
nur spärliches Materiali was ihr Fehlen in dieser Studie erklärt. 

"191565 



VI Vorwort. 

stand in erschöpfender Weise behandelt. Nur auf ein Moment, 
das Brinkmann unberacksichtigt gelassen hat, möchte ich auf- 
merksam machen. Es ist dies der Einfluß der Fabeldichtung 
auf die Metaphembildung. Es gibt nämlich eine Anzahl 
Metaphern, die unmittelbar auf allgemein bekannte Fabeln 
zurückgehen, wie z. B. Eselstritt, Wolf im Schafs- 
kleid, Löwenanteil, frz. dest la comeille cP^sope, ein 
Beweis, daß die Fabel eine sehr populäre Literaturgattung 
ist. Dabei darf nicht übersehen werden, daß ein aus dem 
Altertum übernommener Grundstock von Fabeln Gemeingut 
aller Kulturvölker geworden ist. Vor allem wurde diese 
Literaturgattung von den Franzosen und Deutschen kultiviert 
— es sei hier nur französischerseits an Lafontaine und 
Florian, deutscherseits an Hagedom, Gleim und Lessing er- 
innert. Wie beliebt das Tierepos im Mittelalter war, beweist 
die Verdrängung des frz. goupil durch renard, den Namen des 
Fuchses im Epos. 

Ich habe es mir bei meiner Arbeit zum Prinzip gemacht, 
mich auf das Wesentliche zu beschränken. Vollständigkeit 
wurde nicht angestrebt. So wurden z. B. termini technici, von 
denen manche auf Tiermetaphern beruhen — man denke 
an die verschiedenen Bestandteile von Maschinen und In- 
strumenten — nur in Ausnahmsfällen berücksichtigt; denn 
diese Bezeichnungen haben lediglich für den Fachmann ein 
Interesse, während der Laie ihnen völlig verständnislos gegen- 
übersteht. Ebenso wurden Benennungen von seltenen Tieren 
und Pflanzen ausgeschlossen, da solche Wörter meist gelehrtes 
Fabrikat und daher linguistisch belanglos sind. Von Sprich- 
wörtern, die ihrem Wesen nach meist auch auf Metaphern 
beruhen, wurden nur die gebräuchlichsten aufgenommen. Bei 
der Erklärung von Metaphern und metaphorischen Redens- 
arten war ich bemüht, mich an das reale Substrat der Sprache 
zu halten und Phantastereien, zu denen der Gegenstand an 
und für sich verleiten konnte, zu vermeiden. Selbstverständlich 
werde ich Ergänzungen, namentlich dialektischer Natur, wie 
überhaupt Verbesserungsvorschläge, zu denen sich die Herren 
Fachkollegen veranlaßt fühlen sollten, mit Freuden entgegen- 
nehmen und bei einer etwaigen Neuauflage berücksichtigen. 

Für Etymologien wurden als einzig zuverlässig die Wörter- 



Vorwort. Tu 

bücher von Kluge, Kluge-Lutz, Skeat und Körting benutzt. 
Auf die Anfuhrung von etymologischen Zwischenstufen wurde, 
als nicht dem Zwecke dieser Arbeit entsprechend, im allge- 
meinen verzichtet Auf interessante Fälle von Bedeutungs- 
wandel, die gerade bei Tiemamen nicht selten sind, wurde 
besonders aufmerksam gemacht. Was die Zusammenstellung 
der Sprachen betrifft, die für diese Untersuchung das Material 
lieferten, so wurden im Anschlüsse an Brinkmann von modernen 
Kultursprachen das Deutsche, Englische, Italienische, Spanische 
und Französische, von den alten Sprachen gelegentlich das 
Lateinische berücksichtigt.*) Das Altgriechische wurde als 
zu fern liegend nur in seltenen Fällen zur Vergleichung heran- 
gezogen. Hingegen wurde das Deutsche minder stiefmütterlich 
behandelt als bei Brinkmann. Dialekte fanden Berücksichti- 
gung, soweit es die spärlich fließenden Quellen ermöglichten. 

Ich verhehle mir nicht, daß meine Untersuchung — 
wenigstens scheinbar — an wissenschaftlichem Werte ge- 
wonnen hätte, wenn ich mich im Gegensatze zu Brinkmann 
auf ein einheitliches Sprachgebiet, z. B. ausschließlich auf die 
romanischen Sprachen beschränkt hätte.**) Aber abgesehen 
davon, daß es naturgemäß ist, wenn man bei vergleichenden 
Untersuchungen semasiologischer Natur die Muttersprache zur 
Basis nimmt, vertragen derartige Arbeiten, bei denen man 
vom Begriffe und nicht vom Worte auszugehen pflegt, ein 
Hinübergreifen auf ein fremdes Sprachgebiet sehr gut, ja sie 
gewinnen dabei, während z. B. eine syntaktische Arbeit, die 
die Erscheinungen der englischen Syntax mit denen der 
italienischen, spanischen usw. vergleichen würde, vom wissen- 
schaftlichen Standpunkte aus ein Unding wäre. 

Wie nahe sich in semasiologischer Hinsicht oft zwei ver- 
schiedenen Sprachgebieten angehörige Sprachen berühren, da- 
für möge ein Beispiel statt vieler angeführt werden. Die 



*) Anf das Portugiesische wurde nur ausnahmsweise hingewiesen, da 
es sich in semasiologischer Beziehung meist mit dem Spanischen deckt. 

**) Ein Muster einer derartigen strengwissenschaftlichen Untersuchung 
ist die als erstes Beiheft der Zeitschrift f. roman. Philologie, 1905, er- 
schienene Arheit yon Lazare SainSan : La cröation m^taphorique en fran^s 
et en roman. Images tir^es du monde des animaux domestiques : Le chat, 
avec un appendice sur la fouine, le singe et les strigiens. 



Vin Vorwort 

BezeichnoBg ,Affe^ für Eausch ist gemeinsam dem ItalienischM, 
Spaniscben^ Deutschen und in gewissen ßedensarten auch dem 
Englischen, fremd ist sie dagegen dem Französischen. So 
sehen wir, wie in diesem Falle die südromanischen Sprachen 
mit den germanischen, nicht aber mit der Schwestersprache 
übereinstimmen. 

Femer sei darauf hingewiesen, daß Untersuchungen 
über Tiermetaphem der Völkerpsychologie einen nicht un- 
wesentlichen Dienst erweisen, indem nämlich aus der meta- 
phorischen und phraseologischen Verwertung von Tiernamen 
sich ein Schluß ziehen läßt auf das gemütliche Verhältnis des 
Menschen zum Tiere. Da sich diese Studie auf einem Gebiete 
bewegt, woselbst Tierbiologie und Folklore mit der Linguistik 
in engste Berührung kommen, so dürften die Vertreter der 
erstgenannten Wissenschaften in diesen Blättern gleichfalls 
manches finden, was sie interessiert. 

Schließlich spreche ich an dieser Stelle meinem verehrten 
Lehrer, Hofrat Schuchardt in Graz, meinen wärmsten Dank 
aus für die wertvollen, den Wiedehopf und den Schmetterling 
betreifenden Bemerkungen, die er mir brieflich zukommen 
ließ. Femer bin ich meinem lieben Freunde und Kollegen 
Prof. Adrian Achitsch sehr erkenntlich datür, daß er 
sich nicht die Mühe verdrießen ließ, meine Arbeit vom Stand- 
punkte des Naturhistorikers nachzuprüfen. Auch den Herren 
Herausgeber und Verleger danke ich herzlichst für ihre Winke 
und Batschläge. 

Pola, im Juni 1907. 

Der Verfasser. 



Inhaltsverzeichnis. 



I. Der Affe S. 1—10. 

Etymologisches S. If. — Affe als Schimpfwort, als scherzhafte Be- 
zeichnung S. 2. — Der ungeschwänzte, der geschwänzte Affe S. 2 f. — 
Nachahmungstrieh, Putzsucht S. 3f. — Der Affe als foppendes, als ge- 
fopptes Tier S. 4 ff. — Symhol der Dummheit S. 6. — Engl, to lead apea 
in hell S. 6. — Reizbarkeit S. 6f. — Der Affe als komisches Tier, Ver- 
gleich mit kleinen Kindern, span. mono S.U. — Affe für „Rausch" S. 8f. — 
Geilheit S. 9. — Schlaraffe, Maulaffe, Rotzaffe usw. S. 9f. 

n. Die Fledermaus S. 11—13. 

Etymologisches S. 11 f. — Äußeres, unheimliches Aussehen S. 12. — 
Angebliche Blindheit, lichtscheues Wesen S. 12 f. — Symbol des Wert- 
losen S. 13. 

in. Der Maulwurf S. 13—16. 

Etymologisches S. 13f. — Angebliche Blindheit, Unbeholfenheit S. 14. 

— Span, topocko S. 14. — Lebensweise S. 15. — Maulwurfsfänger S. 15 f. 

IV. Der Igel S. 16-18. 

Etymologisches S. 16. — Benennung stachliger Gegenstände nach 
dem Igel S. 16 f. — Symbol des Stachligen auf moralischem Gebiet S. 17. 

— Schweinigel S. 17 f. — Saufen wie ein Igel S. 18. 

V. Der Luchs S. 18-20. 

Etymologisches S. 18.f. — Scharfes Gesieht S. 19. — Symbol des 
Scharfsinns S. 20. — Franz. loup - cetvier = Wucherer S. 20. — Höllen- 
luchs S. 20. 

VI. Der Löwe S. 20—26. 

Etymologisches S. 20 f. — Popularität S. 21. — ÄuOere Erscheinung, 
Symbol der Stärke S. 21 f. — Löwenanteil S. 22. — Symbol des Mutes 
S. 22 ff., -^ der Macht S. 24 f. — Gefährlichkeit S. 25 f. — Benennung 
verschiedener Tiere nach dem Löwen S. 26. 



X Inhaltsverzeichnis. 

Vn. Der Tiger S. 26-28. 

Etymologisches S. 26. — Ändere Erscheinung S. 26 f. — Schnelligkeit 
S. 27. — Angloamerik. three cheers and a tiger S. 27. — Grausamkeit 
8. 27 f. — Symhol der Eifersucht S. 28. — Engl, tiger = Prahler S. 28. 

Vin. Der Wolf S. 28-39. 

Etymologisches S. 28f. — Physische Eigenschaften S. 29 f. — Auf- 
fassung vom Wesen des Wolfes bei Germanen und Bömern S. 30 f. — 
Gefräßigkeit S. 31 f. — Span, loho = Bausch S. 32 f. — Raubgier, Ver- 
hältnis des Wolfes zum Schafe S. 33 f., — zum Menschen S. 34 f. — Zu- 
sammenleben der Wölfe, gegenseitiges Verhalten S. 36. — Vorkommen des 
Wolfes in nordischen Ländern, in waldreichen Gegenden S. 37. — Ver- 
wandtschaft mit dem Fuchs S. 37. — Verhältnis des Wolfes zum Hunde 
S. 38. — Werwolf S. 38 f. 

IX. Der Fuchs S. 39-48. 

Etymologisches S. 39 f. — Rolle des Fuchses in der Literatur S. 40. — 
Farbe des Pelzes S. 40 f. — Der Schwanz S. 41 f. — Schlauheit S. 42 ff.— 
Schlaf S. 43 f. — Der Fuchs im Trinkerargot S. 44. — Sein Verhältnis zur 
Beute S. 44 ff. — Der Fuchs und der Jäger S. 46. — „Fuchs" als Spitz- 
name für gew. Stände S. 46 f. — Geilheit S. 47. — Symbol des Teufels S. 48. 

X. Das Wiesel S. 48—49. 

Etymologisches S. 48f. — Schnelligkeit S. 49. — Magerkeit S. 49. — 
Raubgier und Schlauheit S. 49. 

XI. Der Bär S. 50—55. 

Etymologisches S. 50. — „Bär" als Verstärkung des Begriffes S. 50 f. 

— Winterschlaf S. 51. — Plumpheit S. 51 f. — üngeleckter Bär, Brummbär 
S. 52 f. — Gutmütigkeit S. 53. — Bimenliebhaberei S. 53. — Seebär S. 53. 

— Lebensweise S. 53. — Gefährlichkeit S. 53, — einen Bären anbinden, 
aufbinden S. 54 f. — Großer und kleiner Bär S. 55. 

XII. Das Eichhörnchen S. 56—57. 

Etymologisches S. 56 f. — Schnauze S. 56. — Lebhaftigkeit S. 57. 

Xni. Das Murmeltier S. 57—59. 

Etymologisches S. 57 f. — Schlaf S. 58. — pigliar una marmotta 
S. 58. — Herumzeigen der Murmeltiere S. 58f. — Bezeichnung einer Kopf- 
tracht nach dem Murmeltiere S. 59. — Marmotte de Strasbourg S. 59. 

XIV. Die Maus S. 60-69. 

Etymologisches S. 60. — Äuitere Erscheinung S. 60 f. — Symbol des 

Unbedeutenden und Wertlosen S. 61 f. — Das Mauseloch S. 62. — Färbung 

S. 62 f. — Die Maus als Nagetier S. 63. — Hurtigkeit S. 63. — „Maus« 

als Kosewort, zur Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsteils S. 64. — 



Inhaltsverzeichnis. XI 

Die Maus als Diebin S. 64f. — Mänschenstill, Kirchenmaus, Duckmäuser 
und die fremdsprachlichen Analoga S. 65. — Maus = Schrulle S. 65 f. — 
Naß wie eine gebadete Maus S. 66. — Die Maus nach dem Tode S. 66. — 
Häufigkeit und Alter der Mäuse S. 66 f. — Verhältnis zwischen Maus und 
Katze S. 67. — Die Mausefalle S. 67 f. — Die Lieblingsgerichte der 
Maus S. 68f. 

XV. Die Eatte 8. 69—77. 

Etymologisches 8. 69. — ßattenkahl 8. 69. — Der Schwanz 8. 69 f. 

— donner des rata aux passants 8. 70. — Übler Geruch 8. 70 f. — Die 
Hatte als Gegenstand des Absehens 8. 71, — als Symbol des Erpichtseins 
8. 71. — Die Wanderratte 8. 71 f. — Ratte = Laune, Grille 8. 72 f. — 
Gewandtheit im Springen und Schwimmen 8. 73 f. — Aufenthaltsorte 
8. 74 f. — Symbol des Geizes 8. 75. — Die Ratte als Diebin 8. 75 f. — 
Schädlichkeit der Ratte, Mittel zu deren Bekämpfung (Falle, Katze) 8. 76. 

— Rattenkönig 8. 76 f. — Schlafen wie ein Ratz 8. 77. — Frz. rate = 
Müz 8. 77. 

XVL Der Hase 8. 77—84. 

Etymologisches 8. 77. — Äußere Erscheinung 8. 77 f. — Schlaf 8. 78. 

— Furchtsamkeit 8. 78 f. — Schnellfüßigkeit 8. 79 f. — Der Hase als Wüd 
8. 80 ff. — Verhältnis zum Hunde 8. 82 f. — Franz. gentUhomme ä lievre 
8. 82 f. — Symbol der Verrücktheit 8. 83. — Schwaches Gedächtnis 8. 83 f. — 
Böhnhase, Sandhase, Feldhase 8. 84. 

XVn. Das Kaninchen 8. 84—88. 

Etymologisches 8. 84 f. — Äußere Erscheinung 8. 85. — Furchtsam- 
keit S. 85f. — Franz. brave comme un lapin 8. 86. — Intelligenz 8. 86. — 
Schnellfüßigkeit 8. 86 f. — Schwaches Gedächtnis 8. 87. — Fruchtbarkeit 
des Weibchens, Geilheit des Männchens 8. 87. — Lebensweise 8. 87. — Frz. 
lapinj span. gazapo = Aufsitzer, Lüge 8. 87 f. — Engl, to buy the rahbit 
8. 88. — Franz. monier en lapin 8. 88. 

XVm. Der Elefant 8. 88—91. 

Etymologisches 8. 88 f. — Größe und Plumpheit 8. 89 f. — Symbol 
geistiger Plumpheit 8. 90. — Der Elefant als exotisches Tier S. 90 f. — 
Altfranz, olifant 8. 91. 

XIX. Das Kamel 8. 91—93. 

Etymologisches 8. 91. — Häßlichkeit 8. 92. — Der Höcker, die 
Schwielen 8. 92. — Symbol des Eigensinns und der Dummheit 8. 92 f. — 
Das Kamel als Lasttier 8. 93. — Benennung anderer Tiere nach dem 
Kamel 8. 93. 

XX. Der Togel im allgemeinen 8. 93—105. 

Etymologisches 8. 93 ff. — Der Vogel als Verkünder übermenschlicher 
Weisheit 8. 95 f. — Symbol der Freiheit 8. 96. — Der Vogelfang 8. 97 f. — 
Den Vogel abschießen 8. 99.- — „Vogel" als Bezeichnung verschiedener 
Charaktertypen 8. 99 ff. — einen Vogel haben 8. 101. — Span. pajariUa^ 



Xn Inhaltsyerzeichnis. 

Mils S. 101. — Der Flug S. 101 f. — Span, pajaroia, pajcurotada » frz. 
canardj dentsch Ente S. 102 f. — Der Vogel im Sprichwort S. 108 ff. 

XXL Der Adl«r S. 105-^108. 

Etymologisches S. 105. — Der Adler als König der Vögel S. 105. *- 
Ange S. 106. — Verstond S. 106. — Schnabel S. 106 f. — Symbol der 
Schnelligkeit S. 107. — Hoher Flug S. 107. — Kampfeslust S. 107 f. — 
Der Schreiadler 8. 108. 

XXII. Der Falke S. 108—112. 

Etymologisches S. 108 f. — Schärfe des Gesichtssinns S. 109. — 
Schnabel S. 109. — Falkenjagd S. 1091 — Abrichtung S. llOf. — Opti- 
mistische Auffassung vom Wesen des Falken im Deutschen S. 111. — 
Intelligenz S. 111. — Franz. hohereau S. Ulf. — Benennung von Ge- 
schossen nach dem Falken S. 112. 

XXm. Eule, Uhu. Kauz S. 112^124. 

Benennung nach der stimmlichen Betätigung S. 112 ff., — nach 
physischen Merkmalen S. 114, — nach anderen Vögeln S. 115, — nach 
abergläubischen Vorstellungen S. 115 ff., — ital. nottola, aasiolo, ahcco 
S. 117. — Häßlichkeit S. 117 f. — Frz. chouette im lobenden Sinne S. 118. — 
Äußeres und Benehmen des Kauzes S. 118. — Der Kauz als Lockvogel 
S. 11 8 f. — Besondere Eigenheiten S. 119 f. — Sonstige auf physischen 
Eigenschaften der Eule beruhende Metaphern S. 120. — Die Eule als 
Nachtvogel S. 120 f. — Lebensweise des Uhus S. 121. — Die Eule als 
Unglücksvogel S. 121 f. — Ihr Verhältnis zu anderen Vögeln S. 122 f. — 
Symbol der Dummheit S. 123. — Die Eule im Altertum, Eulen nach Athen 
tragen S. 123 f. — Franz. Uurron comme une chouette S. 124. — Spiel nach 
der Eule benannt S. 124. 

XXIV. Der Kuckuck S. 124—129. 

Etymologisches S. 124 f. — Der Kuckuck als Frühlingsbote S. 125. — 
Stimmliche Betätigung S. 125. — Der Kuckuck als Prophet S. 125 f. — 
Das Kuckucksspiel S. 126. — Äußeres S. 126. — Kuckuck = Hahnrei S. 126 f. 

— Symbol geistiger Beschränktheit S. 127. — Symbol des Betrügers S. 127 f. 

— Kuckuck als Glimpfwort S. 128. — Erziehung des jungen Kuckucks 
S. 128 f. — Ital. cucuh = Vogelnetz S. 129. — Franz. co%icou als Be- 
zeichnung altmodischer Gegenstände S. 129. 

XXV. Der Papagei S. 129—132. 

Etymologisches S. 129 f. — Nachsprechen S. 130 f. — Buntheit des 
Gefieders S. 131. — Der Papagei im Pariser Argot S. 131 f., — in der 
Seemannssprache der romanischen Völker S. 132. 

XXVI. Der Wiedehopf S. 132—134. 

Etymologisches S. 132 f. — Unreinlichkeit S. 133. — Benennung des 
Wiedehopfs nach dem Kuckuck S. 133. — Franz. hupp^ S. 133. — Franz. 



Inhaltsyerzeichnis. Xül 

dupe = huppe S. 133 f. — huppe = Federhaube S. 134. — tremare come 
una buhbola S. 134 f. 

XXVn. Die Schwalbe S. 134— 137. 

Etymologisches S. 134 t — Schwanz S. 136. — Die Schwalbe als 
Frühlings-, bzw. Zugvogel S. 135 ff. — Schwalbe = Ohrfeige S. 137. — 
Franz. avoir une hirondelle dans le soliveau S. 137. — Die Schwalbe als 
giückbringender Vogel S. 137. — Deutsch „schwälbeln^ S. 137. 

XXVIII. Die Drossel (Amsel) S. 137—141. 

Etymologisches S. 137 f. — Färbung S. 1381 — Geistige Fähigkeiten 
&. 139. — Lebhaftigkeit der Bewegung, Gesang S. 139 f. — Die Drossel, 
bzw. der Xrammetsvogel als Leckerbissen S. 140f. — Der Drosselfang S. 141. 

XXIX. Die Nachtigall S. 141—143; 

Etymologisches S. 141. — Gresang S. 141 f. — Franz. rossignol in über- 
tragener Bedeutung S. 142 f. — Engl, nightingale = Krankenhemd S. 143. 

XXX. Der Kahe S. 143—149. 

Etymologisches S. 143 f. — Färbung S. 144 f. — Schnabel S. 145. — 
Der Rabe als Leichenvogel S. 145 f,, — als Prophet S. 146 f., — als Symbol 
des Diebes S. 147. — Der Eabe in der Bibel und in der mittelalterlichen 
Tiersymbolik S. 147 ff. — Paarweises Vorkommen der Eaben S. 149. — 
Verträglichkeit mit seinesgleichen S. 149. — Ital. corbellare S. 149. ^- 
Hohes Alter S. 149. 

XXXI. Die Krähe S. 150—157. 

Etymologisches S. 150. — Färbung S. 150 f. — Lange Lebensdauer 
S. 151. — Vorliebe für Aas S. 151 f. — Schnabel S. 152. — Die Krähe im 
Sprichwort S. 152. — Die Krähe als ünglücksvogel S. 15?. — Krähenfüße 
und Krähenauge S. 152 f. — Gangart S. 153. — Symbol des Ehrgeizes 
S. 153, — der Häßlichkeit S. 153 f. — Stimmliche Betätigung S. 154 £. — 
ünreinlichkeit und übler Geruch S. 155. — Krähe allgemein für Vogel 
S. 155. — Fleisch S. 155 f. — Engl, crow-time S. 156. — Widersprechende 
Auffassung vom Wesen der Krähe im Deutschen und Englischen S. 156 f. 

— Diebischer Charakter der Saatkrähe S. 157. — Deren Nistgewohnheiten 
S. 157. — Südwärtsziehen nördlich lebender Krähenarten S. 157. 

XXXIL Die Elster S. 157—162. 

Etymologisches 8. 157 f. — Gefieder S. 158. — Geschwätzigkeit S. 158 f. 

— Unverträglichkeit S. 160. — Gangart S. 160. — Diebischer Charakter 
S. 160 f. — Der Elstemfang S. 161 f. 

XXXIII. Die Lerche S. 162—165. 

Etymologisches S. 162 f. — Gesang S. 163 f. — Lerche allgemein für 
Vogel S. 164v — Schmaokhaftigkeit des Fleisches S. 164 f. — Mstgewohn- 
heiten S. 165 — eine Lerche schießen S. 165. — Lerchenfang S. 165. 



XIV Inhaltsverzeichnis. 

XXXIV. Der Fink S. 166—168. 

Etymologisches S. 166. — Fink allgemein für Vogel S. 166. — Fink 
identisch mit Spatz S. 166 f. — Munterkeit S. 167. — Symbol der Einfalt 
S. 169. — Der Name des Gimpels in den modernen Eultorsprachen S. 167 f. 

XXXV. Der Zeisig S. 168-170. 

Etymologisches S. 168. — Färbnng S. 168 f. — Lebhaftes Temperament 
S. 169. — Symbol der Einfalt S. 169. — Frz. seriner, serinette S. 169 f. 

XXXVI. Der Sperling S. 170-177. 

Etymologisches S. 170ff. — Spatz allgemein für Vogel S. 172f. — 
Einsamer Spatz S. 172 f. — Geilheit S. 174. — Leichtsinn S. 174 f. — 
Symbol unsteter Gedanken S. 175, — der Liederlichkeit S. 175, — der 
Frechheit und Klatschsucht S. 177. 

XXXVn. Die Waolitel S. 177—179. 

Etymologisches S. 177. — Wohlbeleibtheit S. 177. — Wachtel = Ohr- 
feige S. 177 f. — Geilheit S. 178. — Symbol der Schlauheit S. 178. — 
Wachtel = Wachtelhund S. 178. — Der Wachtelfang S. 178 f. 

XXXVin. Der Kranich S. 179—183. 

Etymologisches S. 179. — Hals S. 179 f. — Schnabel S. 180 f. — Der 
Kranich als Stelzenvogel S. 181. — Gestalt S. 181. — Symbol geistiger 
Beschränktheit S. 181 f. — Der Kranich im Altertum S. 182. — Symbol 
der Vorsicht S. 182. — Geselligkeit S. 182. — Der Kranich als Gegenstand 
der Jagd S. 182. — Bedeutungserweiterung von engl, crane S. 182 f. 

XXXIX. Die Solinepfe S. 188-186. 

Etymologisches S. 183 f. — Schnabel S. 184 f. — Symbol der Dumm- 
heit S. 185. — Schnepfe = liederliches Frauenzimmer S. 185 f. — Schnepfe 
= gemünztes Geld S. 186. 

XL. Der Strauß S. 186—187. 
Etymologisches S. 186. — Gestalt S. 187. — Magen 187. 

XLL Die SchUdkröte S. 187—189. 

Etymologisches S. 187 f. — Panzer S. 188. — Langsamkeit der Be- 
wegung S. 188 f. — Symbol der Heimtücke S. 189. — Franz. faire la tortue 
« fasten S. 189. — Symbol der Häßlichkeit S. 189. — Schüdpatt und Schüd- 
krott S. 189. 

XLIL Die Eidechse S. 189—193. 

Etymologisches S. 189 f. — Gestalt S. 190 f. — Färbung S. 190. — 
Auge S. 190. — Raschheit der Bewegung S. 191 f. — Aufenthaltsort S. 192. 
— Wärmebedürfnis S. 192. — Wehrlosigkeit S. 192. — Symbol der Hab- 
gier und des Eigensinns S. 192 f. — Intelligenz S. 193. — Mehrmalige 
Häutung S. 193. — Die doppelgeschwänzte Eidechse S. 193 



Inhaltsverzeichnis. XV 

XLm. Die Schlange (Natter) S. 193—204. 

Etymologisches S. 193 f. — Gestalt S. 194 f. — Art der Fortbewegung 
S. 195 f. — Sinnbild des Ärgers S. 196. — Verbale und adjektivische 
Weiterbildung von „Schlange" S. 196 f. — Färbung S. 197. — Zischen 
S. 197. — Vermeintliche Taubheit S. 197 f. — Nahrungserwerb S. 198. -- 
Festigkeit der Haut S. 198. — Abweichende Auffassung vom Wesen der 
Schlange bei verschiedenen Völkern und zu verschiedenen Zeiten S. 198 f. 

— Der Brache S. 199. — Die Schlange als Symbol der Falschheit und 
Bosheit S. 199 f., — des Zornes und Hasses S. 200, — des Neides S. 200 f., 
der Undankbarkeit S. 201. — Gefährlichkeit S. 201 f. — Giftigkeit S. 202. 

— Span, culebrazo S. 202. — Die Schlange in der Bolle des Opfers S. 203. 

— Symbol der Klugheit S. 203. — Die Schlange im Märchen und in 
der Sage S. 203 f. — Ital. a hisda = in Menge S. 204. — Couleuvre = 
schwangeres Weib im Pariser Argot S. 204. 

XUV. Der Froseh S. 204—210. 

Etymologisches S. 204 f. — Augen S. 205. — Symbol der »Auf- 
geblasenheit" S. 205. — Nacktheit der Haut S. 205. ~- Fehlen des Schwanzes 
und der Zähne S. 205. — Gestalt im allgemeinen S. 205 f. — Färbung 
S. 206. — Symbol der Häßlichkeit S. 206. — Art der Fortbewegung S. 206 f. 

— Stimmliche Betätigung S. 207 f. — Der Wasserfrosch S. 208. — Kalt wie 
ein Frosch S. 209. — Kulinarische Verwendbarkeit S. 209. — Das Frösche- 
fangen S. 209. — Der Frosch als Symbol moralischer und sozialer Minder- 
wertigkeit S. 209 f. 

XLV. Die Kröte S. 210-214. 

Etymologisches S. 210 f. — Symbol der Häßlichkeit S. 211. — Giftig- 
keit S. 211. — Art der Fortbewegung S. 211. — Gestalt im allgemeinen 
S. 211 f. — Füße S. 212. — Beschaffenheit der Haut S. 212, — der Augen 
S. 212. — Unreinlichkeit S. 212. — Symbol moralischer HäßKchkeit S. 212. 

— Lebensweise S. 213. — Kröte als Bezeichnung für Kinder und schwache 
Menschen S. 213. — Symbol der Feigheit S. 213. — Das „Krötenfressen" 
S. 213 f. — Das „Krötenspeien" S. 214. — Die Scheu anf Kröten zu treten 
S. 214. — Die stimmliche Betätigung der Feuerkröte S. 214. 

XL VI. Der FiBch im allgemeinen S. 214r-224. 

Etymologisches S. 214. — Ital. pesce = Oberarmmuskel S. 215. — Augen 
S. 215. — Schwanz S. 215. — Stumm wie ein Fisch S. 215. — Geringe 
Intelligenz S. 215. — Kaltes Blut S. 215. — Das Wasser als Element des 
Fisches S. 215 f. — Der Fisch als Schwimmer S. 216. — Ital. bastonar i 
pesci, engl, to feed the fish S. 216. — Das Fischen S. 217. — Der Fisch 
als Symbol des Gewinnes S. 217 f. — Der Fischfang mittels Beusen S. 218. 

— Im Trüben fischen S. 218. — Ital. pescar per s^ S. 218. — „Fischen" 
im übertragenen Sinne S. 218 f. — ItaL pescare als Terminus der Seemanns- 
sprache S. 219. — Das Bild vom unerfahrenen Fischer S. 219. — Der Fisch 
als Symbol des Unsicheren, Unzuverlässigen S. 219. — Das Ködern als 
Symbol des Überlistens S. 220. — Das Fischen mit der Angel S. 220. — 



XVI Inhaltsverzeichnis. 

Der Fisch als Gennßmittel S. 220. — Der faulende Fisch S. 221. — Die 
Gräten S. 221. — „Brote und Fische" als Symbol der Nahrung S. 222. — 
Die Fischbrühe S. 222. — Der Fisch als Raubtier S. 222. — Fischlieb- 
haberei der Katze 8. 222 f. — Der Fisch in der Küche S. 223. — „Fisch" 
zur Bezeichnung von Personen S. 223 f. — Bedeutungsentwicklung von 
span. peacado S. 224. 

XLVn. Hering, Sardine S. 224-^227. 

Etymologisches S. 224 f. — Hering und Sardine, Symbole der Mager- 
keit S. 225 f. — Färbung der Sardine S. 226. — Fang, Versendung und Ver- 
packung S. 226. — Verschiedene Zubereitungsarten des Herings S. 227. — 
Hering und Sardine, Symbole der Wertlosigkeit S. 227. — Heringsseele, 
armer Hering S. 227. -— Engl, herring-pond S. 227. 

XLVIII. Der Kabeljau S. 228—229. 

Etymologisches S. 228 f. — Schwanzflossen S. 229. — Der gedörrte 
Stockfisch S. 229. — Symbol der Gleichgültigkeit S. 229, — der Minder- 
wertigkeit S. 229. — Wichtigkeit für den Handel S. 229. 

XLIX. Der Aal S. 230-233. 

Etymologisches S. 230. — Gestalt S. 230. — Schlüpfrigkeit der Haut 
S. 230 f. — Beweglichkeit S. 231 f. — Der Aal als Nahrungsmittel, sein 
Fang S. 232. — Lebensweise des Flußaals S. 232 f., — des Meeraals 
S. 233. — Symbol der Einfalt S. 233. 

L. Die Schnecke S. 233—238. 

Etymologisches S. 233 f. — Gehäuse S. 234 f. — Schleimabsonderung 
S. 235 f. — Wegschnecke S. 236. — Gehäuseschnecke S. 236 f. — Fort- 
bewegung S. 237. — Symbol des Wertlosen S. 237 f., — der Harmlosigkeit 
8. 238. 

LI. Die Wespe S. 238—240. 

Etymologisches S. 238. — Gestalt S. 238. — Symbol der Reizbarkeit 
S. 238. — Egl. wasp = Einfall S. 239. — Das Wespennest S. 239. — Der 
Stich und seine Folgen S. 239. — Beweglichkeit S. 239. — Summen S. 239 f. 

LH. Die Ameise S. 240—242. 

Etymologisches S. 240. — Symbol der Kleinheit S. 240 f. — Das Durch- 
einanderwimmeln der Ameisen S. 241. — Hautreiz durch Ameisen hervor- 
gerufen S. 241 f. — Aufenthaltsorte der Ameise S. 242. 

LUX. Der KÄfer S. 243—244. 
Etymologisches S. 243f. — Symbol der Kleinheit, bzw. Niedlichkeit 
S. 243. — Der Mistkäfer S. 243. — Span, esoarahajo im tadelnden Sinne 
S. 243 f. — Die Gefahr des Zertretenwerdens S. 244, — Symbol unbe- 
sonnenen Handelns S. 244. — Weiterbildungen von span. escarahajo S. 244. 
— Der „Käfer" im Kopf S. 244. 



InhaltsverzeichniB. XVII 

LIY. Der Sohmetterling S. 245—248. 

Etymologrisches S. 245 f. -- Gestalt S. 246. >- Flügel S. 246 f. — 
Färbung S. 247. — Ital. fakna, farfallino als Euphemismen S. 247. — 
Symbol der Flatterhaftigkeit S. 247 f. — Schmetterling als Symbol des 
Gedankens S. 248. — Flüchtigkeit der Erscheinung S. 248. 

LV. Die Fliege S. 24Ö— 256. 

Etymologisches S. 249. — Die Fliege im Zustand der Ruhe S. 249, — 
im Fluge S. 249. — Das Fliegen als tertium comparationis S. 249 f. — 
Ital. iwmo mosca = Seiltänzer S. 250. — Färbung S. 250. — Geringes 
Gewicht S. 250. — Symbol der Wertlosigkeit S. 250 ff. — ünhörbarer Flug 
S. 252. — Kurze Lebensdauer, Empfindlichkeit gegen Kälte S. 252. — 
Massenweises Vorkommen S. 252. — Fliegenschmutz S. 252. — Zudring- 
lichkeit S. 252 f. — Das Stechen S. 253 f. — Die Stechfliege S. 254. — 
Ital. moscaio S. 254. — Die Fliege an der Wand S. 254 f. — Zwei Fliegen 
mit einer Klappe S. 255. — Die Fliege als Symbol des Heuchlers, bzw. 
Spions S. 255 f. -- Das Fliegenschnappen S. 256. — Vögel nach der Fliege 
benannt S. 256. 

LVI. Die Mücke S. 256—259. 

Etymologisches S. 256 f. — Winzigkeit S. 257 f. — Zudringlichkeit 
S. 258 f. — Vorliebe für alkoholische Getränke S. 259. — Die Mücke von 
der Flamme angelockt S. 259. 

LVn. Der Floh S. 259—263. 

Etymologisches S. 259. — Kleinheit S. 259f. — Färbung S. 260. — 
Springgewandtheit S. 260 f. — Das Blutsaugen S. 261 f. — Symbol der 
Zudringlichkeit S. 262. — Die Hundeflöhe S. 262. — Die Verfolgung der 
Flöhe S. 262 f. — Ital. pulciaio, frz. pucier S. 263. 

LVm. Die GriUe S. 264—267. 

Etymologisches S. 264. — Gestalt S. 264 f. — Symbol der Kleinheit, 
bzw. Zierlichkeit S. 265. — Bedeutungswandel von frz. criquet S. 265. — 
Gezirpes. 265 f. — Symbol des Hochsommers S. 266, — wirrer Gedanken 
S. 266 f., — der Wertlosigkeit S. 267. — Lebensweise S. 267. — ltal.griüo 
Glimpfwort für „Teufel" S. 267. 

LIX. Die Heuselirecke S. 267—269. 

Etymologisches S. 267 f. — Springgewandtheit S. 268 f. — Symbol 
moralischer Minderwertigkeit S. 269. 

LX. Die Wanze S. 269—271. 

Etymologisches S. 269. — Gestalt S. 270. — Färbung S. 270. -- 
Übler Geruch S. 270. — Langsamkeit der Bewegung S. 270. — Das Blut 
saugen S. 270. — Symbol der Zudringlichkeit S. 270f. — Aufenthaltsorte 
S. 271. — Engl, bug = Käfer S. 271. 



Xvui InhftltsTei^ichius. 

LXL Die Imb S. 272—275. 

EtTmologiflches S. 272. — Sjmbol dM Schmatzefl, bsw. des Bettlers 
S. 272, — des Geises S. 272f. — Winzigkeit S. 2731 ^ Aufenthaltsorte 
S. 2741 -^ Die Laus, die über die Leber Uiaft 8. 275. ^ Unse, eine Folge 
▼ielen Wassertiuikens S. 275. 

LXn. Die Spinne 8^ 275—280. 

Etymologisches S. 275 f. — Äußere Erscheinung S. 276. — Giftigkeit 
S. 276 f. — Unyerträglichkeit der Spinnen S. 277. — Symbol der Geizes 
S. 278. — Die Spinne im Aberglauben S. 278. -- Die Spinne'' im Kopfe 
S. 278. — Das Spinngewebe S. 278 f., — dessen zarte Struktur S. 279. — 
Sjmbol des Wertlosen S. 279. — Spinngewebe = Netz S. 279 f. — Die 
Spinne auf Beute lauernd S. 280. 

LXIU. Der Krebs S. ^0—286. 

Etymologisches S. 280 ff. — Vermeintliches Büdtwärtsgehen S. 282 f. — 
Färbung des gesottenen Krebses S. 283 f. — Schale und Scheren S. 284. — 
Ital. pigliar un granchio S. 284 f. — Wehrhaftigkeit der Krabbe S. 285. — 
Symbol des Geizes S. 285, — der Trägheit S. 285. — Krabbe = kleines 
Kind S. 285. — Weiterbildungen von ital. granchio S. 285. — Gangart der 
Krabbe S. 285. — Lebensweise S. 285 f. — Bedeutungsentwicklung von 
ital. canchero S. 286. 

LXIV. Der Wurm S. 286—294. 

Etymologisches S. 286 f. — Art der Fortbewegung S. 287 f. — Gestalt 
S, 288. — Insekten als Würmer bezeichnet S. 288. — Der Wurm als yer- 
meintlicher Krankheitserreger S. 288 ff. —^ Die Würmer aus der Nase ziehen 
S. 290. — Der Wurm als Symbol zerstörender Einflüsse S. 290. — Der 
Holzwurm S. 290 f. — Wurm = Obstmade S. 291. — Wurm == Motte 
S. 291. — Frz. ver coquin S. 291. — Der nagende Wurm als Symbol 
psychischer Zustände S. 291 f. — Der Wurm als Symbol des Grabes S. 292. 
— Wehrlosigkeit des Wurmes S. 292 f. — Wurm als Ausdruck der Ver- 
achtung S. 293. — Wurm als Symbol physischer und moralischer Häßlich- 
keit im Span. S. 293 f. — Portug. Ucho^ bzw. bicha als Symbol des Kleinen 
S. 294. — Scherzhafte Zusammensetzungen mit „Wurm^^ im Deutschen 
S. 294. 



Quellen. 



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Heeger, Tiere im pfälzischen Volksmunde, 1. Teil 1902, 2. Teil 1903. 
Hehn-Schrader, Kulturpflanzen und Haustiere, 1902. 
Heintze, Die deutschen Familiennamen, 2. Aufl., 1903. 
Höfer, Die Volksnamen der Vögel in Niederösterreich, 1894. 
Kluge, Deutsche Studentensprache, 1895. 
Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Spräche, 1905. 
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Körting, Lateinisch-romanisches Wörterbuch, 2. Aufl., 1901. 
Kressner, Über die Tierbücher des Mittelalters in Herrigs Archiy 55. 
Mannhardt, Germanische . Mythen, 1858. 
Meyer-Lübke, Italienische Grammatik, 1890. 
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Reinsberg-Düringsfeld, Sprichwörter der germanischen und romani- 
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Bigutini-Bulle, Neues ital.-deutsches und deutsch-ital. Wörterbuch, 1900» 

Bolland, Faune populaire de la France, 1877 ff. 

Bozan, Les animaux dans les proverbes, 2 Bde., (ohne Jahreszahl). 

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Schuchardt, Romanisches und Keltisches, 1886. 

Sebillot, Le Folklore de France, in. Bd., 1904. 

Seiler, Die Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel des deutschen 
Lehnworts, 1. Teil, 2. Aufl. 1905, 2. Teil, 1900. 

Skeat, Etymological dictionary of the English language, 1894. 

Tollhausen, Neues span.- deutsches und deutsch -span. Wörterbuch^ 
3. Aufl., 1897. 

Villatte, Parisismen, 1890. 

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Winteler, Naturlaute und Sprache, 1892. 

Zaun er. Die romanischen Namen der Körperteile, 1903. 

Zell, Ist das Tier unvernünftig? 5. Aufl. (ohne Jahreszahl). 

Zell, Tierfabeln und andere Lrtümer in der Tierkunde, 2. Aufl. (ohne 
Jahreszahl). 

Zell, Streifzüge durch die Tierwelt, 2. Aufl. (ohne Jahreszahl). 

Außerdem wurden aus Fachzeitschriften verschiedene Notizen benutzt^ 
deren Verfasser an Ort und Stelle genannt sind. 



Der Aflfe.*) 

Deutsch Affe (mhd. äffe, ahd. affo) ist verwandt mit 
engl, ape, das im Altengl. apa lantet. Die romanischen Be- 
zeichnungen gehen teils auf lat. simia zurück, wie ital. scimmiay 
span. jimia, frz. singe, teils sind sie, wie Schuchardt (Zeitschr. 
f. roman. Philologie, XV, pag. 96) nachweist, volksetymologische 
Umbildungen von türkisch maimun, wie ital. monna, ange- 
glichen an mea dominaj span. mona, mono, altfranz. mone, wo- 
von engl. monJcey. Hierher gehört auch das im 16. Jahrhundert 
von oberdeutschen Schriftstellern gebrauchte tautologische 
Munaffe. Im Ital. ist neben scimmia — monna hat in der 
modernen Sprache nur die übertragene Bedeutung „Bausch*' 
— auch berfuccia üblich, welches Wort das Diminutiv 
von Berta ist, also eigentlich die „kleine Berta** bedeutet. 
(V0. Sain^an, Crfeation mötaph., pag. 90, 5.) Im Franz. ist 
für das Affenweibchen auch guenon üblich, das, wenn man 
die Ableitung aus ahd. toinja „Freundin" gelten läßt, ein 
semasiologisches Seitenstück zu ital. monna = mea domina 
bildet. (Vgl. jedoch Sainfean, Crfeation m6taph., pag. 90, 4). 
Ursprünglich bedeutete das Wort „Meerkatze", bezeichnete 
also eine bestimmte Affenart und gelangte erst durch Be- 
griffserweiterung zur jetzigen Bedeutung. Auf ganz dieselbe 
Weise hat span. mico die spezielle Bedeutung „Meerkatze" zu 
der allgemeinen von „Affe" erweitert. Interessant ist, daß 
auch die Slovenen unser deutsches „Meerkatze" für „Affe" 
gebrauchen. Dieser Bedeutungswandel erklärt sich wohl dar- 



*) Die einzelnen Tiere werden in der von der Naturgpeschichte be- 
obachteten Beihenfolg« besprochen. 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 1 



iL 



2 Der Affe. 

aus, daß die Meerkatze als bekannteste Affenart zum Ee- 
präsentanten der ganzen Gattung wurde. t)ie ital. Bezeich- 
nung fiir „Meerkatze", mammone, geht auf das oben zitierte 
türkische maimun zurück, ist also ursprünglich ein Synonym 
von monna. Meistens begegnet es in Verbindung mit gatto = 
gattomammone, was wörtlich „Katzenaffe" bedeutet, mit An- 
spielung auf das entfernt katzenartige Aussehen dieser Affen- 
art. Im deutschen „Meerkatze" erklärt sich „Meer" aus der 
überseeischen Herkunft des Tieres. (Vgl. Meerschwein.) 

Daß der Affe als das dem Menschen nächstverwandte 
Tier in der Phraseologie eine hervorragende Rolle spielen 
mußte, ist ohne weiteres einleuchtend. Zunächst erscheint er 
dem Menschen als Karikatur seiner selbst; er fungiert daher 
in den meisten Sprachen als Symbol der Häßlichkeit wie auch 
das Wort „Affe" mit Vorliebe als Schimpfwort gebraucht wird. 
Schon im Lateinischen gilt simia als kräftiges Scheltwort. Was 
die modernen Sprachen betrifft, so ist diese Verwendung haupt- 
sächlich dem Deutschen und Italienischen geläufig. 

Nicht als Schimpfwort, sondern als scherzhafte Bezeich- 
nung ist das Wort aufzufassen, wenn es, wie im Franz., von 
der Frau dem Manne gegenüber oder vom Lehrling in bezug 
auf den Meister gebraucht wird. Dagegen dient es im Deut- 
schen zur Verstärkung in pejorativem Sinne in Ausdrücken 
wie Affenschande, Affenvolk usw. Von einem häß- 
lichen Menschen sagt man im Deutschen, er sehe aus wie 
ein Affe. Ebenso heißt es im Ital.: Pare una bertmcia, und 
hertuccione wird ohne weiteres in der Bedeutung „häßlicher 
Mensch" gebraucht. Analog sagt der Franzose: II est laid 
comme un singe, er ist häßlich wie ein Affe, und ein häßliches 
Weib nennt er gern guenon oder gumuche „Affenweibchen". 
Daher auch das Sprichwort: Pour epouser un singe, il faut 
Mre guenon, um einen Affen zu heiraten, muß man eine Äffin 
sein, was unserem deutschen „Gleich und gleich gesellt sich 
gern" entspricht. (Vgl. auch Sainean, Greation metaph., 
pag. 92, 7.) Gleichfalls auf das Äußere des Affen bezieht sich 
die französische Eedensart: etre fourni d' urgent comme un singe 
de quem, mit Geld versehen sein wie ein Affe mit dem Schwanz, 
d. h. keinen Heller Geld haben. Es ist hier jedenfalls eine 
bestimmte Art von Affen gemeint, nämlich der türkische Affe 



Der Affe. 3 

oder Magot, der in Algier sehr liäufig ist und tatsächlich nicht 
eine Spur von Schwanz hat. An eine ähnliche Affenart spielt 
an engl, monkey-coat „Affenrock" als Bezeichnung eines Rockes 
mit kurzen Schößen. Hingegen bezieht sich auf den ge- 
schwänzten Affen, der bekanntlich in der neuen Welt zu 
Hause ist, das englische höchst originelle Sprichwort: The 
higher the ape goes, iJie more he shows his tau. Das analoge 
deutsche, bzw. franz. Sprichwort klingt etwas kräftiger: Je 
höher daß der Affe steigt, je mehr er seinen 
Hintern zeigt, Tlus le singe s'äh)e, pltts ü montre son 
derrihe pele. 

Eine reiche Blüte von Metaphern hat in den meisten 
Kultursprachen der dem Affen eigentümliche Nachahmungs- 
trieb gezeitigt. Zunächst im Deutschen: Wenn man z. B. 
behauptet, die Deutschen wären im 17. Jahrhundert die 
Affen der Franzosen gewesen, so will man damit sagen, 
daß sie französisches Wesen sklavisch nachahmten. Daher 
auch das Adjektiv äf fisch und das Verbum nachäffen für 
„ohne Verstand nachahmen". Genau so werden auch im Engl. 
ape und to ape gebraucht. Dieselbe metaphorische Bedeutung 
hat auch das ital. scimmia. Analog dazu wurde die Redensart 
far la sdmmia a qd., wörtl. „jemd. den Affen machen", gebildet, 
wofür man auch kurz scimmiottare sagt. Davon sind wieder 
scimmiottata und scimmiotattura „Nachäfferei" gebildet. Auch 
das Franz. hat sich diese Metapher nicht entgehen lassen, 
wie die Wörter singeur „Nachäffer", singer „nachäffen", sin- 
gerie „Nachäfferei" beweisen. Charakteristisch für die ge- 
spreizte Ausdrucksweise der precieuses ist es, daß sie den Spiegel 
singe de la naiure „den Affen der Natur" nannten. Was das 
Span, betrifft, so kann mona^ mono gleichfalls in der Bedeutung 
„Nachäffer" gebraucht werden. (Vgl. auch Sainean, Creation 
metaph., pag. 92, 7.) 

Mit dem Nachahmungstrieb des Affen hängt auch seine 
Sucht zusammen, sich zu schmücken und herauszuputzen, wes- 
wegen namentlich im Deutschen, Englischen und Spanischen 
auf geckenhafte und eingebildete Personen gern der Name 
dieses Tieres angewendet wird. Im Deutschen findet sich in 
diesem Sinne häufig das Kompositum „Zieraffe". Berlinerisch 

nennt man einen Stutzer einen lackierten Affen. Folger 

1* 



4 Der Affe. 

ä«s SpridiwiMrt, das auf die genaimte Charaktereigenschaft de»< 
AS^n. Bezog Rimmt^flsdet sich in allen Kultursprachen: Deutsch: 
Affen bleiben Affen, wenn man sie auch in Seide und Sammei 
kleidet« Engl.: An ape^s an ape, a varlet a varlet, though thetf 
Im cM in 8äk and akarUt Ital : La scimmia h sempre scimmia^ 
auohe V08tita di seta, Span.: Äunque la mana se vista de seday, 
wwa 90 queda. Franz.: Le singey füt-ü vitu de pourpre, reste^ 
twjours sifige^ 

In seinem Weaen zeigt der Affe ein merkwtirdiges Ge- 
misch Ton Bosheit und Dummheit. Je na,chdem nun der eine 
oder der andere Charakterzug als vorherrschend betrachtet 
uärd» ^scheint der Affe in der Sprache bald als der Foppende^ 
bald ala der Gefoppte. Auf der Auffassung des Affen als 
boshaften Tieres beruht im Deutschen der Aufdruck äffen 
fftr „zum Besteu haben" und einen boshaften Maischen 9;^mt 
man wohl auch einen ^^boshaften Affen". Ebenso sagt der 
Franzose : M est maim camme un singe und payer qn. en numnait 
de singe, jemd. mit Affengeld bezahlen, d. h. mit Grimassea 
und Sprüngen, dann figtlrl. mit schönen Worten, also gar nicht 
befahlen. Diese Rediensart, die sich au^ im Engl findet: to 
pckjf in mmkey^s woney^ beruht auf einer Anspielung an einw 
alten Brauch, dem zufolge in Frankreich die Gaukler kein 
Wegegeld zu zahlen brauchten, wenn sie sich vor dem Zöllner 
i«it. ihren Affen produzierten. (Vgl Kozan, Les animaux dans 
les prov^bes, I pag. 336 ff.) Semasiologisch bemerkenswert 
ist, daß im Span, mono y^fk^ geradezu für „Fratsoenschneid^" 
gebraucht wird. Hierher gehört auch die ital. Bledensart dar 
la ierta sowie berteggiare „verspotten". (Vgl. Sain^an, Cröation 
m^taph., pag. 92, 6.) D&8 die von einem Tier ausgeübte Tätig* 
k^ oder das Resultat derselben metonymisch nach dem Tier^ 
beoiannt wird, ist nicht allzu selten. (Vgl. lat cuniculus „Kanin- 
chen" und „unterirdischer Gang".) 

Dieselbe Auffassung des Affen zeigt sich auch in der frz. 
Bed^sart: S^ u/n äne parm les singtis^ e£n Esel unter im 
Affen^ d. h. die Zielseheibe des Spottes sein. Als foppende» 
Ti^r erscheint der Affe auch in d^ engl. Redensart : to hold 
on by somebody's manJc^y-taily sich an jemandes Affenschwanz 
anJiaLten, d* h. jemid, me Aufschneiderei aufs Wort glauben^ 
Daher to be monkey^led, von einem Affen geführt, d. h. geäfft 



Der Äff«. ^ 

iM^erden. Monhey4ml wird »lit wod;^teleiider Antehnati^ Hüi 
tale „Geschichte^ atich selbständig für „i^f enhafte Geschiclito, 
Autlsch^eiderei^ gebraucht*) 

Nicht miMer originell sind die Metaphiem and Hedeivs- 
arten, in denen der Affe als das dnmifte, gefoppte Tier er- 
scheint. So heißt im Ital. ber^mGiaki „^ne von einem Affen 
vollführte Tat"* geradezu „Dummheit" und im Eng^ bedeutet 
god'^ ape „Gottes Afie" soviel als „Dummkopf". / mähe fäm 
my ape, ich mache ihn eu meinem Affen, sagt der Engländer 
von einem, den er zum Narren hält Ein Analogon hi^% 
bietet im Span, die Redensart haeer mioo, einen Affen machen, 
d. h. zu einem Stelldichein nicht kommen, wobei der vergeMich 
Wartende mit einem gefoppten Affen verglichen wird. (Anders 
«erklärt die Redensart Sain6an, Cr6ation m*6taph. pag. 92, 6.) 
Auch sagt der Spanier, wenn ihm unvermutet ein Schimpf 
zugefagt wird, über den er so verblüfft ist, daß er nichts zu 
Antworten weiß: Me qued4 hecho una tnona, ich stand da wie 
ein Affe. Wörtl.: Ich ward za einem Affen gemacht. (Vgl. 
auch Sain6an, Creat. mötaph., pag. 92, 7.) Daher auch corrido 
como una mona, beschämt wie ein Affe. Diese Redensart er- 
klärt auch den metonymischen Gebrauch ven mono in der 
Bedeutung „Debttt eines Schauspielers^. Sehr häufig endet 
das erste Auftreten eines Mimen mit einem Fiasko und der 
unglückliche Debütant steht wie ein mono corrido, ein be- 
schämter Affe, vor dem Publikum. Hierher gehört auch uns 
dem Engl, der Ausdruck monkmfs oMowance, des Affen Lohn, 
d. h. mehr Schläge als Lohn, was sich auf den vom Gaukler 
h^amgezeigten Affisn bezieht, der sehr häufig für seine Kunst- 
stücke, wenn sie nicht nach Wunsch seines Herrn ausfallen, 
statt Lohn Schläge erntet. 

Dt^ im Deutschen „Affe'^ geradezu als Synonym von 
„Narr** gebraucht wird, ergibt sich aus der Redensart: jemd. 
Am Affenseil führen, wofür man häufiger sagt: jemd. 
am Narrenseil führen. Ebenso sagt man : einen Affen 
an jemd. gefressen haben für: einen Narren an 

*) Hierher gehört auch ais dem älteren Engl die Redensart to put 
an ape into one's hoodcap, jemd. einen Affen in die Kapnze setzen, im 
Sinne ron „foppen**. (Vgl. diesbezüglich anch pag. "7 die Redensarten mit 
fnonkey). 



6 Der Affe. 

jemd. gefressen haben. Nach Borchardt - Wustmann ist 
diese Eedensart, die soviel bedeutet als „jemd. abgöttisch 
lieben" so zu erklären, daß man nach der seinerzeit im Volke 
herrschenden Auffassung einen albernen Menschen von dem 
Tiere wie von einem Dämon besessen glaubte. 

Als dummes Tier erscheint der Affe auch in dem Aus- 
druck Affenliebe, womit man eine törichte Liebe meint. Man 
gebraucht das Wort namentlich von der abgöttischen Liebe 
der Eltern zu ihren Kindern, die diesen oft zum Verderben 
gereicht. (Vgl. das ital. Sprichwort A ogni scimmia piacciono 
i suoi sdmmioUij jedem Affen gefallen seine Äffchen.) Nach 
einem alten Volksglauben drückt nämlich das Affenweibchen 
seine Jungen manchmal vor Liebe zu Tode. 

Möglicherweise jedoch ist der Ursprung dieser Metapher 
in einer alten Tiersage, die sich in den Tierbüchem des Mittel- 
alters verzeichnet findet, zu suchen. (Vgl. Kressner, Über die 
Tierbücher des Mittelalters, Herrigs Archiv 55, S. 241 ff.) Es 
wird dort nämlich erzählt, daß das Affenweibchen, wenn es 
verfolgt wird, sein Lieblingsjunges in die Arme, die übrigen 
aber auf den Rücken nimmt. Im Augenblick der höchsten 
Bedrängnis wirft nun die Äffin, um schneller laufen zu können, 
das in den Armen befindliche Junge weg und rettet sich mit 
den minder geliebten, die sie auf dem Rücken trägt 

Beiläufig sei hier erwähnt, daß man im älteren Engl, von 
alten Jungfern sagte, daß sie Affen zur Hölle führen : they lead 
apes in hell, welche Redensart übrigens auch im Deutschen belegt 
ist. Offenbar findet sie ihre Erklärung in einem alten Volks- 
glauben, nach welchem die alten Jungfern im jenseitigen 
Leben für ihre Kinderlosigkeit eben dadurch bestraft werden, 
daß sie junge Affen in die Hölle führen müssen. 

Als reizbares, leicht in Wut geratendes Tier erscheint 
der Affe im Ital., bzw. Franz. in der Redensart : dire il pater- 
nostro oder Vorazion della hertucda^ dire la patenötre du singCy 
das Affenvaterunser oder Affengebet aufsagen, d. h. Ver- 
wünschungen zwischen den Zähnen murmeln, wobei an den 
zähnefletschenden Affen gedacht wird. (Vgl. Sain6an, Creat. 
metaph., pag. 91, 6). Im Engl, hat dieselbe Redensart : to say an 
ape^s paternoster allerdings eine andere Bedeutung, nämlich 
„vor Kälte zittern". Geradezu als Synonym von Zorn wird 



Der Affe. 7 

monkey im engl. Slang gebraucht, wo man von einem, der in 
Zorn gerät, sagt, er wecke seinen Affen auf: he gas wp his 
monkey, was übrigens zur mittelalterlichen Vorstellung stimmt, 
daß die betreffende Person vom Tiere gleichsam besessen ist. 
Analog sagt man, um einen Zornigen zu beschwichtigen: 
take the monkey off your back, nimm den Affen von deinem 
Rücken herunter, wobei an den Gaukler gedacht werden 
kann, der den Affen auf den Schultern trägt, wie ja auch in 
der deutschen Soldatensprache der Tornister als „Affe" be- 
zeichnet wird. Nach Brewer (Dictionary of Phrase and Fable, 
pag. 587) ist in diesen Redensarten der Affe geradezu Symbol 
des Teufels. Ebendaselbst wird auch daran erinnert, daß in 
alten Gemälden der Teufel nicht selten als Affe mit ver- 
renkten Gliedmaßen auf den Schultern einer Person hockend 
dargestellt wird. Da monkey sich in obigen Redensarten 
häufig mit dem Zusatz bJack „schwarz" findet, so dürfte Brewer 
wohl das Richtige getroffen haben. Gleichfalls als eine An- 
spielung auf den reizbaren Charakter des Affen zu betrachten 
ist die Redensart estar de monos „schmollen", hauptsächlich 
gebraucht mit Bezug auf Liebende. (Vgl. portug. mono 
„mürrisch"). Daß der Affe eben infolge seines zornmütigen 
Wesens als gefährliches Tier erscheint, erhellt aus der ital. 
Redensart: darsi alle bertucce, sich den Affen ergeben, d. h. 
in Verzweiflung geraten. (Vgl. Sainean, Creation metaph., 90, 6.) 
Nach der dieser Redensart zugrunde liegenden Auffassung ist 
als verloren zu betrachten, wer den Affen in die Hände gerät. 
Erscheint der Affe in den bisher besprochenen Metaphern 
und Redensarten als ein dem Menschen durchaus antipathi- 
sches Tier, so mangelt es doch auch nicht an solchen, in 
denen der Affe mehr von seiner komischen Seite betrachtet 
wird. Fordert doch das Tier, namentlich in seiner Jugend, 
durch die außerordentliche Lebhaftigkeit seiner Bewegungen 
— daher affenartige Geschwindigkeit, frsLnz. prestesse 
de singe — sowie die unbezwingliche Komik seiner Grimassen 
zum Vergleich mit kleinen, schalkhaften Kindern geradezu 
heraus. Die Sprache hat sich diesen Zug auch nicht ent- 
gehen lassen. Im Deutschen und Französischen wird Äffchen, 
bzw. petit singe sehr häufig kleinen Bändern gegenüber als 
Kosewort gebraucht. Einen tadelnden Sinn hat jedoch das 



8 Der Af e. 

Wort Grasaffe, wobei nach Sanders dasOras infolge seiner 
griinen Farbe als Symbol des unreifen erscheint Auch im 
Engl wird monketf anf Kinder angewendet ; allerdings erfährt 
das Wort häufig eine Bedeutangsänderung in malam partem. 
indem es im Sinne von „Bange" gebraucht wird. 

So bezeichnet man sehr häufig ein allzu lärmendes Kind 
als troublesame young monkey^ einen lästigen jungen Afifea. 
JUonhey-tricks sind „kindische Possen" und to monhey bedeutet 
geradezu „Possen treiben". Im Franz. erscheint der gestiefelte 
Affe, U singe hatU^ ein Pendant zum chat botiS, als Symbol des 
Faxenmachers. Im Ital. ist der übliche Ausdruck für „Schalk, 
Schelm" numeüo (das Diminutiv von mofia für monna), das 
genau so wie das engl, monhey eine pejorative Bedeutungs- 
änderung erfahren hat und für „Gassenjunge" gebraucht werden 
kann. Hierher zu ziehen ist auch aus dem Span, das Adjektiv 
mono, das in semasiologischer Hinsicht interessant ist, da 
es die ursprüngliche, der Etymologie entsprechende Bedeutung 
„zum Lachen reizend, spaßhaft" zu der von „fein, hübsch" 
entwickelt hat. Der Bedeutungsübergang ist nicht schwer zu 
finden. Hübsch ist eben das, was ein wohlgefälliges Lächeln 
erweckt. (Vgl. auch Sain6an, Cr6ation m6taph., pag. 92, 7). 

Allen hier behandelten Sprachen mit Ausnahme des Franz. 
gemeinsam ist die Bezeichnung des Rausches mit „Affe". So 
sagt man im Deutschen von einem Betrunkenen: Er hat 
einen Affen. Im Ital. heißt es: Ha pigliato la bertuccia, la 
monna, er hat den Affen gekriegt, oder auch: J^ cotto come 
una monna, er ist betrunken (wörtlich.: gekocht; vgl. franz. 
la cuite „Rausch") wie eine Affe. Im Span, heißt es analog: 
Sa cogido una mona. Für den Affen kann im Span, aber auch 
der Wolf (Mo) oder der Fuchs (zorrd) eintreten, während 
man im Ital. für hertuccia oder monna auch Bär {orso) sagen 
kann. Übrigens wird im Span, mona metonymisch auch auf 
den Betrunkenen selbst angewendet. Daß im Span, die Me- 
tapher gar nicht mehi- gefühlt wird, beweist die Redensart: 
dormir la mona, seinen Rausch ausschlafen. 

In semasiologischer Hinsicht besonders bemerkenswert 
ist der Gebrauch von monkey im engl. Matrosenslang, so z. B. 
in der Redensart to such üis monkey, den Affen saugen, d. h. 
sich hinter dem Rücken der Vorgesetzten betrinken, wobei 



Der Affe. !9 

daB Getränke metonymisch oacfa der von ihm hervorge- 
brachten Wirkung benannt wird. Ja, das Wort wird sogar 
«nf das GefaJS, welches das foeranschende Getränk enthält, 
übertragen, indem nämlich das Glas, worin den Matrosen ilKre 
Portion Grog gereicht wird, monkey genannt wird. (Metonymie 
2. Potenz nach Brinkmannscher Terminologie.) Die Erklänmg 
einer so vielen Spradien gemeinsamen Metapher kann nicht 
schwer fallen. Der übermäßige Genuß alkoholischer Getränke 
erweckt eben die im Menschen sdilummernden tierischen 
Instinkte — spricht man doch im Deutschen von „viehischer 
Betrunkenheit". Daß nun von allen Tieren vorzugsweise der 
Affe als Symbol der Trunkenheit erscheint, ist nicht zu ver- 
wundern, wenn man bedenkt, daß der Betrunkene durch die 
Lebhaftigkeit seiner Gesten, seine Neigung zu allerhand Possen 
und nicht zuletzt durch gesteigerte Seizbarkeit und daraus 
resultierende Streitlust unwillkürlich an den Affen erinnert. 
Sain6an erklärt die Metapher aus der Vorliebe der Affen fiir 
«den Alkohol; allein diese Eigentümlichkeit « der Yierhänder 
kann nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, die 
Erklärung ist daher als gekünstelt abzuweisen. Zu unserer 
Auffassung stimmt auch die deutsche Bedensart seinem 
Affen Zucker geben, die man auf Betrunkene anwendet, 
bei denen sich der Bausch in ausgelassener Lnstigkeit äußert. 
Der „Affe" wird durch den erhaltenen Zucker eben fröhlich 
gestimmt. 

Daß der Affe in sexueller Beziehung ähnlich dem Bodce 
^in übles Renommee genießt, beweisen ital. tnicco, span. mioo 
als Bezeichnung fOr einen wollüstigen Menschen sowie das 
franz. guenon, das geradezu die Bedeutung von „meretrix^ 
annehmen kann. Diese Metapher mag wohl auf dem Um- 
;stand beruhen, daß der Affe gewisse Körperteile, die bei 
anderen Tieren dem Blicke entzogen sind, unv^hüllt zur 
Schau trägt. Hierher gehört auch der Gebrauch von mcmna 
für cwnntM im Ital., womit sich im Altfranz, quine „Affe" als 
Bezeichnung des männlichen Gliedes vergleichen läßt. 

Zuletzt sei noch auf ein Wort hingewiesen, das in seiner 
modernen Form allerdings sch^bar nichts mit dem Affen zu 
tun hat. Es ist nämlich das merkwürdige Schlaraffe, mit 
Betonung auf der zweiten Silbe. Die Etymologie des Wortes 



10 Der Affe. 

weist auf ein mhd. Seh In raffe, dessen erster Bestandteil 
slur ist, das „Faulenzerei, faule Person" bedeutet. „Schlar- 
aflFe" wäre demnach ein fauler Aflfe und war in älterer Zeit 
als Schimpfwort für üppig lebende, gedankenlose Müßiggänger 
sehr gebräuchlich. Zu dieser Auffassung des Affen als faulen 
Tieres paßt vortrefflich das span. Sprichwort: Eso se quiere 
la mona, pinoncitos tnondados, das würde dem Affen schmecken, 
geschälte Piniennüsse, welches Sprichwort auf Personen an- 
gewendet wird, die ohne Mühe einen Preis erringen wollen, 
und an die Tauben erinnert, die den Bewohnern des Schla- 
raffenlandes gebraten in den Mund fliegen. 

Eine ähnliche Bildung wie Schlaraffe ist Maulaffe, 
in welchem Worte der zweite Bestandteil allerdings noch 
deutlich in seiner ursprünglichen Bedeutung gefühlt wird. 
Sanders' Erklärung, wonach Maulaffe, das „Gaffer" bedeutet, 
aus „Maul offen" entstanden sein soll, ist wohl zurück- 
zuweisen. (Auf Sanders stützt sich auch Eichter, Deutsche 
Redensarten, pag. 120.) Wird doch im Span, monote, ein 
Pejorativum von mono, ganz in dem Sinne unseres Maulaffen 
gebraucht. Im Wörterbuch der spanischen Akademie wird 
das Wort definiert als „persona que parece no oir, ver ni en- 
tender y estd fijo en un punto como un hito^. (Vgl. berlinerisch 
äffen für „gaffen"). Die Erklärung der Metapher liegt auf 
der Hand. Das Offenhalten des Mundes gibt dem Gesichte 
einen geistlosen, beinahe tierischen Ausdruck und die Bezug- 
nahme auf den Affen lag um so näher, als dieses Wort in 
den verschiedensten Zusammensetzungen als Schimpfwort be- 
liebt war. So finden wir im älteren Deutsch Rotz äffe, 
Gähnaffe, Teigaffe, letzteres als Schimpfwort für den 
Bäcker. Das Wort „Maul äffe*' bezeichnete offenbar zunächst 
den Gaffer, also eine Person, und wurde dann metonymisch 
auf den Zustand des Gaffens selbst übertragen, wie erhellt 
aus der Redensart „Maulaffen feilhalten" im Sinne von „gaffen". 
Man vergleiche damit das span. mona, das umgekehrt zu- 
nächst den Zustand der Betrunkenheit und dann die in diesem 
Zustand befindliche Person bezeichnet (Etwas anders er- 
klärt die Redensart Borchardt- Wustmann , Sprichwörtliche 
Redensarten, pag. 320). 



Die Fledermaus. 11 



Die Fledermaus. 

Die metaphorische Verwendung dieses Tiernamens bietet 
kein besonderes Interesse, wohl aber ist es in semasiologischer 
Hinsicht interessant, die Bezeichnungen dieses Tieres in den 
verschiedenen Sprachen miteinander zu vergleichen. Was zu- 
nächst die deutsche Bezeichnung Fledermaus betrifft, so 
geht dieselbe auf ein ahd. fledarmüs zurück und bedeutet so- 
viel als „Flattermaus" mit Beziehung auf das nächtliche 
Umherflattern. Hierher zu ziehen ist auch das im älteren 
Englisch belegte flittermoiise. Zur Benennung „Maus" berechtigt 
der mausähnliche Körper des Tieres. Hierzu stimmen auch 
span. murcielago und frz. chauvesouris. Murcielago, daneben 
auch murciegalOj beruht auf lat. mus caeculus, heißt also „blinde 
Maus". Das lichtscheue Wesen des Tieres, das nur am Abend 
und in der Nacht umherfliegt, während des Tages aber sich 
verborgen hält, hat im Volke den Aberglauben gezeitigt, daß 
es blind sei, wie ja beim Landvolk auch der Maulwurf für 
blind gilt. Chauvesouris bedeutet „kahle Maus"; es bezieht 
sich diese Bezeichnung auf die nackte Flughaut, die den 
Körper halbkreisförmig umgibt. Gleichfalls nach dieser Flug- 
haut und zwar nach ihrem lederartigen Aussehen ist das Tier 
im Westfälischen benannt, wo es kerspecht, d. i. Lederspecht 
heißt. Die Einreihung des Tieres unter die Vögel ist nicht 
zu verwundem, für das Volk ist eben alles Vogel, was 
fliegt. (Vgl. auch die ital-dialektischen Bezeichnungen uccello 
di notte „Nachtvogel" und papilio de nocte „Nachtschmetter- 
ling"). Mit leerspecht läßt sich der dänische Name der Fleder- 
maus läderlapp „Lederlappen" vergleichen. (Siehe Nyrop, 
Das Leben der Wörter, übersetzt von Vogt, pag. 167). Die 
italienisch-schriftsprachliche Bezeichnung der Fledermaus ist 
pipistreTlo, in welchem Wort das lat. vespertilio (von vesper 
„Abend") enthalten ist. Es ist ohne weiteres klar, daß diese 
Benennung, die sich auch im Spanischen findet (pipistrelö), 
sich auf das abendliche, bzw. nächtliche Umhertreiben des 
Tieres bezieht. (Vgl. hiermit den griechischen Namen der 
Fledermaus = wmeQlg von ru^ „Nacht"). Interessant ist das 
englische Wort für Fledermaus, bat, das im Mittelenglischen 



12 Die Fledennans. 

backe lautet und zweifelsohne zu germ. hakan „Speck" zu ziehen 
ist Wie konnte aber die Fledermaus zum Speck in Beziehung 
gesetzt werden?. Hier liefert abermals ein Volksglaube die 
Erklärung. Da sich nämlich die Fledermäuse gern in Rauch- 
längen aufhalten, so schloß man daraus auf ihre Vorliebe fär 
geräuchertes Fleisch und Speck, während uns die Naturge- 
schichte ausdrücklich lehrt, daB derartige Leckerbissen die 
Fledermäuse kalt lassen. Zu dem engl, bat stimmt übrigens 
^as in der Pfalz gebräuchliche Speckmaus. Merkwürdig 
ist, da£ in demselben Dialekt der Ausdruck „Fledermaus^ 
wohl voAommt, aber für „Schmetterling" gebraucht wird. Aus- 
nahmsweise m5ge auch die dänische Bezeichnung des Tieres 
hierher gezogen werden, da sie ein besonderes setnasiologisches 
Interesse bietet. Aftenbakke (aften = Abend) erinnert nämlich 
einerseits an lat. vespertilio, andrerseits an engl, bat, deutsch- 
dialektisch Speckmaus. 

Was nun die paar Metaphern, die die Fledermaus der 
Sprache geliefert hat, betrifft, so ist zunächst als auf die äußere 
Oestalt des Tieres bezüglich anzuführen das ital. pipistrMo 
als Bezeichnung eines Mantels mit Pelerine, der im Deutschen 
den Namen „Havelock" führt und tatsächlich eine gewisse 
Ähnlichkeit mit der ausgespan iten Flughaut der FiedenuMs 
nicht verleugnen kann. Daß die originelle Erscheinung dieses 
Tieres auf die Phantasie des Volkes einen besondem Eindrtt<A: 
macht, beweist eine Art Maskentracht, die das Äußere des 
Tieres zu kopieren sucht und auf Maskenbällen sehr beliebt 
ist. Da das Erscheinen der Fledermaus zufolge ihres unheim- 
lichen Aussehens und ihrer merkwürdigen Gewohnheit, den 
Leuten in die Haare zu fahren, meist eine unangenehme Em- 
pfindung hervorruft, so bezeichnet die deutsche Studentensprache 
des 17. Jahrhunderts die Mahnzettel trefi'end als papierne 
Fledermäuse. (Vgl. Kluge, Deutsche Studentensprache, 
pag. 62.) Anspielend auf die nackte Flughaut, der die 
Fledermaus im Franz. ihren Namen verdankt, gebraucht man 
im Deutschen die Redensart: kahl wie eine Fledermaus. 

Auf den Volksglauben, daß die Fledermaus des Ge- 
sichtssinns beraubt sei, worauf übrigens, wie gezeigt wurde, 
die Benennung des Tieres im Span, beruht, bezieht sich die 
englische Redensart as blind as a bat Als Zeitwort fungiert 



Der Maulwurf. 13 

bat m der im amenkamseten Engl, üblichen Bedensart to 
bat the eyes, wörtl. ; es mit den Augen machen wie eine Fledei?- 
mMBy d. h. blinzeln, in welcher Wendung ua^er Tiwr zwar 
siebt als blind, wohl aber al^; lichtscheu erscheint, wa» 
s^em wirklichen Wesen entspricht. In analoger Weise ge- 
braucht man auch im Deutschen „Fledermaus'^ gern von 
U<ehtscheu«n Personen und im ItaL sagt man mit Erweiterung 
des Begriffes von einem, der eist menschenscheues Leben führt r 
il un pipisfyfeUo. Auf die abendlichen, b^w. nächtlichen Beute- 
Züge des Tieres spielt aa im Span, die BezeichEung murcißliroi 
oder mwrcigaHero für einra Dieb, der die DämmeruagsstuBden 
benützt, um sicherer seinem Handwerk nachgehen zu komnen. 
So wird auch im engl. Gant eine gewisse Art von Damen, die 
ihr Gewerbe vorzugsweise in den Abendstunden ausüben, mit 
„6a&" bezeichnet. 

Schließlich wird im Deutschen der Name der Fledermaus 
äJlüQUcfa wie das simpIex^ Maus, zur Bezeichnung des Gering- 
fügigen^ Wertlosen gebraucht und tritt in dieser Eigenschaft 
dann gern als Verstärkung zu einer Negation. So sagt man z. B. 
üni Deutschen: Ich acht' es keine Fledermaus, d.h.: Ick 
l^e der Sache durchaus keine Wichtigkeit bei. Häufiger ge<- 
braucht man allerdmgs in diesemSinneden Ausdruck „Pfifferling'^. 



Der MaiQwTirf. 

Was die Etymologie von „Maulwurf^ anlangt^ so ist deir 
zweite Bestandteil des Wortes ohne weiteres klar; „Maul'' 
aber ist hier nicht die vulgäre Bezeichnung von Mund, sondern 
em» YOlksetymologische Umbüdung von mhd. rwM „Erde''. Moli- 
i&erf, die Bezeichmung des Ti^es im MittelhochdeiKtschen, be- 
amtet: das die Erde aufwerfende Tier^ wozu wir im Portu- 
giesischen escava-terra „Erdgräber" (neben toupeira) ein Ana- 
logen findeUk Neben Maulwurf kommt in Dialekten auch noch 
Moltwurm, Maulwurm und Maulwolf vor. Zur ndui 
Bezeichnung stimmt die mitteiengMisdie maldwerp, davon dann 
in verkürzter Form das neuenglische mole. 

Ein älteres Wort für Maulwurf ist Scher, mhd. sch^, 
und mit verdeutlichender Zusammensetzung Schermaus. 



14 Der Maulwurf. 

Das Wort Scher gehört zur Wurzel sMr in „scheren" und be- 
deutet also „Kratzer, Scharrer". 

Die romanischen Bezeichnungen für Maulwurf gehen 
auf lat. tdlpa zurück: ital. talpa, wozu in topo „Maus" 
eine Doublette vorliegt, span. topo, franz. taupe. Daß das 
Volk ähnliche Tiere verwechselt, ist keine auffallende Er- 
scheinung, denn alle Sprachen bieten uns dafür Belege, wohl 
aber ist zu verwundern, daß im Italienischen der gerade in 
Italien seltene Maulwurf sprachlich als Repräsentant der so 
häufig, vorkommenden Maus erscheint. Umgekehrt wird, 
worauf schon oben hingewiesen wurde, im Deutschen für Maul- 
wurf gelegentlich Schermaus gebraucht. 

Bezüglich des Maulwurfs zeigen die verschiedenen Sprachen 
eine auffallende Übereinstimmung der Metaphernbildung. Der 
Umstand, daß die Augen dieses Tieres ganz im Pelze ver- 
steckt sind, hat den Aberglauben gezeitigt, das Tier sei über- 
haupt blind. Wahr ist allerdings, daß beim Maulwurfe der 
Gesichtssinn infolge seines unterirdischen Daseins nicht be- 
sonders entwickelt ist. Mole-eyed „maulwurfäugig" ist dem 
Engländer gleichbedeutend mit „kurzsichtig" oder „blind". 
Ebenso sagt der Franzose von einem Ganz- oder Halbblinden: 
11 ne voit pas plus clair qu^une taupe. Auch das Wort taupe 
selbst wird ebenso wie talpa im Ital. (vgl. auch deco come 
una talpa) und topo im Span, im oben angedeuteten Sinne 
gebraucht. 

Mit dem Begriff der Kurzsichtigkeit hängt naturgemäß 
der der Unbeholfenheit zusammen, daher bedeutet im Span. 
topo einen ungeschickten Menschen, der über alles stolpert, 
und als Adjektiv geradezu „stolpernd". Indem von der körper- 
lichen Unbeholfenheit auf die geistige geschlossen wird, kann 
das Wort im Span, sowohl wie auch im Ital. — seltener im 
Deutschen — auf einen beschränkten Menschen angewendet 
werden. 

Ein span. Provinzialismus, der sich auf Venezuela be- 
schränkt, ist topocho, das „untersetzt" bedeutet, mit Anspielung 
auf die gedrungene Gestalt des Maulwurfs. Das franz. noir 
comme une taupe, schwarz wie ein Maulwurf, hat keine Analoga 
in den übrigen Sprachen. (Vgl. auch EoUand, Faune pop. I, 
pag. 11, 14.) 



Der Maulwurf. 15 

Zahlreich sind, namentlich im Franz., die Metaphern, die 
sich auf die so charakteristische, von der anderer Tiere \Süig 
abweichende Lebensweise des Maulwurfes beziehen, der be- 
kanntlich des Tags unter der Erde lebt, wo er mit bewunderns- 
werter Technik ausgedehnte Gänge gräbt. (Vgl. franz. taupin 
als Spitzname der Kandidaten der polytechnischen Hochschule). 
Wenn der Engländer mole als Verbum gebraucht, so bezeichnet 
er damit die vom Maulwurf hauptsächlich ausgeübte Tätigkeit, 
nämlich das Wühlen in der Erde. Im Deutschen bezeichnet man 
allenfalls im geheimen agitatorisch tätige Personen als „Maul- 
würfe". Im Franz. sagt man von einem zurückgezogen lebenden 
Menschen : II est sQt4^ terre comme une taupe, er lebt unter der 
Erde wie ein Maulwurf, wie dem leichtlebigen Franzosen der 
Maulwurf überhaupt das Symbol eines Duckmäusers ist. Von 
€inem, der sein Geld vergräbt, heißt es: ü fait Ja taupe, er macht es 
ivie der Maulwurf. Treffend ist die vulgäre Bezeichnung des 
Friedhofs als royaume des taupes, Königreich der Maulwürfe. 
Im Volksmund werden die Pioniere taupes de rempart oder 
tawpins genannt ; ebenso heißen sie in der deutschen Soldaten- 
sprache „Maulwürfe". Auch hat das Franz. von taupe ein Zeit- 
wort gebildet, nämlich tauper, das zunächst die Bedeutung 
von „arbeiten" hat, dann aber mit Anlehnung an taupe, „Duck- 
mäuser", „duckmäuserisch leben" bedeutet. Keinen tadelnden 
Sinn hat das Adjektiv taupinier, das man im Deutschen mit 
„häuslich" wiedergeben könnte. 

Die unterirdische Tätigkeit des Maulwurfs macht sich 
■oberirdisch bekanntlich durch Erdhaufen bemerkbar, die der 
Franzose taupinüres nennt, welches Wort auch zur verächt- 
lichen Bezeichnung von kleinen Hügeln dient. Durch dieses 
Aufwerfen der Erde richtet der Maulwurf namentlich in 
Oärten Schaden an, weswegen im Franz. servir comme une 
iaupe dans un pr^, *) nützen wie ein Maulwurf auf einer Wiese, 
geradezu „schädlich sein" bedeutet. Daß der Maulwurf als 
«chädliches Tier eifrig verfolgt wird, darf nicht wunder- 
nehmen. Es gibt auf dem Lande sogar Leute, die die Jagd 
nach diesen Tieren als Spezialität betreiben. Da es jedoch 



*) Es soUte wohl richtiger heißen comme dans un jardin. Vgl. hier- 
über Brehm, Tierleben (Neuausgabe) II, pag. 381. 



16 Der Igel. 

bei der hervorragenden Intelligenz des Maulwurfs nicht leicht 
ist^ ihm beiznkommen, so ist zu dieser Art von Jagd eine^ 
nicht geringe Dosis von Schlauheit erforderlich. Man sagt 
daher im Franz. von einem geriebenen Kerl geradezu: Cest 
un preneur de tattpes, das ist ein Maulwur&fänger. Der Maul- 
wurfqäger mufi ferner^ um das Tier nicht zn yerscheuchen^ 
leise und vorsichtig auftreten^ weswegen im Franz. marcher 
comme un preneur de tmupes gleise auftreten^ bedeutet Anch 
wird tcuu/pier = preneur de taupes im Sinne von ^Dttckm&user^^ 
gebraucht. 

Der IgeL 

Die romanischen Bezeichnungen fär Igel gehen mit Aus» 
nähme des ital. spinoso oder porco apino, das eigentlich „Stachelr< 
Schwein^ bedeutet, auf lat. ericeus zurück: itaL riccio^ span. 
erieo^ frz. hiriesan. Auch engl, urchin ist romanisch, da es dem 
Altfrz. entlehnt ist. Das ältere germanische Wort hedgehojt 
bedeutet wörtlich „Heckenschwein^, womit sich das in deut- 
sehen Dialekten vorkommendie Zaunigel vergleichen läßt. 
Urchin und hedgehog verdrängten das altengl. iglj wogegen, 
sieh das Wort im Deutschen als lebenskräftig erwies. 

Was nun die metaphorische Verwendung des Wortes be- 
trifft, so ist allen genannten Sprachen die Auffassung des 
Igels als stacheligen Tieres gemeinsam, wie ja der Italiener 
neben riccio auch parco spino oder spinoso gebraucht. Wenn 
sich der Igel zusammenrollt, so^ sieht er tatsächlich einer 
stacheligen Kugel täuschend ähnlich, weswegen die Sprache- 
stachelige Gegenstände ohne weiteres mit „IgeP^ bezeichnet. 
So wird im Deutschen und Engl sowie üi den romanischen^ 
Sprachen der Name des Tieres für Stachelfruchtpflanzen 
und zwar namentlich zur Bezeichnung der stacheligen Schale 
der Kastanie gebraucht Im Franz. und Span, werden auck 
die Eisenspitzen, die man auf Mauern anbringt, um das Er- 
klettern derselben zu erschweren „hMssons^^, resp. „erizoä^^ ge- 
nannt. Auch auf andere Tiere, die mit dem Igel eine gewisse 
Ähnlichkeit haben, wurde das Wort übertragen. Der See- 
igel findet seine Analoga in engl, seorurchinj ital. riccio di 
mare, span. erizo de mar. Ob firz. oursin auf ericeus zurück- 



Der Igel. 17 

geht, ist nicht ausgemacht; jedenfalls ist das Wort volks- 
etymologisch an ours „Bär" angeglichen. Man vergleiche da- 
mit frz. hirissonne, deutsch Bärenraupe. Das Span, und 
Franz. weisen auch verbale Weiterbildungen auf: erizarse, se 
hSrisser „sich emporsträuben", von Haaren gebraucht. Daher 
auch span. erizado „borstig". 

Mit dem Stachligen ist der Begriflf des Krausen ver- 
wandt, daher ital. riccio „gekraust, lockig" und als Substantiv 
geradezu „Locke", davon wieder als Metapher zweiten Grades 
die Bedeutung „geringelter Hobelspan". Mit Bezug auf die 
gekräuselten Schamhaare bezeichnete man im Deutsch des 
16. Jahrhunderts den weiblichen Geschlechtsteil als „Igel" und 
für den Beischlaf wurde der Ausdruck den Igel stechen 
gebraucht. 

Ohne weiteres einleuchtend ist die metaphorische Ver- 
wendung des Wortes auf moralischem Gebiete. Von dem Bilde 
des seine Stacheln als Schutzwaife gebrauchenden Igels her- 
genommen ist der Gebrauch des Wortes für einen brummigen, 
unzugänglichen Menschen. Hierin stimmen das Deutsche, 
Ital., Franz. und Span, überein. Im selben Sinne kann hSrisson 
im Franz. auch adjektivisch gebraucht werden. So spricht 
man z. B. von einer humeur Mrissonne, einer „igelmäßigen" Laune. 
Demgemäß sagt der Spanier auch von einem, der böse wird: 
se eriza^ der Franzose: il se hörisse, — Eine auffallende Ab- 
weichung zeigt nur das Englische. Dem Volke mag der Igel 
infolge seiner Fähigkeit, sich in eine Kugel gleichsam zu ver- 
wandeln, leicht als ein spukhaftes Wesen erscheinen, das den 
Menschen foppt und ihn mit seinen Stacheln bedroht; daher 
im älteren Engl, urchin zunächst „Kobold", dann aber auch 
„ein neckisches Kind" und als Adjektiv „neckisch, boshaft" 
bedeutet. (Vgl. die Fabel vom Igel und dem Maulwurf). Die 
Bedeutungsspaltung in bonam et malam partem entspricht 
völlig der Vorstellung des Volkes von den Kobolden, die sich 
dem Menschen bald freundlich, bald feindlich gesinnt zeigen. 

Einer besonderen Erklärung bedarf der Ausdruck Schwein- 
igel, womit man einen unreinlichen, bzw. unflätigen Menschen 
bezeichnet. Das Wort ist ein interessantes Beispiel für Volks- 
etymologie. Es ist nämlich aus ursprünglichem „Schweinnickel" 
entstanden, das übrigens auch noch gebraucht wird. Nickel 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 2 



18 Der Luchs. 

ist Koseform von Nikolaus und wurde wie viele andere Eigen- 
namen (vgl. Stoffel, Rüpel, Hansel) zum Gattungsnamen. Es 
findet sich namentlich in Zusammensetzungen wie Zomnickel, 
Pumpernickel, Nickelmann. (Vgl. Waag, Bedeutungsentwick- 
lung unseres Wortschatzes, pag. 160.) Die ümdeutung zu 
„Schweinigel" konnte um so leichter geschehen, als der Igel 
tatsächlich infolge des ihm anhaftenden unangenehmen Ge- 
ruches im Rufe eines unreinlichen Tieres steht. Die ursprüng- 
liche Bedeutung des Wortes ist Igel mit einer Schweins- 
schnauze. Die ältere Naturgeschichte teilte die Igel nach der 
Schnauzenform in Hundsigel und Schweinigel. Möglicherweise 
ist auch die Redensart huren wie ein Igel hierherzustellen. 
(Vgl. „Schwein" als tadelnde Bezeichnung für einen unzüch- 
tigen Menschen.) Von Schweinigel wurde ein Abstraktum 
Schweinigelei gebildet. 

Rätselhaft erscheint auf den ersten Blick die Redensart 
saufen wie ein Igel, denn die Tierbiologie weiß nichts 
von einer besonderen Durstigkeit des Igels. Den Schlüssel zu 
dieser Redensart finden wir im älteren Deutsch, wo man von 
einem stets Durstigen sagte, er habe einen Igel im Leibe, 
was eine Nachbildung folgenden franz. Scherzwortes ist: 11 a 
un hirisson dans U venire \ sHl ne boit, il pique d. h. er hat einen 
Igel im Bauch. Trinkt er nicht, so sticht er. (Vgl. auch: 
ein „stechender" Durst.) 



Der Luchs. 

Das deutsche Luchs, das schon im Ahd. liihs lautete, 
wahrscheinlich zur Wurzel luh in Licht gehörig — man 
denke an die leuchtenden Augen des Tieres — ist stamm- 
verwandt mit griechisch Avy§, das als Lehnwort ins Lateinische 
aufgenommen wurde. Auf dieses lat. lynx gehen zurück ital., 
span. lince^ frz., engl. lynx. Doch ist in den romanischen Sprachen 
neben dieser gelehrten auch eine volkstümliche Bezeichnung 
üblich, nämlich ital. lupo cerviero, frz. loup-cervier, daneben auch 
chat-cervier. Diese Benennung des Tieres als „ Hirsch wolf" 
bezieht sich auf die Lieblingsbeute des Luchses, den Hirsch. 
Hiermit läßt sich der in der Schweiz übliche Name des Tieres, 



Der Luchs. 19 

Tierwolf, vergleichen, wobei „Tier" die in der Sprache der 
Jäger übliche Bezeichnung der Hirschkuh ist. Treffender ist 
die frz. Bezeichnung chaUcervier „Hirschkatze", da der Luchs 
ins Katzengeschlecht gehört und somit kein Verwandter des 
Wolfes ist. Auf ein von lynx gebildetes lyncea gehen zurück 
ital. lonza^ frz. mit mißverstandenem Anlaut Vonce^ mit welchem 
Worte nicht der Luchs, wohl aber ein ihm nahe verwandtes 
Raubtier, nämlich der Jaguar, bezeichnet wird. Auch ins 
Deutscheist das Wort eingedrungen, und zwar in der Form Unze. 

Was nun die EoUe betrifft, die der Luchs in der 
Phraseologie spielt, so ist es zunächst sein scharfes Gesicht, 
das eine metaphorische Verwertung erfahren hat. Glaubte 
man doch früher, der Luchs könne mit seinen funkelnden 
Augen durch eine Mauer hindurchsehen. Und zwar zeigen 
hierin sämtliche Kultursprachen eine auffallende Übereinstim- 
mung. So sagt man im Deutschen von einer scharfäugigen 
Person, sie habe Luchsaugen. Ebenso gebraucht man im 
Engl, lynx^s eyes, im Ital. occhi di lince, auch occhi lincei oder 
vista di lince, im Span, ojos de lince oder, indem lince adjek- 
tivisch gebraucht erscheint, ojos linces. Analog sagt man im 
Franz. von einem, der gute Augen besitzt: 11 a des yeux 
de lynx, was, auf die abstrakte Begriffssphäre übertragen, 
auch bedeuten kann: Er durchschaut die Pläne anderer. Als 
Symbol der Scharfaugigkeit wird der Luchs häufig in Gegen- 
satz gebracht zum Maulwurf, dem Sinnbild der Blindheit. So 
sagt man z. B. im Franz. von einem, der wohl die Fehler 
der anderen, seine eigenen aber nicht bemerkt: 11 est lynx 
envers ses pareils et taupe envers soi, er ist Luchs gegen seine 
Nächsten und Maulwurf gegen sich. Auch im Span, findet 
sich dieses Sprichwort. Im Deutschen wird „Luchs" über- 
haupt verwendet zur Bezeichnung eines scharf aufpassenden 
Menschen, wohl auch mit Beziehung auf die Gewohnheit des 
Tieres, von einem Baumast aus auf das vorbeiziehende Wild 
zu lauem, weswegen luchsen soviel als „lauem, aufpassen" 
bedeutet. 

Wie einerseits häufig Kurzsichtigkeit oder Blindheit als 

Symbol geistiger Blindheit erscheint — es sei z. B. an den 

Maulwurf erinnert — so gilt andererseits ein scharfes Auge 

oft als Sinnbild eines scharfen Verstandes. Daher im Deutschen 

2* 



20 I>er Löwe. 

„Luchs" nicht bloß Bezeichnung einer scharfäugigen, sondern 
auch einer schlauen Person sein kann. An diesen Gebrauch 
von „Luchs" knüpfen an die Zeitwörter abluchsen und 
beluchsen. Das erstere bedeutet: jemd. auf schlaue 
Weise etwas abschwindeln, das zweite ist ohne weiteres ein 
Synonym von „begaunern". Auch kann das einfache „luchsen", 
transitiv gebraucht, den Sinn von „stibitzen" annehmen. Der 
Italiener scheint dem Luchs gleichfalls besondere Intelligenz zu- 
zuschreiben, wenigstens spricht dafür der Name der bedeutendsten 
Akademie der Wissenschaften in Italien : Äccademia dei Lincei, 
(linceo ist ein von lince abgeleitetes, hier substantivisch ge- 
brauchtes Adjektiv). 

Nur dem Franz. eigentümlich ist der Gebrauch von 
Luchs (loup'Cervier) als Bezeichnung für einen Wucherer. 
Zweifelsohne denkt der Franzose dabei an die Art und 
Weise, wie der Luchs sein Opfer zu Falle bringt. Wie 
alle katzenartigen Raubtiere springt er dem Tiere auf den 
Rücken und, indem er sich mit seinen Tatzen eingräbt, 
beißt er dem Opfer die Halsschlagader durch und läßt erst 
los, wenn das Tier tot zusammenbricht. So gibt auch der 
Wucherer sein Opfer erst frei, wenn es pekuniär vollkommen 
ruiniert ist. Schließlich sei noch erwähnt, daß Goethe in 
seinem Faust den Mephisto gelegentlich mit dem Titel „Höllen- 
luchs" beehrt. Der Vergleich ist treffend. Der Teufel belauert 
nach christlicher Vorstellung sein Opfer ganz nach Art des 
Luchses und wie dieser läßt er die einmal erfaßte Beute nicht 
mehr los. Übrigens spielt der Luchs in germanischen Mythen 
eine gewisse Rolle, indem z. B. Riesen sich gern in Luchs- 
gestalt zu verwandeln pflegen. 



Der Löwe. 

Die romanischen Namen für dieses Tier : ital. leone, span. 
leon, frz. Hon gehen sämtlich auf lat. feo zurück. EngL lion 
ist Entlehnung aus dem Französischen. Das deutsche Löwe*) 



*) Der Familienname „Löwe" beruht in den meisten Fällen auf Um- 
deutung von „Lewy". 



Der Löwe. 21 

beruht auf ahd. lewo, lewo, und dieses geht gleich den roma- 
nischen Bezeichnungen auf lat. fco zurück. Neben Löwe kommt 
übrigens auch die Form Leu vor, die jedoch im Neuhoch- 
deutschen nur in poetischer Sprache verwendet wird. (Vgl. 
Seiler, Die Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel des 
deutschen Lehnworts, n pag. 65.) 

Obwohl exotischen Ursprungs, ist der Löwe in Europa 
so bekannt geworden, daß er in Sprache und Literatur nahezu 
wie ein einheimisches Tier behandelt wird. Häufig ist sein 
Bild auch als Wappen, als Wirtshausschild, für Orden und 
Münzen verwendet worden. (Über seine Rolle in der Heraldik 
vgl. Sachs, Zusammenhang von Mensch und Tier, Neuphil. 
Zentralbl. 1903, pag. 134.) Sogar auf Bettvorlegern erscheint 
er, wofür man im Deutschen die scherzhafte Bezeichnung ge- 
zähmter Löwe gebraucht. Die Ausnahmsstellung, die er 
als „König der Tiere" in der Auffassung der Völker einnimmt, 
spiegelt sich in der Sprache wieder. Bei allen Völkern er- 
scheint er als Symbol der Kühnheit und Kraft und dem ent- 
spricht auch die metaphorische Verwertung, die sein Name 
in den verschiedenen Sprachen findet. 

So auffallend des Löwen äußere Erscheinung auch ist, so be- 
ziehen sich doch nur wenig Metaphern auf dieselbe. Es wäre im 
Deutschen höchstens Löwenmähne zu erwähnen, womit man 
meist ironisch überlanges Haupthaar bezeichnet Auf der Farbe 
des Felles beruht span. leonado, das demnach „schmutziggelb, 
fahl" bedeutet. Die Klaue des Löwen wird metaphorisch ver- 
wendet in dem franz. Sprichwort A Tongle on connati le Hon, an 
der Klaue erkennt man den Löwen (lat. ex ungue Uonem), d. h. 
der kleinste Zug genügt, um einen großen Mann erkennen zu 
lassen. Dieses Sprichwort, das sich auch im Ital. (dalV ugne 
si conosce il hone) und im Engl, {you may know the lion hy his 
claw) findet, ist klassischen Ursprungs. Lucian erzählt nämlich 
von Phidias, er sei im stände gewesen, genau die Größe eines 
Löwen anzugeben, sobald er dessen Klauen besehen habe. 
(Vgl. Eozän, Les animaux dans les proverbes, pag. 231 ff.) 
Der Löwe ist das starke Tier xav' e^oxrjv: daher im 
Deutschen der Ausdruck löwenstark. Desgleichen be- 
zeichnet man im Ital. hervorragende Stärke mit forza 
leonina und wenn der Italiener von febbre da leoni „Löwen- 



22 I>er Löwe. 

fieber^ spricht, so meint er damit einen hohen Grad von 
Fieber, wie ja auch die Namen anderer starker Tiere, wie 
Bär und Pferd, in ähnlicher Weise verwendet werden. So 
sagt man im Ital. auch fehbre da cavalli für febbre da leoni 

Der metaphorische Gebrauch von Löwenanteil beruht 
auf einer allen Literaturen geläufigen Fabel. Es ist dies die 
Fabel von dem Löwen, der mit dem Fuchs und dem Esel auf 
die Jagd zieht und den mit der Teilung der Beute beauf- 
tragten Esel zerreißt^ da dieser wider sein Erwarten die Beute 
in drei gleiche Teile geteilt. Der Fuchs, dem hierauf das 
Geschäft des Teilens aufgetragen wird, weist schlauerweise 
dem Löwen den größeren Teil zu und antwortet auf dessen 
Frage, warum er anders teile als der Esel, mit den Worten: 
„Das Unglück des Esels hat mich gelehrt, was ein Schwächerer 
dem Mächtigeren schuldig ist.^ Wenn man übrigens von 
jemand sagt, er habe den „Löwenanteil' erhalten, so meint 
man damit nicht immer, er habe als Stärkerer sich wider- 
rechtlich ein Plus angeeignet, sondern man will nur sagen, es 
sei ihm aus diesem oder jenem Grunde der größere, bzw. größte 
Teil zugefallen. Die Metapher hat demnach eine Bedeutungs- 
erweiterung erfahren und wird in diesem Sinne auch in den 
übrigen Eultursprachen gebraucht, so z. B. im Engl. : the liovCs 
share, im Ital. : la parte del leone, im Span. : la parte konina. 
Enger an den Sinn der Fabel schließt sich an das frz. maxime 
leonine und das span. mdxima leanina, was man frei mit 
„Löwenmoral" wiedergeben könnte und womit auf die Ant- 
wort des Fuchses in der Fabel angespielt wird. Im Span, 
kommt auch contrato leonino „Löwen vertrag" vor, womit 
man einen Vertrag meint, bei welchem der Schwächere den 
Kürzeren zieht. 

Der Löwe ist aber nicht bloß Symbol der Stärke, sondern 
auch des Mutes, mit der Nebenvorstellung des Großmutes 
dem Besiegten gegenüber. Mut ist ja meistens nur die 
moralische Folge physischer Überlegenheit. Schon im Lat. 
bezeichnete man mit leo einen kühnen, herzhaften Mann. An 
diese Auffassung haben sich sämtliche moderne Kultursprachen 
angeschlossen. So sagt man im Deutschen von tapferen 
Kriegern: sie kämpfen wie Löwen, und auch den übrigen 
Kultursprachen ist diese Eedensart nicht fremd (z. B. ital. 



Der Löwe. 23 

combatiere da leovi). Ein beherzter Mann wird auch ein 
löwenherziger Mann genannt und König Richard von 
England, der tollkühne Kreuzfahrer, wurde infolge seiner 
mannigfachen Heldentaten vom Volke mit dem Beinamen 
lion-heart „Löwenherz" ausgezeichnet. (Vgl. auch lion- 
hearted „löwenherzig".) Einem Bramarbas, der mit den 
Taten seines zweifelhaften Mutes prahlen will, ruft der 
Italiener zu: Non fare il leonel tue nicht, als wärst du 
ein Löwe! während der Spanier von einem eisenfresse- 
rischen Aufschneider sagt, er schlage dem Löwen die Kinn- 
backen ein {desquijarar leoms\ was als das non plus ultra 
der Kühnheit gilt. Wenn im Londoner Slang der Hase ,^lion^^ 
genannt wird, so beruht diese Bezeichnung auf Ironie, die 
die Dinge nach ihrem . Gegenteil zu benennen pflegt, wie 
ja tatsächlich der Hase als Symbol der Feigheit das Gegen- 
spiel des Löwen ist. Daher sagt auch der Italiener cuore 
di cofiiglio e pelle di leone, Kaninchenherz und Löwenfell, 
von einem trotz seiner Körperstärke feigen Menschen. Eben- 
so wird der Hirsch dem Löwen gegenübergestellt in den ital. 
Sprichwörtern: / cervi non comandano ai leoni, die Hirsche 
haben den Löwen nichts zu befehlen, d. h. der Schwache soll 
nicht über den Starken herrschen, und Väl piü un leone a 
capo di cento cervi che un cervo a capo di cento leoni, ein Löwe 
an der Spitze von hundert Hirschen ist mehr wert als ein 
Hirsch an der Spitze von hundert Löwen, d. h. im Kriege 
kommt es hauptsächlich auf die Tüchtigkeit des Führers an. 
Hierher zu ziehen ist auch das engl. Sprichwort: The lion's 
not half so fierce as he is painted, der Löwe ist nicht halb so 
wild als er gemalt wird (vgl. span. No es tan bravo el 
leon como lo pintan), was dem deutschen Sprichwort entspricht: 
Es wird nicht so heiß gegessen als gekocht wird. Einerseits 
auf die Schlauheit des Fuchses, anderseits auf die Kühnheit 
des Löwen bezieht sich im Engl, die sprichwörtliche Redens- 
art to patch a fox's tau to a lion^s shin, einen Fuchsschwanz 
an ein Löwenfell heften, d. h. Schlauheit mit Kühnheit ver- 
einen, wozu im Franz. coudre la peau du renard ä celle du 
lion, ein Fuchsfell an ein Löwenfell nähen, ein Analogon bildet. 
Man sagt auch: Ce que lion ne petdj renard le fait, was der 
Löwe nicht kann, macht der Fuchs. (Vgl. Rozan, Les animaux 



24 I>er Löwe. 

dans les proverbes, pag. 236 ff.) Ähnlich sagt der Italiener : La 
volpe ne sa piü del Uone, der Fuchs weiß mehr als der Löwe. 
Stärke mit Kühnheit gepaart verleiht Macht. Es er- 
scheint der Löwe daher auch als Symbol der Macht, figuriert 
er doch im Tierepos und in der Tierfabel als König der 
Tiere. In diesem Sinne ist vom Löwen die Bede in dem 
engl. Sprichwort: IVs better to he head of a lüard than tau 
of a lion, das sich auch im Ital. findet: Meglio capo di 
lueertola che coda di leone, besser Kopf einer Eidechse als 
Schwanz eines Löwen, d. h. besser ist es, in kleinen Verhält- 
nissen der Erste als in großen der Letzte zu sein. Anstatt 
capo di lueertola heißt es auch capo di gatto „Kopf einer Katze''. 
Analoga finden sich auch in anderen Kultursprachen. So im 
Span. : Antes cdbeza de goto (raton) qtie coda de leön, im Franz. : 
Mieux taut Hre tete de chat que queue de Hon. Im Engl, kommt die 
Variante head ofa dog „Kopf eines Hundes" für head ofa Ivsard vor. 
Der geringgeschätzte Hund wird zum mächtigen Löwen auch 
in Gegensatz gebracht in dem deutschen Sprichwort: Ein 
lebender Hund ist besser als ein toter Löwe, d.h. 
besser arm und gesund als reich und krank (vgl. ital. ^ meglio 
un carte vivo che un leone morto, franz. Chien en vie vaut miei4X 
que lion mort), ferner in der sprichwörtlichen franz. Redensart 
bcUtre le chien devant le lion, den Hund vor dem Löwen schlagen, 
was unserem deutschen „den Sack schlagen und den Esel meinen'^ 
entspricht. Der Mächtige zieht den Bück der Menge auf sich, 
daher im Engl, der Ausdruck lion of the day „Löwe des Tages" 
für eine Modeberühmtheit, eine Person, die gewissermaßen 
Herrscher ist im Bereich der Mode. Diese Metapher, die auch ins 
Deutsche (vgl. Gesellschaftslöwe), Franz. und Ital. ein- 
drang, entstand im 18. Jahrhundert in London, wo der neugierigen 
Menge im Tower zum ersten Mal ein Löwe gezeigt wurde. 
Hierauf bezieht sich auch die engl. Redensart to show the lions, 
einem Fremden die Löwen, d. h. die Ortsmerkwürdigkeiten 
zeigen. Demnach wird lion-hunter „Löwenjäger" metaphorisch 
gebraucht für einen Menschen, der Berühmtheiten und Orts- 
merkwürdigkeiten nachjagt. Bei der Häufigkeit solcher Indi- 
viduen gerade unter den Engländern ist es nicht zu ver- 
wundern, daß das Englische dafür einen eigenen Ausdruck 
disponibel hat. Auch ein Verbum, to lionise, wird in derselben 



Der Löwe. 25 

metaphorischen Bedeutung gebraucht und bedeutet daher ent- 
weder „jemand als Berühmtheit anstaunen" oder „die Orts- 
raerk Würdigkeiten in Augenschein nehmen". Bezeichnete man 
mit Hon den Modehelden, so nannte man die Modedame lioness, 
was dem franz. Uonm entspricht, welches Wort mit der Zeit eine 
etwas anrüchige Bedeutung bekam. (Vgl. das Drama von 
Augier „Les lionnes pauvres".) Auch Uonceau „junger Löwe" 
wird metaphorisch gebraucht, und zwar ironisch für einen 
Stutzer plebejischer Herkunft, d^r die Manieren der feinen 
Welt nachzuahmen sucht. 

Bei aller Sympathie, die der Löwe dem Menschen einflößt, 
bleibt er doch ein für ihn gefährliches Tier und es kommt auch 
diese Seite seines Wesens in der Sprache zum Ausdruck. Er muß 
gich's sogar gefallen lassen, daß die Bibel ihn als Vergleichs- 
objekt für den Teufel benutzt, indem sie von letzterem be- 
hauptet, daß er umhergehe wie ein brüllender Löwe. 
{Vgl. brüllen wie ein Löwe.) Wenn der Engländer sagen 
will, daß eine furchtbare Gefahr im Anzug ist, so drückt er 
<lies gern aus mit den Worten: A lion is in the way , ein 
Löwe ist auf dem Wege (stammt aus den Sprüchen Salomonis 
26, 13), und von jemand, der sich einer großen Gefahr aus- 
setzt, sagt er: He puishis head into the liorCs mouth, er steckt 
seinen Kopf in des Löwen Eachen, während im Ital. und 
Franz. der Wolf an Stelle des Löwen tritt. Im Deutschen 
wendet man eine ähnliche Redensart an, nämlich sich in 
die Höhle des Löwen wagen. Ihren Ursprung findet 
man in der 246. Fabel des Äsop. Daselbst antwortet der 
Fuchs dem in der Höhle krank liegenden Löwen auf dessen 
Frage, warum er nicht nähertrete : „Ich träte ein, wenn ich nicht 
die Spuren vieler Hineingehender, aber keines Hinausgehen- 
den sähe". (Vgl. Büchmann, Gefl. Worte, pag. 411.) So nennt 
auch der Spanier das Spielhaus eine Löwenhöhle {leonera), da 
derjenige, der sich in ein solches Lokal wagt, den pekuniären 
Ruin riskiert. Dementsprechend wird der Spielhalter leonero 
genannt. Hierher zu ziehen ist ferner der Vergleich eines in 
heftigen Zorn geratenden Menschen mit einem wütenden 
Löwen, welche Metapher hauptsächlich dem Deutschen ge- 
läufig ist. Auf die Raubtiematur des Löwen bezieht sich 
auch die Redensart : Wenn der Löwe Blut geleckt ha* 



26 Der Tiger. 

(zu ergänzen: dann will er nichts mehr anderes), d. h. hat 
man einmal angefangen, an einer Sache Gefallen zn finden,, 
kann man nicht mehr von ihr lassen. Ebenso hei£t es engL 
when the lion hos licked blood. 

Schließlich mögen hier noch einige Tiere angeführt werden,, 
die nach dem Löwen benannt sind. Da ist in erster Linie 
der Leopard zu nennen. Das griechische keÖTtaQÖog drang 
auf dem Umwege über das Lateinische in die modernen 
Sprachen ein : ital., span. leopardo, franz. liopard, deutsch Leopard,, 
engl, leopard. Im Span, existiert übrigens eine auf volks- 
tümliche Angleichung an pardo „gefärbt" beruhende Form 
leon pardo, was mit Anspielung auf das scheckige Fell des 
Tieres „gefärbter Löwe" bedeutet. Indes ist in sämtlichen 
Kultursprachen auch die einfache Form üblich: ital., span. 
pardo, franz., engl, pard, deutsch Pardel. Femer ist zu 
nennen der Seelöwe, ein durch Gesichtsbildung, Färbung 
des Felles und nicht zuletzt durch seine Mähne an den Löwen 
erinnernder Flossenfüßler ; die gleiche Benennung weisen die 
übrigen Sprachen auf: engl, sea-lion, ital., span. leon {leon} 
marino, frz. lion marin. Beim Löwenäffchen ist die Mähne 
das tertium comparationis : engl, lion-monkey, ital. scimmia Uone^ 
frz. singe-lion, span. leoncito, was wörtlich „kleiner Löwe" 
heißt. Erwähnt sei noch, daß im Span, die Biesenschlange 
wegen ihrer außerordentlichen Stärke und Gefährlichkeit lern 
„Löwe" genannt wird. Auch Geschütze und Schiffe führten 
früher häufig seinen Namen und heute noch wird er in der 
franz. Marine als Schift'sbild gebraucht. 



Der Tiger. 

In etymologischer Beziehung ist von dem Namen dieses 
Tieres nicht viel zu sagen. Das Wort ist griechischen Ur- 
sprungs (TiyQig), also bereits im Lat. Lehnwort. Auf lat. tigris 
gehen ital., span., frz. tigre zurück. Engl, tiger, deutsch 
Tiger sind ihrerseits wieder dem Eomanischen entlehnt. 

Was in der äußeren Erscheinung des Tigers am meisten 
auffällt, ist sein gestreiftes Fell. Hierauf ist es jedenfalls 
zurückzuführen, wenn im Franz., seltener im Engl, das Wort 



Der Tiger. 27 

Tiger für einen Reitknecht oder Lakaien gebraucht wird, 
indem die Livree dieser Bediensteten häufig gestreift ist und 
so an das Tigerfell erinnert. Im engl. Slang wird ge- 
streifter Speck mit „%er" bezeichnet. Auch werden Tiere 
von ähnlicher Zeichnung nach dem Tiger benannt: Tiger- 
hund, Tigerpferd, Tigerkatze, Tigerwolf (gestreifte 
Hyäne). Engl.: tiger-dog, tiger-horse etc, frz.: chien tigre, cheval 
tigre oder auch einfach tigre. Übrigens existieren im Span, 
und Franz. verbale Weiterbildungen von tigre; span. atigrar, 
frz. tigrer „tigerartig färben", wovon hauptsächlich die parti- 
cipia perfecti atigrado, resp. tigrd gebräuchlich sind, denen das 
ital. tigrato entspricht. So wird das deutsche „Tigerhund", 
„Tigerpferd" etc. im Ital. mit cane tigrato, cavallo tigrato, 
im Span, mit perro atigrado, cavallo atigrado wiedergegeben. 
Das Engl, besitzt hierfür ein eigenes Adjektiv tigrine, während 
tigrish sich auf die weiter unten zu erörternden ethischen 
Eigenschaften des Tigers bezieht. Auf die Schnelligkeit des 
Tieres spielt an engl, tiger-footed „tigerfüßig", für welche 
Metapher sich in den übrigen Sprachen kein Analogon findet, 
es sei denn, man zöge das im Pariser Theaterargot als Be- 
zeichnung einer angehenden Tänzerin übliche tigre hierher, 
wobei jedenfalls ironischer Weise die Entrechats der Tänzerin 
mit den Sprüngen eines Tigers verglichen werden. (Vgl. rat.) 

In semasiologischer Hinsicht bemerkenswert ist tiger im 
amerikanischen Engl, als Bezeichnung eines Beifallsgebrülles: 
three cheers and a tiger, drei Vivats und ein Brüllen. Diese 
Metapher beruht auf einem interessanten Fall von Metonymie, 
indem nämlich der Name des Tieres für die von ihm hervor- 
gebrachten Laute gesetzt wird (Ursache für Wirkung). (Vgl. 
in der deutschen Soldatensprache Frosch für den falschen 
Ton des Hornisten.) Die entgegengesetzte Erscheinung, Be- 
nennung eines Tieres nach seiner stimmlichen Betätigung, 
kommt viel häufiger vor. Man denke an Tiernamen wie 
Kuckuck, Uhu, Krähe etc. 

Was nun die psychischen Eigenschaften des Tigers be- 
trifft, so sind alle Kultursprachen darin einig, in ihm das 
Symbol der Grausamkeit und Blutgier zu sehen, was übrigens 
dem wirklichen Wesen dieses Eaubtieres durchaus nicht wider- 
spricht. So charakterisiert Geibel in seinem grandiosen Ge- 



28 Der Wolf. 

dichte „Der Tod des Tiberius" den römischen Tyrannen vor- 
trefflich, indem er ihn den „greisen Tiger** nennt. Wenn^der 
Engländer von jemandem sagt, er sei tiger-hearted „tigerherzig", 
so meint er damit, er sei grausam. In ähnlicher Weise 
spricht der Italiener von instinti tigreschi „tigerhaften", d. h. 
grausamen Instinkten (vgl. auch feroce come una tigre, wild 
wie ein Tiger), der Spanier von einem corazön atigrado, der 
Franzose von einem cceur de tigre. Übrigens wird auch das 
Feminium metaphorisch verwendet. So bezeichnet der Spanier 
ein grausames Weib mit %m, der Franzose mit tigresse. 
Letzteres Wort wird hauptsächlich in ironischem Sinne von 
erotischer Unnahbarkeit gebraucht, bezeichnet also eine mehr 
passive Grausamkeit. Wenn der Franzose daher von einem 
Weibe sagt: Elle rCest pas tigresse, sie ist keine Tigerin, so 
meint er damit, sie sei nicht unerbittlich. 

Weniger befindet sich die Sprache in Übereinstimmung 
mit der Naturgeschichte, wenn sie den Tiger als Symbol der 
Eifersucht verwendet. Brehm wenigstens weiß nichts von 
einer besonderen Eifersucht des Tigers zu berichten. Gleich- 
wohl sagt man im Deutschen sehr häufig: Er ist eifer- 
süchtig wie ein Tiger. Ebenso heißt es im Franz.: // 
est jaloux comme un tigre. Es mag hierbei an eine Eifersucht 
gedacht werden, die sich in Wutausbrüchen und Gewalttätig- 
keiten äußert. Dann hätten wir es hier mit einer Metonymie 
zu tun, indem die Ursache für die Wirkung gesetzt erscheint, 
gleichsam: Er ist (eifersüchtig und daher) wütend wie ein 
Tiger. Ganz vereinzelt ist der Gebrauch von tiger im Engl, 
für Prahler, namentlich in Kleidung und Benehmen. Diese 
Metapher beruht wohl darauf, daß der Tiger in Europa als 
exotisches Tier allgemein angestaunt wird und der Prahler 
ein ähnliches Aufsehen zu erregen wünscht. 



Der Wolf. 

Das deutsche Wolf, das schon im Ähd. so lautet, und 
das engl, wolf, altengl. toulf, beruhen auf germanisch umlfo — . 
Die romanischen Bezeichnungen dieses Tieres gehen sämtlich 
auf lat. lupm zurück : ital. lupo, span. loho, frz. loup, altfrz. leu, 



Der Wolf. 29 

das noch erhalten ist in der Redensart aller ä la quetie leu leu, 
auf die wir weiter nnten zurückkommen. 

. Die Metaphern, die auf physischen Eigenschaften des 
Wolfes beruhen, sind nicht eben zahlreich. Besonders charak- 
teristisch ist die Gangart der Wölfe. Diese Tiere gehen 
nämlich eines hinter dem anderen her, worauf die frz. Redens- 
art aller a la queue leu leu beruht. Dieses leu leu (richtiger 
wäre le leu), ein nicht mehr verstandenes Überbleibsel aus 
dem Altfranz., bedeutet soviel wie das moderne du loup. Die 
wörtliche Übersetzung der Redensart wäre demnach „am 
Wolfsschwanze gehen", was unserem deutschen ,,in Gänse- 
marsch gehen" entspricht. Hingegen nimmt eine andere franz. 
Redensart : marcher d pas de loup, im Wolfsschritt gehen, d. h. 
leise auftreten, Bezug auf den leisen, fast unhörbaren Tritt 
des Wolfes. Der Wolf gang wurde im Deutschen sogar zum 
Taufnamen. Hierher zu ziehen ist auch das ital. loffh oder 
loffia „crepitus ventris", das auf ein von lupus abgeleitetes, 
supponiertes lupea zurückgeht und unserem „Schleicher" ent- 
spricht. Ein interessantes Beispiel von Metonymie liegt vor 
in saut de loup „Wolfssprung", einem militärischen terminus 
technicus, mit dem man eine als Annäherungshindernis bei 
Feldverschanzungen dienende Grube bezeichnet, in deren Sohle 
man spitze Pfähle eintfeibt. Die Bezeichnung saut de loup 
erklärt sich darausTaaB man in frühö-en Zeiten ähnliche 
Gruben zum Fangen von Wölfen anlegte. Im Deutschen ist 
dafür die Bezeichnung Wolfsgrube üblich. Im negativen 
Sinne bezieht sich auf die Farbe des Wolfes die franz. Redens- 
art: 11 est connu comme le loup blanc, er ist bekannt wie der 
weiße Wolf, d. h. jedermann kennt ihn. Ein so abnorm ge- 
färbtes Tier würde sofort die allgemeine Aufmerksamkeit auf 
sich ziehen und allerorten bekannt werden. Im Deutschen 
sagt man ähnlich: bekannt sein wie ein roter oder bunter 
Hund. Es ist selbstverständlich, daß es sich bei beiden Redens- 
arten um ein Bekanntsein in schlechtem Sinne handelt. Wenn 
der Spanier den Sohn eines Indianers und einer Negerin lobo 
und der Italiener den Grauschimmel cavallo lupino nennt, so 
ist das tertium comparationis gleichfalls die Farbe. Wird je- 
doch im Deutschen eine durch starkes Reiten oder Gehen am 
Gesäß hervorgerufene Entzündung „Wolf" genannt so wird 



30 Der Wolf. 

dabei die wund gewordene Haut mit dem rauhen Felle des 
Wolfes verglichen. Gleichfalls auf die Rauheit des Felles 
bezieht sich im Franz. die Bezeichnung täe de loup „Wolfs- 
kopf" für eine runde, an einem langen Stabe befestigte Bürste, 
die zum Reinigen der Zimmerdecke verwendet wird. Beiläufig 
sei hier erwähnt, daß im älteren Engl. woJfs head „Wolfs- 
haupt" (Metapher und Metonymie) für einen Geächteten ge- 
braucht wurde, dem eben jeder wie einem Wolfe den Kopf 
abschlagen durfte. Für die Spaltung des harten Gaumens, 
eine angeborene Mißbildung, ist im Deutschen der Ausdruck 
Wolfsrachen üblich (engl, wolfs jaw, ital. hocca di lupo, 
frz. gueule-de-loup), wohl deshalb, weil dieser Defekt die Mund- 
höhle größer erscheinen läßt. 

Wenn früher im Franz. eine schwarze Sammetmaske mit 
hup bezeichnet wurde, so ist darin wohl nicht eine Anspielung 
auf die Beschaffenheit des Wolfsfelles zu sehen, sondern es 
soll vielmehr damit ausgedrückt werden, daß eine solche Maske 
dem Gesichte etwas Unheimliches, Furchterregendes verleiht. 

Daß der Wolf als häßliches Tier gilt, ergibt sich aus dem 
Gebrauch von span. lola „Wölfin" für eine häßliche oder ge- 
schmacklos gekleidete Frau. Dasselbe Wort wird auch auf 
ein unschönes Kleidungsstück angewendet, nämlich einen langen 
Leibrock ohne Ärmel, wie ihn früher Studenten trugen. 

Von ungleich größerer Wichtigkeit sind die Metaphern, die 
von psychischen Eigenschaften des Wolfes hergenommen sind. 
Zunächst Ist zu bemerken, daß alle modernen Kultursprachen in 
der Auffassung vom Wesen des Wolfes eine auffallende Über- 
einstimmung zeigen, und zwar erscheint der Wolf durchgehends 
als antipathisches Tier, während bei anderen Raubtieren, 
z. B. dem Bären, die Sprache doch hier und da eine gewisse 
Sympathie durchblicken läßt. Wenn wir von dem ital. lupo 
di mare, frz. hup de mer*) absehen, das als Bezeichnung eines 
rauhen Seemanns unserem „Seebären" entspricht und daher 
keinen tadelnden Sinn hat, so liegt sämtlichen auf den Wolf 



*) In dem Frauen gegenüber als Kosewort gebrauchten mon petit loup 
dürfte loup wohl nichts anderes sein als die eine Silbe des in der Einder- 
sprache gebräuchlichen loulou „Herzchen, Liebchen". Die Schreibung mit 
p beruht nur auf Angleichung an loup „Wolf". 



Der Wolf. 31 

hezüglichen Metaphern eine ungünstige Auffassung zugrunde. 
Daß dem nicht immer so war und demnach in dem gemüt- 
lichen Verhältnis des Menschen zu diesem Tiere ein Wandel 
«ingetreten ist, beweist die altgermanische Mythologie, in der 
der Wolf keine durchwegs unrühmliche Rolle spielt Als Über- 
reste dieser alten Auffassung sind einige deutsche Taufhamen 
anzuführen, in denen der Wolf geradezu als edles Tier er- 
scheint, wie in Adolf aus Adalolf „Edelwolf", Rudolf aus 
Ruodolf „Ruhrawolf". Besonders charakteristisch aber ist der 
Name Wolfram, d. h. Wolfrabe, der direkt hinweist auf die 
Bedeutung dieser Tiere in der altgermanischen Mythologie, 
da Wolf und Rabe die unzertrennlichen Begleiter Odins waren. 
Von Wolfgang war weiter oben die Rede.*) Diese Idealisierung 
des Wolfes beschränkt sich jedoch auf die germanische Welt; 
die alten Römer hatten trotz der Sage von Romulus und 
Remus, in der dem Wolfe eine ehrenvolle Rolle zufällt, eine 
mehr reale, dem wirklichen Wesen des Tieres entsprechende 
Auffassung und bedachten ihn mit den wenig schmeichelhaften 
Epithetis vorax, rapax, rdbiosus. Und als Symbol der Ge- 
fräßigkeit, Raubgiet und Grausamkeit erscheint er uns noch 
heute. 

Was zunächst die Gefräßigkeit betrifft, so finden wir 
in allen Sprachen Metaphern und Redensarten, die sich da- 
rauf beziehen. Von einem gierig essenden Menschen sagt 
man im Deutschen: Er frißt wie ein Wolf. Ebenso im 
Engl.: He is ravenoics, greedy, hungry Jike a wolf, er ist ge- 
fräßig, gierig. Hungrig wie ein Wolf Auch sagt der Eng- 
länder scherzweise : He Jias a wolf in his stomach, er hat einen 
Wolf im Magen, während man im Deutschen dafür sagt: Er 
hat einen Wolfsmagen oder einen Wolfshunger. (Vgl. 
den franz. Spruch: Jeune komme en sa croissance a un hup 
dans sa panse.) Geradezu als Synonym von Hunger erscheint 
wolf in der Redensart to Jceep the wolf from the door, den 
Wolf von der Türe fernhalten, d. h. sein Auskommen haben, 
so daß man nicht Hunger zu leiden braucht. Ferner sind im 



*) Aßerdem findet sich das Wort „Wolf" in einer beträchtlichen An- 
zahl aus der germanischen Zeit stammender Familiennamen (meistens 
Oomposita), die man bei Heintze, Die deutschen Familiennamen, pag. 263 f. 
Terzeichnet findet. 



32 Der Wolf. 

Engl. Weiterbildungen von u^lf vorhanden wie wolfer „Fresser", 
%jf>olfish ,^gefräßig^', welche beiden Ausdrücke auch auf Säufer 
angewendet werden können, womit sich im Pariser Argot 
lauper in der Bedeutung „saufen" vergleichen läßt. Schließ- 
lich kann wolf als Zeitwort gebraucht werden im Sinne von 
„gierig essen". (Vgl, im „ßeineke Fuchs" Frau Giere- 
mund als Name der Wölfin.) Allerdings kann to wolf mit 
Bezug auf den räuberischen Charakter des Tieres auch „aus- 
plündern" bedeuten. Wenden wir uns dem Ital. zu, so finden 
wir Jupo in demselben Sinne gebraucht. Besonders zu be- 
merken ist, daß im Ital. das Fem. von lupo^ lupa, ohne weiteres 
für den Begriff „Heißhunger" verwendet wird, namentlich zur 
Bezeichnung eines krankhaften Zustandes: ü male delJa lupa. 
Auch heißt es in diesem Sinne im Ital. wie im Engl, (siehe 
oben) acere nna lupa in corpo, eine Wölfin im Leibe haben. 
l>er Spanier gebraucht hierfür ein von lobo abgeleitetes lohizno. 
Das Ital. hat sich übrigens von lupo ein Verbum gebildet, 
nämlich aJluparey das in der Weise gebraucht wird, daß man 
z. B. sagt: Bo una fame ehr allupo^ ich habe einen Hunger, 
daß ich zum Wolfe werde. Auch dem Franz. ist die 
Redensart amir une faim de loup nicht unbekannt. (Vgl. 
Kolland, Faune pop. I. pag. 116.") Als Bild unersättlicher Gier 
erscheint der Wolf in dem franz. Sprichwort: Dieu garde la 
Umr des Umps^ Gott bewahrt den Mond vor den Wölfen, was 
an den altgermanischen Mythus von den Sonne und Mond 
verfolgenden Wölfen erinnert In einer anderen Version heißt 
das Sprichwort: Ia^ hnie w*(i rien a craindre des loups, der 
Mond hat von den Wölfen nichts zu befürchten. (VgL 
Kolland, Faune pop. I, pag. 123.) Im Deutschen sagt man 
in ähnlichem Sinne : Gott sorgt dafür, daß die Bäume nicht in 
den Himmel wachsen. Da Gier und Geiz nahe verwandte 
Begriffe sind — im älteren Deutsch sind die beiden Wörter 
sogar Synonyma — ist es erklärlich, daß dem Spanier der 
Wolf Symbol des Geizes ist, wie erhellt aus der Redensart: 
esperar del lobo came^ vom Wolfe Fleisch erhoffen, d. h. vom 
Geizigen Freigebigkeit erwarten. Die mittelalterliche Symbolik 
stellte die Figur des Geizes auf einem Wolfe reitend dar. 

Wenn in den romanischen Sprachen ein kreisrundes Ge- 
schwür unter der Haut „Wolf" genannt wird (span., ital. lupia^ 



Der Wolf. 33 

frz. loupe)*) so beruht diese Bezeichnung wohl auf dem gierigen 
TJnisichfressen und dem gefahrlichen Charakter dieses Ge- 
schwüres. Interessant ist, daß im Franz. diese Metapher 
wieder andere Metaphern gezeitigt hat. So bezeichnet man 
mit loupe den Knorren eines Baumes, ferner den Höcker des 
Kamels und schließlich ein rundes Vergrößerungsglas. In 
den beiden ersten Fällen ist das tertium comparationis die An- 
schwellung, in letzterem Falle die kreisrunde Form. 

Daß im Span, lobo neben mona und zorra für Rausch ge- 
l}raucht wird, wurde schon beim Aflfen erwähnt. Dieselben 
Redensarten wie mit mona und zorra werden demnach auch 
mit lobo gebildet. So sagt man coger un lobo, pillar un loho, 
«inen Wolf fangen, d. h. einen Bausch kriegen. Die Redens- 
art dormir el lobo, den Rausch ausschlafen, beweist, daß die 
Metapher als solche nicht mehr gefählt wird. 

Der Wolf ist infolge seiner Raubgier ein sehr gefährliches 
Tier ; mit Vorliebe stellt er dem Schafe nach, das ihm wegen 
seiner vollständigen Wehrlosigkeit eine bequeme Beute ist. 
{Vgl. franz. avoir le courage du loup, den Mut des Wolfes 
haben, d. h. nur Wehrlosen gegenüber mutig sein.) Auf das 
feindliche Verhältnis zwischen Wolf und Schaf bezieht sich 
«ine sprichwörtliche Redensart, die sich als lateinisches Erb- 
gut in allen romanischen Sprachen findet. Im Lat. lautet die 
Redensart: ovem lupo committere, das Schaf dem Wolfe anver- 
trauen, wofür man im Deutschen sagt: den Bock zum Gärtner 
machen (im älteren Deutsch aber auch: die Schafe dem 
W 1 f e b e f e h 1 e n). Im Ital. heißt es : dar le pecore in guardia 
<d lupo oder fare il lupo pecoraio, Span. : encomendar las ov^as 
^l lobo. Franz.: donner la brebis ä garder au hup oder wohl 
auch: enfermer le hup dans la bergerie, den Wolf im Schafstall 
einschließen. (Vgl. auch engl, to give the wolf the wether to keep, 
4em Wolf den Hammel zu hüten geben, wofür man jedoch 
häufiger sagt to set the fox to tcatch the geese, dem Fuchs die 
•Gänse in die Hut geben). Ein anderes Sprichwort, das gleich- 
falls den Wolf als ein dem Schafe gefahrliches Tier erscheinen 
läßt, heißt: Wer sich zum Schafe macht, den fressen 
«die Wölfe. Ebenso engl.: He that makes himself a sheep^ 

*) Vgl. den medisdnischen Tenninus lupus. 
Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. ^ 



34 öer Wolf. 

shaU he eaten by ihe wolf. Ital.: Chi pecora si fa, ü Iwpo lo 
mangia. Franz. : Qui se fait brebis, le hup le mange. Mit Be- 
ziehung auf die Fabel von dem Wolfe, der sich in ein Schaf- 
fell hüllt, um die Lämmer leichter zu betören, nennt man 
einen Heuchler, der seine bösen Absichten hinter harmlosem 
Wesen verbirgt, einen Wolf in Schafskleidern, ebenso 
engl.: a wolf in sheep's clothing. So sagt auch der Italiener 
von einem Heuchler: II lupo s^d vestito della pelle d'agnello, der 
Wolf hat sich in ein Lammsfell gekleidet. Vgl. lat. PeUe 
sub agnina laiitat mens saepe lupina, unter einem Lammsfell 
ist oft ein Wolfssinn verborgen, sowie im neuen Testament 
die Stelle, Matth. 7, 15: „Sehet euch vor vor den falschen 
Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig 
aber sind sie reißende Wölfe". (Weitere auf das Verhältnis 
zwischen Wolf und Schaf bezügliche Sprichwörter findet man 
bei Brinkmann, Metaphern, pag. 495 ff. und bei Rozan, Les 
animaux dans les proverbes, I, pag. 243 ff.) 

Doch auch dem Menschen kann der Wolf gefährlich werden, 
und zwar nach einem eigentümlichen, aus dem Altertum stammen- 
den Aberglauben schon durch seinen bloßen Blick. Die Alten 
glaubten nämlich, der Anblick eines Wolfes sei verderben- 
bringend, und wenn er den Menschen eher sähe als dieser ihn, so 
verliere der Mensch die Sprache. Daher bedeutet engl, to see a 
wolf, ital. aver veduto il lupo, frz. avoir vu le loup „heiser werden,, 
die Stimme verlieren". Die franz. fiedensart wird übrigens 
auch im Sinne von „viel Erfahrung haben", namentlich in 
sexueller Beziehung, gebraucht, z. B. von einem Mädchen, das 
schon manche Liebschaft gehabt hat. Das plötzliche Auf- 
tauchen eines Wolfes wirkt jedenfalls beunruhigend auf das 
Gemüt, daher ital. aver veduto il lupo auch bedeuten kann 
„Furcht haben, blaß sein" (Metonymie: Ursache für Wirkung).. 
Auf die Gefährlichkeit des Wolfes wird ebenfalls angespielt, wenn 
von jemand, der sich in einer gefährlichen Situation befindet^ 
gesagt wird, er halte einen Wolf bei den Ohren. Dem Deut- 
schen ist diese Redensart zwar fremd, wohl aber findet sie- 
sich im Engl.: to hold a wolf by the ears. Das analoge franz.. 
tenir le loup par les oreilles scheint direkt auf das lat. lupum 
auribus tenere zurückzugehen. Eine ähnliche Redensart findet 
sich im Span., nämlich ver las orejas al hbo, vom Wolf die 



Der Wolf. 35 

Ohren sehen, d. h. mit knapper Not einer Gefahr entgehen 
und dadurch gewitzigt werden. Hierher zu ziehen ist ferner 
die ital. Redensart aver provato il morso del lupo, den Biß des 
Wolfes am eigenen Leib erfahren haben, was dem deutschen 
„durch Schaden wird man klug" entspricht. Wenn jemand, 
von dem eben die Rede war, plötzlich erscheint, so sagt man, 
er sei gekommen wie der Wolf in der Fabel {lupus in 
fcibidd). Ebenso ital. II lupo e neUa favola, span. El lobo estd 
en la conseja. Es ist damit die uralte, internationale Kinder- 
fabel von dem Wolfe gemeint, der von dem Hirtenknaben 
mehrmals zum Scherze gerufen, plötzlich wirklich erscheint. 
Darauf bezieht sich auch das deutsche Sprichwort: Wird 
der Wolf (Fuchs) genannt, so kommt er gerannt. 
Engl, dementsprechend: To mention the wolfs name is to see 
the same, den Namen des Wolfes aussprechen und ihn sehen 
ist dasselbe. Ital.: Chi ha il lupo in bocca, lo ha suUa coppa^ 
wer den Wolf im Munde hat, hat ihn im Nacken. Franz.: 
Qttand on parle du hup, on en voü la queue, wenn man vom 
Wolfe spricht, sieht man seinen Schweif. Auf die oben er- 
wähnte Fabel nimmt auch Bezug die engl. Redensart to cry 
wolfj „Wolf" rufen, d. h. blinden Lärm schlagen, sowie das 
ital. Sprichwort: Non si grida al lupo, che non sia can bigio, 
wenn es auch nicht immer ein Wolf ist, so ist es doch manch- 
mal ein grauer Hund, d. h. etwas Wahres ist meistens an 
einem Gerücht. Auf die Fabel vom Wolf und Kranich spielt 
an der Ausdruck Wolfs dank für „Undank". In dieser 
Fabel wird bekanntlich erzählt, daß der Wolf dem Kranich, 
der ihm mit seinem langen Schnabel einen Knochen aus dem 
Rachen gezogen hat und dafür einen Lohn verlangt, er- 
widert, er könne froh sein, daß er ihm nicht den Hals abge- 
bissen habe. Auf dieselbe Fabel zurückzuführen ist die engl. 
Redensart to put his head into the wolfs mouth, seinen Kopf in 
des Wolfes Rachen stecken, d. h. sich unnötigerweise einer 
großen Gefahr aussetzen. Analog sagt der Italiener andare 
in bocca al lupo und der Franzose se mettre ä la gueule du loup. 
Der Wolfsrachen findet übrigens im Engl, und Span, auch in dem 
Vergleiche as darJc as a u)olfs mouth, obscuro como boca de lobo, 
finster wie eines Wolfes Rachen, metaphorische Verwendung. 

(Über den medizinischen Terminus „Wolfsrachen" vgl. pag. 30). 

3* 



36 Der Wolf. 

Wie gegen andere Gefahren, so sachte man sich im Mittel- 
alter auch gegen den Wolf durch gewisse Zauberformeln zu 
schützen. Daher die franz. Redensart savoir Ja patendtre du 
lonpj das Wolfsvatenmser können, d. h. die Mittel wissen, wo- 
durch sich irgend eine Gefahr beschwören läßt. (Vgl. Hozan, 
Les animaux dans les proverbes, pag. 250 ff.) Geradezu als 
Symbol der Gefahr erscheint der Wolf in dem franz. Sprich- 
wort: On fait toujours le hup plus gros quHl n'est, man macht 
den Wolf immer größer als er ist, d. h. die Furcht läßt die 
Gefahr größer erscheinen als sie in Wirklichkeit ist. (Vgl. 
engl. The liorCs not half so fierce as he is painted und span. No 
es tan bravo el leon, como lo pintan.) 

Auf das rudelweise Zusammenleben der Wölfe im Winter 
nimmt Bezug das deutsche Sprichwort: Mit den Wölfen 
muß man heulen, das sich auch in den übrigen Eultur- 
sprachen findet. Es lautet engl.: Who keeps Company wiüi 
wolveSy unll learn to howl, itaL : Chi pratica coi Jupi, impara a 
urlare^ span.: Quien con lobos anda, ä auUar se ensena, franz.: 
Avec les loups il faut hurler. Im Sommer lebt der Wolf einzeln, 
daher nennt der Franzose einen einsam lebenden Sonderling 
loup. (Vgl. deutsch „Bär".) 

Daß sich das Volk nicht darum kümmert, ob seine Sprich- 
wörter dem wirklichen Sachverhalt entsprechen, wenn nur die 
Idee klar zum Ausdrucke kommt, beweist das deutsche Sprich- 
wort: Ein Wolf frißt den andern nicht. Es ist im 
Gegenteil eine bekannte Tatsache, daß die Wölfe, wenn es 
ihnen an Beute mangelt, gern ihre kranken Brüder und so- 
gar die eigene Nachkommenschaft auffressen. Obiges Sprich- 
wort findet sich auch in den romanischen Sprachen : ItaL Lupo 
non mangia lupo, span. Un lobo d otro no se muerden, franz. 
Les lowps ne se mangent pas. Im Englischen tritt der Hund 
an Stelle des Wolfes: Dog does not eat dog. (Vgl. deutsch: 
Eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus.) Einen 
ähnlichen Sinn hat die span. Redensart: San lobos de una 
camada, sie sind Wölfe von einem Wurf, d. h. sie sind von 
einem Schlag. Eine genauere Kenntnis der Lebensweise des 
Wolfes verrät das deutsche Sprichwort: Wenn ein Wolf 
den anderen frißt, ist Hungersnot im Walde, das 
sich auch in den anderen Kultursprachen findet: Engl. Ifs a 



Der Wolf. 37 

hard idnter, when one ioolf eats another, ital. Quando il lupo 
mangia il compagnOj creder si deve sterile la campagna, span, 
Ctiando un loho come ä otro, no hay que comer en el soto, franz. 
H fait bien mauvais au bois, qtiand hs loups se mangent Tun 
Vaufre. Auf das sich gegenseitig Vertilgen bezieht sich fem er 
die franz. Redensart vivre en loup, wie die Wölfe leben, was 
man von Leuten sagt, die sich gegenseitig auf jede mög- 
liche Weise zu schaden suchen. Daneben kann die Redensart 
aber auch bedeuten : leben wie die Wilden. (Vgl. das horazische 
hämo homini lupus,) Demgemäß nennt der Franzose ein Land, 
dessen Bewohner ungeschlachte Manieren haben, pays de loup 
„Wolfsland". (Vgl. Eozän, Les animaux dans les proverbes, I, p.254.) 

Das hauptsächliche Vorkommen des Wolfes in nordischen 
Gegenden (nördliches Rußland, Schweden, Norwegen) erklärt 
die ital. Metapher tempo da lupi „Wolfswetter" sowie die 
franz. Redensart il fait un froid de loup, es hen'scht eine 
Wolfskälte, d. h. es ist so kalt wie in den Ländern, wo Wölfe 
vorkommen. Der Engländer nennt daher den Januar als 
den kältesten Monat wolf-month „Wolfmonat" und im Deut- 
schen wendet man „Wolf" auf einen verspätet eintretenden 
Schneefall sowie auf einen Windstoß an, der sich in einem 
warmen Zimmer bemerkbar macht. Hierher gehört ferner ital. 
raffreddato come un lupo, franz. enrhum^ comme un loup, er- 
kältet wie ein Wolf. 

Auf das Vorkommen des Wolfes in waldreichen Gegenden 
spielt an das deutsche Sprichwort: Der Hunger treibt 
den Woli aus dem Walde, wozu sich in anderen Kultur- 
sprachen Analoga finden. So engL : Hunger fetches the wolf out 
of the wood, ital.: Im fame cacda il lupo dal bosco, franz.: 
La faim fait sorür le hup du bois. Desgleichen gehört hierher 
das ital. Sprichwort: Chi piii boschi cerca, piii lupi trova, je mehr 
Wälder einer sucht, desto mehr Wölfe findet er, womit über- 
triebene Wißbegierde getadelt wird. 

Bei der nahen Verwandtschaft zwischen Wolf und Fuchs 
ist es erklärlich, daß beide Tiemamen manchmal füreinander 
gebraucht werden, so z. B. im deutschen Sprichwort: Der 
Fuchs ändert den Balg und bleibt ein Schalk, wo- 
für man auch sagt: Der Wolf ändert das Haar und 
bleibt was er war. Dieses Sprichwort findet sich a' 



38 Der Wolf. 

in den anderen Knltursprachen , und zwar bezieht es sich 
bald auf den Fuchs, bald auf den Wolf. (Vgl. die Zu- 
sammenstellung bei Reinsberg-Düringsfeld, Die Sprichwörter 
der geim. und rom. Sprachen, I, pag. 96.) Ganz deutlich 
kommt aber die Verwandtschaft der beiden Tiere, namentlich 
im Charakter, zum Ausdruck im span. Sprichwort: El lobo y 
la vulpeja ambos son de una conseja, Wolf und Fuchs sind beide 
von einem Schlag (wörtL : sie gehören beide in dieselbe Fabel), 
wofür man deutsch sagt : Gleich und gleich gesellt sich gem. 
Eine Eigenschaft, die der Wolf nicht bloß mit dem Fuchse, 
sondern mit der ganzen Hundegattung teilt, ist die stark 
entwickelte libido, weswegen lupa im Lat. und älteren Ital. 
im Sinne von „meretrix" gebraucht wird. Dementsprechend 
heißt im Lat. lupanar „Freudenhaus", welches Wort sich in 
ital. lupanare erhalten hat. (Vgl. damit den Gebrauch von 
zorra im Span.) 

Trotz ihrer nahen Verwandtschaft sind sich Wolf und 
Hund grimmig feind. Daher das deutsche Sprichwort: Zu 
Wolfsfleisch gehört ein Hundszahn, d. h. ein 
mächtiger Gegner muß mit entsprechend starken Waffen 
bekämpft werden. Auch die romanischen Sprachen besitzen 
dieses Sprichwort. So heißt es ital.: A cicda di lupo, zanne 
di cane, span. A carne de loho diente de perro, franz. A chair 
de loup dent de chien. Einen ähnlichen Gedanken drückt aus 
das deutsche Sprichwort: Wer beim Wolf zu Gevatter 
stehen will, muß einen Hund unter dem Mantel 
haben. Ebenso ital.: Chi ha il lupo per compare, porti il cane 
sotto il manteUo, und franz.: Qui a le loup pour compagnorij 
porfe le chien sous le hocton. Auf die Verwandtschaft von Wolf 
und Hund spielt auch an das dem deutschen „Vom Regen in 
die Traufe" entsprechende franz. Sprichwort : Uun edle le loup 
nous menace, de l'atdre le chien^ auf der einen Seite bedroht 
uns der Wolf, auf der anderen der Hund. Im selben Sinne 
sagt man : En fuyant le loup, on rencontre la louve, flieht man 
den Wolf, so stößt man auf die Wölfin. Ähnlich sagt der 
Italiener: Chi fugge il lupo, incontra il lupo e la volpe, wer den 
Wolf flieht, stößt auf den Wolf und den Fuchs. 

Schließlich sei noch des Werwolfs gedacht, mit welchem 
Worte eine Schöpfung der Volksphantasie bezeichnet wird, 



Der Fuchs. 39 

nämlich ein Mensch, der die Fähigkeit besitzt, sich in Wolfs- 
gestalt zu verwandeln. Früher deutete man das Wort als 
„Mannwolf', indem man im ersten Teile des Wortes das 
ahd. wer „Mann" sah. Neueren Forschungen zufolge ist 
dieses wer jedoch verwandt mit ahd. wert- = altengl. wer- = 
«ngl. to wear (Kleider tragen). Das Wort würde demnach 
„Kleiderwolf' bedeuten. Das deutsche „Werwolf ' ist übrigens 
ins Franz. eingedrungen, wo es ^u garou wurde, so daß im 
modernen loup- garou eigentlich eine Tautologie vorliegt. 
Dieses Wort wird metaphorisch auf einen ungeselligen 
Menschen angewendet, da nach dem Aberglauben des Volkes 
der Werwolf des Nachts allein in den Wäldern umherstreift. 
(Vgl. Rolland, Faune pop., I, pag. 153 ff.) Die Sage vom Wer- 
wolf ist auch in Italien verbreitet, und zwar ist die Bezeich- 
nung des Gespenstes dort lupo mannaro. Letzteres Wort leitet 
man von mania „böser Geist, Popanz" ab. Auf den Werwolf 
spielt jedenfalls auch an das franz. Sprichwort II ne faut ni 
Mre loup ni en affubler Ja peati, man soll weder Wolf sein noch 
sich in sein Fell hüllen, d. h. man soll kein Bösewicht sein, 
man soll aber auch nicht die Allüren eines solchen annehmen. 



Der Fuchs. 

Sowohl das deutsche Fuchs wie auch das engl, fox gehen 
zurück auf ein germ. fohs-. Möglicherweise ist das vorgerma- 
nische puM verwandt mit sanskrit. puccha „Schwanz, Schweift 
Eine Parallele hierzu bietet die Etymologie des span. raposo, 
das man auch mit rabo „Schwanz" in Zusammenhang bringt. 
Die Benennung des Tieres nach seinem Schwänze ist begrifflich 
sehr einleuchtend, da dieser gerade für den Fuchs durch seine 
Dimension und Haarfülle besonders charakteristisch ist. Was 
■die übrigen romanischen Bezeichnungen für „Fuchs" betrifft, 
so ist lat. vulpes in ital. volpe, span. vulpeja, gulpeja = vulpe- 
<iula und in frz. goupillon „Weihwedel" erhalten. Das übliche 
Wort für „Fuchs" im Span, ist jedoch ^orro, ^orra, das ent- 
weder aus griech. ipfhga „Krätze, Käude" entstanden oder 
mit zurrar „gerben" in Zusammenhang zu bringen ist. Was 
die Bedeutung anlangt, so decken sich beide Etymologien, 



40 ^61* Fuchs. 

insofern sie den Fachs, der bekanntlich im Sommer seine 
Haare verliert, als das „räudige, schäbige Tier" bezeichnen. 
Für zor^'o ist in einigen Gegenden Spaniens das bereits er- 
wähnte ra'po%o {raposa) üblich. Im Franz. ist das alte, auf 
vülpecula zurückgehende goupil durch renard verdrängt worden,, 
welches ursprünglich die Bezeichnung des Fuchses im Tier* 
epos war und vom Eigennamen zum Appellativum geworden 
ist. Benard ist das deutschOt-ßejriwÄarrf, das „stark im Rat" be- 
deutet, eine Anspielung auf die gro£e Schlauheit des Fuchses. 

In sämtlichen hier zur Behandlung kommenden Sprachen 
gibt es eine Fülle von Metaphern, metaphorischen Redens- 
arten und Sprichwörtern, die sich auf den Fuchs beziehen 
und von denen hier unmöglich alle angeführt werden können. 
Wir müssen uns daher darauf beschränken, die gebräuch- 
lichsten einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Der Fuchs 
hat seit den ältesten Zeiten durch seine besonderen ethischen 
Qualitäten, verbunden mit einem charakteristischen Äußeren, 
die Phantasie aller Völker beschäftigt. Spielt er doch in den 
Fabeln aller Literaturen die Hauptrolle, abgesehen davon,, 
daß er im Mittelalter der Held eines über ganz Mitteleuropa 
verbreiteten Epos war. 

Betrachten wir zunächst die Metaphern, die auf die phy- 
sischen Eigenschaften des Fuchses Bezug haben, so ist es vor 
allem die rötliche Farbe seines Pelzes, der wir einige Metaphern 
verdanken. So nennt man im Deutschen ein rothaariges Pferd 
„Fuchs" und wendet dasselbe Wort auch auf Menschen mit 
rötlichem Haupthaar an. Analog bedeutet im Engl, foicg 
„rothaarig", daneben allerdings auch mit Bezug auf den 
penetranten Geruch des Fuchses „stark und unangenehm 
riechend". Ebenso denkt der Italiener an die Farbe des Fuchs- 
pelzes, wenn er den Rost am Getreide, der bekanntlich ein 
gelbroter Staub ist, volpe und das rötliche Holz des 
Kastanienbaumes kgno volpino nennt. Gleichfalls mit Bezug 
auf die Farbe des Fuchses bezeichet man im Deutschen 
Goldstücke als Goldfüchse, was uns auch den Ge- 
brauch von frz. renard für „Trinkgeld" verständlich macht. 
In gewissen Gegenden Deutschlands wird der Rotwein 
„Fuchs" genannt, womit sich der franz. Argotausdruck 
i^enard für „Weinsuppe" vergleichen läßt. (In Frankreich 



Der Fuchs. 41 

wird allgemein Eotwein getrunken. Vgl. Nyrop, Das Leben 
der Wörter, pag. 117.) Dieselbe Bedeutung mag wohl auch 
ursprünglich das span. caldo de isorra gehabt haben, das 
in den Wörterbüchern nur in der übertragenen Bedeutung 
(Metapher 2. Potenz) „Heuchler, falscher Mensch" verzeichnet 
ist, was zum Charakter des Fuchses vorzüglich stimmt. 

Was in zweiter Linie am Fuchs besonders auffällt, ist 
sein langer, buschiger Schwanz. In seniasiologischer Hinsicht 
ist bemerkenswert, daß im Span, und Franz. metonymisch 
für „Fuchsschwanz" „Fuchs" gesagt wird: span. zarro, frz. 
goupillon, wörtl. „Füchslein", Diminutiv des ausgestorbenen 
goupil. Zugleich haben die beiden Wörter eine Bedeutungs- 
verengung erfahren, indem sie nämlich hauptsächlich die 
zum Abstäuben gebrauchten Fuchsschwänze bezeichnen. Bei- 
läufig sei bemerkt, daß im Deutschen und Span, gelegent- 
lich auch für den Pelz der Name des Tieres gebraucht wird. 
Von „Fuchsschwanz" abgeleitet ist Fuchsschwänzer und 
fuchsschwänzeln, was soviel als „Schmeichler" und 
„schmeicheln" bedeutet. Bei der Erklärung dieser Metapher 
muß man wohl von der Redensart ausgehen den Fuchs- 
schwanz streichen, d. h. sich bei jemandem einschmeicheln. 
Das Streicheln ist der beliebteste Ausdruck der Zärtlichkeit. 
(Vgl. Schrader, Bilderschmuck d. deutschen Sprache, pag. 215 ff.) 
Auf den Fuchsschwanz bezieht sich ferner die deutsche Redens- 
art: Das ist eine Meile, die hat der Fuchs gemessen 
(zu ergänzen: und noch den Schwanz dazugegeben), d. h. das 
ist mehr als eine Meile. Der Fuchs hat bekanntlich einen sehr 
langen Schwanz. (Vgl. Schrader, Bilderschmuck der deutschen 
Sprache, pag. 215.) Hingegen ist der Ursprung der (jetzt ver^ 
alteten) engl. Redensart to give a person a flap tmth the foxtail^ 
jemandem einen Schlag mit dem Fuchsschwanz versetzen, d. h. 
ihn zum Besten halten, in einer verflossenen Epoche zu suchen. 
Die Redensart wird sofort verständlich, wenn man weiß, daß 
der Fuchschwanz seinerzeit Attribut der Possenreißer war. 
(Vgl. Brewer, Dict. of Phrase and Fable, pag. 314.) Hierher 
gehört auch die franz. Redensart se donner la discipline avec 
une queue de renard, sich mit einem Fuchsschwanz, d. h. zum 
Scheine geißeln, wie es die Scheinheiligen machen. Diese 
Redensart wendet man auf Leute an, die nach außen hin Ent- 



42 Der Fuchs. 

sagung heucheln, insgeheim aber ein Wohlleben führen. (Vgl. 
Eozän, Les animaux dans les proverbes, I, pag. 307 ff.) 

Diese. Wendungen führen uns zu der langen Reihe von Meta- 
phern und metaphorischen Redensarten, die sich auf die Schlau- 
heit des Fuchses beziehen. Schon bei den Römern war der Fuchs 
das Sinnbild der Verschlagenheit. Einen schlauen Menschen 
nannte man vulpio oder vulpecula und für schlaues Handeln 
gebrauchte man das Zeitwort vulpinari. In dieser Auffassung 
vom Wesen des Fuchses stimmen alle modernen Kultur- 
sprachen überein. überall gilt der Fuchs als Symbol listiger 
Verschlagenheit, was übrigens schon ein kurzer Blick auf die 
Geschichte der Fabel lehrt.*) Wie schon im Lateinischen, 
so sind auch in den meisten modernen Sprachen Verba, die 
„schlau sein" oder „schlau handeln" bedeuten, vom Fuchse 
abgeleitet. So hat das deutsche fuchsen, neben der ge- 
läufigeren Bedeutung „ärgern" auch die seltenere von „be- 
trügen". In ähnlicher Weise wird im Engl, to fox und im 
Span, raposear im Sinne von „heuchlerisch handeln" gebraucht. 
Analog: wird das ital. volpeggiare verwendet in der Redens- 
art: Con volpi convien volpeggiare, mit dem Fuchse muß man 
Fuchs sein. Ebenso sagt der Franzose: Avec le renard on 
renarde. (über die ursprüngliche Bedeutung dieser Redens- 
arten siehe pag. 47.) Daß dem Fuchse nur durch Schlau- 
heit beizukommen ist, besagt das deutsche Sprichwort: 
Füchse mit Füchsen fangen kostet Mühe und 
Arbeit, weil dann eben Schlauheit auf Schlauheit stößt. 
(Vgl. engl.: With foxes you must play the fox, mit Füchsen 
müßt ihr den Fuchs spielen.) Der Franzose drückt diesen 
Gedanken auch aus durch die Redensart faire Ja guerre en 
renard, d. h. den Krieg nach Art des Fuchses fahren. Dem- 
entsprechend gibt es in allen Kultursprachen mit Ausnahme 
des Deutschen Adjektiva, die vom „Fuchse" abgeleitet sind 
und „listig, verschlagen" bedeuten wie ital. volpino, span. 
raposuno (zorruno), frz. renardier, eugl. foxy. Von letzterem wurde 



*) In der neuesten von Pechuel-Loesche besorgten Ausgabe des Brehm- 
sclien „Tierlebens" wird dem Fuchse der seit jeher und überaU herrschenden 
Anschauung zu Trotz jede „hervorragende Begabung" abgesprochen, wo- 
gegen Zell in seiner beachtenswerten Broschüre „Ist das Tier unvernünftig?" 
(pag. 117) energisch und überzeugend Einspruch erhebt. 



Der Fuchs. 43 

-wieder das Substantiv foxiness mit der Bedeutung „Schlau- 
heit" gebildet, dem im Span, raposeria {zorreria) entspricht. 
Das Portugiesische gebraucht den Namen des Tieres ^zorro'^ 
schlechtweg für „schlau". Daß der Fuchs seine arglistige 
Natur niemals verleugnen kann, kommt zum Ausdruck im 
deutschen Sprichwort: Der Fuchs ändert das Haar und 
bleibt was er war, d. h. der Mensch kann sein Naturell 
nicht ändern. Ahnlich lat: MMtoi pilum vulpes, non mores, 
das Haar wechselt der Fuchs, den Charakter aber nicht. 
Demgemäß sagt auch der Franzose: Dans sa peatt mourra le 
renard, der Fuchs wird in seinem Balg sterben. Analog heißt 
€S im Span. : La zorra rmidarä los dientes, mas no las mientes, 
der Fuchs wird die Zähne, aber nicht die Gesinnung wechseto. 
Im Ital. tritt hier der Wolf an die Stelle des Fuchses: II 
lupo cangia ü pelo, ma no ü w'zio, der Wolf ändert das Haar, 
aber nicht das Laster. Daß der Fuchs in den ältesten Zeiten 
in demselben schlechten Ruf stand wie heutzutage, geht hervor 
aus einer Stelle im neuen Testament, wo Jesus mit Anspielung 
a.uf die Bosheit des Herodes diesen einen „Fuchs" nennt. 

Beiläufig sei hier erwähnt, daß auf das Räudigwerden 
des Fuchsbalges, auf das sich, wie wir weiter oben gesehen 
habeu, möglicherw^eise die Etymologie von span. zorra gründet, 
sich im Engl, der metaphorische Ausdruck fox-evil „Fuchs- 
Äbel" bezieht, womit das büschelweise Ausfallen der Haare, 
€in Symptom nervöser Erkrankungen, bezeichnet wird. Die 
wissenschaftliche Benennung dieser Krankheitserscheinung ist 
<dopecia von griech. &l(I)7trj^ „Fuchs". Der Italiener gebraucht 
hierfür volpe schlechtweg. Auch sagt man im Deutschen von 
«inem Pelz, der die Haare verliert, er wird fuchsig, und 
analog gebraucht der Engländer das Verbum to fox von Papier 
und Holz, das Moderflecken bekommt, indem diese mit den 
durch das Ausfallen der Haare entstandenen Flecken ver- 
glichen werden. 

Dem Fuchs kommt seine Verstellungskunst besonders zu- 
gute, wenn er auf Raub ausgeht. Belauert er seine Beute, 
so sucht er eine möglichst harmlose Miene anzunehmen, ja er 
stellt sich häufig sogar schlafend: daher im Engl, foxsleep 
„Fuchsschlaf, verstellter Schlaf, scheinbare Unaufmerksamkeit" 
bedeutet. Ebenso sagt der Spanier von einem, der Unwissen- 



44 I>er Fuchs. 

heit oder Zerstreutheit heuchelt, se kace el zorro, er macht 
den Fuchs. Vom Standpunkte des überlisteten Opfers aus 
gebraucht der Spanier zorrera für „Schläfrigkeit" und zorrer& 
für „schläfrig, langsam, schwerfällig". Möglicherweise be- 
ziehen sich diese Metaphern aber auf den wirklichen Schlaf 
des Fuchses, der nach Brehm ein außerordentlich fester sein 
soll. So heißt es von einem wortkargen Menschen: Estä 
hecho un zorro, wörtl.: Er ist in einen Fuchs verwandelt, 
was auch in Übereinstimmung mit zorrera und zorrero auf 
einen schläfrigen Menschen angewendet werden kann. So be- 
deutet auch tener zorra, einen Fuchs haben, „sich schwer im 
Kopfe fühlen". Da nun die Schläfrigkeit oder die Kopfschwere^ 
sehr häufig eine Folge von übermäßigem Alkoholgenuß ist,, 
so wird jsforra, indem metonymisch die Wirkung für die Ur- 
sache gesetzt wird, im Sinne von „Rausch" gebraucht,, 
womit sich im Engl, foxed „trunken" vergleichen läßt. De- 
söllar la zorra^ den Fuchs häuten, heißt demnach logischer- 
weise „den Kausch ausschlafen". Hierher zu ziehen ist jeden- 
falls auch die im frz. Trinkerargot gebrauchte Redensart 
piqmr un re^iardj einen Fuchs stechen, für „sich erbrechen"^ 
wofür auch renarder {queue de renard „Fuchsschwanz" = da» 
Erbrochene) gebraucht wird. Das Erbrechen ist nämlich so- 
wie die Schläfrigkeit häufig eine Folge von allzu kräftigen 
Libationen. Setzen wir nun renard = zorra „Rausch",, 
so haben wir es abermals mit einer Metonymie zu tun, 
indem wieder die Ursache für die Wirkung gesetzt er- 
scheint. Auch im älteren Deutsch (z. B. im Simplizissimus) 
kommt in derselben Bedeutung die Redensart vor einen 
Fuchs schießen;*) daneben heißt es auch einen Fuch& 
machen, rupfen, streifen (eigentl. ihm den Balg ab- 
ziehen, vgl. weiter oben span. desollar la zorra). Schraders^ 
Deutung (Bilderschmuck d. deutschen Sprache, pag. 212) klingt 
nicht unwahrscheinlich, ignoriert aber die fremdsprachlichen 
Analoga. 

Eine Reihe von Sprichwörtern und metaphorischen Redens- 

*) Obige Erklärung würde allerdings darch die im selben Sinne ge- 
brauchte Redensart „einen Löwen schießen^ (bei Hans Sachs] in Frage 
gesteUt werden, wenn man hierin etwas anderes als eine metaphorische 
Analogiebildung sehen woUte. 



Der Fuchs. 45 

arten dreht sich um das Verhältnis des Fuchses zu seiner Beute. 
Seine Lieblingsgerichte sind Hühner und Gänse, weswegen 
•er als geschworener Feind des Hühnerhofes gilt. So ge- 
braucht der Engländer die Eedensart to set the fox to Tceep 
ihe geese, dem Fuchs die Gänse zu hüten geben, in demselben 
Sinne wie der Deutsche „den Bock zum Gärtner machen" 
oder der Italiener lasciar le pere in guardia aW orso. Ebenso 
sagt der Franzose von einem, der das Interesse der ihm An- 
vertrauten verrät: 11 vend la poule ati renard, er verkauft das 
Huhn dem Fuchse. Von einem Heuchler, der die Unerfahrenen 
zu überlisten sucht, heißt es : Le renard priche aux poules, der 
Fuchs predigt den Hühnern. Dem entspricht im Deutschen 
das Sprichwort: Wenn der Fuchs predigt, so hüte 
4er Gänse. Genau so heißt es engl. : When the fox preaches, 
take care of your geese. Im Ital. tritt wieder das Huhn an 
Stelle der Gans : Quando la volpe predica, giuirdatevi^ galline. 
Unser deutsches: Ein schlafender Fuchs fängt kein 
Huhn erscheint im Franz. in folgender Form: Benard qui 
-dort la grasse matinde, rCa pas la gueule emplumie^ ein Fuchs, 
<ler bis in den Tag hinein schläft, hat das Maul nicht voll 
Federn. Im Engl, lautet das Sprichwort : When the fox sleeps, 
üö grapes fall in his motäh, wenn der Fuchs schläft, fallen 
ihm keine Trauben ins Maul, im Ital.: Volpe che dornte 
vwe sempre magra, ein schlafender Fuchs ist immer mager, 
im Span.: Ä la vtUpeja dormida, no le cae nada en la boca^ 
<dem schlafenden Fuchs fällt nichts ins Maul. Von dem 
um den Hühnerhof schleichenden Fuchs hergenommen ist 
jedenfalls die engl. Redensart to fox about „umherspio- 
nieren". In der Schulsprache bedeutet to fox auch „stibitzen" 
mit Bezug auf den diebischen Charakter des Fuchses. Der 
bekannten Fabel vom Fuchse und den Trauben entstammt 
4ie Eedensart: Er macht es wie der Fuchs mit 
den Trauben, die angewendet wird auf einen, der Ver- 
achtung zur Schau trägt gegen das, was ihm zu erlangen 
unmöglich ist, geradeso wie der Fuchs der Fabel von den 
Tranben, die er nicht erreichen konnte, erklärte, sie wären 
zu sauer. (Vgl. Nyrop, Leben der Wörter, pag. 181.) So heißt 
«es auch im Engl.: When the fox cannot reach the grapes, he 
says they are not ripe. Den romanischen Sprachen ist das Bild 



46 I>er Fuchs. 

vom Fuchs und den Trauben ebenfalls geläufig. (Vgl. Rolland^ 
Faune pop. I, pag. 169, 11.) 

Da der Fuchs sehr häufig dem Jäger ins Gehege kommt 
und ihm eine empfindliche Konkurrenz macht, so ist es er- 
klärlich, daß dem Meister Keineke eifrig nachgestellt wird und 
er gar oft trotz seiuer Ränke und Kniffe erliegen muß. Auf 
diese Tatsache spielt an das deutsche Sprichwort: Alle 
listigen Füchse kommen endlich beim Kürschner 
in der Beize zusammen, das sich auch in den übrigen 
Kultursprachen findet. Englisch lautet es: Every fox must 
pay his own sMn to the flayer, jeder Fuchs muß sein Fell dem 
Abzieher geben, ital.: Tutte le volpi si trovano in pellicceriay 
franz. ebenso: Enfin les renards se trouvent diez le pelletier^ 
schließlich finden sich die Füchse beim Kürschner, span. Alld 
nos veremos en el corral de los pellejeroSj dort werden wir uns 
wiedersehen, im Hofe der Kürschner. Denselben Gedanken 
drückt aus das deutsche Sprichwort: Man fängt auch 
wohl den gescheitesten Fuchs, das sich auch im ItaL 
findet: Anche delle volpi si piglia. Im Span, und Franz. heißt 
es in etwas anderer Fassung: Mucho sähe la zorra, pero mäs^ 
quien la toma — Le renard en sait long, mais celui qui le prend 
en sait un peu plm, viel kann der Fuchs, jedoch mehr, der 
ihn fängt, d. h. ein Schlauer findet noch immer einen Schlaueren^ 
der ihn überlistet. (Vgl. ital. Molto sa il ratio, ma piü ne sa 
il gatto.) Daß jeden Fuchs die Strafe ereilt, lehrt ein anderes 
span. Sprichwort : No hace tanto la zorra en un ano como paga 
en una hora, der Fuchs verbricht in einem Jahre nicht soviel 
als er in einer Stunde bezahlt. Wenn der Spanier sagen will,, 
daß er in irgend einer Sache sehr bewandert ist oder große 
Erfahrung besitzt, so meint er: No es laprimera zorra qae he 
desollado, das ist nicht der erste Fuchs, den ich gehäutet. 

Dem Deutschen eigentümlich ist die metaphorische Ver- 
wendung des Wortes „Fuchs" zur verächtlichen Bezeichnung 
gewisser Stände wie Federfuchser, ein geringschätziger 
Ausdruck für einen Schreiber, oder Schul fuchs, in tadeln- 
dem Sinne auf einen pedantischen Schultyrannen angewendet. 
Der in Norddeutschland gebrauchte Ausdruck Pfennig- 
fuchser bezeichnet einen Knicker, der jeden Pfennig zählt, 
bevor er ihn ausgibt. Hierbei möge vergleichsweise an den 



Der Fuchs. 47 

Bedeutungswandel von „karg" erinnert werden, das ursprünglich 
„sehlau" bedeutete, was zum Charakter des Fuchses vorzüglich 
paßt. Mit diesen Ausdrücken steht in begrifflichem Zusammen- 
hange das schon erwähnte fuchsen in der Bedeutung von 
„ärgern". Man muß wohl Schrader beistimmen, wenn er diese 
Metapher von dem geprellten Fuchs hergeleitet wissen will. Das 
Prellen des Fuchses war ehemals eine sehr beliebte Unter- 
haltung der Landjunker. „Ein gefangener, lebendiger Fuchs 
wird mit einem mehr langen als breiten von zwei Personen 
gehaltenen Netze oder Tuche so lange in die Höhe geschnellt 
oder geprellt, bis er völlig erschöpft oder tot ist." (Schrader, 
Büderschmuck d. d. Spr., pag. 212 ff.) Vom Fuchsprellen stammt 
möglicherweise auch „Fuchs" als terminus der Studenten- 
sprache für einen angehenden Burschenschafter, da sich dieser 
ja von den „Burschen" manche mehr oder minder derbe 
Neckerei gefallen lassen muß. Kluge vermutet übrigens, daß 
dieses Wort von dem alten „Feix" oder „Fex", das im 
17. Jahrhundert für einen angehenden Studenten gebraucht 
wurde, beeinflußt worden sei. Auch das Wort „Schulfuchs" 
in der Bedeutung von „eben der Schule entronnener Fuchs" 
mag hier mitgewirkt haben. Im zweiten Semester avancieren 
die Füchse zu Brandfüchsen. Sanders gibt hierzu folgende 
Erklärung: „Die Füchse werden am Anfange des zweiten 
Semesters zu Brandern gebrannt, indem sie durch ein Spalier 
laufen müssen, wo dann die Burschen versuchen, ihnen mit 
talgbeschmierten, langen Fidibus die Haare anzuzünden. Wohl 
Anspielung auf die Brände, die Simson den Füchsen anhing, 
um den Philistern zu schaden." Zu dem studentischen „Fuchs" 
stimmt auch der franz. Ausdruck renard für einen angehenden 
Handwerksgesellen. 

Auf eine eigentümliche Art des Fuchsfanges bezieht sich 
der metaphorische Gebrauch von span. zorra in der Bedeu- 
tung „meretrix", womit sich der deutsche Ausdruck eine aus- 
ge fuchste Hure \rergleichen läßt. An einen Baum mitten 
im Walde wird eine rennende Füchsin angebunden, um die 
Männchen herbeizulocken, die sich dann in den ringsum auf- 
gestellten Netzen fangen. Hierauf mögen wohl auch die oben 
erwähnten sprichwörtlichen Redensarten wie „cow volpi convien 
volpeggiare^, ^avec le renard on renarde^^ usw. basieren. 



48 i>a8 Wiesel. 

Auf folkloiistisches Gebiet fBhrt uds die Verwünschnngs- 
formel: Hol ihn der Fuchs! worin „Fuchs" als Glimpf- 
wort für „Satan" erscheint. Nach einem alten Volks- 
glauben sah man im Fuchs eine Personifikation des Teufels. 
Der ränkevolle Charakter des Tieres und namentlich die 
Farbe seines Pelzes — rot ist die Farbe des Feuers — 
machen diesen Aberglauben, der in der Behauptung des 
Origenes, der Teufel trage einen Fuchspelz, eine Bekräftigung 
fand, erklärlich. Hierher zu ziehen ist wohl auch der Aus- 
druck fuchsteufelswild, was also heißt: wild wie ein 
Fuchsteüfel, d. i. ein Teufel in Fuchsgestalt Schrader aller- 
dings stellt diesen Ausdruck zu „fuchsen" im Sinne von 
„ärgern". Dieselbe Auffassung vom Wesen des Fuchses be- 
gegnet uns im Spanischen, wo der Ausdruck zorra vieja „alte 
Füchsin" soviel bedeutet als „alte Hexe", womit sich auch 
engl, vixen == Füchsin als Bezeichnung für ein altes, böses 
Weib vergleichen läßt. 

Das Wiesel. 

Obwohl der Name dieses Tieres wenig zur Bildung von 
Metaphern verwendet wird, so wollen wir ihn doch zum Gegen- 
stand unserer Betrachtung machen, da die Bezeichnungen für 
dieses Tier in den verschiedenen Sprachen semasiologisch 
interessant sind, indem sie nämlich selbst äußerst durchsichtige 
Metaphern repräsentieren. Die germanischen Benennungen 
des Tieres, deutsch Wiesel, engl, ebenso toeasel, dieses 
zurückgehend auf altengl. wb'sle, jenes auf ahd. toisula^ sind 
allerdings etymologisch noch nicht sicher erklärt. Einige ver- 
muten Anlehnung an „Wiese", es würde demnach das Tier 
nach seinem Aufenthaltsorte benannt sein. Der lat. Name 
des Wiesels, mustella, erweist sich als Diminutiv von mm 
„Maus" ; bekanntlich rechneten die Alten Wiesel, Marder, Zobel 
und ähnliche Tiere zum Mäusegeschlecht.*) Dieses Wort ist 
in oberitalienischen Dialekten, im Provenzalischen und im 
Altfranz, erhalten, im Neufranz, wurde es ersetzt durch belette. 



*) über die romanischen Bezeichnungen des Wiesels hat ausführlich 
gehandelt Flechia im Archivio glottologico, II, pag. 51. 



Das Wiesel. 49 

Dim. von helle ^ was „kleine Schöne" bedeutet, und in der 
Tat besitzt dieses Tierchen, das das kleinste unter den 
Raubtieren ist, eine schlanke, zierliche Gestalt, welche im 
Verein mit dem schöngefärbten Pelz obige Bezeichnung voll- 
kommen rechtfertigt. Zu der franz. Benennung stimmen nun 
in auffallender Weise die Ausdrücke in den übrigen Kultur- 
brachen. So hei&t das Wiesel im Mittelengl. fairie {fatry) „Fee", 
im Ital. donnola „Dämchen", im Span, comadreja „kleine Ge- 
vatterin^^ Ein Analogon hierzu findet sich in einigen deutschen 
Dialekten, wo das Tier „Mühmchen" genannt wird, während 
man es in anderen mit „Schöntierle" bezeichnet, was wieder 
wörtlich zu franz. belette stimmt. Auch im Dänischen und im 
Bretonischen geht die Bezeichnung für dieses Tier auf den Be- 
griflf „schön" zurück. (Vgl im Neugriechischen wf4<pha „Bräut- 
<chen" für „Marder".) Die in einigen Provinzen Englands 
übliche Bezeichnung des Wiesels mit mmse-hound „Mäusehnnd" 
bezieht sich auf die Mäuse, die Lieblingsnahrung dieses Tieres. 
Was nun die Rolle betrifft, die das Wiesel in der deut- 
schen Phraseologie spielt, so sind einige Redensarten zu ver- 
zeichnen, die auf die Schnelligkeit seines Laufes Bezug nehmen 
wie z. B. im Deutschen: Er ist behend wie ein Wiesel, 
läuft wie ein Wiesel. Da Raschheit der Bewegung sehr 
häufig ein Zeichen von Gesundheit ist, so hört man manchmal: 
Er ist gesund wie ein Wiesel. So rasch das Wiesel 
ist, wenn es gilt, eine Beute davonzutragen, so langsam 
und bedächtig ist es in seinen Bewegungen, wenn es sich 
^arum handelt, ein Opfer zu beschleichen, daher der Eng- 
länder ganz im Gegensatz zum Deutschen eine schleichende 
Person als tmusel bezeichnet. Auf die Magerkeit des Tieres 
bezieben sich im Engl, die Metaphern weasel-faced, mit dem 
Oesichte eines Wiesels, d. h. dünnbackig, und (vulgär) weaselr 
gvMed „wieselbäuchig", d. h. dünnbäuchig, mager. Auf eine 
moralische Eigenschaft des Wiesels, nämlich seine unersättliche 
Raubgier, spielt das span. Rotwelsch an, indem es mit camadr^a 
«inen Dieb bezeichnet^ vor dem niemand sicher ist Die 
Schlauheit des Wiesels, das sich nicht leicht fangen läßt, er- 
klärt die engl. Redensart to catch a weasel asleep^ ein Wiesel 
schlafend fangen, d. h. eine schwer zu überlistende Person 
•drankriegen. (Vgl Brewer, Dict of Phrase and Fable, pag. 947.) 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. ^ 



50 I^er Bär. 



Der Bär. 

Das deutsche Bär, ahd. beroy ist verwandt mit engl, bear^ 
altengl. bera, das ebenso wie bero auf ein gemeingermanische» 
beran- zurückweist. Die romanischen Bezeichnungen für dieses 
Tier: ital. orso, span. oso, frz. ours, gehen sämtlich auf lat. 
tirsus zurück. 

Wir betrachten zunächst die Metaphern, die von der 
äußeren Erscheinung dieses Tieres hergenommen sind. Was 
zunächst bei ihm auffällt, ist sein zottiges Fell. Daher sagt 
man im Franz. und Ital. von einem stark behaarten Menschen: 
11 est velu comme un ours, bzw. ^ peloso come un orso, er ist 
zottig wie ein Bär, und analog nennt man im Deutschen einen 
Menschen mit ungekämmten, struppigen Haaren einen Zottel- 
bären. Mit Bezug auf die Dicke des Bärenfells sagt der 
Italiener von einer Mark und Bein durchdringenden Kälte 
fa un freddo da pelar Vorso {pelare = enthaaren), womit sich 
deutsch Bärenkälte vergleichen läßt. Die Bärenmütze 
bezeichnet der Franzose in familiärer Sprache mit ourson 
oder oursin „kleiner Bär", welches letztere Wort auch 
für den Seeigel gebraucht wird. Wahrscheinlich ist es in 
dieser Bedeutung nicht direkt von ours abzuleiten, sondern 
ist eine volksetymologische Umbildung von hirisson {eridus) 
„Igel". Als gi'oßes, starkes Tier erscheint der Bär namentlich 
im Deutschen, wie dies erhellt aus den Adjektiven bären- 
haft, bärenstark,*) die allerdings — ebenso wie die B ä r e n - 
t atzen als Bezeichnung großer Hände — den Begriff der 
Plumpheit mit einschließen. Auf die ungeschlachte Gestalt 
des Bären bezieht sich die metaphorische Verwendung de» 
Wortes im Deutschen für den Rammklotz oder die Eamme, 
ein Fallklotz zum Einstoßen von Pfählen. Auch das EngL 
bezeichnet mit bear einen Holzklotz. 

Das Wort „Bär" wird bei Substantiven in superlativer 
Weise zur Verstärkung des Begriffes gebraucht. So sagt 
man von etwas, das sehr teuer ist, es koste ein Bären« 

*) Auf die Holle des Bären als Tierkönig^ in der deutschen Tiersage 
sind zurückzuführen die deutschen Personennamen Bernhard, Berengar^ 
Eernot, Betz, Petz usw. 



Der Bär. 51 

geld. Ist man bei gutem Appetit, so hat man einen Bären- 
hunger und trinkt man dementsprechend, so wird man 
bärentrunken. Die letztere Metapher kann allerdings 
noch anders gedeutet werden, nämlich im Zusammenhang mit 
der ital. Kedensart pigliar Vor so oder dbbracciare Varso, den 
Bären fangen, den Bären umarmen, d. h. einen Rausch 
bekommen, auf welche Redensart schon beim Affen hin- 
gewiesen wurde. Auch in Bärenschlaf mag man in dem 
Bestimmungswort etwas anderes sehen als eine Superlative 
Verstärkung. Der Bär hält eine Art Winterschlaf und es 
ist sehr wahrscheinlich, daß sich die in Rede stehende 
Metapher darauf bezieht. Nennt doch auch der Engländer 
das Murmeltier wegen seines Winterschlafes bearmouse. Mit 
Bezug auf den Winterschlaf, während dessen der Bär keine 
Nahrung zu sich nimmt, sagt der Franzose von jemand, 
dem der Abbruch an Nahrung keine sonderlichen Beschwerden 
verursacht: II est de la nature de Vours, il ne maigrit pas pour 
pätir, er hat eine Bärennatur, trotz der Entbehrungen magert 
er nicht ab. (Vgl. im Gegensatz dazu deutsch „Bärenhunger".) 
Hierher gehört auch die im franz. Theaterjargon gebräuchliche 
Bezeichnung ours für Theaterstücke, die lange im Archiv ge- 
schlafen haben, bevor sie aufgeführt wurden. (Vgl. Rozan, 
Les animaux dans les proverbes, I, pag. 267 u. 278.) 

Das schwerfällige, täppische Wesen des Bären, das mit seiner 
plumpen Gestalt in bestem Einklänge steht, hat in allen Kultur- 
sprachen Metaphern gezeitigt. So wird namentlich im Engl, das 
Wort bear (auch bridled bear „gezähmter Bär") auf einen täppi- 
schen jungen Menschen angewendet und der Hauslehrer oder 
vielmehr Hofmeister eines solchen wird dann konsequenterweise 
mit einem bear-leader „Bärenführer" verglichen. Demgemäß 
bedeutet bearish geradezu „plump" und mit a bear^s play 
„Bärenspiel" bezeichnet man täppische Zärtlichkeiten. Ein Ana- 
logon hierzu bietet das span. hacer el oso, den Bären machen, 
d. h. offen und in plumper Weise den Hof machen, was dann 
erweitert werden kann zur Bedeutung: sich durch törichtes 
Benehmen dem Spotte der Leute aussetzen. Der Pariser 
Student hat, um das plumpe Courschneiden zu bezeichnen, 
geradezu ein Verbum ourser gebildet, wovon dann wieder 
ourserie „plumpe Courschneiderei". Auf den zum Tänzer 

4« 



52 I>er Bär. 

abgemhteten B&ren bezieht sich die Bedessart tanzen wie 
ein Bär, d. h. schlecht, ungraziös tanzen. Ebenso sagt der 
Italiener baUare came un crso und far la parte delV orso danr- 
zante, die Bolle des Tanzbären spielen, d. h. den Hans- 
wurst machen. Gleichfalls vom Tanzbären, der einen Maul- 
korb trägt, ist hergenommen die Redensart mettere la muse" 
ruola aiV orso, dem Bären den Maulkorb anbinden, d. h. jemd. 
zum Schweigen bringen. Ours ist femer im franz. Drucker- 
jargon der Spitzname der Prefidrucker, deren Metier ein den 
Bewegungen des Bären ähnliches Hin- und Herwiegen des 
Körpers bedingt. (Vgl. Bozan, Les animaux dans les proverbes, 
I, pag. 278.) Als geistig plumpes Tier erscheint der Bär in 
der Lafontaineschen Fabel L'ours et Vamaieur des jardim, 
wo erzählt wird, wie Meister Petz seinen schlafenden Herrn 
ums Leben bringt, indem er ihm, um eine Fliege zu vertreiben, 
einen großen Stein auf die Stirne schleudert. Mit Bezug auf 
diese Fabel nennt man im Franz. einen ungeschickten Freundes- 
dienst, der zum Schaden dessen ausschlägt, dem er nützen soll, 
le pavi de Tours y den Stein des Bären. (Vgl. Rozan, Les 
animaux dans les proverbes, I, pag. 278.) 

Nach einem alten Volksglauben kommen die jungen Bären 
in unföimlicher Gestalt zur Welt und werden erst durch eifriges 
Belecken von selten der Bärin geformt. Daher nennt man 
im Deutschen einen ungezogenen Menschen einen ungeleckten 
Bären, im Engl, unlicked cuh. (Cub bezeichnet das Junge 
wilder Tiere.) Das Lecken ist die Erziehung, die der Un- 
gezogene eben vermissen lä£t. Ganz dieselbe Metapher 
findet sich im Ital. und Franz. : tm orso mal leccaio^ un ours 
mal Uchi. Im Ital. kann sich diese Metapher auch auf eine 
im Äußeren vernachlässigte Person beziehen. Damit hängt 
zusammen die familiäre franz. Redensart lecher Tours, die 
soviel bedeutet als „sich instruieren^ und auf einen besonderen 
Fall angewendet „sich genaue Kenntnis von etwas verschaffen^. 
Da aber das Lecken der Bärin nicht immer von Erfolg be- 
gleitet zu sein scheint, so kann die Redensart auch den Sinn 
haben „unnötig Zeit mit etwas verbringen'^ Auf das Brummen 
des Bären, das als eine Äußerung schlechter Laune aufgefaßt 
wird, besüeht sich das deutsche Brummbär, womit wi 
mürrischer MeuBch bezeichnet wird, der in unwirschem Tone 



Der Bilr. 53 

aatwortet. Auch im Ital. und Franz. kann arso, bzw. ours so 
gebraucht werden. 

Daneben macht sich allerdings eine andere Auffassung 
Ifeltend, die den Bären trotz seiner äufieren Wildheit als 
harmloses Tier erscheinen läßt, da er bei weitem weniger 
aggressiv ist als der Wolf oder die katzenartigen Raub« 
tiere. So spricht man im Deutschen von einem gut- 
mütigen Bären und einen ähnlichen Sinn kann auch das 
itaL orso haben. Auf die unschuldige Obstliebhaberei des 
Bären spielen im Ital. einige sprichwörtliche Sedensarten 
an, so z. B. invüar Vorso edle pere, den Bären zu Birnen ein- 
laden, d. h. jemd. zu etwas auffordern, was er gern tut, las- 
dar le pere in guardia alV orso, die Birnen der Hut des Bären 
anvertrauen, wofür man im Deutschen sagt: den Bock zum 
Gärtner machen. Dem deutschen „Mit großen Herrn ist nicht 
gut Kirschen essen^ entspricht im ItaL, das Sprichwort: Chi 
divide le pere colT orso, ri ha sempre meno qtse parte, wer die 
Birnen mit dem Bären teilt, hat immer weniger als sein Teil. 
Schließlich ist noch hierher zu ziehen das Sprichwort : Uorso 
sogna pere^ der Bär träumt von Birnen, d. h. was man wünscht, 
von dem träumt man. Im guten Sinne gebraucht man im 
Deutschen Seebär, im Ital. orso marino, womit man einen 
Seemann bezeichnet, der hinter seinem rauhen, kurz ange- 
bundenen Wesen eine biedere Seele birgt. Auf die einsame 
Lebensweise des Bären, der im Gegensatz zum Wolfe seines- 
gleichen meidet, bezieht sich im Franz. die Redensart vivre 
comme un ours, leben wie ein Bär. 

In einigen Metaphern kommt eine der obigen direkt wider- 
sprechende Auffassung vom Wesen des Bären zum Aus-» 
druck, indem dieser als gefahrliches Tier mit Löwe, Wolf und 
anderen Raubtieren in eine Linie gestellt wird. Daher nennt 
man im Deutschen einen groben Menschen, der immer bissige 
Antworten bereit hat, bärbeißig. (Die mittelalterliche 
Symbolik stellte die Figar des Zorns auf einem Bären reitend 
dar). Hierher zu ziehen ist auch die im älteren Deutsch belegte 
Redensart einen Bären fangen oder stechen, d. h. etwas 
Gefahrvolles unternehmen. In der gleichen Bedeutung gebraucht 
der Italiener die Wendung peJar Vorso, dem Bären das Fell über 
die Ohren ziehen. Eine analoge Auffassung des Bären findet 



54 I>er Bftr. 

sich im franz. Argot: Envoyer qn. ä Vours, jemd. zum Bären 
schicken, heißt ihn ,,zum Teufel wünschen". Damit mag 
zusammenhängen, wenn im Volksmunde die Polizeistube ours 
genannt wird. Wer da drin sitzt, entkommt eben so schwer 
wie einer, den der Bär in seinen Armen hält. Auf dem Aber- 
glauben, daß, wer einmal auf einen Bären gestiegen, für immer 
von Furcht geheilt sei, beruht die Redensart il le faut faire 
monier sur Tours, man muß machen, daß er auf den Bären 
steigt, d. h. man muß ihm Mut machen. (Vgl. EoUand, Faune 
pop., I, pag. 42, 3.) 

Wegen der Gfefahrlichkeit des Tieres gilt die Bären- 
haut als schwer zu erringende Beute. Darauf bezieht sich 
das Sprichwort: Man muß die Bärenhaut nicht eher 
verkaufen, bis man den Bären hat, d. h. man soll 
über eine Sache nicht eher verfügen, bis man in ihrem Be- 
sitze ist, wohl mit Anspielung an die allen Literaturen be- 
kannte Geschichte von den beiden Gascognern, die den Wirt 
mit der Haut eines noch nicht erlegten Bären zu bezahlen 
versprachen. Dieses Sprichwort findet sich auch im Engl.: 
DonH seil the bear's skin, before you have cau^ht the bear. Ebenso 
sagt der Italiener : Non si deve vendere la pelle delV orso prima 
che sia morto und der Franzose : II ne faid pas vendre la peau 
de Vours avant de Vavoir pris. Hier sei noch das deutsche 
Bärenhäuter erwähnt, womit man einen Faulenzer zu 
bezeichnen pflegt mit Anspielung darauf, daß die Germanen 
ihre freie Zeit auf der Bärenhaut liegend verbrachten. Mit 
der Auffassung des Bären als gefährlichen Tieres mag 
zusammenhängen der scherzhafte Gebrauch des Wortes für 
drückende Schulden. Wenn man bei jemd. Schulden macht, 
sagt man, man binde ihm einen Bären an. Man wird 
dem Betreffenden daher aus dem Wege gehen, um mit dem 
gefährlichen Tier nicht in Berührung zu kommen. Bezahlt 
man seine Schulden, so ist der Bär gewissermaßen losgebunden 
und man hat nichts mehr zu fürchten. Daß diese übrigens 
von Schrader zuerst versuchte Deutung die richtige ist, be- 
weist das Französische, wo der dem Gläubiger angebundene 
Bär mit jenem geradezu identifiziert wird, so daß man ours 
für den Gläubiger selbst gebraucht. Etwas schwieriger zu 
erklären scheint die Redensart jemd. einen Bären auf- 



Der Bär. 55 

T}inden, was soviel bedeutet als ,,jemd. etwas weis machen, 
jemd. ein Märchen auftischen". Diese Eedensart, deren ver- 
schiedene Deutungsversuche man bei Schrader*) nachlesen 
möge, kann nur auf sprachvergleichendem Wege erklärt 
werden. Im Pariser Argot bezeichnet man nämlich mit 
ours eine langweilige, wenig glaubwürdige Geschichte und 
im weiteren Sinn ein Buch das überall zurückgewiesen 
wird. Der unglückliche Autor, der mit seinem Erzeugnis 
vergebens hausieren geht, ist dann der marchand d^ours oder 
meneur d'ourSj der „Bärenführer". Rozan (Les animaux dans 
ies proverbes, I, pag. 279) führt diese Metapher auf die Scribe- 
Saintinesche Posse Vours et le pacha zurück, in welcher ein 
Tierhändler vorkommt, der einen Bären loszuwerden sucht 
und jedermann zum Kaufe auffordert mit den Worten : Prenez 
mon ours! Aber auch so läßt sich die Metapher erklären: 
Der Bär ist ein schwerfälliges, plumpes Tier und es ist durch- 
aus nicht auffallend, wenn ein langweiliges Geistesprodukt — 
«ei es nun eine kurze Geschichte oder ein langer Roman — 
als „ours'^ bezeichnet wird. So sagt man z. B. im Engl.: 
Are you there with your bear? in dem Sinne von: Kommst du 
«chon wieder mit derselben Geschichte? Im Pariser Argot 
sagt man von einem, der langweilige Räuber- oder Gespenster- 
geschichten erzählt, il pose un ours^ er stellt einen Bären hin, 
und von dem, der sie glaubt, il attache Vours, er bindet den 
Bären an (nämlich sich selber oder für sich, damit er ihm 
nicht davonlaufe). Somit dürfte die deutsche Redensart „jemd. 
'einen Bären aufbinden" erklärt sein. 

Schließlich noch ein Wort über den „großen Bären" und 
„kleinen Bären", die Namen zweier bekannter Sternbilder. 
Diese Benennung beruht auf der Mißdeutung von sanskrit 
nrch „glänzen", das die Griechen in das ähnlich klingende 
ÄßXTog „Bär" umwandelten.**) 



*) Bilderschmuck d. deutschen Sprache, pag. 223 f. Vgl. ferner die 
Erklärungsversuche Euhins in Zeitschrift f. d. deutschen Unterricht, YIII, 
pag. 598 f. 

**) Auch in deutsch Batzen steckt der Name des Bären (Betz = Petz). 
Dies Wort bezeichnete nämlich ursprünglich eine Bemer Münze mit dem 
Berner Stadtwappen, einem Bären. (Vgl. ital. hezzi „Münzen*'.) 



50 Das Eichhtoichen. 



Das Eiohhömclien. 

Die Etymologie des Wortes „Eichhorn" bietet Schwierig- 
kdten. Sme urgermanische Form ist nicht zu ermitteln. 
Der zweite Bestandteil des neuhochd. Wortes „Hörn" beruht 
auf Yolksetymologischer Umbildung. Aus der Vergleichung^ 
mit den übrigen germanischen Sprachen ergibt sich sicher^ 
dafi die ursprüngliche Bedeutung des Wortes die von „Eich- 
tierchen" ist, da die Eiche der Lieblingsbaum des Eichhorn*- 
cbens ist. Die Angleichung an „Hom" ist wohl zu erklären 
aofi dem buschigen, aufrechtstehenden Schwänze, der tatsächlich 
eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Hörn hat. Übrigens wird 
in vielen deutschen Gegenden Eichkätzchen anstatt „Eich- 
hörnchen" gebraucht. Hiermit ist zu vergleichen die in Frank- 
reich übliche volkstümliche Bezeichnung chat ecurieax für 
ecureuü (mit volksetymologischer Anspielung an curieux „neu- 
gierig"). Im Hessischen wird das Tierchen Baum fuchs ge- 
nannt, wohl wegen der meist rötlichen Färbung seines Felles. 

In den romanischen Sprachen gehen die Bezeichnungen für 
„Eichhörnchen" — ital. sccjaUo, scqjattolo, span. esquirol, esquilo^ 
frz. ecureuü (eeurieu als Wappenausdruck) — auf lat. sciurus zu- 
rück, woraus durch Metathese scuirus wurde. Dieses Wort hat das^ 
Lateinische dem Griechischen entlehnt, wo es (nuovQog lautet {OKut 
„Schatten", ovQd „Schwanz"), was „Schattenschwanz" bedeutet. 
Das lat. Wort ist auf dem Umwege über das Altfranz, (esquirrel) 
auch ins Englische eingedrungen, wo es noch heute als squirrd 
existiert. Lautlich und semasiologisch interessant ist das 
sardische schitru, das einerseits deutlich das lat. Etymon er- 
kennen läßt, andererseits aber seine Bedeutung geändert hat,, 
indem es nämlich auf den Marder angewendet wird. Im Span, 
wird übrigens neben esquirol auch ardilla gebraucht, das mög- 
licherweise auf nitedula, nüella „Haselmaus" zurückgeht. 

Der Phraseologie liefert das Eichhörnchen keinen besonder» 
reichen Stoff. Die paar Metaphern und Redensarten, die von 
diesem Nager hergenommen sind, beziehen sich — mit Aus- 
nahme etwa des ital. mu^o aguzzo come uno scoiattölo, ein Maul 
spitz wie ein Eichhörnchen — ausschließlich auf die außer- 
ordentliche Lebhaftigkeit des Tierchens, das sich keinen 



Das Mnrmeltder. 57. 

Augenblick Ruhe gönnt und mit schwindelerregender Be* 
hendigkeit von Ast zu Ast hüpft. (Vgl. ital. fuggire come uno 
acoiattolo, fliehen wie ein Eichhörnchen.) Da Lebhaftigkeit 
der Bewegung als Zeichen guter Laune gilt, so sagt man von 
einem lustigen Kinde, es sei munter wie ein Eichhörn- 
chen. In demselben Sinne gebraucht der Spanier ardüla und 
der Franzose icureuil {vif comme un ecureuü). Während in 
diesen Redensarten das rastlose Hin- und Hersehießen des 
Eichhörnchens als Ausfluß einer besonders munteren Natur- 
anlage betrachtet wird, erscheint es in anderen wieder als 
^zweifelhaftes Symptom der Verrücktheit oder wenigstens 
eines unberechenbaren Charakters. „Er lief über die Stiege 
wie ein verrücktes Eichhörnchen" bekommt man in 
der deutschen Studentensprache oft zu hören. Analog nennt 
der Engländer einen zerfahrenen, strudelköpfigen Menschen 
squirrel-minded, d. h. begabt mit der Gremütsart eines Eich- 
hörnchens. Auf das resultatlose Auf- und Abschießen des 
Tierchens in seinem Drehbauer bezieht sich die franz. Redens- 
art faire TScureuil, das Eichhörnchen machen, d. h. eine über- 
flüssige Arbelt tun. Einen tadelnden Sinn hat auch die 
drastische deutsche Redensart: Er hat's im Maul wie das 
Eichhörnchen im Schwanz, von jemd. gesagt, dessen 
Mund fortwährend in Bewegung ist wie der Schwanz des 
Eichhörnchens (hauptsächlich auf Prahler angewendet). Gleich- 
falls mit Bezug auf die außerordentliche Behendigkeit des 
Tierchens gebraucht der Engländer die Redensart to hunt (he 
squirrel, das Eichhörnchen jagen, für das Haschenspielen der 
Kinder. 

Das Murmeltier. 

Was zunächst die Etymologie des deutschen Wortes be- 
trifl't, so ist Murmeltier durch volksetymolc^ische An- 
gleichung von mhd. mürmendin, ahd. murmuntin, an „murmeln'' 
entstanden. Das althochdeutsche Wort gebt nach Kluge auf 
I9A. murem (mus) montis zurück, woraus ital. marmotia, span. 
marmota, frz. marmatte entstanden sei. Nach Jeanroy jedoch 
ist marmotte Femininum zu marmat Junges Kind, Affe'' (im 
älteren Franz. bedeutet auch marmatte „Affe"), und dieses ist 



58 l^AS Murmeltier. 

ein Diminutiv von afrz. merme = lat. minimm. Das ital. 
marmotta sowie das span. marmota wären in diesem Falle 
Entlehnungen aus dem Französischen. Wie dem auch sei, 
jedenfalls hat bei dem franz. Worte ebenso eine Angleichung 
an marmotter „murmeln" stattgefunden wie bei murmuntin an 
„murmeln". Die Engländer, in deren Land das Tier nicht 
vorkommt, haben die Bezeichnung dafür (marmot) dem Franz. 
entlehnt. Auch wird — wie wir weiter oben gesehen haben 
— hearmouse „Bärmaus" dafür gebraucht. 

Von diesem Tiere sind nicht besonders viele Metaphern ge- 
bildet, was bei der geringen Verbreitung desselben — es kommt 
nur noch in den Alpen, Pyrenäen und Karpathen vor — nicht 
zu verwundem ist. Gemeinsam ist dem Deutschen, Ital. und 
Franz. die Redensart schlafen wie ein Murmeltier; ital. 
dormire come una marmotta^ franz. dormir comme une marmoUe. 
Auch bezeichnet man im Ital. mit dem Worte überhaupt einen 
trägen Menschen. Tatsächlich hält das Murmeltier in selbst- 
gegrabenen Höhlen einen Winterschlaf. Übrigens sagt man 
ebenso häufig ital. dormire come un ghiro, franz. dormir comme un 
loir, deutsch „schlafen wie ein Siebenschläfer". Im Deutschen ist 
in diesem Falle umgekehrt der Name des Tieres eine Metapher. 
Auf den Winterschlaf des Murmeltieres bezieht sich auch im 
Ital. der Vergleich zitti come le marmoUe, ruhig wie die Murmel- 
tiere, sowie die Redensart far la marmotta, das Murmeltier 
spielen, d. h. die Zeit vertrödeln. Originell ist die pistojesische 
Redensart pigliare una marmotta, sich einen Schnupfen holen, 
wörtl.: ein Murmeltier fangen. Wer dieses Tier fangen will, 
muß sich in die Regionen des ewigen Schnees begeben und 
setzt sich so natürlich leicht der Gefahr einer Verkühlung 
aus. (Metonymie: Ursache für Wirkung.) Bitteres Unrecht 
tut man jedoch dem guten Murmeltier, wenn man es, wie dies 
im Ital. geschieht, als Symbol eines menschenscheuen Ein- 
siedlers gebraucht. Es ist im Gegenteil sehr geselliger Natur 
und läßt sich auch leicht zähmen, was die vielen Savoyarden- 
jungen beweisen, die sich ehemals mit diesem Tier den Lebens- 
unterhalt verdienten und denen es seine Popularität zu ver- 
danken hat. Wie populär es z. B. in Oberitalien ist, ersieht 
man daraus, daß die Mütter ihren Kindern mit dem Murmeltier 
drohen {Ecco la marmotta! Lasda stare! c'^ la marmotta!). 



Das Murmeltier. 59 

wie bei nns mit dem „Wauwau" oder dem „schwarzen Mann" 
gedroht wird. Mit Beziehung auf das ehemalige Herumzeigen 
von Murmeltieren seitens armer Savoyarden, die deswegen in 
familiärer Sprache geradezu marmottiers genannt wurden, be- 
zeichnet der französische Handlungsreisende seinen Muster- 
kasten treffend als marmciU. Schließlich wird der Name des 
Murmeltieres gebraucht zur Bezeichnung einer eigentümlichen 
Kopftracht, die seinerzeit in gewissen Gegenden Frankreichs 
und Spaniens bei Weibern und Kindern sehr beliebt war. 
Man umwickelte nämlich den Kopf mit einem seidenen Taschen- 
tuch, so zwar daß die Enden über den Ohren zusammenge- 
bunden wurden. In den so entstandenen Zipfeln mag man 
leicht eine gewisse Ähnlichkeit mit den kurz abstehenden 
Ohren des Murmeltieres gesehen haben. (Vgl. ital. viso di 
marmoUa „Murmeltiervisage".) Für den Tiergeographen nicht 
minder interessant wie für den Semasiologen ist die franz. 
Bezeichnung für „Hamster". Da dieses Tier in Frankreich 
fast gar nicht, in Deutschland aber sehr häufig vorkommt, so 
nennt es der Franzose deutsches oder Straßburger Murmel- 
tier {marmotte d'Ällemagne^ marmotte de Strasbourg), wozu ihm 
die große Ähnlichkeit der beiden Tiere ein gewisses Recht 
gibt.*) Die Bezeichnung marmotte de Strasbourg muß allerdings 
befremden, auch könnte sie leicht die irrige Meinung hervor- 
rufen, daß in der Gegend von Straßburg der Hamster ganz 
besonders zu Hause sei. Die Sache verhält sich aber ganz 
anders. Die Stadt Straßburg ist dem Franzosen als die nächst- 
gelegene größere deutsche Stadt die Eepräsentantin des Deutsch- 
tums. Deutsches Bier, deutsche Würste, deutscher Schinken 
werden allgemein mit dem Zusatz „de Strasbourg^ angepriesen, 
auch wenn sie aus ganz anderen Gegenden Deutschlands 
stammen, vielleicht wohl auch um das unsympathisch klingende 
„d' Allemagne^ zu vermeiden. So sagt der Franzose in unserem 
Falle in allerdings gedankenloser Weise für marmotte d^Älle" 
magne marmotte de Strasbourg geradeso wie er für jambon 
cPAllemagne jambon de Strasbourg sagt. Es liegt also hier ein 
merkwürdiger Fall von Analogiebildung vor. 



*) Anch wird manchmal geradezu das deutsche Wort „Hamster^ 
gebraucht. 



00 IK« MaoB. 



Die Maus. 

Sowohl das deutsche Maus wie auch das engl, n^use^ 
gehen zurück auf ein gemeinsames müs^ das seinerseits wieder 
mit lat mu8, griech. fiüg, sanskrit müS übereinstimmt. Kluge 
sieht in diesem Umstand wohl mit Recht den Beweis, daß das 
Tier den Indogermanen in ihrer Urheimat bereits bekannt 
war, und zwar beruht nach ihm das Wort auf einer altindo^ 
germanischen Wurzel mm „stehlen^. Die Maus wäre dem- 
nach die „Diebin". Wie wir weiter unten sehen werden, findet 
diese Etymol(^ie eine Bekräftigung in dem metaphorischen 
Gebrauch des Wortes. (Man denke z. B. an unser „mausen".) 
Was die hier in Betracht kommenden romanischen Sprachen 
anlangt, so hat sich das lat mus nur im Altspan, mur und im 
einigen Ableitungen erhalten. Im Franz. ist es durch «ourtr 
aus sorex, welches Wort im Lat. eine bestimmte Ai*t von 
Mäusen, nämlich die Spitzmaus, bezeichnet, ersetzt worden. 
(Erweiterung des Bedeutungsumfanges.) Im ital. topo ist tatpa^, 
resp. taipus „der Maulwurf" dafür eingetreten, was insofern 
nicht zu verwundern ist als die Alten alle möglichen Tier& 
wie Ratten, Marder, Zobel zum Mäusegeschlecht rechneten^ 
(Das fem. topa kommt nur im Toskanischen vor, und zwar 
als Bezeichnung der weiblichen Scham.) Daneben wird 
sarcio aus sarex (übereinstimmend mit frz. souris) speziell für 
die Hausmaus gebraucht. Das altspan. mur wurde duix^h 
ratön verdrängt, das eigentlich „kleine Ratte" bedeutet. 
Das Suffix on hat hier ausnahmsweise diminutive Kraft wie 
im Franz. (Vgl. aiglon, oison etc.) 

Die Maus findet sich überall, wo Menschen hausen, und ist 
daher nahezu über den ganzen Erdball verbreitet. Es ist da- 
her kein Wunder, daß alle Sprachen eine große Anzahl von Meta- 
phern aufzuweisen haben, die sich auf dieses Tierchen beziehen. 
Fassen wii zunächst die physischen Eigenschaften der Maus ina 
Auge, so fällt zunächst ihre winzige Gestalt auf, zu der der 
lange Schwanz in schreiendem Mißverhältnis steht. Wenn der 
Italiener kleine EartofEelklöße topi nennt, so schwebt ihm da- 
bei ebenso die kleine, gedrungene Gestalt der Maus vor, wie 
dem Engländer, wenn er eine kleine Beule als mause bezeichnet. 



Die Maus. 61 

Singegen erinnert sich der Italiener beim Anblick einer langen, 
•dünnen Zigarre oder einer feinen Seidentroddel an den Schwanz 
^er Maus und er steht nicht an, Zigarre wie Troddel coda di 
topo zu nennen. In der eigentlichen Bedeutung jedoch ist das 
Wort zu nehmen in der Redensart pitiore di code di topi 
„Mäuseschwanzmaler^, d. L ein Maler von geringer Bedeutung. 
Wenn der Engländer aus dem Volke die Eurzsichtigkeit mit 
mause-sight bezeichnet, so tut er dies in dem naiven Glauben, 
da£ kleine Augen notwendig kurzsichtig sein müßten. Kleine 
Zähne nennt der Italiener denti di iopo „Mäusezähne", der 
Franzose analog dents de souris. Eine Metapher, die sich auf 
die Gestalt der Maus bezieht, ist der Gebrauch des Wortes 
für den Begriff „Muskel". Im Deutschen bezeichnete man mit 
„Maus" ursprünglich jeden Muskel an Arm und Fuß, im Neu- 
hochd. wird das Wort jedoch infolge Verengung des Be- 
deutungsumfanges hauptsächlich auf den Muskelballen des 
Daumens angewendet. Ja, das Wort Muskel selbst, das ein 
Lehnwort aus dem Lat. ist (musculus = dim. v. wus) bedeutet 
^Mäuschen". Hierzu finden sich Analoga in span. mureciUo, 
4as Muskel im allgemeinen bedeutet, und in franz. souris, 
womit in der Terminologie der Tierarzneikunst der Aufhebe- 
muskel in der Oberlippe des Pferdes bezeichnet wird. 

Wegen ihrer kleinen Gestalt erscheint die Maus häufig 
als Symbol des Unbedeutenden, Wertlosen. So in dem engl. 
u man or a mouse, ein Mann oder eine Maus, d. h. alles oder 
nichts. Dieselbe Gegenüberstellung von „Mann" und „Maus" 
findet sich im Deutschen. So sagt man z. B.: Ein Schiff 
i&t mit Mann und Maus untergegangen, d. h. mit 
allem, was auf dem Schiffe war, dem Wertvollen und dem 
Wertlosen. Hierher gehört auch das häufig zitierte lat. Sprich- 
wort: Parturiunt monteSj nasoetur ridicülus mus (nach Horaz, 
Ars poetica 139). Es kreißen die Berge, zum Vorschein 
kommen aber wird nur eine lächerliche Maus. Dies Dictum 
wird auf Prahler angewendet, die mit Worten großtun, 
wenn es aber zum Handeln kommt, eine jämmerliche Figur 
spielen. Der Franzose sagt ähnlich: La numtagne en travaü 
enfante une souris, der ki*eiße&de Berg gebiert eine Maus. 
JBbenso der Italiener : II parte de la montagna : i nato un iopo. 
Ton einem verlegen oder beschämt Dreinschauenden sagt der 



62 I>ie Maus. 

Engländer he looks small like a mome^ er sieht (klein) aus wie 
eine Maus. (Vgl. deutsch „vor jemd. klein werden**.) Als 
Bild des Unbedeutenden, Harmlosen erscheint die Maus auch 
in dem deutschen Sprichwort : Den Schuldigen schreckt 
eine Maus. Ebenso sagt der Italiener: Äl ladro fa paura 
anche un sorcio und der Franzose: // ve faut qü'une souris 
poiir faire peur au michant So klein wie die Maus ist auch 
ihre Wohnstätte, weshalb man im Deutschen und Engl, ein 
kleines Zimmer oder einen sonstigen kleinen Raum gern ein 
Mauseloch, bzw. mouse-höle nennt. (Vgl. ital. casa da topi.) 
Von einem Furchtsamen, der sich von einer Gefahr bedroht 
sieht, sagt der Franzose : On le ferait cacher dans un trou de souris, 
wie man analog im Deutschen sagt : er möchte vor Angst 
in ein Mauseloch kriechen, d. h. dem Furchtsamen ist 
kein Loch zu klein, um sich zu verstecken. Daß überhaupt die 
Maus und ihr Loch zwei unzertrennliche Begriflfe sind, kommt 
zum Ausdruck im franz. Sprichwort Nulle souris sans pertuis, keine 
Maus ohne Loch, wofür der Deutsche sagt: Jede Maus hat 
ihr Haus. Das Mauseloch spielt auch sonst in Sprichwörtern 
eine gewisse Bolle, z. B. Ein arm Mäuslein, das nur 
ein Loch hat, ist bald gefangen, d. h. man muß sich 
auf mehr als eine Weise zu helfen wissen. Dieses Sprich- 
wort findet sich in allen Kultursprachen. Engl, lautet 
es: Ä mouse (hat hos btU one hole, is soon caught, ital.: Tristo 
i quel sorcio che ha un sol pertugio per salvarsi, span.: Batön 
que no sähe mos que un horado, presto es cazado, franz. : Souris 
qui rCa qu'un trou est bientdt prise. Hierher gehört ferner das 
ital. Sprichwort: // solito buco vien a noia anche ai topi, auch 
die Maus steckt nicht gern immer im selben Loche, d. h. 
jedermann sehnt sich nach Abwechslung. An die bekannte 
Fabel vom Maulwurf und dem Igel erinnert das engl. Sprich- 
wort: I gave the mouse a hole, and she is hecome my heir, ich 
gab der Maus ein Loch und sie ist meine Erbin geworden, 
d. h. sie betrachtete sich als Herrin der Behausung. Auch 
im Span, findet sich dieses Sprichwort: Acogi al ratön en mi 
agujero, y volviöseme heredero. 

Auch die Farbe der Maus wird metaphorisch verwendet r 
dem Deutschen mausgrau entspricht im Engl, mouse-gray^ 
im Ital. topino, im Franz. gris de souris. Zu erwähnen wäre^ 



Die Maus. 63 

allenfalls noch, daß man im Ital. die Infanteristen wegen ihres 
granen Mantels scherzweise sorcini nennt. 

Die Maus gehört zu den Nagetieren, es ist daher das Nagen 
eine fiir die Maus besonders charakteristische Tätigkeit; dement- 
sprechend heißt ratonar im Span, „nagen" und in der Seemanns- 
sprache bezeichnet man mltratones das zackige Gestein am Meeres- 
grund, das die sich daran reibenden Ankertaue gleichsam an- 
nagt. Auch im Deutschen denkt man an die Maus als Nagetier in 
der Redensart : Da beißt keine Maus einen Faden ab, 
womit man sagen will: An der Sache ist nichts zu ändern; 
es ist einmal so. Hierher zieht Schrader die Redensart sich 
mausig machen, was „sich anmaßen, sich zudringlich 
benehmen" bedeutet, gleichsam wie die Maus, die mit ihren 
scharfen Zähnen alles annagt, was ihr unterkommt. Heyne 
und Kluge leiten jedoch das Wort von Mauser „Federwechsel" 
ab und es würde dann „sich mausig machen" soviel heißen als 
„die Federn wechseln, sich übermütig herausputzen, um sich 
hervorzutun". 

Auf das Flinke und Hurtige in den Bewegungen der Maus 
beziehen sich nicht wenig Metaphern. Sie ist flink wie 
eine Maus sagt man im Deutschen von einem behenden 
Mädchen. In ähnlicher Weise gebraucht der Franzose die 
Redensart etre eveille comme une potee de souris^ munter sein 
wie ein Topf voll Mäuse, wie er auch das Wort souris 
ohne weiteres auf ein lebhaftes Kind anwendet. Desgleichen 
wird ein Kuß auf das Auge im Pariser Argot mit so wm bezeichnet, 
indem ein solcher Kuß die Empfindung einer über das Auge 
huschenden Maus hervorruft. Zur Bezeichnung gewisser intimer 
Liebkosungen muß gleichfalls die Maus herhalten. So sagt 
der Pariser für peloter „betasten" auch faire la souris, die Maus 
spielen. (Über eine zweite Bedeutung derselben Redensart 
siehe pag. 64.) An das Dahinschießen der Maus denkt 
der Italiener, wenn er die Schwärmer bei einem Feuer- 
werk toppi matti „verrückte Mäuse" nennt. Der Gebrauch von 
„Maus" und „Mäuschen" als Kosewort beruht wohl haupt- 
sächlich auf dem behenden Wesen der Maus, das, gepaart mit 
der kleinen, rundlichen Gestalt, dem Tierchen ein charakte- 
ristisches Gepräge verleiht. So nennt der junge Mann seine 
Geliebte gern „mein süßes Mäuschen". Hiermit mag auch 



64 ^c Maus. 

der Gebrauch des Wortes f&r den Begriff ^cunnus^ in 
einigen Gegenden Deutschlands zusammenhängen. Ein 
Analogon hierzu findet sich im Toskanischen, wo topa „weib- 
liche Maus^' Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsteiles ist. 
In anderen Gegenden Deutschlands und allgemein in Frank- 
reich wird in demselben Sinne „Kätzchen'^, bzw. chat, gebraucht, 
das auch ursprünglich ein auf das Mädchen selbst angewendetes 
Kosewort ist. Zugleich sind diese beiden Beispiele Belege fftr 
den durch den Euphemismus verursachten Bedeutungswandel. 
Goethe gebraucht in seinem Tagebuch und in seinen Briefen 
für „Mädchen^ sehr häufig den Ausdruck Misel, was das 
elsässische Diminutiv zu mtis „Maus^ ist (Vgl. Schrader, 
Bilderschmuck d. d. Sprache, pag. 191.) Analog findet sich 
bei Shakespeare das Wort motm-huntj wörtl. „Mäusejäger", in 
der Bedeutung von „Mädchenjäger" gebraucht. (Über den 
Ursprung der Verwünschung daß dich das Mäuslein 
beiß' siehe Schrader, Bilderschmuck, pag. 188.) 

Was nun die moralischen Eigenschaften der Maus anUngt, 
so ist sie durch ihre Naschhaftigkeit, die sie zu allerlei kleinen 
Diebereien verleitet, allgemein verrufen. Bedeutet doch das 
Wort „Maus" selbst, wie oben dargetan wurde, „Dieb". 
Demgemäß wendet man im Deutschen auf kleinere Diebstähle 
das Wort mausen an. (Mausen bedeutet jedoch „Mäuse 
fangen" in dem Sprichwort die Eatze läßt das Mausen 
nicht.) Ein Analogon dazu bietet das span. Rotwelsch, wo 
murcio (von mus) „Dieb" und murciar „stehlen" bedeutet. Auch 
im Schriftspanischen wird ratear für „stibitzen", ratero für 
„Dieb" und rateria für einen unbedeutenden Diebstahl ge- 
braucht. Allerdings scheinen diese Wörter von rata „Ratte" 
abgeleitet zu sein, was jedoch im wesentlichen an der Sache 
nichts ändert, da ja der Spanier die Mäuse als „kleine Ratten" 
betrachtet. Hierher zu ziehen ist auch die jetzt veraltete 
franz. Redensart faire la souris, die Maus machen, d. h. jemds. 
Tasche geschickt untersuchen und ausleeren. Auf den diebi- 
schen Charakter dieses Tierchens spielt femer an die ital. 
Redensart fare come i topolini degli speziali, es machen wie die 
Mäuschen der Spezereiwarenhändler, d. h. immer mit Lecker- 
bissen zu tun haben und doch nicht davon essen können, was 



Die Maus. 65 

ungefähr dem deutschen „keinen Löffel haben, wenn es Brei 
regnet" entspricht. 

Damit die Maus auf ihren Beutezügen nicht ertappt 
werde, mufi sie leise und mit großer Vorsicht ans Werk gehen. 
Daher der deutsche Ausdruck mäuschenstill, womit sich 
die engl. Redensart to speak like a mouse in a cheese, wie eine 
Maus in einem Käse, d. h. leise, fast unvemehmlich sprechen, 
vergleichen läßt. In der deutschen Redensart arm wie 
eine Kirchenmaus wird die Maus' zur Kirche in Be- 
ziehung gesetzt. Die Kirchenmaus ist ärmer als eine andere, 
weil es in der Kirche an Speisevorräten völlig gebricht. An 
das deutsche „mäuschenstill" erinnert die franz. Redensart 
on entendrait trotter une souris, d. h. man würde sogar eine 
Maus laufen hören, so still ist es. Das vorsichtige, scheue 
Wesen der Maus wird durch das deutsche Duckmäuser 
trefflich charakterisiert. Das Wort, das aus „Maus" und 
„ducken" zusammengesetzt ist, bezeichnet einen Menschen, 
der seine Ziele auf Schleichwegen zu erreichen sucht und 
seine bösen Absichten unter scheinbarer Harmlosigkeit ver- 
birgt, geradeso wie die Maus es macht, wenn sie ihre Diebs- 
gelüste befriedigen will. (Vgl. engl, to mouse in der Bedeutung 
„leise umherschleichen".) Eine ähnliche Bildung ist Kai- 
mans er, womit man einen Stubenhocker, Kopfhänger be- 
zeichnet. Welche immer auch die Herkunft des der Studenten- 
sprache entstammenden Wortes sein mag {cälamus „Feder"? 
der Orden der Camaldolenser?), so viel ist gewiß, daß man 
darin eine volksetymologische Angleichung an „Duckmäuser" 
(mit Anspielung an „kahl") zu erblicken hat. (Vgl. Andresen, 
Über deutsche Volksetymologie, 5. Aufl., pag. 238.) Da die überaus 
kurzen Beine der Maus beim schnellen Laufen kaum sichtbar 
sind, kann es leicht den Eindruck machen, als bewege sich 
das Tier kriechend fort, weshalb im Span, ratero geradezu 
„kriechend" und auf Vögel angewendet „nahe an der Erde 
hinfliegend" bedeutet. Auf das moralische Gebiet übertragen, 
bekommt ratero logischerweise die Bedeutung von „duck- 
mäuserig, niederträchtig". Ebenso bedeutet das davon ab- 
geleitete raferia „gemeine Denkungsart". 

Nur dem Deutschen eigentümlich ist der Gebrauch von 
„Maus" in der Bedeutung „Schrulle, Grille". So sagt man 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. & 



6g Die MauB. 

^ B. £r hat Mäuse im Kopf, Ihm steckt der Kopf 
voll Mäusenester, Er macht ein Gesicht wie ein 
Topf voll Mäuse. (Vgl. jedoch im ganz anderen Sinne 
franz. äre iveiUi comme une poUe de souris. Siehe pag. 62.) 
Nach Sanders werden die hin und her schwirrenden Gedanteen 
mit Mäusen verglichen. 

Auch für den Vergleich naß wie eine gebadete Maus 
findet sich in den übrigen Sprachen kein Analogen.*) Diese 
Redensart erklärt Schrader ansprechend, indem er darauf hin- 
weist, daß die Maus als wasserscheues Tier in durchnäßtem 
Zustand einen besonders jämmerlichen Eindruck macht Der 
Franzose sagt mit einer dem Deutschen geradezu entgegen- 
gesetzten Auffassung trempe comme un canard, naß wie eine 
Ente. Da die Ente ein Wasservogel ist, so ist das Naßsein 
bei ihr durchaus kein abnormaler Zustand. Mausetot, ein 
scherzhafter Superlativ von „tot^^, heißt ursprünglich wohl : tot 
wie eine Maus, die die Katze erlegt hat und in der kein 
Fünkchen Leben mehr übrig ist. Bei der Häufigkeit der 
Mäuse ist eine tote Maus ein alltäglicher Anblick.**) Eine 
interessante Parallele zur deutschen Metapher bietet das engl. 
Sprichwort tO'^ay a man, to-morrow a mouse, heute ein Mann, 
morgen eine Maus, d. h. mausetot, das dem deutschen „Heute 
rot, morgen tot" entspricht. Auf das häufige Vorkommen 
dieser Tierchen bezieht sich auch die jetzt veraltete franz. 
Redensart bräler les sauris, die Mäuse verbrennen, d. h. ein 
Haus in Brand stecken. Es wird eben dabei angenommen, 
daß in jedem Hause Mäuse sind, gleichsam als wäre die Maugf 
ein integrierender Bestandteil desselben. (Vgl. das deutsche 
Sprichwort: Kein Haus ohne Maus, keine Scheuer ohne 
Korn, keine Rose ohne Dorn.) Daß die Bekanntschaft des 
Menschen mit der Maus eine uralte ist, scheint im Bewußt- 
sein des Volkes zu schlummern, wenigstens deutet die ital, 
Redensart aver piü anni del primo topo, älter sein als die erste 



*) Es wäre höchstens anzuführen aus dem Franz. der in der Gegen4 
der Haute-Loire gebrauchte Vergleich baigne comme un rat, naß wie eine 
(gebadete) Ratte (vgl. Bolland, Taune pop., I, pag. 22). 

**) Andresen (Über deutsche Volksetymologie, 6. Aufl., pag. 25) führt 
als Analoga aus dem Niederdeutschen an poggedod und huckedöd, tot wie 
ein Frosch, bzw. eine Kröte. 



x 

s 

^ 



Die Maus. 67 

Maus, d. h. steinalt sein, darauf hin. (Hingegen bezieht sich 
die Sedensart aver piü anni cPun serpente^ älter sein als eine 
Schlange, auf das verhältnismäßig hohe Alter, das viele 
Schlangen erreichen). Die Bedensart mettere fuori Varmi de^ 
dnque topi, die Wappen der fünf Mäuse heraushängen, d. h. 
zu altern beginnen, beruht auf einem Wortspiel. Die floren- 
tinische Familie Vecchieäi {vecchio = alt) hatte nämlich fünf 
Mäuse im Wappen. 

Zahlreich sind die Redensarten und Sprichwörter, die sich 
auf das feindliche Verhältnis zwischen Katze und Maus be- 
ziehen. Hier sollen nur die gebräuchlichsten angeführt werden. 
Ein franz. Sprichwort z. B. sagt: Ce qui ne fut jamais ni ne 
sera, c'est le nid d^une souris dans Voreille d^un chat, was niemals 
war noch sein wird, das ist das Nest einer Maus im Ohr einer 
Katze, womit etwas ganz Unmögliches bezeichnet werden soll. 
Im Deutschen sagt man analog: Es hat noch nie eine 
Maus einer Katze ins Ohr gebissen. Auf die hinter- 
listige Art der Katze, Mäuse zu fangen, bezieht sich die franz. 
Bedensart guetter qn. comme le chat faü la souris, auf jemd. 
lauern wie die Katze auf die Maus. Unser deutsches Sprich- 
wort: Ist die Katze aus dem Haus, tanzt die Maus 
findet sich auch in den übrigen Kultursprachen. Im Engl, 
lautet es : When the cat is away, (he mice will play, im Ital. : 
Quando la gatta non d in paese, i topi bäUano, im Franz.: 
Absent le chat, les souris dansent. Im Span, tritt, wohl um des 
]Reimes willen, die Batte an Stelle der Maus : Vanse los gatos, 
y estiendense los ratos, ziehen die Katzen fort, so breiten sich 
die Batten aus. 

Die Katze aber ist nicht die einzige Feindin der Maus, 
der Mensch bedient sich auch anderer Mittel, um diesen 
unerwünschten Hausgenossen loszuwerden. Er stellt ihr 
Fallen. Die Sprache hat sich des Bildes von der Mause- 
falle bemächtigt, um das Verhältnis zwischen Betrüger und 
Betrogenem möglichst drastisch zum Ausdruck zu bringen. 
Wenn man im Deutschen sagt: Er ist in die Falle 
gegangen, so ist es dabei allerdings nicht absolut not- 
wendig, an die Maus zu denken. Es kann einem auch ein 
anderes Tier, der Fuchs z. B., vorschweben, dem ebenfalls 

Fallen gestellt werden. Im franz. se jeter dans une souricüre 

5* 



68 Die Maus. 

nnd im span. caer en una ratonera kann jedoch kein anderes 
Tier als die Maus gemeint sein, was sich übrigens ohne weiteres 
ans der Etymologie der beiden Wörter ergibt, denn souriciire 
nnd ratonera sind unmittelbar von souris, bzw. raiön gebildet 
Das ital. trappola, womit engl trap verwandt ist, verrät zwar 
seine Bedeutung nicht durch die Etymologie, wird aber im 
engeren Sinne nur von Mausefallen gebraucht. Das engl 
mome-trap entspricht genau dem deutschen Mausefalle. 
Von Sprichwörtern und Metaphern, die von der Mausefalle 
gebildet sind, mögen angeführt werden aus dem Ital Ci sono 
piü trappole che topi, es gibt mehr Mausefallen als Mäuse, d. h. 
mehr Gauner als zu Begaunernde, womit gesagt werden will, 
daß auf dieser Welt die ehrlichen Leute in der Minderzahl 
sind. Übrigens liegen von trappola, das ganz allgemein im 
Sinne von „Betrug, Gaunerei" gebraucht wird (Metonymie), 
verschiedene Abteilungen vor wie trappolone „Gauner", trappo- 
lare „begaunern", trappoleria „Gaunerei", lauter Wörter, die 
gang und gäbe sind. Was das frz. souridire anlangt, so dient 
es im Pariser Argot zur Bezeichnung des Zellenwagens, der 
zum Transport flir Gefangene bestimmt ist. Auch eine Ver- 
brecherkneipe kann souriciere genannt werden, wobei der an- 
ständige Gast, der unversehens unter Gauner gerät, mit der 
Maus verglichen wird. In derbkomischer Weise wird im engL 
Volksmund die Ehe als des „Pfarrers Mausefalle", the parson's 
mome-trap, bezeichnet. 

Um die Mäuse in die Falle zu locken, gibt man ge- 
wöhnlich Speck, das Lieblingsgericht dieser Tierchen, hinein. 
So sagt ein deutsches Sprich wort :' M i t Speck fängt man 
Mäuse, d. h. mancher läßt sich durch schöne Worte betören. 
Darauf spielen auch an das frz. sauver son lard und das engl. 
to save one's bacon, seinen Speck retten, d. h. seine Haut in 
Sicherheit bringen wie die Maus, der es gelingt, sich des 
Speckes zu bemächtigen, ohne von der Falle zerquetscht zu 
werden. Auf die Speckliebhaberei der Mäuse bezieht sich 
auch die deutsche Eedensart wie Mäuse in der Speck- 
seite sitzen, d. h. sich irgendwo sehr behaglich fühlen, 
sowie das engl. Sprichwort JVo larder hut hath its mice, keine 
Speisekammer (wörtlich: Speckkammer), die nicht ihre Mäuse 
hätte, was dem deutschen „Kein Haus ohne Maus" entspricht. 



Die Ratte. 69 

Eine andere Lieblingsspeise der Mäuse ist das Mehl. 
Hierauf nimmt Bezug das deutsche Sprichwort: Wenn die 
Maus satt ist, schmeckt das Mehl bitter, das sich 
auch im Engl, findet: When the mause has had enough^ the 
meal is bitter. Im selben Sinne sagt man im Deutschen: 
Hunger ist der beste Koch. 



Die Ratte. 

In allen Kultursprachen ist die Bezeichnung dieses Tieres 
dieselbe: deutsch Ratte, engl, rat, ital. ratto, span. rata {ratön 
bedeutet „kleine Ratte, Maus"), frz. rat. Die Herkunft des 
Wortes ist nicht sicher. Das Tier, ursprünglich nicht in 
Europa heimisch, ist jedenfalls ein Import aus dem Osten, da 
sein erstes Vorkommen zur Zeit der Völkerwanderung kon- 
statiert wird. Im Deutschen existiert neben dem hochdeut- 
schen „Ratte" ein oberdeutsches Ratz, das übrigens im 
Hessisch-Thüringischen auf den Marder und sonst vielfach in 
volkstümlicher Rede auf das Murmeltier und den Bilch an- 
gewendet wird. Im Bayr.-schwäb. dient „Ratz" merkwürdiger- 
weise zur Bezeichnung der Raupe. Im venezianischen Dialekt 
heißt die Ratte pantegana (aus lat. pantex „Wanst"). Es wird 
demnach die Ratte als das „dickbäuchige Tier" aufgefaßt. 
Man vgl. damit Goethes Lied von der Ratte im Faust, wo es 
von dem Tiere heißt: 

„Hatte sich ein Känzlein angemäst, 
Als wie der Doktor Luther". 

Besonders charakteristisch im Äußern der Ratte ist der 
lange Schwanz, der wie die Ohren nackt ist, daher im Deut- 
schen der Ausdruck rattenkahl, der allerdings die falsche 
Vorstellung erweckt, als sei der ganze Körper der Ratte un- 
behaart.*) Korrekter ist die metaphorische Verwendung von 
Rattenschwanz für einen dünnen Haarzopf, wofür der 
Spanier einfach rata sagt, indem er metonymisch das Ganze 
für den Teil setzt, genau so wie im franz. goupillon, das 
Diminutiv von altfrz. goupil „Fuchs", für den Fuchs- 



♦) Möglicherweise Volksetymologie von „radikal''. (Vgl. Andresen, 
Über deutsche Volksetymologie, ö. Anfl., pag. 123.) 



70 I>ie Hatte. 

Schwanz gebraucht wird. Im Deutschen wird der Ausdruck 
„Rattenschwanz" auch auf einen dünnbehaarten Pferde- 
schweif angewendet. Scherzhaft nennt der Franzose dünne, 
lange Zigarren queues de rat, welche Metapher auch dem 
Deutschen nicht ganz fremd ist, während der Italiener mit 
einer kleinen Nuance dafür code di topi „Mäuseschwänze" sagt. 
Von drastischer Komik ist die dem Pariser Gaunerargot ent- 
stammende Redensart prendre des rais par la quetie, Ratten 
beim Schwänze nehmen, d. h. Uhren stehlen, wobei die ühr- 
kette mit dem Rattenschwanz verglichen wird. Minder leicht 
verständlich ist queue du rat als Bezeichnung einer gewissen 
Art von Schnupftabaksdosen. Dieser Ausdruck beruht auf 
einer Metonymie (Teil fürs Ganze), indem er nämlich eine 
Tabatifere bezeichnet, deren Deckel mittels einer kleinen, ent- 
fernt an einen Rattenschwanz erinnernden Lederschnur ge- 
öffnet wird. Der umgekehrte Fall von Bedeutungswandel 
(Ganzes für den Teil) liegt vor in rat de cave „Kellerratte" 
als Bezeichnung einer dünnen, biegsamen Kerze. Da der 
Rattenschwanz gegen das Ende zu immer dünner wird, so sagt 
der Franzose von einer Affaire, die ursprünglich viel von sich 
reden macht, schließlich aber im Sand verläuft, eile termine en 
quem de rat, sie endigt in einen Rattenschwanz. (Vgl. Rozan, 
Les animaux dans les proverbes, I, pag. 286 ff.). 

Daß die Ratte dem Franzosen als ein besonders spaßhaftes 
Tier erscheinen muß (vgl. portug. rata „drollig"), erhellt aus 
einem ehemals sehr beliebten Karnevalsscherze, der darin be- 
stand, daß man den Passanten Lappen in Gestalt einer Ratte 
auf den Rücken heftete, was man donner des rats aux passants, 
die Passanten mit Ratten beschenken, nannte. Diese Redens- 
art wurde dann auch auf andere ähnliche Karnevalsscherze 
übertragen, z. B. auf die weißen Striche, die man den Passanten 
unvermerkt auf die Kleider machte, so daß das Wort rat 
überhaupt zur Bedeutung „Ulk" gelangte wie z. B. in der 
Redensart: Je sens un rat, ich rieche eine Ratte, d. h. ich 
vermute einen Ulk. Ähnlich sagt der Engländer I smell a rat, 
ich merke Unrat (vgl. deutsch Mäuse riechen in derselben 
Bedeutung), wobei darauf hingewiesen sei, daß die Ratte als 
Kloakenbewohnerin — der Pariser nennt die Kloakenreiniger 
rais degout „Kloakenratten" — ein unreinliches und übel- 



Die Ratte. 71 

riechendes Tier ist, welcher Umstand bei der Entstehung 
dieser Redensart gewiß nicht unwesentlich mitgespielt hat. 
Nach Brewer (Dict. of Phrase and Fable, pag. 737) ist die 
Redensart von der Katze hergenommen. Daß die Beziehungen 
der Ratte zu den Geruchsnerven des Menschen nicht die 
besten sind, geht auch hervor aus der derbdrastischen Redens- 
art puer comme un rat mortj stinken wie eine tote Ratte, 
womit das non plus ultra aller Übelgerüche bezeichnet 
werden soll. * 

Auch in der engl. Redensart to be in rais, sich in Kater- 
stimmung befinden, ist die Ratte als Gegenstand des Absehens 
aufzufassen, indem das Charakteristische am „Kater" eben 
das Gefühl physischen und psychischen Ekels ist. Der Ab- 
scheu vor den Ratten wird geradezu zur Furcht gesteigert 
durch den im Volke verbreiteten Glauben, diese Tiere seien 
giftig Darauf spielt zweifellos die franz. Redensart an garder 
des rats ä qn,, jemd. Ratten aufheben, d. h. einen Groll gegen 
jemanden hegen mit dem geheimen Vorsatz der Rache, die 
eben darin bestehen würde, auf den Gegner Ratten loszulassen 
und ihm so zu schaden. (Vgl. Rolland, Faune pop., I, pag. 22, 2). 

Was die physischen Fähigkeiten der Ratte betrifft, so ist 
hauptsächlich ihre Gewandtheit im Laufen, Springen und 
Schwimmen hervorzuheben. Dabei zeichnet sich namentlich 
die Wanderratte durch große Ausdauer aus, weshalb sie dem 
Menschen als unzertrennliche Begleiterin überall hin nachgefolgt 
ist. Man bezeichnet daher im Deutschen eine lästige, zudring- 
liche Person gerne mit „Ratte". So liegt auch bei denMetaphem 
Spielratte (Bezeichnung eines leidenschaftlichen Spielers) und 
franz., span. rat de hibliotheqae, bzw. ratön de hiblioteca „Biblio- 
theksratte" (vgl. deutsch „Bücherwurm"), das auf einen eifrigen 
Bibliotheksbesucher angewendet wird, das tertium compara- 
tionis im Begriff des Versessenseins. Gerade so wie die Ratte, 
wo sie sich einmal festgesetzt, nicht zu vertreiben ist, ist der 
Spieler nicht vom Spieltisch, der Bücherwurm nicht aus der 
Bibliothek fortzubringen. Auf die Wanderratte bezieht sich 
wohl auch die im Engl, übliche Bezeichnung eines politischen 
Überläufers mit rat. Brewer (Dict. of Phrase and Fable, 
pag. 737) denkt hierbei an die den Ratten angedichtete Eigen- 
tümlichkeit, nicht seetüchtige Schiffe zu verlassen. Dieses 



72 I)ie Batte. 

Wort wird in analoger Weise in der Sprache der Arbeiter 
auf einen Streikbrecher übertragen, da es sich ja hier auch 
gewissermaßen um den Übertritt von einer Partei zur anderen 
handelt. Schließlich wird der Ausdruck infolge Erweiterung 
des Bedeutungsumfangs überhaupt auf jeden unter dem üblichen 
Lohn arbeitenden Arbeiter angewendet. In derselben Be- 
deutung wird auch das Verbum to rat und das Verbalsub- 
stantiv ratting gebraucht. 

Wenn man im Deutschen von jemand sagt, es laufe 
ihm eine Batte durch den Kopf oder er habe 
Ratten im Eopf, so meint man damit, er habe wunder- 
liche, närrische Einfalle, und vergleicht die im Kopf unstet 
hin- und herschwirrenden Gedanken mit dem raschen Um- 
herhuschen des Rattenvolkes. Man gebraucht dafür auch in 
gewiß noch ausdrucksvollerer Weise Namen von Insekten 
wie „Grille" oder „Mücke" und sagt wohl auch, es habe 
jemand einen „Vogel". Auch die den Ratten verwandten 
Mäuse werden — wie bereits gezeigt wurde — in diesem 
Sinne verwendet. Das Bild von den Ratten findet sich 
übrigens auch im Französischen. So sagt z. B. der Franzose 
von einem launenhaften Menschen II a des rats oder un rat 
lui trotte dans la tite. Auch heißt es im Argot von einem, der 
in ärgerlicher Stimmung ist: 11 a un rat dans la trompe, er 
hat eine Ratte im Rüssel. Damit hängt jedenfalls die Redens- 
art zusammen: Le fusil prend un rat, die Flinte kriegt eine 
Ratte, d. h. sie versagt, wovon raier „versagen, verfehlen". 
Brinckmann allerdings ignoriert den Zusammenhang mit rat 
„Laune, Grille" und versteht die Redensart wörtlich, indem 
er erklärt, die im Gewehrlauf steckende Ratte sei das Hindernis 
für das Losgehen des Schusses. Wie dem auch immer sei, 
so viel ist wohl sicher, daß rater von rat abzuleiten ist und 
nicht von raptarius „raubvogelartig, gierig", welche Etymologie 
begrifflich ganz unhaltbar ist. 

Von rat ist auch ein Adjektiv gebildet, nämlich ratier^ 
das die analoge Bedeutung „launisch, grillenfängerisch" hat. 
Daß übrigens der Zusammenhang zwischen rat und rater vom 
Sprachbewußtsein des Volkes noch dunkel gefühlt wird, ersieht 
man aus der im Argot gewisser Schulen üblichen Verwendung 
des Wortes rat für einen zu spät kommenden Schüler, wobei 



Die Ratte. 73 

allerdings umgekehrt rat von rater abgeleitet erscheint (rat = 
qui a rate Vheure de la rentree). Hierher zu ziehen ist gleich- 
falls der dem Argot angehörige Ausdruck rat de soupe für 
jemand, der zu spät zum Essen kommt {rater Vheure du dtner). 
Wie im Deutschen und Franz. wird auch im Engl, das Wort 
rat in der Bedeutung von „Laune, Grille" gebraucht. He hos 
rats in his garret, er hat Hatten in seiner Dachstube, bedeutet: 
Er ist geistig nicht ganz normal. Selbstverständlich ist mit 
der „Dachstube" der Kopf gemeint. (Vgl. im Deutschen: Es 
ist bei ihm im Oberstübchen nicht richtig und im Franz.: 
11 a des araignees sous U plafond, er hat Spinnen unter der 
Zimmerdecke). Hingegen ist to see rats, Ratten sehen, keine 
Metapher, sondern wörtlich zu verstehen. Es ist damit das bei 
hochgradigen Alkoholikern auftretende krankhafte Symptom 
des Mäuse- und Rattensehens gemeint. 

Mit ironischer Beziehung auf die Gewandtheit der Ratten 
im Springen bezeichnet man im Pariser Theaterargot eine Ballett- 
elevin mit rat, während die bereits ausgelernte Tänzerin 
konsequenterweise tigre genannt wird, gewissermaßen als ver- 
halte sich in der Springfertigkeit die angehende Tänzerin zur 
vollendeten wie die Ratte zum Tiger. (Anders Rozan, Les 
animaux dans les proverbes, I, pag. 294 ff.). Der Ausdruck rat 
de ballet ist übrigens als Ballettratte ins Deutsche ein- 
gedrungen. Da sich die Ballettänzerinnen in der Regel von 
Liebhabern aushalten lassen, so hat sich im Franz. der Aus- 
druck rat zu der Bedeutung von femme entret^nue erweitert. 
Auf diese Metapher ist wohl auch der eigentümliche Gebrauch 
von rat oder mit davon gebildetem Femininum rate als Lieb- 
kosungswort weiblichen Wesen gegenüber zurückzuführen. 
Wollte man die Metapher direkt vom Tiere ableiten, so könnte 
man als Analogen crotte anführen, was eigentlich den sich an 
die Schuhe heftenden Kot bezeichnet, in übertragener Bedeu- 
tung aber als Liebkosungswort vom Manne der Geliebten 
gegenüber gebraucht wird — selbstverständlich nur in den 
untersten Volksschichten. Können doch auch im Deutschen 
derbe Ausdrücke wie „Luder", „Aas", „Viehkerl" unter Um- 
ständen einen lobenden Sinn annehmen. Übrigens gebraucht 
auch der Engländer old rat „alte Ratte" im Sinne von „lieber 
alter Kerl". (Vgl. in derselben Bedeutung old dog „alter 



74 Die Ratte. 

Hund"). Mit der Gewandtheit der Ratte im Laufen und 
Springen geht die im Schwimmen Hand in Hand, weshalb 
man im Deutschen von einem guten Schwimmer zu sagen 
pflegt: er schwimmt wie eine Ratte. 

Femer gibt es eine Reihe von Metaphern, die sich auf 
die verschiedenen Aufenthaltsorte der Ratte beziehen. Auf 
der Eigenheit des Tieres, sich unterirdisch Gänge zu graben, 
beruht im Franz. die militärische Bezeichnung rat für einen 
kurzen Minen gang (Metonymie: das Hervorbringende flir das 
Hervorgebrachte). Ein Analogon hierzu findet sich im lat. 
cuniculus „Kaninchen", das auch auf einen unterirdischen Gang 
übertragen wurde. Von rat d'egout war bereits weiter oben 
die Rede. Im Pariser Argot nennt man rat de cave „Keller- 
ratte" den mit Erhebung der Getränkesteuer beauftragten 
Steuerbeamten, während im Engl, das Wort eine Bedeutungs- 
erweiterung erfahren hat und auf Steuerbeamte im allgemeinen 
angewendet wird. In Gefängnissen mag es wohl auch Ratten 
geben, wenigstens läßt darauf schließen die beim deutschen 
Militär übliche Bezeichnung Ratz für den Gefängnisaufseher; 
hingegen ist im Pariser Argot rat de prison „Gefängnisratte" 
Spitzname des Rechtsanwaltes. Besonders gern hält sich die 
Ratte im Stroh auf, weshalb der Franzose die Redensart Stre 
comme un rat en paille, wie eine Ratte im Stroh sein, im Sinne 
des deutschen „in der Wolle sitzen" gebraucht. (Vgl. portug. 
estar como raio no qaeijo, wie eine Ratte im Käse sein.) 

Wasserratte dient als scherzhafte Bezeichnung eines 
alten, erfahrenen Seemanns, während dieser umgekehrt die 
Bewohner des Binnenlandes Landratten nennt. Übrigens 
wendet man Wasserratte auch auf Personen an, die gern 
baden. In der Soldatensprache ist dies Wort Spitzname der 
mit dem Brückenbau beschäftigten Pioniere. Da die Ratten 
sich mit Vorliebe in alten, baufälligen Häusern aufhalten, 
so bezeichnet man solche im Franz. gern als nids ä rats 
„Rattennester", welche Metapher jedoch auch auf den Korn- 
speicher angewendet werden kann, wo Ratten sehr häufig zu 
finden sind. 

Der deutschen Redensart „arm sein wie eine Kirchenmaus" 
entspricht im Franz. Hre gmux comme un rat d^eglise. Die 
Armut wird in diesem Falle — was schon bei Erklärung der 



Die Ratte. 75 

deutschen Redensart geltend gemacht wurde — durch deil 
vollständigen Mangel an Lebensmitteln bedingt, da ja in der 
Kirche solche nicht vorhanden sind. Im Span, jedoch bezieht 
sich diese Metapher auf die Ratte im allgemeinen: ser mos 
pcbre qm tma rata, ärmer sein als eine Ratte. Die Redensart 
lieBe sich als eine Ellipse auffassen, sie läßt sich aber auch 
80 erklären. So gefräßig die Ratte auch im allgemeinen ist 
(vgl. das franz. Sprichwort: Voilä ce que les rats vlont pas 
mangij das haben die Ratten übrig gelassen), so genägsam 
ist sie im Notfalle, wo sie selbst Leder und Holz nicht ver- 
schmäht. Übrigens wendet man im Franz. den Ausdruck 
rat d'eglise auf einen frömmelnden Kirchenbesucher an, wie 
ja auch z. B. Heine irgendwo von „frommtuenden Ratten" 
spricht. Femer bezeichnet man mit rat (Teglise einen unteren 
Kirchendiener. 

Im Franz. ist die Ratte auch Symbol des Geizes. Die 
Ratten verschmähen in ihrer bekannten Freßgier auch die 
ekelhafteste und unverdaulichste Nahrung nicht. Geiz und 
Gier sind, worauf schon beim Wolf hingewiesen wurde, 
verwandte Begriffe. Im älteren Deutsch wurde „Geiz" ge- 
radezu im Sinne von „Gier" gebraucht. So ist z. B. „Geiz- 
kragen" ursprünglich einer, der die Nahrung gierig hinunter- 
schlingt (Kragen = Hals). Auch als Adjektiv wird rat in 
dieser Bedeutung gebraucht, z. B. 11 dement d'un rat! Der 
wird aber geizig! Im Portug. gibt es sogar ein Verbum 
ratinhar „knickern". 

Wenn man span. ratear „stehlen", ratero „Dieb" (davon 
abgeleitet rateria „Diebstahl"), von rata ableiten darf, so würde 
die Ratte ähnlich der Maus als Sinnbild des Diebes erscheinen. 
Die Definition, die das Wörterbuch der Akademie von 
„ratero^ gibt, entspricht ganz dem Wesen der Ratte : el ladrön 
que hurta con maha y catUela cosas de poco vahr. Eine Be- 
kräftigung erfährt diese Etymologie durch franz. raten (Dim. 
V. rat\ das in der Pariser Gaunersprache gewisse Spezialisten 
im Diebeshandwerk bezeichnet, so z. B. einen Dieb, der des 
Nachts die mit ihm in einem Zimmer Schlafenden bestiehlt. 
(Vgl. portug. rata de armario „Schrankratte" für „Haus- 
dieb"). Allerdings läßt sich gegen die Ableitung von ratero 
in der Bedeutung „Dieb" aus lat. raptarius „raubvogelartig, 



76 I>ie Batte. 

gierig" weder lautlich noch begrifflich etwas einwenden. 
Auch span. ratear „am Boden hinkriechen" dürfte von rata 
abzuleiten sein. 

Daß die Batte in keiner Weise Nutzen stiftet, sondern 
im Gegenteil ein sehr schädliches Tier ist, kommt zum Aus- 
druck im engl, ratty (abgeleitet von 7'at), welches Wort man 
auf wertlose, schlechte Dinge anwendet. Ein Analogon hierzu 
bietet der im amerikanischen Englisch übliche Ausruf rats! 
als Ausdruck der Verachtung. Daß die Eatte wegen ihrer 
Schädlichkeit allerorts verfolgt wird, ist begreiflich. Neben 
der Eattenfalle, welches Wort im engl. Slang metaphorisch 
für „Mund" gebraucht wird (rat-trap), verwendet man zu diesem 
Zwecke eine eigens dazu abgerichtete Hunderasse, den Battier, 
frz. chien rotier oder substantivisch gebraucht raiier. Auch 
besonders mutige Katzen nehmen es mit den Batten auf. 
Hierauf bezieht sich das ital. Sprichwort : Molto sa il ratio, ma 
piü ne sa il gatto. Analog im Franz: Beaucoup sait le rat, mais 
encore plus le chat, viel kann der Batz, doch mehr noch kann 
die Katz', di. h. jeder findet seinen Meister. (Vgl. span. Mucho 
sabe la zorra, pero mos quien la toma). Auf das Verhältnis 
von Katze und Batte spielt auch an das franz. Sprichwort: 
Qui ne nourrit pas le chat, nourrit le rat, wer die Katze nicht 
nährt, nährt die Batte. 

Besondere Erwähnung verdient der im Deutschen übliche 
Ausdruck Battenkönig, womit eine eigentümliche Krank- 
heit der Batten bezeichnet wird, die darin besteht, daß mehrere 
von den Tieren mit den Schwänzen zusammenwachsen. Nach 
Brehm ist dies Wort zu erklären aus einem alten Volksglauben, 
dem zufolge man sich vorstellte, „daß der Battenkönig, ge- 
schmückt mit goldener Krone, auf einer Gruppe innig ver- 
wachsener Batten throne und von hier aus den ganzen Batten- 
staat regiere." Die Bezeichnung ist dann auf die ganze Gruppe 
der Batten übergegangen. Der hier vorliegende Bedeutungs- 
wandel erweist sich also als Metonymie und ist außerdem 
jenen Fällen zuzuzählen, in denen auf abergläubischen Vor- 
stellungen beruhende Bezeichnungen sich auch nach dem 
Schwinden des Aberglaubens erhalten und sich den modernen 
Begriffen angepaßt haben. (Vgl. Waag, Bedeutungsentwicklung 
unseres Wortschatzes, pag. 184 ff.). Das Wort „Battenkönig" 



Der Hase. 77 

wird metaphorisch für etwas Unentwirrbares gebraucht; so 
spricht man z. B. von einem ,, wahren Rattenkönig unglaublicher 
Verwicklungen^^ In den übrigen Kultursprachen findet sich 
zu diesem Wort kein Analogen. 

Irrtümlicherweise bezieht man auf die Ratte die Redens- 
art schlafen wie ein Ratz. Unter „Ratz" ist hier 
nicht die Ratte zu verstehen, sondeni das Murmeltier oder 
der Bilch, welche Tiere vom Volke wegen ihrer Ähnlichkeit 
mit der Ratte — tatsächlich gehöien sie zur selben Gattung 
— Ratzen genannt werden und wirklich einen Winterschlaf 
halten, was die Ratte nicht tut. Zur deutschen Redensart 
stimmen auch frz. dormir cowwe une marmotte, d<trmir comme 
un loir sowie das ital. dottnire come una marmotta, come 
un ghiro. 

Schließlich sei noch erwähnt, daß die Bezeichnung der 
Milz im Franz., Ja rate, möglicherweise identisch ist mit dem 
Feminium von rat Es gehört allerdings eine üppige Phantasie 
dazu, um dieses Organ unseres Körpers mit einer Ratte zu 
vergleichen, allein die Bezeichnung der Milz im Si^an. mit 
pajanlla „Vögelchen" sowie sonstige Anwendungen von Tier- 
namen auf Körperteile (z. B. lat. musculus „Mäuschen" und 
^Muskel", Span, lagarto „Eidechse" und „Armmuskel") sprechen 
für diese Hypothese. (Vgl Zauner, Die roman. Namen der 
Körperteile, pag. 174 ff.). 

Der Hase. 

Weder die germanischen noch die romanischen Bezeich- 
nungen dieses Tieres bieten irgendwelche etymologische 
Schwierigkeiten. Das deutsche Hase (ahd. harn) ist dasselbe 
Wort wie das englische hare (altengl. hird). Bemerkenswert 
ist nur der Rhotazismus (s zu r). In den romanischen Sprachen 
lebt das lat. Upus fort: ital. fepre, span. liebre^ frz. liioie^ da- 
neben für Häsin hoAe vom deutschen „Hase'*. Andererseits ist 
das frz. Wort ins Engl, eingedningen, wo es als leveret „Häs- 
chen*' fortlebt. 

Der Hase, der über ganz Europa verbreitet und wohl 
das meistgejagte Wild ist, macht in der Sprache dem Fuchse 



78 I>er Hase. 

J^onkun^enz. Zahlreich sind die Metaphern und metaphoiiscben 
Redensarten, die die Sprache dem Hasen verdankt. Auf 
seiner äußeren Erscheinung allerdings beruhen nur wenig 
Metaphern. Besonders charakteristisch für den Hasen ist die 
gespaltene Oberlippe, eine Eigenheit, die sich in ähnlicher 
Weise auch bei manchem Menschen findet und für die im 
Deutschen seit dem 14. Jahrhundert die Bezeichnung Hasen- 
scharte üblich ist, welches Wort sich auch im AltengL findet 
(haeresceard), während man im Neuengl. hare4ip „Hasenlippe" 
dafür sagt. Ebenso gebraucht der Italiener dafür labbro leprina 
oder auch voglia della lepre „Hasenmal", während der Franzose 
bec de lüvre „Hasenschnabel" sagt. Auffallend sind beim 
Hasen die langen Ohren. Wir begegnen ihnen in der 
franz. Redensart hailler le lievre par Toreille, den Hasen beim 
Ohre hinreichen. Da nun der Hase, wenn er bei den 
Ohren gefaßt wird, leicht entschlüpft, bedeutet die Redensart 
soviel als „jeipd. foppen". In ähnlichem Sinne sagt man 
hailler le chat par les pattes^ die Eatze bei den Pfoten hin- 
reichen. (Vgl. Brinkmann, Metaphern, pag. 421 und Kozan, 
Les animaux dans les proverbes, I, pag. 216). Der Ausdruck 
lüvre cornu „gehörnter Hase" für „Chimäre, Hirngespinst" ist 
der Fabel Lafontaines „Les oreilks du lüvre^ entlehnt, wo von 
einem Hasen die Rede ist, der sich einbildet, seine Ohren 
seien Homer. (Vgl. Rozan, Les animaux dans les proverbes, 
I, pag. 216.) 

Eine Eigentümlichkeit des Hasen ist das Schlafen mit 
oflFenen Augen, das durch das Fehlen der Nickhaut bedingt 
wird, vom Volke aber mit dem scheuen, furchtsamen Charakter 
des Tieres in Zusammenhang gebracht wird, daher im Ital. 
dormire a occhi aperti come la lepre, mit oflFenen Augen schlafen 
wie der Hase, soviel bedeutet als „stets auf der Hut sein". 
Ebenso gebraucht der Franzose dormir en lüvre. Im Deutschen 
bezeichnet man einen leisen Schlaf als Hasenschlaf und 
der Engländer nennt einen übertrieben vorsichtigen Menschen 
hare-eyed „hasenäugig". Je älter der Hase, desto vorsichtiger 
ist er. Daher sagt der Italiener von einem, der schlau um 
eine Gefahr herumgeht : Fa lepre vecchia, er macht es wie der 
alte Hase, womit sich im Deutschen die Redensart vergleichen 
laut: Ich bin kein heuriger Hase, d. h. mich kriegt 



Der Hase. 79 

rs^m nicht so leicht dran. Analog sagt der Franzose : Je suis 
m% vieux lapin, ich bin ein altes Kaninchen. Was nnn die 
sonstigen moralischen Eigenschaften des Hasen anlangt, so 
sind alle Knltnrsprachen darin einig, in ihm das Symbol der 
Feigheit zn sehen, eine Auffassung, die von der Naturgeschichte 
vollinhaltlich bestätigt wird. Schon die alten Eömer ge- 
brauchten lepus zur verächtlichen Bezeichnung eines feigen 
Menschen. Im Deutschen wird neben Hase in demselben 
Sinne metonymisch Hasenherz und Hasenfuß gebraucht. 
Zu dem deutschen „Hasenherz'^ stimmen frz. cceur de lüvre 
(vgl. peureux comme un lihre^ furchtsam wie ein Hase) 
sowie engl, hare-hearted „hasenherzig", während jedoch mit 
engl, hare-foot nicht eine furchtsame, sondern eine schnellfüßige 
Person bezeichnet wird. Ebenso wird im Span, liebre auf 
einen furchtsamen Menschen angewendet. Von einem solchen 
sagt man auch: Ha comido una liebre, er hat einen Hasen 
gegessen. Von origineller Komik ist die Redensart das 
Hasenpanier ergreifen, d. L ßeißaus nehmen. Mit dem 
„Hasenpanier" ist wohl das Schwänzchen gemeint, das der 
Hase beim Laufen in die Höhe reckt. Am bündigsten jedoch 
charakterisiert der Engländer das furchtsame Wesen des 
Hasen, indem er den Namen des Tieres als Verbum (to hare) 
im Sinne von „erschrecken" gebraucht. 

Mit der großen Furchtsamkeit des Hasen hängt seine 
außerordentliche Schnellfüßigkeit zusammen. Sobald er die 
geringste Gefahr wittert, saust er davon. (Vgl. ital. fuggire 
come una lepre, fliehen wie ein Hase.) Daher, wie schon 
oben angeführt, im Engl, hare-footed „schnellfüßig" bedeutet. 
(Vgl. ital. lesto come una lepre, flink wie ein Hase). Hierauf 
beziehen sich auch die ital. Redensarten invitar Ixi lepre a 
correre, den Hasen zum Laufen auffordern, d. h. jemd. zu 
etwas auffordern, was er gern tut, und insegnare le lepri a 
correre^ die Hasen das Laufen lehren, d. h. jemd. etwas lehren 
wollen, worin er ohnehin ein Meister ist (Vgl. insegnare i 
pesci a nuotare, die Fische das Schwimmen lehren.) Hierher zu 
ziehen ist femer das deutsche Sprichwort: Schulden sind 
keine Hasen, d. h. sie laufen einem (leider) nicht davon, 
vom Standpunkt des Schuldners gesprochen. Hingegen heißt 
es im Franz. vom Standpunkt des Gläubigers aus: c'est up 



80 I^ei^ Hase. 

somme ä prendre sur le dos d^un lüvre, das ist eine Snmme, 
die vom BQcken eines Hasen herunterzunehmen ist, d. h. eine 
Summe, die auf Nimmerwiederselin dahin ist. Auf die Schnell- 
füßigkeit des Hasen bezieht sich auch die engl. Redensart to 
hiss ihe Harens foot, des Hasen Fuß küssen, d. h. zu irgend 
etwas zu spät kommen. Brewer (Dict. of Phrase and Fable, 
pag. 387) erklärt die Redensart so: Der Hase ist davongelaufen 
und hat gewissermaßen als Qruß seine Fußspur hinterlassen. 
(Vgl. franz. poser un hpin, jemd. ein Kaninchen hinsetzen, 
d. h. ihn bei einem Stelldichein aufsitzen lassen). 

Der Hase ist — wenigstens in Mitteleuropa — das meist 
gejagte Wild ; kein Wunder daher, daß in allen Kultursprachen 
die Hasenjagd eine große Anzahl von Redensarten geliefert 
hat. Auf die stets bedrängte Existenz des Hasen, der keinen 
Augenblick seines Lebens sicher ist, bezieht sich die franz. 
Redensart mener une vie de liivre, ein Hasenleben, d. h. ein 
elendes, ruheloses Leben führen, wozu sich schon im Alt- 
griechischen ein Analogon findet {Xayib ßlov ^fjv). Ahnlich 
sagt auch der Italiener stare come la lepre, wie der Hase immer 
auf der Hut sein. Daß es bei der Hasenjagd auf Schnellig- 
keit ankommt, besagt die deutsche Redensart: Das ist ja 
keine Hasenjagd, womit man andeuten will, daß etwas 
nicht mit Hast zu geschehen brauche, sondern in aller Ge- 
mütlichkeit und Ruhe vor sich gehen könne. Eine Anspielung 
auf das überaus scheue, furchtsame Wesen des Hasen enthält 
die deutsche Redensart standhalten wie der Hase bei 
der Trommel, d. h. Reißaus nehmen. Ein Analogon bietet 
das engl. Sprichwort: Drumming is not ihe way to catch a hare, 
mit Trommeln fängt man keinen Hasen. So sagt auch der 
Franzose von einem, der zur Erreichung seines Zweckes das 
ungeeignetste Mittel wählt : II veut prendre le lüvre au son du 
tambour. (Vgl. hiermit das deutsche Sprichwort: Wenn das 
geschieht, so wird der Hase mit der Trommel ge- 
fangen, d. h. das geschieht nie und nimmer). Daß der 
Jäger — und aufs allgemeine angewendet — der Mensch 
überhaupt konsequent sein soll, lehrt uns das deutsche Sprich- 
wort: Wer zwei Hasen zugleich hetzt, fängt gar 
keinen, das sich auch in den übrigen Kultursprachen findet 
Engl, lautet es: Who (hat hunts two hares, oft looseth both, itaL: 



Der Hase. 8t 

Chi due kpri caccia, una perde, e Vältra lascia , span. : J^l que 
dJö$ Uebres caza, d vezes toma la una y muchas vezes ningtma) 
franz.: 11 ne faut pas courir deux lihres ä la fois^ Von zwei 
Personen, die denselben Posten anstreben oder überhaupt das- 
selbe Ziel verfolgen, sagt der Franzose: Ils courent le mime 
Uhrej sie jagen denselben Hasen, wie zwei Jäger, die sich 
gegenseitig Konkurrenz machen. Wer so naiv ist, daß er 
glaubt, er könne den Hasen mit den Händen fangen, dem wird 
es schlecht ergehen. In dem Augenblicke, wo er den Hasen 
zu haschen glaubt, wird er mit leeren Händen in den Kot 
fallen. Daher im Span, coger una Uebre, einen Hasen fangen, 
geradezu für „hinfallen" gebraucht wird. Von der Hasenjagd 
hergenommen ist auch die span. Redensart levantar la Hebre, 
den Hasen auftreiben, d. h. eine Sache zuerst aufs Tapet 
bringen. Genau so im Franz. lever le lüvre. Dementsprechend 
heißt dann im Span, seguir la Hehre „eine Sache verfolgen". 
Den Erfahrungssatz, daß den Lohn für eine Mühe nicht immer 
deijenige einheimst, der ihn verdient, versinnbildlicht der 
Italiener durch das Sprichwort: Uno leva la lepre, e un ältro 
la piglia, der eine treibt den Hasen auf und der andere fängt 
ilHii Ähnlich sagt der Spanier: Uno levanta la liebre, y otro 
la mata. (Vgl. das deutsche Sprichwort: Der eine klopft auf 
den Busch, der andere fängt den Vogel). 

Auf die Überraschungen der Hasenjagd spielt an das 
engl. Sprichwort: The hare starts, when a man least expedß it, 
der Hase springt auf, wenn man es am wenigsten erwartet. 
Dieses Sprichwort, das dem deutschen „Unverhofft kommt oft" 
entspricht, findet sich auch im Ital. : Di dove meno st pensa, si 
leva la lepre und im Span.: Donde menos se piensa, salta la 
li^e. Von jemand, der sich in einer Sache nicht auskennt, 
sagt man: Er weiß nicht, wo der Hase liegt, wie der 
unerfahrene Jäger, der nicht weiß, wo der Hase sein Lager 
hat. Eine ähnliche Redensart ist: Da liegt der Hase im 
Pf-effer, d. h. da steckt die Schwierigkeit, das, worauf es 
allkommt. Analog heißt es ital.: Vediamo, dove giace la lepre^ 
franz.: Cest la que git le lüvre. Die romanischen Redens* 
aMra sind ohne weiteres verständlich, im Deutschen bedarf 
nttr- der Ausdruck „Pfeffer" einer Erklärung. Das Wort ist 
1h€^ nicht in sein^ gewöhnlichen Bedeutung zu verstehe*^ 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 6 



82 ^^^ Hase.. 

sondern in der übertragenen von „gepfefferter Brühe'^ „Pfeffer'^ 
wird eben metonymisch für „Pfefferbriihe" gesetzt. Es ist 
dies eine heiße, gewürzte Brühe, mit der der Hase hänfig 
zubereitet wird. (Vgl. Schrader, Bilderschmuck d. d. Sprache,, 
pag. 207 ff.). Auf das Lager des Hasen bezieht sich femer 
das deutsche Sprichwort: Wo der Has gesetzt ist, 
will er bleiben, d. h. jeder bleibt gern in seiner Heimat. 
Einen ähnlichen Gedanken drückt das analoge franz. Sprich- 
wort aus : Le lüvre revient Umjours ä son gtie, der Hase kommt 
immer wieder in sein Lager zuiUck. Treffend sagt der 
Franzose von einem Gläubiger, der seinen Schuldner in dessen 
Behausung überrascht: II a trouve le lüvre au gite, er hat den 
Hasen im Lager gefunden. (Vgl. Rozan, Les animaux dans 
les proverbes, I, pag. 210). 

Zur Hasenjagd wird der Hund verwendet. Auf diese Tat- 
sache bezieht sich das deutsche, keiner Erklärung bedürftige 
Sprichwort: Viele Hunde sind des Hasen Tod, das sich 
auch im Lat. findet : MtUtüiido canum mors leporis. (Vgl. ital. : 
Come poteva scampare una lepre da tanti cani? wie konnte ein 
Hase so vielen Hunden entkommen?). Dem deutschen Sprich- 
wort „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" entspricht im Engl.: 
The foremost dog catches the hare, der vorderste Hund fangt 
den Hasen. Von einem verräterischen oder doppelzüngigen 
Menschen sagt der Engländer : He hölds wiüi the hare and runs 
with the hounds, er hält mit dem Hasen und läuft mit den 
Hunden. 

Wenn der Italiener sagt: Ci sono piü cani che lepri, so 
meint er damit, es seien mehr Bewerber als freie Stellen vor- 
handen. Zwar nicht salonfähig, aber nichtsdestoweniger 
treffend ist das ital. Sprichwort: JMentre ü cane pisda, 
la lepre se ne va, während der Hund pi£t, geht der Hase 
davon , d. h. wer an sein Ziel gelangen will , darf sich 
durch nichts von dessen Verfolgung abbringen lassen. Von 
der Angriffsweise des Hundes dem Hasen gegenüber her- 
genommen ist die franz. Bedensart prendre le lüure au corps, 
den Hasen am Leibe packen, d. h. ohne Umschweife, gerades- 
wegs auf sein Ziel losgehen. (Vgl. deutsch : den Stier bei den 
Hörnern packen.) Auf die Hasei^jagd bezieht sich schließlich, 
auch die franz. Bezeichnung gentühomme ä lüvre „Hasenjunker". 



Der Hase. g3 

So nannte man früher in Frankreich einen armen Edelmann, 
der zom Leben aaf die Erträgnisse der Hasenjagd angewiesen 
war. (Vgl. deutsch „Krautjunker"). 

Der Hase ist namentlich in jUngeren Jahren ein äußerst 
possierliches Tier und entbehrt selbst einer gewissen Grazie 
nicht, was die Verwendung von lat. lepus als Liebkosung 
(bei Plautus) erklärlich macht. Da aber possenhaftes Wesen 
sehr häufig in Narrheit ausartet, so erscheint der Hase häufig 
als Symbol des Narren, namentlich in den germanischen 
Sprachen. Im Deutschen wird das Wort gern auf Personen 
angewendet, die irgend ein Steckenpferd haben, so in den Ab- 
drücken lateinischer Hase, Bücherhase. Ein verliebter 
Mensch, der sich albern benimmt, wird gern ein verliebter 
Hase genannt. (Vgl. bei Shakespeare: melancholy as a hare, 
trübsinnig wie ein Hase). Sogar Weiterbildungen sind im 
Deutschen zu verzeichnen: haselieren (bei Wieland und 
Schiller) im Sinne von „Possen treiben", sowie Hase laut, 
das neben „Narr" auch die Bedeutung „Prahlhans" haben 
kann. Eine analoge Auffassung vom Wesen des Hasen, finden 
wir im Englischen. In hare-mad oder mad as a March hare, 
verrückt wie ein Märzhase, erscheint hare als Verstärkung 
von mad. (Im März ist die Bammelzeit der Hasen). Dem- 
gemäß heißt im Engl, to mähe a hare of somebody, einen Hasen 
aus jemd. machen, soviel als „ihn zum Besten haben", womit 
man die in demselben Sinne gebrauchte deutsche Redensart ver- 
gleichen mag: jemd. mit Hasenschwänzen behängen. 
Daß dem Hasen ein schwaches Gedächtnis zugeschrieben wird, 
ist bei der von seinem Wesen obwaltenden Auffassung nur 
natüi'lich. So sagt man im Deutschen von einem Menschen 
mit schwachem Erinnerungsvermögen: Er hat ein Ge- 
dächtnis wie ein Hase. Analog spricht man im Franz. 
von cerveüe oder mimoire de liivre. (Ansprechend erklärt 
Bolland, Faune pop., I pag. 85, 21 diese Metapher). Auf das 
ischwache Gedächtnis des Hasen spielt an das ital. Sprich- 
wort: Quando la lepre ha passato il poggiuolo, non si ricorda 
jwM del figliuolo, wenn der Hase über den Hügel ist, erinnert 
er sich nicht mehr an den Sohn, welches Sprichwort gebraucht 
wird im Sinne unseres deutschen „Aus den Augen, aus dem 
JSinn". Im Engl bezeichnet man jedoch mit hare-brain 

6* 



g4 ^M Kaninchen. 

weniger einen vergeßlichen als einen flachtigen, unbesonnenen 
Menschen. (Vgl. deutsch Hasenkopf.) 

Schließlich sei noch der norddeutschen Ausdrücke Böhn- 
hase und Sandhase gedacht. Böhnhase, soviel als ,, Boden- 
hase^, bezeichnete zunächst die Katze (häufiger Dachhase^ 
dann den unzfinftigen Handwerker (namentlich Schneider), wohl 
deshalb, weil dieser, um sein unerlaubtes Grewerbe auszuüben, 
sehr häufig wie ein gejagter Hase auf den Dachboden (Böhn) 
flüchten mußte. Da die Leistungen dieser unzünftigen Hand- 
werker meistens minderwertig waren, so hat das Wort die 
Bedeutung von „Stümper, Pfuscher" angenommen. Sandhase 
ist zunächst dem Wortsinne nach ein in sandiger G^end 
lebender Hase, dann wird das Wort aber auch metaphorisch 
als ierminus des Kegelspiels gebraucht und bedeutet eine im 
Sande verlaufende Kegelkugel. In der deutschen Soldaten- 
sprache bezeichnet Sandhase einen Infanteristen, wozu das 
im österreichischen Kasemenargot als Spitzname der Feld- 
artilleristen übliche Feldhase ein Analogon bietet. 



Da43 Kaninchen. 

Die romanischen Bezeichnungen für „Kaninchen" gehen 
größtenteils auf lat. cuniculus zurück : ital. comglio, span. conejo^ 
altfrz. connilj connifij wovon engl. cony. Auch unser deutsches 
Kaninchen, das Diminutiv von kantne, ist auf dem Um- 
wege über das Niederländische aus dem Franz. entlehnt und 
war ursprünglich nur im Niederdeutschen üblich, wo neben 
Kaninchen volkstümlich Karnickel gebraucht wird. In den 
oberdeutschen Dialekten sind noch jetzt Formen üblich, die auf 
mhd. küniklin aus lat. cuniculi^ zurückgehen : elsässisch küngel, 
österreichisch verdeutlichend Kiniglhas, woraus durch Volks- 
etymologie Königshase wurde.*) In neufrz. lapin, lapereau 
steckt germanisch lappa „der Lappen". Das Wort bedeutet 
demnach „das kleine Tier mit den Lappenohren". Im Engl. 

*) Hehn - Schrader (Kulturpflanzen nnd Haustiere, Anmerkungen, 
pag. 607) macht anf die slavischen Analoga — mssisch korolek, krolik, 
poln. krolik, d. h. „kleiner KOnig** aufmerksam. Wahrscheinlich liegt hier 
eine direkte Übersetsnng der entsprechenden deutschen Bezeichnung* vor. 



Das Kaninchen. §5: 

wird neben cony häufig rtibbit gebraucht^ dessen Etymologie 
noch nicht sichergestellt ist. In dem neben con^o gebrauchten: 
span. gazapo vermutet man das griech. daavTtovg „der raueh" 
fttßfige Hase^. 

Die nahe Verwandtschaft des Kaninchens mit dem Hasen 
macht es ' erklärlich, daß die beiden Tiernamen zum großen 
Teil dieselbe metaphorische Verwendung erfahren. Auch wird 
in verschiedenen deutschen Dialekten, denen das Wort „Kanin- 
chen^ fremd ist, dasselbe durch „Hase" ersetzt. So heißt das 
Kaninchen im westl. Mitteldeutschland und in Schwaben Stall- 
hase, in Oberhessen Grein hase oder auch schlechtweg Hase, 
im Erzgebirge Kuh hase und in der Schweiz K tili hase. 

Von den physischen Merkmalen des Kaninchens werden 
die langen Ohren im Engl, metaphorisch verwendet, indem 
nämlich rabbiUeared „langohrig" bedeutet, während der Franzose 
in familiärer Bede den zugestutzten Backenbart {cöteUUes) 
nicht unpassend mit Kaninchenpfoten {patt^ de lapin) ver- 
gleicht. Mit Bezug auf das eigentumliche Spiel der Ober- 
lippenmuskulatur, das man beim Kaninchen beobachten kann, 
nennt der Spanier ein erzwungenes Lachen la risa dd cofiffjo^ 
das Lachen des Kaninchens (vgl. franz. rire jaune). 

Eine moralische Eigenschaft, die das Kaninchen mit seinem 
Vetter, dem Hasen, teilt, ist seine große Furchtsamkeit, daher 
im Ital. aver il cuor di coniglio, ein Kaninchenherz haben, ferner 
aver i conigli in corpo, die Kaninchen im Leibe haben oder auch 
avermangiato carne diconiglio, Kaninchenfleisch gegessen haben^ 
soviel bedeutet als „furchtsam sein". Mit letzterer Bedensart 
läßt sich vergleichen die oben zitierte span. Wendung comer 
una liebre. (Nach einem mittelalterlichen Aberglauben bekam 
der Mensch die Eigenschaften der Tiere, deren Fleisch er 
aß.) Beiläufig sei hier erwähnt, daß Welsh rabbit „welsches 
Kaninchen", womit man im Engl, ein aus Wales stammendes 
Gericht, nämlich eine mit in Bier aufgeweichtem Käse tiber- 
gossene, heiße geröstete Brotschnitte bezeichnet, möglicherweise 
nichts mit dem Kaninchen zu tun hat, sondern eine Verball- 
homung von rare bit „seltener (oder auch : halbroher) Bissen" 
ist.*) Im Span, ist von conejo das Verbum conejear abgeleitet^ 

*) Das Kaninchen wird geschlachtet, indem man ihm einen heftigesn 
Schlag auf den Hinterkopf versetzt {le coup du lapin) ; daher heißt recwoUr 



g3 Das Kaninchen. 

das „die Gefahr fliehen'' bedeutet. Auch im Altfranz. gibt es ein 
von connü abgeleitetes conüler in dei^selben Bedeutung. (Vgl. 
neufrz. dkaniUer „auskneifen"). Übrigens erscheinen Hase und 
Kaninchen in der ital. Redensart andar dal coniglio älla lepre^ 
vom Hasen zum Kaninchen gehen, d. h. zwischen zwei furcht- 
samen Personen verhandeln, als Symbole derselben Eigenschaft. 
Auch im Franz. sagt man ironisch von einem furchtsamen 
Menschen: 11 est brave comme un lapin, er ist mutig wie ein 
Kaninchen.*) Dazu steht im merkwürdigen Gegensatz un rüde 
lapin „ein handfester Kerl". Allerdings bezieht sich dieser 
Ausdruck mehr auf körperliche Stärke, schließt aber die 
moralische Tüchtigkeit, d. h. in diesem Falle den Mut, 
nicht ganz aus. Und so ganz unrecht hat der Franzose mit 
dieser Auffassung nicht. Die Kaninchen sind eben nur dem 
Menschen und den sie verfolgenden Tieren gegenüber furcht- 
sam; untereinander bekämpfen sie sich manchmal aufs hart- 
näckigste, ja sie gehen zuweilen sogar gegen größere Tiere 
aggressiv vor (siehe die Beispiele bei Brehm). Eine solche 
Zwiespältigkeit der Anschauung finden wir auch bei der 
Krähe (siehe bei „Krähe" pag. 145). Wie sehr sich übrigens die 
Sprachen in der Auffassung vom Wesen des Kaninchens einander 
widersprechen, zeigen das Engl, und Span. Während nämlich 
im Engl, cony auf einen albernen oder törichten Menschen 
angewendet werden kann, gebraucht der Spanier im direkten 
Gegensatz dazu gazapo im Sinne von „Schlaukopf". Mit dem 
Hasen hat das Kaninchen ferner die Schnellfüßigkeit gemein, 
weswegen man im Franz. von einem rasch Laufenden sagt: 
11 court comme un lapin, er läuft wie ein Kaninchen. Auch 
die Neigung zu Kapriolen teilt es mit seinem Vetter, daher 
im Franz. saut de lapin „Kaninchensprung" im Sinne von 
„Purzelbaum" gebraucht und in der engl. Sportsprache ein 

le coup du lapin, den Eaninchenschlag bekommen^ „altern infolge plötz- 
lichen Kräfteverlustes". 

*) Nach Kozan (Les animanx dans les proverbes, I, pag. 221) bedeutet 
hrave comme un lapin auch : herausgeputzt {hahiUe de neuf) wie ein Kanin- 
chen. Es hat sich also in dieser Metapher brave in der älteren Bedeutung 
„schön, prächtig^, die bravo jetzt noch im Span, haben kann, erhalten. 
Auch propre comme un lapin , sauber wie ein Kaninchen, sagt man im 
Franz. Beide Metaphern sind hergenommen von der Gewohnheit des 
Kaninchens, sich zu lecken und zu putzen. 



Das Kaninchen. 87 

unzuverlässiges Pferd mit rabbit bezeichnet wird. Scherzweise 
nennt der Franzose die Katze lapin de gouttiire {gouttiire = 
Dachrinne), während wir dafftr „Dachhase" sagen. Schließlich 
schreibt der Franzose dem Kaninchen ebenso wie dem Hasen 
ein schwaches Gedächtnis zu (avoir une mSmoire de lapin), wes- 
halb ehemals in Frankreich der Genuß des Kaninchenfleisches 
beim Volke als gedächtnisschwächend galt. 

Indessen spielt das Kaninchen auch eine selbständigere 
Rolle in der Sprache, indem es als Vertreter von Eigenschaften 
erscheint, die die Sprache, sei es mit Eecht oder Unrecht, 
nur ihm und nicht dem Hasen zuschreibt. Vor allem ist 
hervorzuheben die große Fruchtbarkeit des Tieres, weshalb 
man im Span, von einer kinderreichen Mutter sagt: Es mia 
coneja und im Franz. : Gest une vraie lajrine. Wenn man jedoch 
im Deutschen von kaninchenhafter Fruchtbarkeit 
spricht, so meint man damit meistens geistige Produktivität. 
Der Fruchtbarkeit des Weibchens entspricht beim Männchen 
die hervorragende erotische Leistungsfähigkeit. Hierauf be- 
zieht sich im Deutschen die Redensart huren wie ein 
Karnickel, wozu sich in franz. chaud comme un lapin, 
hitzig wie ein Kaninchen, ein Analogon findet. (Vgl. im 
Span. cow<5;o, wohl angelehnt an cono ,,cunnus^, als vulgäre 
Benennung des weiblichen Geschlechtsteiles sowie im engl. 
Cant rabbit-pie „Kaninchenpastete" als Bezeichnung einer 
Prostituierten). In seiner Lebensweise unterscheidet sich das 
Kaninchen vom Hasen wesentlich dadurch, daß es in selbst- 
gegrabenen, unterirdischen Gängen lebt, weshalb bereits im 
Lat. ein unterirdischer Gang mit cuniculus bezeichnet wird, 
ein interessantes Beispiel von Metonymie (Ursache für Wir- 
kung). Analog bedeutet auch im Span, conejera „Spelunke" und 
metonymisch „Gesindel". (Raum gesetzt für die Bewohner des- 
selben; vgl. deutsch „Frauenzimmer", „Bursche".) Ähnliche 
Bedeutung haben auch gazapön, gcusapera, gazapina. Ersteres 
wird namentlich in dem speziellen Sinne von „Spielhöhle" an- 
gewendet. Von gazapo ist übrigens auch ein Verbum gebildet : 
gazapear „herumhuschen nach Art der Kaninchen". 

Dem Franz. und Span, eigentümlich ist der Gebrauch von 
lapin, bzw. gazapo in der Bedeutung „Fopperei, Aufschneider^^ 
Lüge". Sehr gebräuchlich ist in der franz. Umgangsspr 



^ Der Elefant. 

cUe Eedeasart poaer un lapin ä qn., jemd. ein Kanincheti hin,« 
setzen, was namentlich angewendet wird anf einen, der za 
einem Stelldichein nicht ergeheint. Die Redensart ist leicht 
za erklären. Das Kaninchen, das ich jemd. irgendwo hlnsetza, 
wird selbstrerständlich nicht geduldig warten, sondern daTon- 
lanfen. (Analog sagt der Italiener, wenn er fürchtet, da£ 
jemand nicht wartet: Aspettasse tanio la lepre, möchte doch der 
Saee (solange) warten.) Es wird daher im Franz. lapin über- 
haupt gern angewendet, wo es sich um eine Fopperei oder 
Prellerei handelt. (Derartige Redensarten aus dem Pariser 
Argot findet man zusammengestellt bei Sachs, Zusammenhang 
TOD Mensch und Tier, Neuphil. Zentralbl. 1904, pag. 69). 
A.uch Span, gazapo kann die Bedeutung von „Lüge, Be- 
Img" annehmen. Hauptsächlich wird das fem. gazapa in 
diesem Sinne gebraucht Hierher scheint engl, to huy ihe 
rabbit, das Kaninchen kaufen, d. h, hei einem Kaufe ttb^- 
vorteilt werden, zu gehören, in 'Wrklichkeit aber ist die 
Redensart wohl elliptisch aufzufassen und hieße vollständig 
to huy ihe rabbit in ihe sack, das Kaninchen im Sack, d. h. 
nnbesehen kaufen, wobei man natürlich sehr leicht betrogen 
werden kann. Man mag dabei auch an das deutsche „die 
Eatz' im Sack kaufen" denken, um so mehr als nach einige 
Auslegern die Redensart so gemeint ist, daß die Katze für 
einen Hasen gekauft wird. 

Nicht in diese Gruppe ist dagegen zu rechnen alUr (imnter) 
ett lapin, blind mitfahren. Lapin war früher eine verächtliche 
Bezeichnung für einen Bedienten (der Bediente wii'd wie ein 
Kaninchen im Hause gehalten), so daß die Redensart ur- 
sprünglich bedeutet: als Bedienter, d. h. neben dem Kutscher, 
mitfahren. (Vgl. Rozan, Les animaux dans les proverbes, I, 
pag. 223.) 

Der Elefant. 

r Name dieses Tieres, der in allen Kultursprachen Aei' 
st, ist griechischen Ursprungs (MeyoT-). Durch das 
sehe wurde er den romanischen und germanischen 
m vermittelt: Ital., span. elefante, frz. ^lephant, deutsch 
;, engl, elephant. Kulturhistorisch interessant ist «s, 



.-4 



Der Elefant. 89 

daß in gemeingermanischer Zeit mit dem Worte „Elefant'^ -^ 
got. ulhandus, altengl. olfend, ahd. oliwnta, mhd. olbent — das 
Kamel bezeichnet wurde, eine höchst merkwürdige Yer- 
wechselang zweier ganz verschiedener Tiere, die nur in der 
exotischen Herkunft beider und in ihrer daraus resultierenden 
Seltenheit ihren Grund hat. Im Mhd. wurde der Elefant auch 
häufig heifant, helfeniier genannt mit offenbarer Anspielung an 
helfen. Andresen (Über deutsche Volksetymologie 5. Aufl., 
pag. 84 f.) sieht darin eine Anspielung entweder an den tat- 
sächlichen Nutzen dieses Tieres oder an die Heilki*äfte, die dem 
Elfenbein im Mittelalter zugeschneben wurden. Im Ital. exi- 
stiert neben ehfante heute noch eine volkstümliche Form &*o* 
fante. Von altfrz. dlifant und deutsch Elfenbein wird weiter 
unten die Rede sein. (Vgl. Seiler, Die Entwicklung der deut-^ 
sehen Kultur im Spiegel des deutschen Lehnworts, II, pag. 66 ff.) 

In Anbetracht der Körperfülle und ungeschlachten Gestalt 
des Elefanten ist es nicht zu verwundern, daß dieses Tier in 
den meisten Kultursprachen als Symbol der Plumpheit er- 
seheint, namentlich wenn dieselbe mit Körpergröße verbunden 
ist. So wird „Elefant" im Deutschen, Franz., Ital. von großen 
und schwerfälligen Personen gebraucht, im Deutschen mit vor- 
zugsweiser Einschränkung auf weibliche Wesen. Hierher zu 
ziehen ist auch das engl. Adjektiv elepha^itine, das „riesenhaft, 
unbeholfen" bedeutet. Im Deutschen kann das Wort auch auf 
einzelne Körperteile angewendet werden, indem man z. B. 
dicke Beine als Elefantenbeine bezeichnet.*) Der Parisw 
nennt im Argot nach unten weiter werdende Beinkleider 
pantalon patte cCeUfant „Elefantenpfotenhosen". Mit Bezug auf 
die zwei mächtigen Stoßzähne des Elefanten bezeichnet der 
Italiener große Zähne als denti d'elefante „Elefantenzähne". 
Im Engl, wird der Doppelzwirn, also ein dicker und starker 
Zwirn, elephant thread „Elephantenzwirn" genannt. Ais 
Symbol der Gi'öße, wobei die Nebenvorstellung der Plumps 
heit in den Hintergrund tritt, erscheint der Elefant in dem 
Sprichwort aus einer Mücke einen Elefanten machen, 
d. h. eine unbedeutende Sache als sehr wichtig darstellen. In 



''') Elephantiasis ist der medizinisclie Terminus für eine Krankheit, 
bei der die Beine stark anschwellen. 



90 I>er Elefant. 

den übrigen Kultursprachen findet sich das Sprichwort auch^ 
Btr mit dem Unterschied, daß anstatt der Mficke im EngL^ 
Ital., Franz. die Fliege, im Span, der Floh als Sinnbild der 
Kleinheit dem Elefanten gegenübergestellt wird. (Engl.: ta 
change a fly into an dephant, ital. : far cTuna mosca un elefante, 
span.: hacer de una pulga un elefante, frz.: faire d'une mouche 
un eUfant), Der Elefant erscheint übrigens in der deutschen 
Redensart bei einem Liebespaar den Elefanten 
spielen auch als Symbol geistiger Schwerfälligkeit, indem — 
in diesem Falle allerdings mit Unrecht — von der physischen 
Plumpheit auf die geistige geschlossen wird. Obige Redensart 
wird angewendet auf einen Oalan, auf den man — ohne daß 
er von dem Manöver etwas merkt — des Ehemanns Eifersucht 
lenkt, wenn ein anderer der Frau des letzteren den Hof 
macht. Mit Abschwächung und gleichzeitiger Verschiebung 
der ursprünglichen Bedeutung gebraucht man diese Redensart 
mit Bezug auf die Anstandsperson, meist weiblichen Geschlechts, 
die ein Brautpaar auf seinen Spaziergängen begleitet. 

Da der Elefant ein exotisches Tier ist und daher sein 
Erscheinen bei uns — namentlich in den unteren Volks* 
schichten — ein gewisses Aufsehen erregt, so ist dieses Tier, 
ähnlich wie der Löwe, im Engl, zum Sinnbild des Seltsamen, 
Merkwürdigen geworden. Es heißt deshalb to see {to show) ihe 
ekphant die Merkwürdigkeiten — besonders die unrühmlichen 
— einer Stadt sehen, bzw. zeigen. Auch bezeichnet man mit 
eJephant einen unbequemen Besitz, dessen man sich gern ent- 
ledigen möchte. So bedeutet z. B. der Satz: Be found his 
great house very much like a white elephant, es kam ihm sein 
Haus wie ein weißer Elefant vor, „sein Haus wurde ihm 
lästig". (Vgl. Muret, Wörterbuch der engl. u. deutschen Sp.^ 
pag. 786). Ist ein Elefant schon an und für sich wegen 
seiner Größe und Schwerfälligkeit kein bequemer Besitz, so 
müßte ein weißer Elefant doppelt lästig sein, da er durch 
seine ungewohnte Farbe allgemeines Aufsehen erregen würde. 
Als exotisches und infolgedessen seltenes Tier erscheint der 
Elefant auch in der engl. Redensart to have seen the elephanty 
den Elefanten gesehen haben (in der Urheimat nämlich), d. h. 
gerieben sein. Gerieben aber wird nur der sein, der viel 
Lebenserfahrung besitzt und sich fleißig in der Welt herum- 



Das Kamel. 91 

getummelt hat. Ein solcher mag auch in Länder ge- 
kommen sein, wo der Elefant zu Hause ist. Diese Redens- 
art wird ironisch auf ein Mädchen angewendet, für das die 
Freuden der Liebe kein Geheimnis mehr sind. (Vgl. franz. 
in derselben Bedeutung avair vu le hup, den Wolf gesehen 
haben). 

Semasiologisch interessant ist das altfrz. olifant, ein Wort, 
das im franz. Rolandsliede als Bezeichnung von Rolands Hom 
oft aufstößt. Das Wort ist nämlich wie das ital. liofatite eine 
volkstümliche Benennung des Elefanten. Wie kommt es aber 
zur Bedeutung „Hom" ? Wir haben es hier mit einer doppelten 
Metonymie zu tun. Zunächst nahm olifant die Bedeutung 
„Elfenbein" an. (Der Erzeuger für das Erzeugnis gesetzt.) 
Der folgende Bedeutungswandel erweist sich ebenfalls als 
Metonymie, indem die Materie zur Benennung des Gegen«? 
Standes dient, aus der er gefertigt ist. Infolge Erweiterung 
des Bedeutungsumfangs schließlich wurde jedes Hörn mit 
olifant bezeichnet. Analog ist im älteren Ital. elefante in der 
Bedeutung „Elfenbein^ belegt, wie auch das engl. Adjektiv 
elephantine „elfenbeinern" bedeuten kann. Auch das deutsche 
Elfenbein ist nichts anderes als „Elefantenbein". 



Das Kamel. 

Wie die Namen der meisten exotischen Tiere, so ist auch 
der des Kamels griechischen Ursprungs (xdfirjXog). Auf dem 
Umwege über das Lat. (camelus und cameUus) ist es in die 
romanischen Sprachen übergegangen: ital. cammelh, span. 
camdlo, frz. chameau. Das deutsche Kamel geht gleichfalls 
direkt auf lat. camelus zurück, während engl, camel Entlehnung 
aus dem Altfranz, ist. Im Mhd. war als Bezeichnung für das 
Tier Kernel und daneben verdeutlichend Kemdtier üblich. Kernel 
ist nach Baist dem arab. gemel nachgebildet und fand zur Zeit 
der Kreuzzüge in Deutschland Eingang. (Vgl. Seiler, die 
Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel des deutschen 
Lehnworts, II, pag. 138 ff.). 

Obgleich das Kamel in Europa nicht heimisch ist, so hat 
es doch auf die Phantasie der abendländischen Völker einen 



92 Das Kamel. 

sehr nachhaltigen Eindruck ausgeübt, wofür etliche Metaphern 
und metaphorische Redensarten in den modernen Eultursprachen 
den deutlichsten Beweis liefern. 

Was zunächst die äußere Erscheinung des Tieres anlangt, 
so kann man sagen, daß sie allen Eegeln der Ästhetik 
Hohn spricht und sehr wohl als Typus der Häßlichkeit gelten 
kann, weswegen der Franzose ein häßliches Frauenzimmer 
gern chameau nennt. Desgleichen kann das Wort auf ein gemeines 
Weib angewendet werden, wobei die Häßlichkeit auf das 
moralische Gebiet übertragen erscheint. 

Neben dem Eindruck der Häßlichkeit macht aber das 
Kamel auch den einer tiefen Traurigkeit, gleichsam als wäre 
es sich seines unschönen Äußeren bewußt. Hierauf bezieht 
sich der engl. Slangausdruck the cameVs complaint „die Kamels- 
krankheit^ eine scherzhafte Bezeichnung der Melancholie. 
Was an der Gestalt des Kamels besonders auffällt, ist sein 
Höcker, daher im Engl, camehbacked (back = Rücken) „bucklig'* 
heißt. (Vgl. ital. gobbo come un cammeUo, bucklig wie ein 
Kamel). Hierher zu ziehen ist ferner span. camellön, womit in 
der Gärtnerei der Erdrücken bezeichnet wird, der zwei Garten- 
beete voneinander scheidet. Auch der Erdrücken, der beim 
Pflügen zwischen zwei Furchen entsteht, wird so ge- 
nannt. Von der Katze, die einen Buckel macht, sagt man in 
gewissen Gegenden Italiens: Fa il eammello, sie macht das 
Kamel. (Vgl. Zell, Streifzüge durch die Tierwelt, pag. 55 f.) 
Auf eine andere physische Eigentümlichkeit des Kamels, die 
Schwielen an den Knieen, spielt engl. cameUhneed an. Daß 
das Kamel als Symbol der Größe der Mücke gegenübergestellt 
wird, wird bei der Erklärung der auf letzteres Tier bezüg- 
lichen Metaphern gezeigt werden. 

Was die psychischen Eigenschaften des Kamels betriflft, so 
weiß die Sprache darüber gleichfalls nichts Gutes zu berichten, 
wobei sie sich mit der Naturgeschichte im vollen Einklang be- 
findet. Störrisches Wesen und Mangel an Intelligenz sind die 
beiden Hauptuntugenden des Kamels. Auf ersteres bezieht sich 
das engl. Adjektiv camelish, das „eigensinnig" bedeutet, sowie der 
ital. Vergleich fare come il cammello che piü del stio peso non vuol 
portare, es wie das Kamel machen, das nicht mehr als seine 
gewohnte Last tragen will, während im Deutschen das Kamel 



Der Vogel im allgemeineii. 93 

als beschimpfende Bezeichnung für minder intelligente Indi- 
yidnen; dem Esel und dem Schaf erfolgreiche Konkurrenz 
macht. Der Gebrauch von „Kamel" im letzteren Sinne ent- 
stammt der Studentensprache, in der das Wort ursprünglich 
auf einen Studenten angewendet wurde, der keiner Verbindung 
angehörte, was für das stark ausgeprägte Selbstbewußtsein 
der Verbindungsstudenten besonders charakteristisch ist. In- 
dem man dann von dem Mangel an Intelligenz auf Eng- 
herzigkeit in moralischer Beziehung schloß, bekam das Wort 
— immer noch innerhalb der Studentensprache — die Be- 
deutung „philisterhafter Mensch". 

Auf die Verwendung des Kamels als Lasttier bezieht sich 
das engL Sprichwort: Ä feather wül break a cameVs bacJc, eine 
Feder bricht manchmal den Rücken eines Kamels, wofür man im 
Deutschen sagt : Ein Tropfen bringts zuletzt zum Überfließen. 

Nach dem Kamel sind schließlich noch andere Tiere 
benannt, die mit ihm größere oder geringere Ähnlichkeit 
haben. So heißt die Giraffe, bei der Beine und Hals an das 
Kamel erinnern, deutsch auch Kamelparder^ engl. cameUh 
pard^ ital. cammehpardo, span. camehpardcU, franz. camäeopardj 
(wissenschaftl. : camelopardaiis giraffä). Die Bezeichnung 
„Parder" bezieht sich auf die Zeichnung des Felles, das wie 
beim Leopard scheckig ist. Auch der Strauß wird im Engl, 
wegen seines langen Halses camel-bird „Kamelvogel" genannt, 
was der wissenschaftlichen Bezeichnung strtdhio cameUis ent- 
spricht. 

Der Vogel im allgemeinen. 

Deutsch Vogel, ein spezifisch germanisches Wort, beruht 
auf mhd. vogdj ahd. fogal. Die altengl. Entsprechung lautet 
fugcA^ woraus über mittelengl. foul sich neuengl. foucl entwickelt 
hat, das infolge Bedeutungsverengung jedoch nur auf Hühner 
angewendet wird. Das gebräuchliche Wort für „Vogel" ist 
im Engl, hird^ das durch Metathese aus alt- bzw. mitteleng]. 
brid entstanden ist, welches Wort jedoch nur den jungen Vogel 
bezeichnete. (Man vgl hiermit ital. ucceUo^ franz. oiseau laus 
lat aviceUus „Vögelchen".) Möglicherweise hängt brid zu- 
sammen mit breed „brüten" und braod „Brut". 



94 ^^^ Vogel im allgeineinen. 

Was die romanischen Ausdrücke für „Vogel" betrifft, so 
hat sich lat. avis „Vogel" nur in span.-port. ave und in sard. 
ae erhalten. ItaL ticcelh und franz. oiseau (altfrz. oiseT) gehen 
auf das Diminutiv von avis, avkeUus, zurück. Jedoch hat auch 
Span, ave die Konkurrenz von pdjaro zu befürchten. Dieses 
Wort, das aus lat. passer hervorgegangen ist und demgemäß 
ursprünglich „Sperling" bedeutet, hat infolge Begriffsverall- 
gemeinerung — der Sperling ist der häufigste Vogel — die Be- 
deutung von „Vogel" angenommen. (Siehe bei „Sperling".) 
Umgekehrt wird sehr häufig „Vogel" durch Bedeutungsver- 
engung auf bestimmte Vögel angewendet. So ist in den 
romanischen Sprachen die Gans eigentlich das „Vögelchen", 
indem ital., span. oca, frz. oie auf lat. avka, Dim. von avis 
„Vogel", zurückgehen. Ein Analogen hierzu finden wir im 
Deutsch des 16. Jahrhunderts, wo der Enterich kurzweg als 
j,der Vogel" bezeichnet wurde. Im Mittelalter, wo die Falken- 
jagd die alltägliche Belustigung der Vornehmen war, war der 
Falke der Vogel xar" i^oxriv. Überreste von diesem Gebrauche 
haben sich in der modernen Sprache erhalten. So ist z. B. 
der bekannte Spruch Friß, Vogel, oder stirb von. der 
Abrichtung des Falken hergenommen. Daß der Falke mit 
Fleisch gefüttert wurde, erhellt aus der franz. Redensart ce 
fCest pas viande pour vos oiseatix^ das ist kein Fleisch für eure 
Vögel, d. h. das ist zu teuer für eure Mittel oder wohl auch : 
das geht über eure Fassungskraft. Ebenso ist in der Redensart 
Ure battu de Voiseau, vom Vogel geschlagen werden, d. h. den Mut 
verlieren, mit oiseau der Falke gemeint, der seinem Opfer 
mit Schnabel- und Flügelhieben zusetzt. (Vgl. Eozän, Les 
animaux däns les proverbes, II, pag. 33.) Denselben Ursprung 
hat das franz. Sprichwort: Le bon oiseau se fait de lui-niSniej 
der gute Vogel, d. h. das Talent, bildet sich von selbst. Daß 
mit „oiseau^ hier der Falke gemeint ist, erhellt ganz deutlich 
aus dem engl. Analogen: The gentle hawk makes itseVy der 
edle Falke bildet sich selbst. Ebenso bedeutet oiseler im 
älteren Franz. „mit dem Falken jagen". Schließlich wird im 
Patois von Limousin die Schwalbe kurzweg als der Vogel 
(ozelo)*) bezeichnet. (Vgl. Rolland, Faune pop., III, pag. 315.) 



*) ozdo ist das fem. Ton ozeu =^ oiseau. 



Der Vogel im allgemeineu. 95 

^u bemerken ist ferner, daß im älteren Deutscli das Wort 
^Vogel^ einen weiteren Bedeutungsumfang hatte als heute, 
Widern es nämlich jedes geflügelte, bzw. fliegende Tier be- 
zeichnete. So wurden Biene, Heuschrecke, Fledermaus ohne 
weiteres Vögel genannt. So heifit es z. B. bei Luther: Die 
Biene ist ein kleines Vögelein. In einigen Gegenden 
Deutschlands heifit der Schmetteiling heute noch Butter- 
oder Sommervogel. (Vgl. dänisch sommerfugl.) Ein Ana- 
logen hierzu findet sich im Span., wo llir kleine, geflügelte In- 
sekten die Bezeichnung pajarilla, avecüla „ Vögelchon^' üblich ist. 
Zu beachten ist, dafi im Nhd. „VogeP' selten auf Hühner 
augewendet wird, im Gegensatz zum Engl., wo fowl nur Ge- 
flügel bezeichnet. (Über die Verwendung von „Vogel" in 
„Vogel Straufi" siehe bei „Straufi".) 

Von der Fülle der Metaphern, die vom Vogel hergenommen 
sind, sollen hier, dem vergleichenden Charakter dieser Studie 
entsprechend, nur solche zur Besprechung gelangen, die Ge- 
meingut mehrerer Sprachen sind. Dies gilt namentlich auch 
von den auf den Vogel bezüglichen Sprichwörtern, deren voll- 
ständige Aufzählung hier keinen Zweck hätte, abgesehen da- 
von, dafi deren erschöpfende Anführung nahezu einen Band 
füllen würde. 

Als ein Rest alter heidnischer Vorstellungen sind die* 
jeuigen Metaphern zu betrachten, in denen der Vogel als Ver- 
künder übermenschlicher Weisheit erscheint. Man denke an 
Vögel wie den Raben, den Kranich, die Eule, die in der 
römischen wie germanischen Mythologie eine wichtige Rolle 
spielten und denen zum Teil noch heute vom Volksglauben 
divinatorische Fähigkeiten zugeschrieben werden. So ver- 
kündet der Ruf des Käuzchens oder das Gekrächze des Raben 
dem abergläubischen Volke Unheil. Daher nennt der Italiener 
diese Vögel uccelU di mal augurio, der Franzose oiseaux de 
mauvais augure^ oiseaux fantömes {fataiix\ der Engländer unlucky 
birds oder birds of ül-oinen. (Vgl. jedoch deutsch spezialisierend 
„Unglücksrabe" häufiger alsUnglücksvogeL) Metaphorisch 
werden diese Ausdrücke auf Überbringer von Unglücksnach- 
richten angewendet. Zu bemerken ist, dafi Deutsche und Fran- 
zosen auch einen Glücksvogel, bzw. oiseau de hon augure 
Jkeunen. Auch soust noch finden ^sich in modernen Sprachen 



96 ^T^ Vogel im allgememen. 

Spuren dieser in mythische Zeiten zurückreichenden Anffassung. 
Man dachte sich gewisse Vögel im Besitze von Geheimnissen, 
üe sie gelegentlich an ihnen sympathische Personen verrieten. 
So sagt man noch heutzutage in gewissen Gegenden Deutsch- 
lands, wenn man die Quelle einer überraschenden Nachricht 
nicht verraten will: Ich habe ein Vögelchen davon 
singen hören und ähnlich sagt der Engländer : Älittlebird 
has tdld it to me, ein Vögelchen hat's mir gesagt Im älteren 
Engl, nannte man auch ein Geheimnis the bird in the hosomj 
den Vogel in der Brust. (Vgl. Borchardt-VTustmann, Sprich- 
wörtl. Bedensarten, pag. 486.) 

Der Vogel, der sich kraft seiner Schwingen in die Lüfte 
erhebt und dem sozusagen die ganze Welt offen steht, ist bei 
allen Völkern Symbol der Freiheit. Frei wie der Vogel 
in der Luft bezeichnet im Deutschen das non plus ultra der 
TJngebundenheit Ebenso sagt der Italiener von einem, der 
durch keine gezwungene Beschäftigung in seiner Bewegungs- 
freiheit gehindert ist: J^ come VucceUo suUa frasca, er ist wie 
der Vogel auf dem Zweig. Diese Redensart, die sich auch 
im Franz. findet — Stre comme Voiseau sur Ja branche — kann 
allerdings unter Umständen einen tadelnden Sinn annehmen, 
indem der Beschäftigungslose, wenn er nicht pekuniär gesichert 
ist^ häufig in mißliche Lagen kommt, ebenso wie der Vogel 
im Walde nicht immer vor Hunger geschützt ist. Gleichwohl 
— meint der Italiener — i meglio esaer mcetto di boaco che 
itcceUo di gabbia, es ist besser, Waldvogel als Eäfigvogel zu 
s^n. Auch der Franzose hat dies Sprichwort: Mieux vaut 
Stre omau de boia que de cage. (Vgl. franz. aiseau de cage für 
„Gefangener".) Am prägnantesten bringt jedoch der Spanier 
die Beziehung zwischen den Begriffen „Vogel" und „Freiheit" 
zum Ausdruck, indem er das ungebundene ümherstreifen mit 
pajarearj einem von pdjaro „Vogel" abgeleiteten Verbum, be- 
zeichnet. Häufig wird das Wort im tadelnden Sinne auch auf 
Pflastertreter (Substantiv: pajarero) angewendet, die auch der 
FVanzose mit oiseaux de rue „Straßenvögel" bezeichnet. Hin- 
gegen bedeutet deutsch vogelfrei nicht „frei wie dei^ Vogel^^ 
solidem „frei für den Vogel". Dieser Ausdruck bezieht sich 
niämlich auf den E(^*per des Geächteten, der nach dem Tode 
dM Vögeln zum Fräße preisgegeben wurde. 



Der Vogel im allgemeinen. 97 

Zahlreich sind die Metaphern, die sich anf die Vogeljagd 
beziehen. Zunächst muß bemerkt werden, daß sich alle Sprachen 
fBr den Begriff des Vogelfangens eigene Verba gebildet haben. 
So sagt der Engländer to bird^ welches Wort mit Bedeutungs- 
verengung hauptsächlich auf den Htthner- und Schnepfenfang 
angewendet wird. Der Italiener bildete von ucceUo ucceüare 
(mit dem Dativ: so heißt es z. B. ncellare aMe lodöle, ai tordi, 
Lerchen, Drosseln jagen). 

Auch im übertragenen Sinne wird dieses Yerbum gebraucht 
und bedeutet dann ein Streben nach etwas. (UcceTlare agli 
amri, a una ereditä, nach Ehren streben, nach einer Erbschaft 
trachten). In transitiver Verwendung kommt das Yerbum 
gleichfalls vor : ticcellare qd. heißt Jemd. foppen'^ wörtl. „ihn 
wie einen Vogel behandeln^. Der Vogel, der auf den Leim 
oder ins Netz geht, ist eben der Gefoppte. In diesem Sinne 
sagt der Italiener auch umschreibend mandare qd. alV ticcelkUaio, 
jemd. zum Vogelherd schicken. Von ucceUo sind ferner ge- 
bildet die substantiva factitiva acceUatore und uccelkäura^ die 
— mutatis mutandis — die Bedeutungen des Verbums über- 
nommen haben. Von den übrigen Ableitungen des Wortes 
wäre noch zu erwähnen uccellagionej das zunächst den Vogel- 
fang, dann die Zeit desselben und schließlich metaphorisch 
mit gleichzeitiger Begriffserweiterung „Verlockung" bedeutet. 
Was das Spanische betrifft, so wird das bereits in der Be- 
deutung „herumstreichen" angeführte pajarear auch für „Vogel- 
fangen" gebraucht. Im Franz. wird flir älteres oiseler um- 
schreibend prendre des oiseaux gesagt. Ursprünglich war oiselet* 
ein Terminus der Falkonierkunst und bedeutete als solcher 
„den Falken zur Beize abrichten" und „mit dem Falken 
jagen". Von oiseler sind zwei substantiva factitiva abgeleitet, 
nämlich oiseleur „Vogelfänger" und oiselier „Vogelhändler". 
Zu nennen ist femer oisellerie, das neben „Vogelfang, Vogel- 
handel" auch „Vogelhecke" bedeutet. Was das Deutsche an- 
langt, so war in der älteren Sprache für „Vogel fangen" 
vögeln üblich. Das substantivum factitivum Vogler lebt in 
der Geschichte als Beiname des ersten sächsischen Königs 
fort Mit Umlaut des o bezeichnet das Verbum die Vollziehung 
des Geschlechtsaktes. Ursprünglich seiner Etymologie gemäß 
nur auf Vögel angewendet, wurde der Gebrauch des Wortes 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 7 



98 I^ßr Vogel im allgemeinen. 

durch Bedeutungserweiterung auch auf den menschlichen 
Koitus ausgedehnt. 

Naheliegend ist der Vergleich des gefangenen Vogels mit 
dem Betrogenen, bzw. des Vogelfangers mit dem Betrüger. 
Jemd. ins Netz locken, ins Netz (ins Garn) gehen 
sind Bedensarten, die allen Kultursprachen gemeinsam sind^ 
aber sich nicht ausschließlich auf den Vogelfang beziehen, da 
sie ebensogut von der Fischerei hergenommen sein können 
(siehe bei „Fisch"). Doch sagt man im Deutschen auch 
metaphorisch einen Vogel ins Garn locken, einen 
Vogel fangen, bzw. festhalten, wozu sich in den übrigen 
Kultursprachen Analoga finden. Dementsprechend wird sach 
Lockvogel, d. i. der Vogel, mit dem man lockt {engl, decoy- 
duck „Lockente") im übertragenen Sinne gebraucht. Die 
Kedensarten jemd. leimen für „anführen" und geleimt 
werden oder auf den Leim gehen für „angeführt werden" 
gehören gleichfalls hierher, da man mit Leim eben nur Vögel 
und keine anderen Tiere fängt. Eine ähnliche Redensart 
findet sich im Ital.: cadere nella pania, in den Leim fallen. 
Auch der Engländer gebraucht für „betrügen" häufig to Urne. 
Hierher gehört gleichfalls das im Pariser Argot gebräuch- 
liche faire Voiseau, den Vogel machen, d. h. sich dumm an- 
stellen. Ferner wird in den meisten Sprachen das unver- 
mutete Verschwinden eines Gefangenen mit dem Entwischen 
eines Vogels aus dem Käfig verglichen. So heißt es deutsch: 
Der Vogel ist ausgeflogen, engl.: The bird hos flawn, 
span.: El pdjaro (auch golondrino „Schwalbe") volo, franz.: 
Uoiseau rCy est plus, Voiseau s^est envoU. Auf den Vogelfang 
bezieht sich auch das engl. Sprichwort: There's no catching öld 
bird toith chaff, einen alten Vogel kann man nicht mit Spreu 
fangen. Denselben Gedanken, nämlich daß man im Alter 
durch Erfahrung klug wird, drückt aus das span. Sprich- 
wort: Pdjaro viejo no entra en jaula, ein alter Vogel geht nicht 
in den Käfig, womit sich vergleichen läßt das ital. Sprich- 
wort : Nuova rete non piglia ucceUo vecckio, ein neues Netz fangt 
keinen alten Vogel. Mit feiner Ironie bezeichnet das Pariser 
Argot mit oiseau die Jungfernschaft, die von den Mädchen 
ängstlich wie ein Vogel im Käfig gehütet wird und die, einmal 
verloren, gleich dem entwischten Vögelchen nicht wiederkehrt. 



Der Vogel im allgemeinen. 99 

Vom Wettschießen hergenommen ist die nur im Deut- 
schen vorkommende Redensart den Vogel abschießen, 
d. h. das Richtige treffen oder bei öffentlichen Leistungen, an 
denen sich mehrere Personen beteiligen, sich vor allen anderen 
auszeichnen. Mit dem Vogel ist hier nicht ein wirklicher 
Vogel, sondern eine als Ziel dienende künstliche Nachbildung 
eines solchen gemeint. (Gewöhnlich ein Papagei oder ein 
Adler.) 

Das intime Verhältnis des Menschen zum Vogelgeschlecht 
wird am besten dadurch charakterisiert, daß er das Wort 
„Vogel" auf seinesgleichen anwendet, u. zw. begegnet diese 
Metapher hauptsächlich im Deutschen und Span. Hierbei 
zeigt sich auf den ersten Blick eine Verschiedenheit der 
Auffassung. Im älteren Nhd. nannte man nämlich einen un- 
moralischen Menschen gern einen „Vogel", welche Metapher 
wahrscheinlich der Studentensprache ihren Ursprung verdankt. 
Im Gegensatz hierzu bezeichnet span. pdjaro einen sittlich 
oder geistig hochstehenden Menschen. Dieser anscheinende 
Widerspruch findet seine Erklärung darin, daß es eben unter 
den Vögeln wie unter den Menschen moralisch und intellektuell 
verschieden geartete Typen gibt und dem Deutschen bei An- 
wendung dieser Metapher ein minderwertiger, dem Spanier 
hingegen ein höherstehender Vogeltypus vorschwebt. (Man 
denke z. B. an Gegensätze wie sie Adler und Sperling dar- 
bieten.) Übrigens wird im Span, in familiärer Sprache pdjaro 
im selben Sinne angewendet, den „Vogel" ehemals im Deut- 
schen hatte. Im modernen Deutsch wird diese Metapher 
durch Hinzutreten eines Attributs nuanciert. So spricht man 
von einem losen, argen, frechen, leichtsinnigen, 
sauberen, lustigen, schlauen Vogel. Der Spanier 
kennt auch einen pdjaro gordo, einen dicken Vogel, d. h. eine 
wichtige, reiche Person, einen pdjaro solitario, einen einsamen 
Vogel, bzw. Menschen (s. bei „Sperling"), einen pdjaro de 
cuenta, einen Vogel von Bedeutung, d. h. eine einflußreiche 
Persönlichkeit. Unserem „lustigen Vogel" entspricht im Span, 
das Adjektiv pajarero, das ,. lustig, munter, aufgeräumt" be- 
deutet. Nebenbei sei bemerkt, daß pajarera als Substantiv 
das aus Scheu oder Verlegenheit hervorgerufene Stocken in 
der Rede bezeichnet, wohl mit Anspielung auf die Schüchtem- 

■^ ■• ^ * 



100 Der Vogel im allgemeineu. 

heit gewisser Vögel. (Vgl. franz. oiseau effarauchi, scheuer 
Vogel, als BezeichnnBg eines Menschen, der bei jeder Gelegen- 
heit erschrickt) Aach ave wird in ähnlicher Weise meta* 
phorisch verwertet, z. B. in am zanza, ein schwerflllliger Vogely 
bzw.* Mensch. Mit avechudw, dem Pejorativ von awy bezeichnet 
der Spanier einen häßlichen Vogel von unbekanntem Namen 
und wendet das Wort auch metaphorisch auf einen häßlichen 
Menschen an. Eine ähnliche Bedeutung hat pajarraeoy daß 
Pejorativ v(m p&jaro. Das Deutsche bildet nach Analogie 
von Baubvogel, Zugvogel, welch letzteres Wort Übrigens 
auch wie franz. ciseau de passage auf einen viel umherwandem- 
den Menschen angewendet wird, mit dem Worte „VogeP' 
scherzhafte Komposita, die nur metaphorische Bedeutung haben, 
wie Spaßvogel, Zankvogel, Pechvogel.*) Letzterer 
Metapher begegnen wir auch im Engl.: gaUows-bird oder 
Newgate birdj**) womit sich franz. oiseau de prison „Gefängnis- 
vogel^ v^gleichen läßt. Femer gibt es im Engl, einen 
early hird^ einen frühen Vogel, d. h. Frühaufsteher, einen 
nactumal Mrd, einen nächtlichen Vogel, d. h. Nachtschwärmer. 
(Vgl. deutsch Nachtvogel.) Auch dem Franz. ist — wie 
bereits oben durch ein Beispiel gezeigt wurde — die meta- 
phorische Verwendung von oiseau nicht fremd. Mit oiseau 
schlechtweg bezeichnet man einen sonderbaren Menschen, mit 
dem sich schwer umgehen läßt. (Vgl. deutsch spezialisierend 
„Kauz".) Im selben Sinne gebraucht der Franzose drdle 
d^oiseau, ein drolliger Vogel. Eine ironische Färbung hat bei 
oiseau, schöner VogeL (Vgl. ital. bei merlo, engl fine bird.) 
Oiseau de haut vol, ein hochfliegender Vogel, ist die Bezeichnung 
eines „hochfliegenden^ Geistes. (Vgl. den metaphorischen Ge- 
brauch von aigle.) Einen seltenen Gast nennt der Franzose 
oiseau rare, ebenso der Spanier rara ave. Diese Metapher beruht 
auf dem häufig zitierten rara avis CatuUs, das sich auf den 
aus Indien stammenden Pfau bezieht. Schon Juvenal ge- 
braucht den Ausdruck metaphorisch, indem er ihn auf Weiber 
vom Schlage der Penelope und Lucretia anwendet. — Mit 

*) Hingegen bezeichnen Galgenvogel (hängenswertes Subjekt) and 
SpottYogel (spöttischer Mensch) zunächst wirklich existierende Vögel, 
n. zw. dieses die Spottdrossel, jenes den Baben. 

**) Newgate war früher das Kriminalgefängnis der City von London. 



Der Vogel im allgemeiiien. 101 

msecm de saint Luc, Vogel des heil. Lukas, ist der Ochse ge- 
meint^ weswegen im Ital. uccello di San Luca aaf einen ein- 
mütigen Menschen angewendet wird. Aach sagt der Franzose 
von einem schlechten Sänger: II cJiante eomme Voiseau de 9aint 
LuCf er singt wie der Vogel des heil. Lukas, und von einem 
dicken, schwerfälligen Hinsehen : // est Uger comme Toüeau de 
samt Luc, er ist leicht wie der Vogel des heil. Lukas. (Der 
Ochse ist bekanntlich das Attribut des Evangelisten Lukas.) 
Schließlich wird in allen Sprachen das Dim. von „Vogel^ als 
Liebkosungswort f8r Kinder gelntiucht. 

Von den obigen Metaphern wohl zu trennen ist die 
deutsche Redensart einen Vogel haben, die man auf einen 
geistig nicht ganz normalen Menschen anwendet. Diese 
Metapher beruht auf einem Vergleich der wirren Gedanken 
mit dem Hin- und Herflattem eines Vogels. (Vgl. die Argot- 
i*edensart avoir une hironddle dans Je soUveau.) Vielfach werden 
Insektennamen in diesem Sinne verwendet. Auch sonst wird 
das Wort auf Lebloses angewendet. So bezeichnet der 
Spanier die Schweinsmilz mit pajarilla „Vögelchen". (Vgl. 
Zauner, Die roman. Namen der Körperteile, pag. 175.) 
Allerdings beruht dieser Vergleich auf sehr oberflächlicher 
Betrachtung. Benennungen von Körperteilen mit Tiemamen 
sind übrigens nicht selten, worauf schon bei der Maus, pag. 61 
hingewiesen wurde.*) Aus dem Deutschen ist hierher zu 
ziehen die Bezeichnung von Goldstücken mit Goldvögeln 
oder gelben Vögeln, mit scherzhafter Anspielung an das 
Verfliegen des Geldes, ebenso engl, yellaw birds oder speziali- 
sierend canaries „Kanarienvögel". (Vgl. span. mosca „Fliege'* 
für „gemünztes Geld".) Evident ist die Bezugnahme auf das 
Fliegen bei Anwendung von span. pqjara auf den Papier- 
drachen der Kinder. Auf dem raschen Flug beruht auch 
die Verwendung des Vogels als Symbols der Behendig- 
keit. So sagt der Italiener von einem flinken Menschen: il 
vispo came un uecelh, er ist behende wie ein Vogel, der Spanier 
mit Unterdrückung des tertium comparationis : Es un ave^ er 
ist ein Vogel, und der Franzose meint von einer Sache, die 



"**) Im Franz. uud Ital. bezeichnet man mit oisean, bzw. uccelHno das 
männliche Glied bei Kindern. 



102 I^er Vogel im allgemeinen. 

gat vonstatten geht: Qa va attx oiseaux, das geht nach 
Vögelart. 

Die Fähigkeit der meisten Vögel, sich in bedeutende 
Höhen zu erheben, erklärt den Ausdruck aus der Vogel- 
schau. So sagt man z. B. eine Landschaft aus der 
Vogelschau betrachten, d. h. von einem erhabenen 
Standpunkte aus. Diese Metapher findet sich in allen Kultur- 
sprachen : engl. bircTs eye „Vogelauge" (adjektivisch gebraucht), 
ital. a vol cFmcello {volo = Flug), span. d vista de ave {visia = 
Blick), ä vuelo de ave (vuelo = Flug), franz. ä vue d^oiseau, ä 
vol d'aiseau; letzterer Ausdruck bedeutet auch „in gerader 
Linie^ (anspielend auf den geradlinigen Flug der meisten 
Vögel). Mit Bezug auf die hochgelegenen Nester mancher 
Vögel wird auf englischen Polarfahrern der zum Ausguck 
dienende Mastkorb bird^s-nest „Vogelnest" genannt, wofür auch 
crow's-nest „Krähennest" gesagt wird. (Siehe bei „Krähe" 
pag. 151.) 

Von ganz besonderem Interesse, auch für die deutsche 
Metaphorologie, ist der Gebrauch von span. pajarotada, pqjarota 
im Sinne von „Lüge, lügenhafte Nachricht". Im Franz. wird 
in diesem Sinne canard gebraucht, im Deutschen „Ente". (Vgl. 
„Zeitungsente".) Von den zahlreichen Interpreten, die sich 
um die Erklärung der deutschen Metapher bemüht haben, hat 
keiner über das Französische hinaus nach Analogien gesucht 
und doch ist der sprachvergleichende Weg bei derlei Unter- 
suchungen der einzig sichere und richtige.*) Das span. pajarotada 
liefert uns den Schlüssel auch für die frz., bzw. deutsche 
Metapher. Das span. Suffix ada tritt häufig zu Tiernamen 
und bezeichnet im tadelnden Sinne die Handlungsweise des 
betreffenden Tieres. So bedeutet z. B. perrada (von perro 
„Hund") die einem Hunde eigene, d. h. eine hündische, nieder- 
trächtige Handlungsweise. Vgl. auch noch asnada (v. asno „Esel") 
„Eselei, Dummheit", gatada (v. goto „Katze") „Schelmenstreich", 
monoM (v. mono „Affe") „Ziererei", gansada (v. ganso „Gans") 
„Dummheit, Tölpelei". Pajarotada (v. pajarota „großer Vogel") 

*) Die Sage vom Entenbaum, in der Bartels (Ztschr. f. d. deutschen 
Unterricht, Y, pag. 355) den Ausgangspunkt der in Rede stehenden Metapher 
gefunden zu haben meint, dürfte wohl umgekehrt der metaphorischen Ente 
ihre Entstehung verdanken. 



Der Vogel im allgememen. 103 

bedeutet also irgend eine tadelnswerte Betätigung eines großen 
Vogels. Welche Eigenheit berührt uns nun an größeren 
Vögeln unsympathisch ? Das ist wohl die unangenehme JStimme, 
die so ziemlich allen größeren Vogelarten gemein ist. Hierbei 
denken wir zunächst an zahme Vögel, wie 6ans und Ente, 
die wir als Haustiere in unserer unmittelbaren Nähe haben 
und daher am häufigsten hören können. Von „Geschnatter^ 
zur Bedeutung „leeres Geschwätz, lügenhafte Nachricht" ist 
nur ein Schritt. Daß auch dem Spanier hierbei die Ente vor- 
schwebt, beweisen zwei von pato „Ente" abgeleitete Sub- 
stantiva, nämlich patochada „Handlungsweise einer Ente, ein- 
fiültiges Geschwätz", und wohl auch patrafia, das „Lüge, 
Märchen" bedeutet, also geradezu ein Synonym von pajarotada 
ist. (Vgl. Brinkmann, Metaphern, pag. 555, wo pato übrigens 
irrtümlicherweise mit „Gans" übersetzt wird.) Wenn nun im 
Span, für pajarotada pajarota und dementsprechend für „lügen- 
hafte Nachricht" im Franz. canard, im Deutschen „Ente" ge- 
sagt wird, so liegt hier ein ganz einfacher Fall von Metonymie 
vor, indem nämlich für das Hervorgebrachte das Hervor- 
bringende gesetzt wird. Übrigens hat schon Sanders in dem 
Geschnatter der Ente das tertium comparationis für die be- 
wußte Metapher vermutet. 

Schließlich mögen die gebräuchlichsten der auf den Vogel 
bezüglichen Sprichwörter, insofern sie nicht einzeln dastehen, 
sondern in einer oder mehreren Sprachen Analoga haben, an- 
gefahrt werden. 

Deutsch. Es muß ein böser Vogel sein, der sein 
eigenes Nest beschmutzt. — Engl. Ifs a bad bird that 
fouls Ü8 own nest, — Span. Pdjaro de mal natio, el que se ensucia 
en el nido. — Franz. (7 est un vilain oiseau que celui qui salit son 
nid. — 

Deutsch. Man erkennt den Vogel an den Federn. 

— Franz. Uoiseau se connait aux plutnes. — 

Deutsch. Vögel gleicher Feder fliegen zusammen. 

— Engl. Birds of a feather flock together, — Span. Todas las 
aves con sm pares. — 

Deutsch. Besser ein Vogel in der Hand als zehn 
über Land (auf dem Dache). — Engl. .4 bird in thehandis 
wotih tivo in the bu^, ein Vogel in der Hand ist zwei im Busche 



104 Der Vogel im allgemeineu. 

wert« — ItaL & megVo un ucceUo in gabbia che quaUro in su la 
fraseay es ist besser ein Vogel im E&flg, als vier auf dem Zweige. 
— Span. Mäs vaie pdjfaro*) en mano que buiire vdando^ ein Vogel 
(Spatz) in der Hand ist mehr wert als ein Geier, der fliegt — 
Franz. Maineau en main vaut mieux qm pigeon qui voU^ ein 
^latK in der Hand ist mehr wert als eine Tanbe, die fliegt. — 
Die deutsche Entsprechung lautet: Ein Sperling in der 
Hand ist mehr wert als eine Taube auf dem Dache. 
(Über die zahllosen Varianten dieses Sprichworts vgl. Reias- 
berg-Dflringsfeld, Sprichwörter der germanischen und romani- 
schen Sprachen, vol. I, pag. 99.) 

Deutsch. Jedem Vogel gefällt sein Nest. — Engl. 
Every bird likes its otvn nest, — Ital. Ad ogni ucceUo stio mio 
i hetto. — Span. A cada fajanUo agrada su nidiUo. — Franz. 
A tout oiseau san nid est beau. 

Deutsch. Federn zieren den Vogel. — Engl. FHne 
feathers make fine birds. — Franz. La helle plume fait le bei 
oieeau. 

Deutsch. Jeder Vogel singt wie ihm der Schnabel 
gewachsen ist. — Ital. Ogni uccello canta il stw verso, jeder 
Vogel singt seine Weise. — Franz. Chaque oiseau chante sa propre 
chansan, jeder Vogel singt sein eigenes Lied. 

Deutsch. Nach und nach macht der Vogel sein 
Nest. — Franz. Petit ä petit V oiseau fait son nid. 

Deutsch. Alte Vögel sind schwer rupfen. — 
Ital. Qtianto piü Tuccello i vecchio, piü mal volentieri lascia la 
piuma, je älter der Vogel ist, desto unlieber läßt er das Ge- 
fieder. — Franz. Plus Voiseau est vieux et moins il veut se difaire 
de sa plume (wie itaL). 

Deutsch. Kleine Vöglein, kleine Nestlein. — Engl. 
A litüe bird wants but a little nest, ein kleiner Vogel braucht 
nur ein kleines Nest. — Span. A chico pajarillo, chico nidiUo 
(wie deutsch). — Franz. Tel oiseau j iel nid, wie der Vogel, so 
das Nest. — 

Der deutschen Redensart „zwei Fliegen mit einer Klappe 
schlagen^ entspricht im Engl, to kiU two birds tvith one stone, 



*) päjaro (v. lat. passer) scheint hier in der ursprünglichen Bedentang 
;,Sperling'' gebraucht zn sein. 



Der Adler. 105 

im Span, matar dos paiaros de una pedrada^ zwei Vögel mit 
einem Steinworf töten. Im Portug. tritt zuwdlen das Kaninchen 
an Stelle des Vogels: cFuma ccQodada matar dous codkos, mit 
mnem Schlage zwei Kaninchen töten. 



Der Adler. 

Deutsch Adler, zusammengezogen aus adelrar , bedeutet 
ursprunglich ^edler Aar^, wurde also gegenüber dem einfachen 
Aar, ahd. aro^ mhd. ar^ als edleres Wort empfunden, während 
im Nhd. der umgekehrte Fall eingetreten ist, indem nämlich 
„Adler'' als das gewöhnliche Wort, „Aar'' jedoch nur in poeti- 
scher Diktion gebraucht wird. Ein merkwürdiges Beispiel vom 
Steigen und Sinken des Gefühlswertes der Wörter! (Vgfl. 
Waag, Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes, pag. 35.) 
Außer in „Adler" ist das Wort noch erhalten in Büß aar, 
einer volksetymologischen Umbildung von „Bussard", und in 
Sperber, ahd. spärwari, d. i. „Sperlingsaar, Adler, der von 
Sperlingen lebt". 

Was die romanischen Sprachen betrifft, so gehen ital. 
aquila, span. äguila, frz. aigk auf lat. aquila zurück. Aigle 
allerdings ist Lehnwort, das die lautgesetzliche Form aiUe 
verdrängte. Auf aigle, bzw. afrz. egle, geht neuengl. eagk zu- 
rück, während das altengl. mit „Aar" verwandte earn in neu- 
engl. erne eine Bedeutungsspezialisierung erfahren hat, indem 
es nämlich fftr „Seeadler" gebraucht wird. Vom itaL ventävdlo 
^us ventus aquüus wird weiter unten die Rede sein. 

Der Adler spielt unter den Vögeln dieselbe Rolle wie der 
Löwe unter den Säugetieren. Der unverkennbare Adel seiner 
äußeren Erscheinung sowie seine außerordentliche Stärke und 
Kühnheit rechtfertigen die Bezeichnung „König der Vögel". 
In der christlichen Symbolik ist der Adler das Sinnbild des 
Evangelisten Johannes und aller „hochfliegenden" Geister. (Vgl. 
Kollof, Die sagenhafte und symbolische Tiergeschichte des 
Mittelalters, in Raumer, Histor. Taschenbuch, 1867, pag. 237.) 
Dem entspricht auch die Auffassung seines Wesens in der 
Sprache. Was zunächst die physischen Qualitäten des Adlers 
betrifft, so spricht man im Deutschen mit Bezug auf s^n 



106 Der Adler. 

großes, feuriges Auge von einem Adlerauge, von einem 
Adlerblick. Man verbindet hiermit die Neben Vorstellung 
eines vorzüglich entwickelten Gesichtssinnes, wie ja der Adler 
sich tatsächlich durch sein scharfes Gesicht auszeichnet. Dem 
deutschen „Adlerauge^ entspricht engl, eagle^eye und mit eagk- 
sighted bezeichnet der Engländer einen mit scharfem Gesichts- 
sinn begabten Menschen.*) Ebenso sagt der Franzose von einem, 
der ein scharfes und zugleich schönes Auge hat : II a des yeux 
d^aigle, er hat Adleraugen. Wie beim Luchs, so schließt man 
auch beim Adler von der Schärfe des Auges auf die Schärfe 
des Verstandes, weswegen man im Engl mit eagletvit „Adler- 
witz" („Witz" im älteren Sinne von „Verstand" gebraucht) 
einen durchdringenden Verstand bezeichnet. Hierzu stimmt 
es auch, wenn der Italiener von einem genialen oder talent- 
vollen Menschen sagt: J^ un' aquila, er ist ein Adler, oder 
häufiger negativ von einem minder begabten Individuum : Non 
i uri aquila, er ist kein Adler, was manchmal euphemistisch 
geradezu für „Dummkopf" gebraucht wird. Dieselbe Metapher 
findet sich im Span, und Franz.: ser un äguila, etre un aigk. 
Hiermit hängt es auch zusammen, wenn der Franzose geistig 
hervorragende Männer gern mit „aigle^^ bezeichnet. So wird 
z. B. der berühmte Kanzelredner Bossuet nach seinem Geburts- 
orte Meaux „Vaigle de Meaux^^ genannt. Mit aiglon „junger 
Adler" bezeichneten die Franzosen den Sohn Napoleons I. 
Hierher zu ziehen ist auch die im span. Botwelsch gebräuch- 
liche Bezeichnung dguüa für einen schlauen Dieb, wodurch die 
Etymologie von frz. aigrefin „schlauer Mensch" = aigle fin 
(feiner Adler) gestützt wird. 

Nächst den feurigen Augen fällt am Adler der schwung- 
voll gekrümmte Schnabel besonders auf, weshalb man im 
Deutschen eine ähnlich geformte Nase „Adlernase" nennt. 
Dieselbe Metapher findet sich in den romanischen Sprachen: 
ital. naso aquüino, span. nari^ aguilena, frz. nez aquilin. Im 
Span, spricht man übrigens auch von einem „Adlerantlitz"^ 



*) Hierher gehört ans dem span. Theaterargot aguila de butaca „Sperr- 
sitzadler'', womit man einen Theaterbesucher bezeichnet, der von der GaUerie 
herab mit scharfem Auge einen unbesetzten Sperrsitz erspäht und sich 
dessen bemächtigt, natürlich ohne dafür zu zahlen. 



Der Adler. 107 

aguileno de rostro (wörtlich : adlergleich von Gesicht), womit ein 
längliches, schmales Gesicht mit gebogener Nase gemeint ist. 

Was am Adler besonders Bewunderung erregt, ist die 
Schnelligkeit und Stetigkeit seines Fluges. (Vgl. franz. vokr 
comme un aigle, fliegen wie ein Adler.) Daher ist dieser Vogel 
in der germanischen Götterlehre Personifikation des Sturm- 
windes und in der griechischen Mythologie Träger von Jupiters 
Blitzen. Auf die Schnelligkeit des Adlei^uges spielt auch an 
engl, eagle-speed und im span. Amerika bezeichnet man mit 
caballo aguilüla „Adlerpferd" eine Pferderasse, die sich durch 
besondere Schnelligkeit auszeichnet. Zur Auffassung des 
Adlers in der germanischen Mythologie stimmt lat. aquilo als 
Bezeichnung des Nordwindes, worauf höchstwahrscheinlich 
ital. ventävolo (ventus aquilus) beruht. Dieses Wort; ein Syn- 
onym des häufiger gebrauchten tramontana, würde demnach 
„Adlerwind" bedeuten. Es soll damit wohl nicht bloß die 
Schnelligkeit, sondern auch die Stärke dieses Windes ange- 
deutet werden, wie z. B. auch in lat. aquilae smectus 
„Adlersalter", d. h. rüstiges Alter, der Adler als Symbol der 
Kraft erscheint. Hierher gehört ebenfalls die Bezeichnung 
„Adler" für ein sechsunddreißigpfündiges Geschütz (17. Jahr- 
hundert). 

Auf den hohen Flug des Adlers bezieht sich engl, eagk- 
cock „Adlerhahn", eine allerdings seltene Bezeichnung für 
tveather-coclc „Wetterhahn", der sehr häufig auf Turmspitzen, 
also in verhältnismäßig hohen Eegionen angebracht ist. Hier- 
her zu ziehen ist ferner ital. aquilone „großer Adler" für den 
Papierdrachen. (Vgl. in derselben Bedeutung span. päjara 
„Vogel", franz. cerf-volant „Hirschkäfer", engl. Ute „Gabel- 
weihe".) 

Der Adler ist der stärkste Raubvogel und lebt mit den 
anderen Vögeln in beständigem Kampfe. Es ist daher nur 
natürlich, daß er im Altertum bei Römern sowohl als Ger- 
manen als kriegerischer Vogel zar^ llopjv galt und gerade- 
zu Symbol des Kampfes war. Als unzertrennlicher Begleiter 
Odins zieht er mit diesem in die Schlacht und lechzt nach 
dem Blute der Erschlagenen, daher heißt er auch der „Wal- 
kjrenvogel". Eine ähnliche Rolle spielte der Adler bei den 
Römern, verwendete man ihn doch als Standarte und fiihrte 



108 ^er Falke. 

er so gewissermaßen unter dem Schatze seiner Fittiche die 
römischen Legionen dem Siege entg^en. Anf diesem r6»i- 
sehen Brauch beruht die in manchen Ländern Übliche Ver- 
wendung des Adlers als Wappen oder Orden. Nebenbei sei 
hier bemerkt, daß im Franz. aigle merkwürdigerweise in seiiier 
eigentlichen Bedeutung das Geschlecht geändert hat (tin aigU)^ 
während das Wort in der übertragenen Bedeutung „Standarte^ 
das ursprüngliche Geschlecht bewahrt hat {une aigle). Auch 
eine von Karl V. geprägte Goldmünze trug das Bild des Adlers, 
weshalb diese Münze kurzweg aguüa genannt wurde. (Vgl. 
Sappe, Krone, Kreuzer.) Dem kriegerischen Adler wird die 
sanfte Taube gegenübergestellt im deutschen Sprichwort: 
Adler brüten keine Tauben, das sich auch in den 
meisten romanischen Sprachen findet. So lautet es im Ital.: 
Uctquüa noH nasce cohmba, im Portug. : Aa aguias näo produgem 
potnbas, im Franz. : V aigle tCengendre point la colombe. 

Kein Analogen in einer anderen Sprache hat die frz. 
Kedensart crier comme un aigle^ schreien wie ein Adler, d. h. 
ein lautes, durchdringendes Geschrei ausstoßen. Diese Redens- 
art bezieht sich auf den Schreiadler, der durch einen schriOien, 
weithin schallenden Ruf bekannt ist. (Vgl. Rolland, Faune 
pop., II, pag. 5.) 



Der Falke. 

Die Etymologie des Wortes Falke — engl, /iafcow, ital. 
faJco, fakonej span. haleön, frz. faucon — ist noch nicht ge- 
sichert. Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Hypothesen, die 
man zur Erklärung des schwierigen Wortes aufgestellt hat, zu 
erörtern. Kluge läßt sich in seinem etymologischen Wörterbuch 
(pag. 113) ausführlich darüber aus. (Vgl. auch Hehn-Schrader, 
Kulturpflanzen und Haustiere, pag. 374 ff.) Soviel scheint 
festgestellt, daß das Wort germanischer Herkunft ist und 
frühzeitig in die romanischen Sprachen eindrang. Im Engl, 
wird neben fakon, dessen lautliche Gestalt auf Rttckent- 
lehnung aus dem Altfranz, deutet, hawJc gebraucht, das auf 
Altengl. heafoc zurückgeht und eigentlich „Habicht'^ be- 
deutet, mit welchem Worte es auch verwandt ist. Da der 



Der Falke. 109 

Habicht zar Grattung der Falken gehört, liegt hier ein ganz 
gewöhnlicher Fall von Bedentungserweiternng vor. Eine 
spezielle Bezeichnung far das Falkenmännchen ist ital. terzuoh^ 
spwL taraudo, frz. tierceJet aas lat. tertiolus von tertius^ weil der 
Sage nach das dritte Junge im Neste des Falken immer ein 
Mftnnchen ist. Von lat. acuter = griech. Uqo^ leitet man ab 
ital. sagro, span.-frz. sacre „der Würgefalke". Nach anderen 
stammt das Wort aas dem Arabischen. Unsicherer Herkunft 
ist frz. hobereau „der Baumfalke'^ 

In Anbetracht der wichtigen Bolle, die der Falke im 
Mittelalter als Jagdvogel spielte, ist es nicht zu verwundern, 
dafi er der Sprache eine verhältnismäßig grofie Anzahl von 
Metaphern geliefert hat. Mögen zunächst die von physischen 
Eigenschaften des Tieres hergenommenen Metaphern einer 
Betrachtung unterzogen werden. 

Mit den übrigen Baubvögeln teilt der Falke den scharfen 
Gesichtssinn, weshalb man im Deutschen ein scharfes Auge 
gern „Falkenauge'' nennt, wobei jedoch nicht wie beim 
„Adlerauge'' die Nebenvorstellung der Schönheit mitwirkt. 
Analogien hierzu finden sich in engl, hawk-eyed und fälcon-eyed 
„falkenäugig" sowie in ital. occhi di fälco „Falkenaugen". Auf 
den krummen Schnabel beziehen sich engl, hatek-nosed^ was 
unserer „Geiemase" entspricht, und engl, falcon-bül „Falken- 
schnabel", eine nur bei Shakespeare sich findende Bezeichnung 
eines Streithammers, wobei hauptsächlich an die Schärfe des 
Schnabels, mit dem der Falke auf seine Beute gleichsam los- 
hämmert, gedacht wird. 

Schon seit frühester Zeit hatte sich der Mensch die Baub- 
tiematur des Falken, dessen Flug ungemein schnell, anhaltend 
und in hohem Grade gewandt ist, zu nutze gemacht. Die 
Jagd mit gezähmten Falken wurde in Europa namentlich im 
Mittelalter leidenschaftlich betrieben, war aber im Altertum 
schon bei den Indiem im Schwünge. (Vgl. das Kapitel über die 
Falkenjagd bei Hehn-Schrader pag. 367 ff.) Die große Beliebt- 
heit^ der sich die Falkenjagd erfreute, spiegelt sich noch heute 
in der Sprache wieder. So existieren im Ital. (fakonare) und im 
Engl, (to hawk) besondere Yerba, die das Jagen mit dem Falken 
bezeichnen. Das engl, to hawk kann übrigens mit Erweiterung 
des Bedeutungsumfanges auf jede Art von Jagd angewendet 



110 Der Falke. 

werden, auch bedeutet es unter Umständen „wie ein Falke 
fliegen". Auf die Falkenjagd bezieht sich femer der engl. 
Ausruf ivare the hawk! Hüte dich vor dem Falken! Sei auf 
deiner Hut! wobei man die von einer Gefahr bedrohte Person 
mit dem vom Falken bedrängten Vogel vergleicht. Auch wird 
im Span, hakonear auf Weiber angewendet, die auf Männer 
Jagd machen, wobei der in die Netze einer Kokette geratende 
Mann mit der Beute des Falken verglichen wird. Analog 
bezeichnet im ItaL falco eine in erotischer Beziehung er- 
oberungslustige Person. Gleichfalls auf die Falkenjagd nimmt 
Bezug das span. Sprichwort: 8i tantos halcanes la garza com- 
baten, d fe que la maten, wenn so viele Falken den Reiher 
bekämpfen, so muß er wohl unterliegen, d. h. wenn sich die 
Menge gegen einen verschwört, ist jeder Widerstand vergeb- 
lich. Im Deutschen drückt das Sprichwort „Viele Hunde sind 
des Hasen Tod" denselben Gedanken aus. (Die von der 
Falknerei hergenommenen Metaphern findet man ziemlich voll- 
ständig zusammengestellt bei Bolland, Faune pop., VI, pag. 195 fT.) 
Auf die Raubtiematur des Falken nimmt auch Bezug das 
deutsche Sprichwort: Wer sich zur Taube macht, den 
fressen die Falken, eine Variante des Sprichwortes : Wer 
sich zum Schafe macht, den fressen die Wölfe. Analog heißt 
es ital.: Chi colomba si fa, il falcone se la mangia. 

Hierher gehört schließlich auch die engl. Redensart 1 know 
a hawk front a handsaw, ich kann einen Falken von einer 
Handsäge unterscheiden, d. h. ich lasse mir kein X für ein 
ü vormachen, worin handsaw volksetymologische ümdeutung 
von hernshaw (häufiger heronsew) = heran „Reiher" ist, so 
daß der Sinn der Redensart ursprünglich war: Ich kann 
einen Falken von einem Reiher, d. h. den jagenden Vogel vom 
gejagten unterscheiden. (Vgl. Brewer, Dict. of Phrase and 
Fable, pag. 392.) 

Die Abrichtung von Falken bildete in früherer Zeit ein 
eigenes, allem Anscheine nach sehr ehrenvolles und einträg- 
liches Gewerbe. Auf die Häufigkeit der Falkner deutet 
das Vorkommen des Wortes als Eigenname. Dem deutschen 
„Falkner" entspricht engl, falconer oder hawker, ital. falcaniere, 
span. halconero, frz. fauconnier. In welch hohem Ansehen die 
Falkonierkunst ehedem stand, beweist der Umstand, daß in 



Der Falke. Hl 

England, Frankreich und Spanien das Amt des Hoffalkners 
sich zu einem erblichen Eofamte herausgestaltet hatte. So 
gab es in England einen Oreat Falconer of England^ in Frank- 
reich einen Grand Fauconnier de France und in Spanien einen 
Hakonero mayor. Auf der großen Beliebtheit der Falkenjagd 
beruht auch der Bedeutungswandel von frz. fauconni^re, das 
ursprünglich nur „Falknertasche^, dann aber infolge Erwdte- 
rung des Bedeutungsumfanges „Reittasche" überhaupt be- 
deutet. 

In der deutschen Dichtung ist der Falke Symbol des 
Mutes und des Edelsinnes ; es ließen sich hier aus verschiedenen 
Dichtungen diesbezügliche Stellen anführen ; es sei jedoch nur 
an das Nibelungenlied erinnert, wo erzählt wird, daß Kriem- 
hilde träumte, ihr Lieblingsfalke sei von zwei Adlern zerrissen 
worden. Ihre Mutter Ute legt ihr den Traum dahin aus, daß 
mit dem Falken ein „edler Mann" gemeint sei. Zu der deut- 
schen Auffassung stimmt span. halconear in der Bedeutung, 
„stolz, mutig um sich blicken". Bei der großen Vorliebe für 
diesen Vogel ist es begreiflich, daß er im Gegensatze zur 
Eule als Sinnbild des Glückes .— wenigstens im Deutschen — 
galt, wie ja auch in dem Sprichworte: Jedem dünkt seine 
Eule ein Falke, d. h. jeder Ehemann hält seine Gattin 
für die beste und schönste, die beiden Vögel einander gegen- 
übergestellt werden. Auch war im älteren Deutsch die Redens- 
art einen Falken fangen für „unverhofftes Glück haben" 
gebräuchlich. 

Auf die verhältnismäßig große Intelligenz des Falken 
bezieht sich der Gebrauch von ital. falco für einen schlauen 
Menschen und von span. sacre für einen geschickten Dieb, in 
welch letzterem Falle allerdings auch an die Raubtiematur 
des Falken gedacht wird. (Vgl. franz. epervier „Sperber" für 
„Wucherer".) Was in sacre Nebenvorstellung ist, wird zur 
Hauptvorstellung, wenn im engl. Slang hawk die Bedeutung 
von „Falschspieler" annimmt. 

Charakteristisch ist der in frz. hobereau zutage tretende 
Bedeutungswandel von „Baumfalke", d. i. Falke von geringem 
Werte zu „armer Edelmann", indem nämlich der Falke hier 
zur Bezeichnung des Wertes dient, was sich nur wieder aus 
der Vorliebe des Mittelalters für die Falkenjad erklärt. (Vgl 



112 Eule, Uhu, Kauz. 

Morgenroth „Zum fiedeutangswandel im Franz.^ in Zeitschrift 
£ franz. Sprache n. Literatur, Bd. XV, Heft 1, pag. 22.) 

Da der Falke bei der Jagd gewissermaßen die BoUe einer 
Waffe spielte und sein pfeilschnelles Dahinschiefien tatsächlich 
den Vergleich mit einem Geschosse nahelegte, so ist es vdl- 
kommen begreiflich, daß der Name dieses Vogels zur Bezeieb- 
nimg verschiedener Waffen verwendet wurde. So wurde eine 
Art kleines Geschütz deutsch Falkaune, engl, falcony ital. 
fakanetto (wovon deutsch Falkonett), frz. fauconneau ge» 
nannt. Außerdem wurde im Ital. fälcone auch auf eine alte 
Belagerungsmaschine, eine Art Mauerbrecher, angewendet. 
Desgleichen diente ital. sagro, span.-frz. sacre, engl, saker sowie 
deutsch Sakerfalk zur Bezeichnung einer kleinen Kanone^ 
die bei uns auch unter dem Namen „Feldschlange^ be- 
kannt war. 

Hierher zu ziehen ist ferner ital. moschetto, ursprünglich 
Benennung eines kleinen, zur Beize dienenden Sperbers, dann 
übertragen auf ein Wurfgeschütz, mit dem kleine Pfeile ge- 
schleudert wurden. Nach Erfindung des Schießpulvers wurde 
mit dem Worte eine kurze SchifGskanone und schließlich eine 
kurze Flinte, der Karabiner, bezeichnet. In letzterer Bedeu- 
tung ist das Wort auch ins Span, (mosqtiete) und ins Franz. 
(mousquet) eingedrungen. Die semasiologische Entwicklung 
dieses Wortes von „Pfeile schleuderndes Geschütz" zu „Schiffs- 
kanone, Karabiner^ ist ein treffliches Beispiel jener Art von 
Bedeutungswandel, als deren Ursache Waag „die Anpassung 
an die Kulturverhältnisse" bezeichnet. (Vgl. Waag, Bedeu- 
tungsentwicklung unseres Wortschatzes, pag. 177 ff.) Schließ- 
lich sei noch ital. terzermlo genannt, das sich als Diminutiv 
von terzmlo „männlicher Falke" erweist und für eine kurze 
Pistole gebraucht wird. Im Deutschen ist Terzerol als 
Fremdwort gebräuchlich. 



Eule, Uhu, Kauz.^) 

Die Benennungen dieser Vögel in den verschiedenen Sprachen 
sind semasiologisch sehr interessant und stehen in engem Zu- 



*) Bezüglich der deutschen Enlennamen und deren metaphorische 



Eule, Uhn, Kauz. 113 

sammenhange mit ihrer metaphorischen Verwendung, woranf 
von Fall zu Fall hingewiesen werden soll. Die Etymologien 
der verschiedenen Bezeichnungen lassen sich nach gewissen 
semasiologischen Gesichtspunkten gruppieren, u. zw. ergeben 
sich vier verschiedene Benennungsarten: 

a) Benennung nach der stimmlichen Betätigung, 
h) „ „ physischen Merkmalen, 

c) „ „ anderen Vögeln, 

d) ^ „ abergläubischen Vorstellungen. 

Was die erste Gruppe, die man kurz als die onomato- 
poetische bezeichnen kann, betrifft, so sind hier zu nennen 
deutsch Eule, welches Wort mhd. iutoel, ahd. üwila lautet. 
Mit letzterem verwandt ist altengl. üle, das ein neuengl. awl 
ergab. Von deutsch Mlen, hetdm abzuleiten ist frz. hulotte 
„Eule".'*') Ein Analogen hierzu bietet engl, hotolet, das ein 
von howl „heulen" beeinflußtes Diminutiv von otcl ist (Vgl. 
lat. tUfda „Eule" und ultäare „heulen".) Gleichfalls schall- 
nachahmend ist frz. huette, von der Interjektion hu gebildet 
(huer = schreien). Chat-huant „Nachteule" (wörtlich : heulende 
Katze) ist volksetymologische Umbildung von chauany von 
dem weiter unten die Bede sein wird. Ital. gufo „Ohreule" 
scheint zusammenzuhängen mit ahd. güfan „schreien". (Vgl. 
deutsch - dialektisch G auf für Uhu.) Span, zumacaya „Eäuz- 
chen" ist zusammengesetzt aus schallnachahmendem zumöar 
„summen" und caya aus ahd. kaha „Krähe". 

Auf den ersten Blick als onomatopoetisch erweist sich 
deutsch Uhu,'*^) mit den dialektischen Nebenformen Sehn hu, 
Buhu. Letztere Form findet sich auch in span. buho (lat. 
bubo). Bajuvarisch Auf hat sich lautgemäß aus ahd. üvo, 
mhd. üve entwickelt. Möglicherweise schallnachahmend ist 
femer Kauz aus mhd. kutze, kutz (ahd. nicht belegt), das jeden- 
falls auf einer Wurzel ku beruht. Ganz sicher onomato- 
poetisch ist ital. chiü „Käuzchen" und chiurlo, eine Weiter- 

Verwendung vgl. Branky, Eulennamen. Ein kleiner Beitrag zur deutschen 
Kultur- und Sittengeschichte. Separatabdruck aus Mitteilungen des omitho- 
logischen Vereins in ViTien „Die Schwalbe**, XYI. Jahrg. 
*) Nach Winteler direkt schallnachahmend. 

**) Vgl. die ZnsammensteUung der onomatopoetischen Bildungen bei 
Winteler, Naturlaute und Sprache, pag. 10. 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. B 



114 Eule, ühu, Kauz. 

bildung davon. Indirekt bezieht sich auf den klagenden Buf 
des Eäuzchens ital. friggibuco, womit ursprünglich wohl das 
Geräusch des aus einer Öflfhung hervorsprudelnden Wassers 
bezeichnet wurde {friggere „wallen, brodeln" und buco „Loch"). 
Dann nimmt das Wort infolge Begriflfserweiterung die Be- 
deutung „leises Weinen, Klagen" an und wird schließlich 
metonymisch (Wirkung für Ursache) zur Bezeichnung des 
Käuzchens.*) 

Auf physische Merkmale beziehen sieh ital. barbagiamii 
„Schleiereule" und span. mochtielo „Ohreule". Barbagiamii 
(bei Körting fehlend) ist ein zusammengesetztes Wort wie 
barbacane, barbabietola u. dgl. Der erste Bestandteil, barba 
„Bart", bezeichnet die im Deutschen „Schleier" genannten 
Flaumfedern im Gesichte des Vogels. Gianni ist Koseform 
von Giovanni^ entspricht also unserem „Hans". Es bedeutet 
demnach das Wort „Hans mit dem Bart". (Vgl. jedoch Sainean, 
Crfeation m6taph., pag. 104, 9 b.) Belege für Benennungen von 
Tieren und namentlich Vögeln mit Taufnamen finden sich in 
allen Sprachen. (Vgl. deutsch Staarmatz, Lehmhans, frz. 
pierrot j martin pecheur etc.) Span, mochuelo „Ohreule" geht 
offenbar auf lat. mutüus „verstümmelt" zurück. Die Ohr- 
büschel dieses Vogels sehen nämlich aus, als ob sie abge- 
schnitten wären. Darf man span. autillo „Ohreule" von dem 
gleichbedeutenden griech. S)Tog ableiten, so würde sich diese Be- 
zeichnung gleichfalls auf die Ohrbüschel beziehen, denn Sjtoc^ 
kommt von oig „Ohr". Verschiedene Deutungen hat der Name 
des Uhus im Franz., dtic, erfahren. (Vgl. ital.-dial. dugOj gran 
duca, deutsch-landschaftl. Großherzog.) Nach Adelung heißt 
der Vogel so, weil ihm, wenn er sich bei Tage sehen läßt, ein 
verfolgendes Heer von Vögeln nachzieht. Branky (Eulennamen, 
pag. 22) führt den Namen auf eine Stelle bei Aristoteles zu- 
rück, wo von dem Vogel berichtet wird, daß er die Wachteln 
auf ihrer Eeise im Herbste begleitet. Auch das würdevolle 
Aussehen des Vogels und seine Vorliebe für Burgruinen und 
verfallene Schlösser mögen hierbei mitgespielt haben. (Vgl. 
Sainean, Cr6ation metaph., pag. 100, 6 u. Anmerkung.) 

'^) Auf die klagende Stimme zurückzuführen sind auch die deutschen 
Dialektnamen: Klag, Klagefrau, Klagemutter, Wehklage. (VgL 
Branky, Eulennamen, pag. 17.) 



Eule, Uhu, Kauz. 115 

Eine andere Reihe von Benennungen bernlit, wie schon 
oben angedeutet wurde, auf volkstümlicher Verwechslung mit 
anderen Vögeln, hervorgerufen durch größere oder geringere 
Ähnlichkeit des zu benennenden Vogels mit einem anderen. 
So geht frz. hibou „Eule'^ nach Baist auf bretonisch hibök zurück, 
das seinerseits wieder auf altengl. heafoc „Habicht'' beruhen 
soll. Eule und Habicht haben das gemeinsam, daß sie 
beide zur Gattung der Raubvögel gehören.*) Auffallend ist 
die Verwechslung von Krähe und Kauz, zwei äußerlich ganz 
verschiedenen Vögeln, die höchstens in ihrer stimmlichen Be- 
tätigung und in ihrem Raubtiercharakter Berührungspunkte 
aufweisen. Ahd. suppon. kdwa „Krähe" gilt als Etymon von 
ital. ciovetta, civeäa, neufrz. chouan^ cJumette, chevSche „Käuz- 
chen".**) (Vgl. deutsch-dialektisch Nachtrapp = Nachtrabe 
als Bezeichnung des Waldkauzes.) Das bereits oben erwähnte 
chat-huant^ was wörtlich „heulende Katze" bedeutet, ist wahr- 
scheinlich volksetymologische Umbildung von (Aouan. Die Be- 
zeichnung „Katze" ist insofern berechtigt, als der Eulenkopf 
tatsächlich ein katzenartiges Aussehen hat, wie auch in 
einigen deutschen Gegenden die Waldeule Katzenkopf, 
Katzeneule genannt wird. (Vgl. testa de gatto im ligurischen 
Dialekt.) In span. chova „Dohle" und choya (altfrz. choe) „Stein- 
krähe" hat sich die Grundbedeutung des Etymons erhalten. 
In Tirol heißt die Waldohreule Habergeis, wohl mit Bezug 
auf die meckernde Stimme des Vogels. In einigen Orten Nieder- 
österreichs bezeichnet man sie als Nachtfledermaus. 

Folkloristisch interessant sind die Benennungen, die auf 
dem alten Volksglauben beruhen, die Eule sei ein unheilverkün- 
dender Vogel. So bedeutet im Ahd. hölzmuoja zugleich „Wald- 
eule" und „Hexe".***) (Analoge Beispiele siehe bei Sainfean, 



*) Wahrscheinlicher ist onomatopoetischer Ursprung. (Vgl. ViTinteler, 
Natnrlaute und Sprache, pag. 10 u. 36.) 

**) Winteler (Naturlaute und Sprache, pag. 10) hält chouette und 
cJieveche für direkt schallnachahmend und steUt dieses zu den deutschen 
Dialektnamen Tschafytlein, Tschavitle, Wichtl, jenes zu mhd. 
kutze „Kauz". 

***) Am Lechrain nennt man die Eule Holzweihl und hält sie für 
eine Hexe in Vogelgestalt. In Niederösterreich hei£t das Eäuzchen Wichtl, 
was das Diminutiy von ahd. wiht „Dämon, böser Geist" ist. (Vgl. Höfer, 

8* 



116 Eule, Uhu, Kauz. 

Cr6at. mötaph., pag. 115, 25.) Frz. effraie „Schleiereule" ist 
von effrayer „erschrecken** gebildet und bedeutet also wörtlich 
„Schreckvogel". Ein Analogen hierzu bietet span. espan- 
tada „Turmeule" von espantar „erschrecken". Frz. fresaie 
„Käuzchen" hat im lat. praesaga (ml avis) sein Etymon. Es 
ist demnach der „weissagende Vogel". (Das f ßir p erklärt 
sich durch Anlehnung an das ungefähr gleichbedeutende 
effraie.)*) Span, chucha „Nachteule" ist auf lat. suctiare „saugen" 
zurückzuführen, weil dieser Vogel nach einem alten Aber- 
glauben an schlafenden Kindern saugt. (Vgl. im schlesischen 
Dialekt die Bezeichnung Kindermelker für die Waldohreule.) 
Dieser Volksglaube mag dem Umstände, daß die Eule höchst 
selten Wasser trinkt und ihren Durst mit dem Blute ihrer 
Opfer stillt, seine Entstehung verdanken. Hierher gehört auch 
das bei Körting fehlende lechuza „Sumpfeule", das wohl auf 
einem lat. laducea (lactem = lecke „Milch") beruht und in einem 
ähnlichen Aberglauben wie chucha seine Erklärung findet. 
Nur wurde es sich hier nicht um ein Blut-, sondern um ein 
Milchsaugen handeln. Man vergleiche hiermit im Deutschen 



Die Yolksnamen der Vögel in Niederösterreich, pag. 6.) Winteler (Natur- 
lante und Sprache, pag. 10) führt das Wort anf den Ruf des Vogels „kuwiW 
zurück. Wahrscheinlich ist „Wichtl** eine volksetymologische Umdentnng 
dieses Bnfes. (Vgl. engl, oaf „Elfe" als dial. Enlenname.) Anf diesem 
Xfutoi^ beruhen anch die Dialektnamen Eomittchen und Gehmitvogel, 
mit Anspielung auf „mitgehen", nämlich ins Jenseits. (Vgl. Branky, Eulen- 
namen, pag. 17.) Bei den alten Bömem spielte die Eule {strix^ wovon das 
ital. Buchwort atrige) in den Ammenmärchen die Bolle einer Unholdin, die 
den Kindern in der Wiege das Blut aussog, daher siriga = Hexe, wovon 
ital. strega^ das infolge eines merkwürdigen Spieles des Bedeutungswandels 
im Sardischen {isiriaf striaf strea) wieder zur Bezeichnung der Eule wurde. 

*) Daß die Eule als Todesbotin gilt, geht hervor aus den deutschen 
Dialektnamen Leich, Leichenhuhn, Leichenhähnchen, Toten- 
vogel. Andere volkstümliche Namen deuten darauf hin, daß man die 
Eulen für dämonische Vögel hält, deren Gestalt der Teufel annimmt oder 
die mit ihm wenigstens im Bunde stehen. (Vgl. Branky, Eulennamen, 
pag. 21.) Brehm meint, daß es der Uhu ist, der die Sage vom wilden 
Jäger ins Leben gerufen, wie ja tatsächlich dieser Vogel in gewissen 
Gegenden Deutschlands wilder Jäger genannt wird. Die Bezeichnung 
Waldteufel dürfte aUerdings auf volksetymologischer Umdeutung von 
ursprünglichem „Waldäufl" (Auf = Uhu) beruhen. (Vgl. jedoch diavoh di 
movdxtgna in ital. Dialekten.) 



Eule, Uhn, Kanz. 117 

die . volkstümlichen Bezeichnungen ^Ziegensauger'' , ,.Euh- 
sauger", „Milchsauger" für die Nachtschwalbe.*) 

Schließlich sind noch zu erwähnen als lat. Bi*bgut drei 
Bezeichnungen von Nachteulen im Ital., nämlich nottoia**) aus 
fwctua von nox „Nacht", assiolo aus oxioltMj dem Dim. von axio 
(bei Körting fehlend), und alocco aas aluccus. Von der Weiter- 
entwicklung letzteren Wortes in den romanischen Sprachen 
wird weiter unten die Bede sein. (Vgl. BoUand, Faune pop., 
II, pag. 38 ff. und Sainöan, Gr^ation m6tapL, pag. 96, 1 — 12.) 

Was zunächst die Metaphern betrifft, die sich auf das 
Äußere der Eule beziehen, so ist vor allem zu bemerken, daß 
sie als häßlicher Vogel gilt, weswegen es durchaus keine 
Schmeichelei ist, wenn man im Deutschen von einem weiblichen 
Wesen sagt, es sehe aus wie eine Eule.***) Mit Bezug auf 
die stark gebogene Nase des Vogels nennt der Italiener eine 
krumme Nase naso dt civetta. Einen tadelnden Sinn hat auch 
engl awheyed „eulenäugig" d. h. glotzäugig, und owl-faced „mit 
dem Gesichte einer Eule". Ein Analogen hierzu bietet span. 
leckuzoy lechuza „Mann, bzw. Frau mit einem Eulengesicht", sowie 
ital. mtMo a civetta „Eulengesicht".****) Wenn der Engländer von 
jemd. sagt: He hoks liJce an awl in an ivy-bushj er sieht aus wie 
eine Eule in einem Efeubusche, so meint er damit ein un- 
vorteilhaftes, klägliches Aussehen. Als Symbol der Häßlichkeit 
erscheint die Eule femer im deutschen Sprichwort: Es ist 
keine Eule, die nicht schwüre, sie hätte die 
schönsten Jungen, wozu sich im Engl ein Analogen findet: 
The awl thinks all her young ones beauties. Im Ital. übernimmt 
der Bär die Bolle der Eule: AIP arso pqjon belli gli orsacchi 
stwiy dem Bären scheinen seine Jungen schön. (Vgl. deutsch: 

*) Nach einem in Schlesien yerbreiteten Aberglauben trinkt die Nacht- 
eale das Öl ans den Kirchenlampen, daher die Bezeichnung Öldieb, wozu 
sich in südfranz. Mundarten Analoga finden. 

**) Nach Giglioli, Avifauna itaUca, pag. 196 f. u. 228 sind nottola, 
fiottoUme die schriftsprachl. Namen der Nachtschwalbe, während man mit 
nottolo auf Elba die Ohreule bezeichnet (in Pisa jedoch ist nottolo = Nacht- 
schwalbe). 

***) Besonders wird das Wort auf alte Jungfern angewendet, mit 
gleichzeitiger Anspielung auf das ehelose, einsame Leben. 

****) Umgekehrt heifit im Neapel, die Schleiereule facciommo „Menschen- 
gesicht''. (Vgl. Giglioli, Avifauna italica, pag. 220.) 



118 Eule, Uhu, Kauz. 

Äffin, was sind eure Jungen schön!) Auch im Franz. be- 
zeichnet man mit vieille chouette ein altes, häßliches Weib. 
Hierzu steht in direktem Gegensatz der Gebrauch yon chouette 
im Argot. So entspricht das pariserische une femme chouette 
ungefähr dem „feschen Weiberl" des Wieners. Es er- 
scheint hier also chouette im lobenden Sinne gebraucht, 
wie im Pariser Argot überhaupt chouette substantivisch auf 
eine hübsche Cocotte angewendet wird. Diese sich wider- 
sprechenden Auffassungen in ein und derselben Sprache (aller- 
dings in verschiedenen Sprachsphären) erklären sich wohl 
daraus, daß im ersten Falle nur an das Äußere des Vogels 
gedacht wird, während im zweiten die Metapher sich zu- 
nächst auf das Benehmen des Tieres bezieht und dann erst 
auf das Äußere übertragen wird. Die Schilderung, die Brehm 
von dem Wesen des Vogels liefert; trägt dazu bei, diese Be- 
deutungsentwicklung vollkommen glaubwürdig zu machen. Er 
sagt ungefähr folgendes: „Der Kauz verdient die Zuneigung 
des Menschen. Er ist ein allerliebstes Geschöpf. Er ist nicht 
so lichtscheu als andere Eulen und weiß sich bei Tage sehr 
gut zu benehmen. Im Sitzen hält sich der Kauz gewöhnlich 
geduckt; sobald er aber etwas Verdächtiges sieht, richtet er 
sich hoch empor, macht Verbeugungen, faßt den Gegenstand 
seiner Betrachtung scharf ins Auge und gebärdet sich höchst 
sonderbar. Sein Blick hat etwas Listiges, aber nichts Bös- 
artiges, sondern immer etwas Einnehmendes.'' Diese Be- 
schreibung ist für uns auch sonst wertvoll, weil sie noch 
andere auf den Vogel bezügliche Metaphern erklärt. Die ge- 
duckte Stellung beim Sitzen macht den einstigen Gebrauch 
von kauzen für „kauern^ begreiflich. Die „sonderbaren 
Gebärden'^ erklären uns den sonderbaren Kauz als Be- 
zeichnung für einen wunderlichen Menschen, eine Metapher, 
die als solche nicht mehr gefühlt wird. (Die oft zitierte 
Redensart „Es muß auch solche Käuze geben'' entstammt 
Goethes Faust, 1. Teil. Mit diesen Worten sucht Faust 
den Mephistopheles Gretchen gegenüber zu entschuldigen.) 
Der lebhaften Mimik des Tieres, wie sie sich aus der 
Brehmschen Schilderung ergibt, entspricht der Gebrauch 
von ital. civetta für „Kokette''. Hierbei darf nicht über- 
sehen werden, daß der Kauz als Lockvogel benutzt wird. 



Eule, Uh\i, Kauz. 119 

(Vgl. Schuchardt, „Liebesmetaphern" in „Romanisches und 
KeltiscIies'S pag. 237.) Diese Metapher hat zahlreiche Sprossen 
getrieben, wie civettare „kokettieren", civetteria, civettio, civettismo 
„das Kokettieren", civettino „Geck", dfoeUuola „die kleine 
Kokette". 

Originell ist die scherzhafte Bezeichnung von Goldstücken 
mit occhi di civetta „Käuzchenaugen" (vgl. span. c^'o de buey 
„Ochsenauge" fUr „Duro"), wobei man jedenfalls zunächst 
an die gelblich glänzenden Augen des Vogels zu denken 
hat.*) Dabei ist die auf der Verlockung des Goldes be- 
ruhende Nebenvorstellung des Kokettierens nicht ausge- 
schlossen. Es ist kein Zufall, daß diese Metaphern gerade 
im Italienischen entstanden sind, denn in Italien hat man 
mehi* als sonstwo Gelegenheit, diesen Vogel zu beobachten. 
Der Italiener benutzt den Kauz zum Vogelfang, indem er 
sich das feindliche Verhältnis zwischen diesem und den 
übrigen Vögeln zunutze macht. Der Vogelfanger stellt den 
Kauz aus und umgibt ihn mit Leimruten, auf denen sich 
die Vögel, die herbeigeflogen kommen, um ihr Mütchen an 
dem bei Tage wehrlosen Feind zu kühlen, fangen. Auf diese 
Art des Vogelfangs beziehen sich mehrere JRedensarten, wie 
impaniare Ja civetta^ den Kauz mit der Leimspindel fangen, 
d. h. einen Gauner begaunern. Mit Anspielung auf die jämmer- 
liche Figur, die die gefangenen Vögel spielen, sagt der Italiener 
von einem, der unbeholfen in seinen Bewegungen ist: Pare 
preso a civetta, er sieht aus, als ob man ihn mit dem Kauz 
gefangen hätte. Hierher gehört auch die Redensart schiacciare 
il capo alla civetta, dem Kauze den Kopf zerdrücken, d. h. um 
des gegenwärtigen Gewinnes willen sich einen anderen größeren 
für die Zukunft verscherzen. Unter dem größeren Gewinne 
sind die Vögel zu verstehen, die der Besitzer des Kauzes 
mittels desselben fangen könnte. Auf das Auf- und Nieder- 
heben des Kopfes bezieht sich die Redensart far civetta, es 
machen wie der Kauz, d. h. den Kopf rasch senken, um einem 
Schlage auszuweichen (nicht zu verwechseln mit far Ja civetta 



^) Vgl. die in der Steiermark für die Waldohreale übliche Bezeichnung 
Glnrvogel. (Glnren sind große, unheimlich leuchtende Augen (vgl. 
Branky, Eulennamen, pag. 29). Hierzu stimmt die Ableitung Yon griech. 
ylav^ „Eule" Yon yXaijaaeiv „leuchten". 



120 Snle, Uhu, Kauz. 

= civettare). Auf die merkwürdige Eigenheit der Eule, große 
Stucke Fleisch hinunterzuschlucken, ohne sie früher zu zer- 
hacken, ist zurückzuführen die italienische Bedensart mangiare 
come Je civeUe, essen wie die Eulen, d. h. ohne zu kauen. 
(Vgl. gufo als tadelnde Bezeichnung eines gierig Essenden.) 
Allerdings kann obige Redensart auch bedeuten „essen ohne 
zu trinken'^, da die Eulen monatelang das Wasser entbehren 
können. Kulturhistorisch interessant ist die Bezeichnung 
„Eule^^ für einen sechzigpfundigen Mörser (im Deutsch des 
17. Jahrhunderts), denn sie beweist die Verwendung der 
Eule als Beizvogels. 

Von Metaphern, die auf physischen Eigentümlichkeiten 
der Eule beruhen, sei noch angeführt aus dem Deutschen der 
Gebrauch dieses Vogelnamens für eine Art Kinderhaube, 
die deswegen Eule genannt wird, weil sie dem Gesichte 
ein eulenartiges Aussehen verleiht. (Vgl. span. fnartnata, 
frz. marmotte „Murmeltier" als Benennung einer weiblichen 
Kopftracht.) Auch ital. gufo „Uhu" als Bezeichnung des Pelz- 
mäntelchens der Ghorherm ist hierherzuziehen. (Vgl. Sain6an, 
Cr6at. metaph., pag. 108, 15.) Fem er bezeichnet man im 
Deutschen mit dem Worte Eule*) einen zum Reinigen der 
Zimmerdecke dienenden Besen, dessen Haare wohl mit dem 
Eulengefieder verglichen werden. (Vgl. frz. Ute de loup.) An 
die hörnerähnlichen Ohrbfischel der Waldeule denkt der 
Italiener, wenn er von einem alten Manne, der ein junges 
Mädchen heiratet, sagt: Fa come i barbcigianni che mettono 
corna in vecchiaia, er macht es wie die Waldeulen, denen die 
Homer erst im Alter wachsen. 

Auf die charakteristische Lebensweise der Nachteule, die 
wie die Fledermaus sich des Tags verbirgt und des Nachts 
auf Raub ausgeht, beziehen sich, besonders im Englischen, 
eine Reihe von Metaphern. Im allgemeinen wird die Eule, 
die bei den Ägyptem Symbol des Todes, der ewigen Nacht, 
war und in der christlichen Kirchenlehre mit dem im Finstem 
schleichenden Satan verglichen wird, als Bild der Lichtfeinde 

*) Niederdeutsch ühle (Uhl), davon nhlen, d. h. mit der Uhle 
reinigen (von Yoß im siebzigsten Geburtstage gebraucht). Nach Branky 
(Enlennamen, pag. 6) ist darunter ein Federbesen mit einem Eulenkopf zu 
verstehen. 



Enle, üha, Kauz. 121 

in Gegensatz gebracht zu dem Adler, der in der indischen 
Mythologie geradezu als Personifikation der Sonne erscheint. 
So bezeichnet der Engländer mit owl einen Nachtarbeiter oder 
Nachtschwärmer (vgl. deutsch Nachteule) und wendet das 
Wort zeitwörtlich auch auf das nächtliche Schmuggeln an — da- 
her owler „ Schmuggler '^ Eine Weiterbildung von owl ist owJert/j 
das in eigentlicher Bedeutung „Eulennest'' heißt, dann aber 
übertragen „eulenhafte Gewohnheiten" bedeutet, wie z. B. 
Spazierengehen zur Nachtzeit. Mit cwTrlight „Eulenlicht" 
bezeichnet der Engländer das Zwielicht, in dem sich die 
Eulen bewegen, womit sich im Deutschen die poetische 
Metapher Eulen flucht vergleichen läßt^ das ist die Stunde, 
in der die Eulen ausfliegen. Im amerikanischen Englisch ist 
in familiärer Sprache für einen Nachtzug die Bezeichnung 
owJrtrain „Eulenzug" üblich. Im Pariser Argot ist hibou ein 
Dieb, der nur bei Nacht stiehlt Da die Eule sehr empfindlich 
ist gegen das Tageslicht (vgl. die franz. Redensart roukr les 
yeux comme une chouette qu'on Mige ä regarder le soleiT) und 
oft ihre Augen zur Hälfte schließt, so glaubt das Volk, sie 
sei ganz oder halb blind, daher im Englischen owly für einen 
Halberblindeten gebraucht wird. (Vgl. die auf Fledermaus 
und Maulwurf bezüglichen Metaphern.) 

Mit Bezug auf die einsame Lebensweise des Uhus (Uhu 
== Ohreule) sagt der Deutsche von einem zurückgezogen 
lebenden Menschen: Er lebt wie ein Uhu, womit ent- 
schieden ein tadelnder Sinn verbunden wird. Dasselbe Bild 
ist den romanischen Sprachen geläufig. So sagt der 
Italiener von einer menschenscheuen Person: E un gufo, der 
Spanier: Es un buho, der Franzose: CPest un hibou oder: 11 fait le 
hibou. Da die Eulen gern in alten, verfallenen Schlössern 
hausen, so wird ein solches Schloß im Deutschen auch 
Eulennest genannt, dem frz. reiraite de hibou entspricht. 
(Vgl ital. gufarsi „sich verkriechen".) 

Schon bei der Besprechung der Etymologien wurde 
hervorgehoben, daß einige Bezeichnungen für „Eule" und 
„Uhu" auf dem Aberglauben beruhen, diese Vögel seien Un- 
glflckspropheten. (Vgl. frz. effraie^ fresaie.) Zur Entstehung 
dieses Volksglaubens mag weniger die einsame Lebensweise 
und das bizarr - häßliche Äußere des Vogels als vielmehr 



122 Eule, Uhu, Kauz. 

der unheimliche Ruf beigetragen haben, den die Eule des 
Nachts von Zeit zu Zeit erschallen läßt. Diese stimmliche 
Betätigung der Eule wird in Gegensatz gebracht zum schönen 
Gesang der Nachtigall, und zwar in dem deutschen Sprich- 
wort: Des einen Eule ist des anderen Nachtigall, 
d. h. was dem einen schön dünkt, dankt dem anderen häßlich, 
ttber den Geschmack läßt sich nicht streiten. Als Un- 
glficksYogel gilt die Eule nicht bloß im Französischen (vgl. 
effraicj fresaie), sondern auch im Deutschen, Englischen und 
Spanischen. So sagt man z. B. in manchen Gegenden Deutsch- 
lands, wenn eine Sache mißglückt ist: Da saß eine Eule, 
und analog sagt der Seemann, wenn das Segelschiff den 
Wind plötzlich von vom bekommt, es habe eine Eule 
gefangen. Hierher gehört femer aus dem Englischen der 
Slangausdruck to tahe owl at a thing, an einer Sache eine Eule 
finden, d. h. etwas übel nehmen. Als Unglücksvogel erscheint 
die Eule ferner in der engl. Redensart to live ioo mar a tcood 
to he fvightened by an owl, zu nahe am Walde wohnen, um von 
einer Eule in Furcht gesetzt zu werden. Von einem erschreckt 
Dreinschauenden sagt der Engländer : He stares as if he saw an 
owl^ er starrt, als sähe er eine Eule. Auch der Spanier ist 
der Eule abhold, wie erhellt aus der Redensart tomar (cargarse) 
el mochueloy die Eule, d. h. den schlechtesten Teil bekommen. 
Analog sagt man im Span., wenn man sich einer lästigen 
Arbeit, die niemand übernehmen will, unterziehen muß: Me 
toca el mochuelo, mir wird die Eule zuteil. 

Auch das Verhältnis der Eule zu den anderen Vögeln 
spiegelt sich in der Sprache wieder. Die Eule, die bei Tag 
hilflos ist, wird sehr häufig von den Vögeln, die sie bei Nacht 
verfolgt; angegriffen und gleichsam geneckt und verhöhnt. 
Ganz besonders haben es die Krähen auf sie abgesehen ; daher 
sagt man im Deutschen von einem Menschen, der der Gegen- 
stand allgemeinen Spottes ist : Er lebt wie die Eule unter 
den Krähen und im Franz.: II est la chouette de la sodete. 

m 

Analog sagt der Engländer to make an otvl of a i}er8on^ aus 
jemd. eine Eule machen, d. h. ihn verspotten, wobei der 
Spottende stillschweigend mit einer Krähe verglichen wird. 
Das Ital. hat von gufo sogar ein Verbum gebildet: gufare 
„verspotten". (Vgl. weiter oben gufarsi.) Auch sagt man im 



Eule, Uhu, Kauz. 123 

franz. Spielerargot von einem, der allein gegen mehrere spielt: 
II fait la chouette, was mit Erweiterung der ursprünglichen 
Bedeutung heißen kann : Er hat es allein mit mehreren zu tun. 
Was die geistigen Fähigkeiten der Eule betrifft, so be- 
findet sich die Sprache in vollkommener Übereinstimmung mit 
der Naturgeschichte, wenn sie diesen Vogel als geistig plumpes 
Tier betrachtet und häufig als Symbol der Dummheit ver- 
wendet. So wird im Engl, owlish, owlishness für „dumm", bzw. 
„Dummheit", gebraucht; desgleichen wendet der Italiener gufo, 
harbagianni oder ahcco auf einen dummen oder tölpelhaften 
Menschen an und mit cdoccheria bezeichnet er treffend das 
dreiste Umschwärmen einer Dame, indem ihm dabei die plumpen 
Flugbewegungen der Eule vorschweben. Was äbrigens älocco 
betrifft, so wird das Wort mit Aphärese des anlautenden 
Vokals, also in der Form locco, in eigentlicher und Übertragener 
Bedeutung gebraucht. Es ist sehr wahrscheinlich, daß davon 
span. loco „töricht, verrückt" abzuleiten ist, welche Etymologie 
in der metaphorischen Verwendung des Wortes im Ital. 
eine Bekräftigung erfährt. (Vgl. Sain^an, Cröation m^taph., 
pag. 113.) Aus dem Ital. gehört femer hierher der Gebrauch 
von capo cPasmlo „Eulenkopf" im Sinne von „Dummkopf". 

Ganz im Gegensatze zur modernen Auffassung galt die 
Eule den Alten als kluger Vogel. War sie doch das Attribut 
der Minerva, der Göttin der Weisheit ! *) Allerdings ist darunter 
nicht unsere gewöhnliche Eule zu verstehen, sondern eine 
kleinere Abart, in der Naturgeschichte Kauz der Minerva 
{athene noctua) genannt, der vor den übrigen Eulen zwar nicht 
größere Intelligenz, wohl aber größere Beweglichkeit voraus 
hat Auch bewunderten die Alten an dem Vogel seine 
Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, und so wurde, wie beim 
Luchs und Adler, von der Schärfe des Gesichtssinns auf die 
Schärfe des Verstandes geschlossen. Aus der Vorliebe der 
Athener für diesen Vogel erklärt sich die Redensart 
Eulen nach Athen tragen, engl, to bring otols to Athens, 
d. h. etwas Überflüssiges tun. Als Lieblingsvogel der Athener 
war die Eule in Athen sehr häufig, es war also daselbst 
durchaus kein Bedürfnis nach diesen Tieren vorhanden. Die 



*) Daher ist die Enie das Wappentier der Bachhändler. 



124 ^^^ Kuckuck. 

Redensart ist vom Griechischen (ylctiht^ elg l4^vag) zunächst 
ins Lateinische (ululas Athenaa) und von da in die modernen 
Sprachen eingedrungen, wo sie jedoch infolge ihres klassischen 
Ursprungs rein gelehrten Charakter hat. In volkstfimlicher 
Sprache finden sich zahlreiche Analoga. So sagt man im 
Deutschen: Wasser in den Brunnen tragen, nieder- 
deutsch auch: Water in de See dragen. Genau so in 
den romanischen Sprachen: ital. portar cccqua dl mare^ span. 
echar agua en el mar, frz. porter de Peau ä la mer. Im älteren 
Deutsch ist auch belegt: Holz in den Wald tragen. 
Dasselbe Bild findet sich im Lateinischen und in einigen 
romanischen Sprachen: lat. in silvam ligna ferre, ital. portare 
legna al boscOj span. Uevar Jena äl monte. Der Engländer sagt 
mit einer kleinen Variante: to carry leaves into the wood, Blätter 
in den Wald tragen, oder mit lokaler Färbung : to carry coals 
to NewcasÜCj Kohlen nach Newcastle tragen, womit sich ital. 
portare cavöli a Legnaia, Kohl nach Legnaia tragen, vergleichen 
läßt. Über die geistigen Fähigkeiten anderer Eulenarten 
urteilten die Griechen weniger günstig, ihre Auffassung von 
dem Wesen dieser Vögel näherte sich der unsrigen. Dies 
beweist die Anwendung von griech. &rog „Ohreule" auf einen 
dummen Menschen. 

Auf die Raubtiematur der Eule spielt nur das Französische 
an in der Redensart etre larron comme une chouette, diebisch 
sein wie eineEule,"^) wofür man im Deutschen sagt: „stehlen 
wie ein Rabe, wie eine Elster". Jeu de la chouette ist im 
Franz. ein Kinderspiel, wobei einer dem anderen etwas weg- 
nimmt; hingegen bezeichnet man im Ital. mit fare a eivetta 
das „Plumpsackverstecken", wohl mit Bezug auf die geduckte 
Stellung des Vogels beim Sitzen und sein kokettes Gebaren. 



- Der Kuckuck. 

Das Wort Kuckuck ist — wie sofort erkennbar — 
eine onomatopoetische Bildung nach dem Ruf des Vogels. 
(Vgl. Winteler, Naturlaute und Sprache, pag. 6 f.) Dazu 

*) RoUand (Faune pop., 11, pag. 46) vermutet, daß diese Redensart 
auf volkstümlieher Verwechslung des Kanzes mit der Dohle beruht. 



Der Kuckuck. 125 

Stimmt lat. cmulus mit seinen romanischen Entsprechungen: 
ital. cuculo, ctMcü, span. cuquühj cucliUo, frz. coiumi. Im 
Ital. findet sich auch cucco, das auf ein lat. neben cucultts 
sich findendes cucus zurückgeht. Was das deutsche „Kuckuck'^ 
betrifft, so ist das Wort in Süddeutschland erst im 15. Jahr- 
hundert üblich geworden. Früher gebrauchte man dafür 
Gauch,"^) mhd. gouch, ahd. goidh, yerwandt mit altengl. gSaJc, 
woraus schottisch gowk Das engl. Wort für Kuckuck ist 
gleichfalls onomatopoetisch, nämlich cuckoo, wovon cuckold 
„Hahnrei". 

Was den Kuckuck von anderen Vögeln besonders unter- 
scheidet, ist sein eigentümlicher Buf. Da der Kuckuck als 
Zugvogel regelmäßig im Frühling erscheint und in dieser 
Jahreszeit seinen Buf erschallen läßt, so gilt er als Frühlings- 
bote, weswegen man im Engl, den Frühling auch als cuckoo- 
Urne „Kuckuckszeit" bezeichnet Ebenso werden Frühlings- 
blumen gern nach dem Kuckuck benannt» so heißen z. B. die 
Himmelsschlüssel (primtda acaulis) frz. pain de caucau „Kuckucks- 
brot«.**) 

Auf die ermüdende Eintönigkeit des Kuckucksrufs bezieht 
sich im Engl, die Bedensart to sing like a cucJcoo, wie ein 
Kuckuck, d. h. schlecht singen. So gebraucht man im Engl. 
a,uch cuckoO'Song für „alte Leier" und sagt von einem, der 
immerfort dasselbe drischt : He repeats the cuchoo-song, er wieder- 
holt den Kuckuckssang. (Vgl. ital. Ja canzone delV ucceUino, 
das Lied des Vögelchens.) Das Span, und Franz. haben vom 
Namen des Kuckucks Zeitwörter gebildet: span. cuclear^ frz. 
comouer, coucoukr „wie ein Kuckuck schreien". 

Dem Kuckuck wird ähnlich wie dem Hahn, dem Baben 
und dem Käuzchen vom Volke die Gabe der Prophezeiung 
zugeschrieben. Aus seinem Buf erfährt man die Zahl der 
noch übrigen Lebensjahre, und wenn man Geld in der Tasche 
hat in dem Augenblick, da sich der Vogel vernehmen läßt, 
so geht es das ganze Jahr nicht aus. Auf diesem Volks- 

''') Im 15. Jahrhundert kommt auch die Umbildnng Gnckganch vor. 

**) Wenn BoUand, Fanne pop., IT, pag. 81, 16 von der Farbe dieser 
Blnme die Anwendung des Gelben als Symbols der betrogenen Ehemänner 
(coucou =3 cocu) herleitet, so scheint dies wohl sehr weit hergeholt. Ist 
doch gelb ganz allgemein die Farbe des Neides nnd der Eifersncht. 



126 öer Kuckuck. 

glauben beruht die im Deutschen häufig gebrauchte Bedens- 
art: Das weiß der Kuckuck! (Vgl. Rolland, Faune pop., 
II, pag. 90 ff.) 

So häufig sich aber der Kuckuck hören läßt, so selten 
läßt er sich blicken. Er ist ein sehr scheuer VogeL Die 
Eander rufen daher beim Versteckspiel „Kuckuck!" und das 
Spiel wird geradezu als Kuckucksspiel bezeichnet. Ebenso 
sagt man im Franz. faire coucou, jauer ä coucou. 

Was das Äußere des Kuckucks^ betrifft^, so gebraucht man 
im Franz. in Bezug auf die schlanke Gestalt des Vogels den 
Vergleich maigre comme un coucouj mager wie ein Kuckuck, 
wofär sich in den übrigen Sprachen kein Analogen findet."^) 
Mit weniger Berechtigung sagt der Franzose maigre comme 
une chouette, mager wie ein Käuzchen. 

In semasiologischer Hinsicht merkwürdig ist der Ge- 
brauch des Wortes Kuckuck für „Hahnrei". Im Deutschen 
hat das Wort an und für sich nicht diese Bedeutung, wohl 
aber sagt man jemd. ein Kuckucksei ins Nest legen. 
Mit dem Kuckucksei ist zunächst ein im Ehebruch gezeugtes 
Kind, das der betrogene Gatte für sein eigenes hält, gemeint, 
dann wird der Ausdruck überhaupt auf ein fremdes Er- 
zeugnis, das einem Ahnungslosen als sein Werk untergeschoben 
wird, angewendet. Das ältere Gauch wurde auch in 
der Bedeutung „Hahnrei" gebraucht, wozu das engl von 
cnckoo abgeleitete cucJcold sowie span. cucliUo Analoga bieten. 
Hingegen ist das franz. cocu, wie Brinkmann (Metaphern, 
pag. 521 ff.) überzeugend nachgewiesen hat, von coq „Hahn" 
abzuleiten, wohl aber wird vulgär auch coucou für „Hahnrei" 
gebraucht. (Vgl. Borchardt -Wustmann, Sprichwörtl. Redens- 
arten, pag. 283.) 

Wie aber ist diese Metapher zu erklären? Bekannt ist 
die Eigentümlichkeit des Kuckucks, seine Eier in die Nester 
fremder Vögel zu legen, worauf die oben zitierte deutsche 
Redensart anspielt. Demnach wäre der Kuckuck vielmehr mit 
dem Ehebrecher als mit dem betrogenen Ehemann zu ver- 



*) In Südfrankreich sagt man hingegen gras comme un coucou^ fett 
wie ein Encknck, offenbar deshalb, weil er in dem Angenblicke, wo er 
Europa verläßt, wohlgenährt ist. (Vgl. Rolland, Faune pop., II, pag. 88, 11.) 



Der Kuckuck. 127 

gleichen, was, wie weiter unten gezeigt werden wird, in einigen 
8praclien wirklich, geschieht. Die Diezsche Erklärung, daß 
der Kuckuck als der Betrüger per antiphrasim f&r den Be- 
trogenen gesetzt wird, kann nicht befriedigen. Brinkmann 
will in der ital. Bedensart covar nel nido degli altri come il 
cucuhj im Nest der anderen brüten wie der Kuckuck, den 
Schlüssel zum Verständnis unserer Metapher finden. Daraus 
ergebe sich, daß der Kuckuck nach der Auitfassung des 
Volkes nicht bloß seine Eier in fremde Nester legt, sondern 
sie auch ausbrütet. Indem er aber dabei auch die Eier des 
fremden Vogels ausbrüte, sei er gewissermaßen der Betrogene.*) 

Schon im Lateinischen finden wir (bei Plautus) cuculus 
als Schimpfwort für einen dummen Menschen, der sich leicht 
übertölpeln läßt. Im Ital. bedeutet demgemäß cucco „dumm'^ 
und cuculiare „dummes Zeug schwatzen". Von einem, der in 
der Gesellschaft die Zielscheibe von Spöttereien ist, sagt man : 
E ü cucco deUa hrigata^ er ist der Kuckuck der Gesellschaft. 
Analoga finden sich auch in den germanischen Sprachen. Wie 
im älteren Deutsch mit Gauch, so wird im schottischen 
Dialekt mit gotdk ein beschränkter Mensch bezeichnet, woher 
die Redensart to give a person the gau^k, jemd. den Kuckuck 
geben, d. h. ihn zum Narren halten, und das Adjektiv gowJcy 
mit der Bedeutung „albern, dumm". Im ähnlichen Sinne ge- 
braucht das Wort Shakespeare in „Heinrich IV." (A. 2, 4, 387). 
In modernem Engl, wird nicht das Wort cuckoo selbst, son- 
dern eine Weiterbildung davon, nämlich cucköld, für „Hahnrei" 
gebraucht. Als Verbum bedeutet dann cucköld logischerweise 
„zum Hahnrei machen". Originell ist die Bedensart to cuckoJd 
the parson, wörtl. : den Pfarrer zum Hahnrei machen, d. h. ihn 
betrügen durch intimen Umgang vor der Trauung. Cucköld- 
mdker „Kuckucksmacher" ist der Ehebrecher und cuckoldry, 
eine Weiterbildung von cuckoM, der Ehebruch. 

Im Gegensatz zur Auffassung des Kuckucks als Betrogenen 
kommt in einigen Sprachen die gegenteilige, dem wirklichen 
Sachverhalt entsprechende Anschauung zum Ausdruck, nach 

'*') BoUand (Faune pop., II, pag. 88, 15) erklärt cocu „Hahnrei" aus 
dem Bafe coucou, bzw. cocUy mit dem man die betrogenen Ehemänner Ter- 
spottete. Dieser Ruf sei dann zur unmittelbaren Bezeichnung des Hahnreis 
geworden. 



128 I^or Encknck. 

welcher der Kuckuck der Betrfiger ist So hatte Gauch im 
älteren Deutsch neben der Bedeutung „Narr" auch die von 
„Schelm, Schurke'^ und bei den BOmem bezeichnete cucülus 
nicht den betrogenen, sondern den treulosen Gatten."^) Dem- 
entsprechend wird im ItaL cucülaccio^ d. L „häßlicher Kuckuck", 
auf einen Wüstling angewendet, der den Frauen anderer nach- 
stellt, wie auch cucüliare neben der oben angegebenen Be- 
deutung die von „verhöhnen, hintergehen" hat Im Span, 
findet man gleichfalls Spuren dieser Auffassung. Von einem, 
der schlauer Weise aus dem Streit zweier anderer Vorteile 
zieht, sagt man Por vos cantö d euclülo^ für dich sang der 
Kuckuck. So bedeuten auch im Span, cucar „verhöhnen^', cuco 
„schlau, verschmitzt" im Gegensatz zu ital. cucco.^) 

Daß im Deutschen der Kuckuck als unheilvoller, böser 
Vogel gilt beweisen die Flüche : Zum Kuckuck! hol dich 
der Kuckuck! scher dich zum Kuckuck etc., wo 
Kuckuck geradezu ein Glimpfwort für Teufel ist (Vgl. das 
Kapitel „Fuchs" pag. 48.) 

Semasiologisch bemerkenswert ist der Gebrauch von ital. 
cucco in der Bedeutung „Nesthäkchen, Schoßkind". Von der 
Eigentümlichkeit des Kuckucks, seine Eier in fremde Nester 
zu legen, war schon die Rede. Nun kommt es häufig vor, daß 
der junge Kuckuck seine viel kleineren und schwächeren 
Genossen aus dem Neste drängt, so daß sich die liebende 
Sorgfalt der Pflegeeltern auf ihn allein konzentriert Diese 
haben vollauf zu tun, um den Hunger ihres Pflegekindes 
halbwegs zu stillen, daher die franz. Redensart manger comme 
unjeune coucauj fressen wie ein junger Kuckuck. Hierher 
gehört auch das span. Adjektiv cuco in der Bedeutung 
„niedlich, zierlich, nett". Daß Tiemamen ohne weiteres als 
Adjektiva verwendet werden, ist im Span, und Portug. keine 
seltene Erscheinung. (Vgl. span. mono „hübsch", topo „kurz- 
sichtig", port. zorro „schlau".) Auf das Verhalten des Kuckucks 



*) Ein Analogon hierzu findet sich in der Mundart der Champagne, 
wo cocu im aktiven Sinne gebraucht wird. (Vgl. Rolland, Faune pop., II, 
pag. 89, 15 f.) 

**) Nach BoUand, Faune pop., n, pag. 89, 14 ist die Bedeutung dieser 
Wörter davon abzuleiten, daß man den Kuckuck hört, ihn aber nicht zu 
sehen bekommt, gleichsam als foppe der Vogel den ihn Suchenden. 



Der Papagei. 129 

gegen seine Pflegeeltern, die er nach dem Glauben des Volkes 
sogar auffrißt, wenn er groß geworden, bezieht sich die 
Anwendung dieses Vogelnamens auf einen Undankbaren im 
Deutschen und Franz. (ingrat camme un coacou). 

Interessant ist es, daß man im Ital. eine gewisse Art 
von Vogelnetz mit cuculo bezeichnet. Der Kuckuck wird 
in Italien wie so viele andere Vögel des Waldes gegessen, 
und daher wird ihm fleißig nachgestellt. Man wandte cuculo 
zunächst metonymisch auf ein zum Fange der Kuckucke 
bestimmtes Netz an (die Vorrichtung benannt nach ihrem 
Zweck, ein allerdings seltener Fall von Bedeutungswandel), 
dann wurde das Wort infolge Erweiterung des Bedeutungs- 
umfangs für „Vogelnetz" überhaupt gebraucht. 

Im Franz. bezeichnete man die Schwarzwäldernhren mit 
horloges ä cmicoti (auch deutsch „Kuckucksuhren") oder schlecht- 
weg mit coucous (pars pro toto) u. zw. deshalb, weil bei den 
meisten dieser Uhren die Stunden von einem aus dem Uhr- 
gehäuse herausschnellenden Kuckuck ausgerufen wurden. Da 
diese Art von Uhren jetzt außer Gebrauch ist, so ist es 
begreiflich, daß mit dem Worte coucou gelegentlich der Begriff 
des Altertümlichen verbunden wird, was sich auch bei seiner 
Übertragung auf andere Objekte geltend macht. So wird 
coucou zunächst auf einen alten Gesellschaftswagen, der ehe- 
mals namentlich zu Sonntagsausflügen benutzt wurde, und dann 
allgemein auf jeden alten, schlechten Wagen angewendet. 



Der Papagei. 

Der Name dieses Vogels ist — wie dieser selbst — 
exotischen Ursprungs. Arab. habagäh drang zunächst in die 
romanischen Sprachen ein und wurde ital. zu pappagallo (wohl 
mit Anlehnung an gallo „Hahn"), span. zu papagayo, altfrz. 
zu papagai. Von diesem wieder rühren her deutsch Papagei 
und engl, popinjay*) Betreffs des altfrz. papagai sei bemerkt, 
daß dieses Wort im Neufranzösischen sich als papegai erhalten 



*) Mit Yolksetymologischer Anspielung an pope „Papst^ und jay 
Häher^. (Vgl. Andresen, Über deutsche Volksetymologie, 5. Aufl., pag. 54.) 
Rieglet, Das Tier im Spiegel der Sprache. 9 



130 I^er Papagei. 

hat, allerdings mit beträchtlicher Verengung des Bedeutungs- 
umfanges. Es wird nämlich für den als Schießscheibe dienenden 
hölzernen Vogel gebraucht, wohl deshalb, weil dieser ursprüng- 
lich die Gestalt eines Papageis hatte. In derselben Bedeutung 
gebraucht der Spanier papagallo neben papagayo. Auch im 
Deutschen bezeichnete „Papagei" ursprünglich nur den 
Schützenvogel. Den wirklichen Vogel nannte man Sittich 
(ahd. psittich aus lat. psütacm), welches Wort heute noch neben 
„Papagei" weiterlebt. (Vgl. Seiler, Die Entwicklung der 
deutschen Kultur im Spiegel des deutschen Lehnworts, II, 
pag. 114 If.) Eine andere Benennung des Papageis ist ital. 
parrocchetto, frz. perroquet, span. perico, welche Wörter Diez 
sämtlich als Ableitungen von Petrm „Peter" auffaßt, wonach 
der Papagei „Peterchen" hieße. Für das Spanische, wo 
Perico*) tatsächlich Diminutiv von Pedro ist, muß man diese 
Etymologie ohne weiteres zugeben — Übertragung von Tauf- 
namen auf Tiere ist nichts Seltenes, — allein ital. parroc- 
chetio ist wohl davon zu trennen, da es offenbar Diminutiv 
von parroco „Pfarrer" ist. (Vgl. deutsche Vogelnamen wie 
Dompfaff, Mönch, Kardinal, ital. monachino, span. frailecülo) 
Was frz. perroqmt betrifft, so ist es zweifelhaft, ob es 
dem Italienischen oder Spanischen entlehnt ist. Echt fran- 
zösisch hingegen ist das in engl, parrot „Papagei" (für 
älteres perrot) erhaltene pierrot, womit in modernem Franz. 
jedoch nicht der Papagei, sondern der Sperling bezeichnet 
wird. Auch franz. perroquet findet sich im Engl., u. zw. als 
parraheet, womit speziell die Langschwanzpapageien bezeichnet 
werden.**) 

Durch seine auffallende exotische, von den heimischen 
Vögeln sich stark abhebende Erscheinung fordert der Papagei 
zur Metapherbildung geradezu heraus. Was ihn besonders 
charakterisiert, ist seine Fähigkeit, einzelne Wörter wie ganze 
Sätze nachzusprechen. Wir haben in allen Kultursprachen 
Redensarten, die sich darauf beziehen. So sagt man im 
Deutschen plappern wie ein Papagei, ital. favellare 



*) Mit loro, einem Wort malaiischer Herkunft, bezeichnet man im 
Span, eine Art knrzschwänziger Papageien mit rotgefärbter Unterseite. 

**) In Niederösterreich heißt der grüne Papagei Peruquetl. (Vgl. 
Höfer, Die Volksnamen der Vögel in Niederösterreich, pag. 6.) 



Der Papagei. X31 

come un pappagaUo, frz. parier comme un perroquet, span. hablar 
como un papagayo, d. h. viel und sinoloses Zeug schwatzen, 
da der Papagei die ihm vorgesagten Wörter nur mechanisch 
nachsagt. Das Portug. besitzt in derselben Bedeutung ein 
von papagaia direkt gebildetes papagaiar. Auch hat der 
Italiener von pappagaUo das Substantiv pappagalleria gebildet, 
das sich im Deutschen mit „Nachäfferei" wiedergeben ließe. Da 
femer der Papagei die vorgesagten Wörter nur unvollkommen 
nachspricht, so bezeichnet der Italiener eine mangelhafte Aus- 
sprache mit pronunda pappagallesca. Charakteristisch ist für 
den Engländer der Gebrauch von popinjay im Sinne von 
„Windbeutel". Dem schweigsamen Engländer sind geschwätzige 
Leute besonders verdächtig und er steht nicht an, aus ihrer 
Geschwätzigkeit einen ungünstigen Schluß auf ihren Charakter 
zu ziehen. (Vgl. im span. Argot perico als Bezeichnung eines 
liederlichen Frauenzimmers.) Hingegen wird parrot im Sinne 
von „Nachbeter" gebraucht und das Wort auch als Verbum 
verwendet (to parrot), wovon die Verbalsubstantiva parroter 
„Nachbeter", parrotry „das Nachbeten", sowie das Adjektiv 
parroty „papageienhaft, verständnislos nachplappernd". 

Was sonst beim Papagei besonders auffällt, ist sein buntes 
Gefieder, daher sagt man im Deutschen von einer in geschmack- 
loser Weise bunt gekleideten Frauensperson, sie sei der 
reinste Papagei und ebenso sagt der Spanier vestirse de 
papagayo, sich als Papagei, d. h. bunt kleiden. Da die vor- 
herrschende Farbe im Gefieder des Amazonenpapageis, der 
bei uns bekanntesten Art, grün ist, so nennt der Franzose in 
familiärer Sprache den grünlich schillernden Absinth perroqmt, 
und wenn er ein Gläschen von diesem Getränke geleert hat, 
sagt er konsequenterweise, er habe einen Papagei erwürgt 
{itouffer Je perroquet). Auch sonst spielt der Papagei im 
Pariser Argot keine unbedeutende EoUe. In Wein getauchtes 
Brot wird als „Papageisuppe" (de la soupe ä perroquet) be- 
zeichnet, da man diesen Vogel gern damit füttert. Eine 
krumme Nase heißt mit Bezug auf den stark gekrümmten 
Schnabel des Papageis un nez en hec de perroquet „eine Papagei- 
nase", wozu engl, parrot -nosed „papageinasig" ein Analogen 
bietet. (Vgl. deutsch „Geiernase".) Die Amsel muß sich die 
Bezeichnung perroquet de savetier „Schusterpapagei" gefallen 

9* 



132 I>er Wiedehopf. 

lassen, da der savetier, der arme Flickschuster, sich anstatt 
des kostspieligen Papageis lieber die bescheidene Amsel hfilt. 

Schließlich sei noch der Gebrauch von ital. parrocchettOj 
frz. perroquety span. perico, periqueto als terminus technicus der 
Seemannssprache erwähnt. Es wird damit nämlich der Mast 
bezeichnet, auf dem der Mastkorb aufgetakelt ist, offenbar 
mit Beziehung auf den bdtan de perroqmt, das Stäbchen, auf 
dem der gefangene Papagei auf und ab klettert. Das Wort 
wurde dann auf die Segelstange und schließlich auf das 
Segel selbst übertragen. (Vgl. Hatzfeld - Darmesteter , Dic- 
tionnaire g6n6ral de la langue frangaise unter „perroquet^.) 



Der Wiedehopf. 

Der Wiedehopf hat der Sprache zwar wenig Metaphern 
geliefert, wohl aber sind die Benennungen dieses Vogels in 
den verschiedenen Sprachen von großem Interesse. Die Be- 
zeichnungen des Wiedehopfs sind größtenteils onomatopoetisch, 
und zwar beruhen sie auf dem hohlklingenden Paarungsruf 
des Vogels. (Vgl. Naumanns Naturgeschichte der Vögel, Bd. IV, 
pag. 376, wo man eine Unzahl von dialektischen Benennungen 
des Wiedehopfs aus allen möglichen Sprachgebieten zusammen- 
gestellt findet.) 

Im Ital. ist lat. upupa unverändert erhalten, daneben 
kommt ein aus dialektisch bubba diminutiv gebildetes buhbola 
vor, womit die span. Bezeichnung des Vogels, abubiUa^ tiber- 
einstimmt. Im Span, findet sich auch putput, das gleichfalls 
auf unmittelbarer Schallnachahmung beruht, ebenso wie frz. 
pu(t)put, huppe, dupe und die englischen Namen hoopoe, hoopoo, 
hoop und whoap. (Vgl. EoUand, Faune pop., II, pag. 99flf.) 

Die deutschen Namen für den Wiedehopf bieten lehrreiche 
Beispiele för die volksetymologische Umdeutung von Schall- 
wörtem. So wurde im Ahd. der Ruf des Vogels zu wüehopfo 
„Holzhüpfer" umgedeutet, auf welche Form unser Wiede- 
hopf zurückgeht. Ebenso sind die meisten deutschen Dialekt- 
namen dieses Vogels volksetymologische Umbildungen, z. B. 
frankfurtisch Wiggflgel = Weidenhahn, bajrr. Wieshopf 



Der Wiedehopf. 133 

= Wiesenhüpfer. (Weitere Beispiele siehe bei Winteler, 
Natnrlaute und Sprache, pag. 26.) 

Neben diesen onomatopoetischen Benennungen gibt es 
noch andere, die sich auf die Lebens- oder genauer Er- 
nährungsweise des Vogels beziehen. Der Wiedehopf holt sich 
nämlich mit seinem langen, spitzen Schnabel aus dem Kote 
der Tiere seine Nahrung hervor und steht daher mit Becht 
im Rufe der ünreinlichkeit. Demgemäß wird er im Deutschen 
auch Stinkhahn oder Eothahn genannt, dem die frz. Be- 
zeichnungen coq ptiant und coq merdeux entsprechen.*) Mit 
Bezug auf die ünreinli/shkeit dieses Vogels gebraucht der 
Franzose den Vergleich saU comme une huppe, schmutzig wie 
ein Wiedehopf, wie auch im Deutschen der Name dieses 
Tieres im Sinne von „Schmutzfink" verwendet wird.**) Da 
der Wiedehopf regelmäßig vor dem Kuckuck bei uns eintrifft, 
wird er in einigen Gegenden Deutschlands Kuckucks- 
küster, Kuckucksbote, Kuckucksknecht genannt. 

Was an dem Vogel besonders auffallt und ihm ein statt- 
liches Aussehen verleiht, ist die große, aufrichtbare, zierliche 
Federhaube, die er auf dem Kopfe trägt. Darauf beruht frz. 
hupp4j „stattlich gekleidet, herausgeputzt, vornehm". Un 
monsieur huppe wird im ironischen Sinne von einem Hoch- 
gestellten gebraucht und entspricht ungefähr unserem „hohen 
Tier". Im ähnlichen Sinne, aber mit einer kleinen Bedeutungs- 
nuance wird hupp4 gebraucht in der Redensart Les plus huppds 
y sont priSy die Sachs in seinem Wörterbuch frei übersetzt mit 
„die Klügsten fallen hinein". Huppi heißt hier wohl eigent- 
lich „der auf seine hohe Stellung, bzw. Klugheit Eingebildete". 

Daß frz. dupe „Dummkopf" identisch ist mit huppe^ hat 
Schuchardt überzeugend nachgewiesen. (Zeitschrift für rom. 
Philologie, XV, pag. 98 ff.) Übrigens ist gerade im Franz. 
der Gebrauch von Vogelnamen als Schimpfwörter sehr häufig : 
vgl. buse^ butor, dinde, grue, linotte oie^ serin etc. Als Ana- 



*) Mit dieser Eigenheit des Wiedehopfs hängt anch sein Dialektnanie 
Herdenvogel zusammen, er hält sich eben gern in der Nähe von Hinder- 
herden auf. (Vgl. dänisch haerfugl,) 

**) Nach Naumann, Naturgeschichte der Vögel, Bd. IV, pag. 383 findet 
sich die Redensart stinken wie ein Wiedehopf im Deutschen. Engl. 
Norweg. und Franz. 



134 I>ie Schwalbe. 

logon ZU dupe ließe sich anführen der österreichisch-dialektische 
Gebrauch von Hopf = Wiedehopf für einen dummstolzen 
Menschen. Aus dem Pariser Argot ist hierher zu ziehen daim 
huppe als Bezeichnung eines Geldprotzen. Daim, eigentlich 
„Damhirsch", wird an und für sich wie unser „Hirsch" auf 
einen beschränkten Menschen angewendet. 

Semasiologisch bemerkenswert ist, daß htippe metonymisch 
für die Federhaube gebraucht wird (Ganzes für den Teil ; vgl. 
gowpillon „Füchslein" für „Fuchsschwanz") und infolge Be- 
deutungsgeneralisierung überhaupt den Schopf der Vögel be- 
zeichnet. Ein Analogon hierzu bietet, portug. powpa, das auch 
„Wiedehopf" und „Federhaube" bedeutet. Es ist daher nicht 
absolut notwendig, für huppe „Federhaube" Beeinflussung von 
houppe „Troddel, Quaste, Haarbüschel" anzunehmen, wohl aber 
mag man in den umgeformten Bufnamen hoppe (holl.) und 
Huppet (plattdeutsch) eine Anspielung auf die Federhaube 
des Vogels sehen. (Vgl. Winteler, Naturlaute und Sprache, 
pag. 26.) 

Auf die große Furchtsamkeit des Wiedehopfs, der bei der 
geringsten Gefahr in Schrecken gerät, bezieht sich die ital. 
Redensart tremare come una bubbola, zittern wie ein Wiede- 
hopf. Schuchardt (briefl. Mitteilung) bringt diese Redensart 
in Zusammenhang mit dem onomatopoetischen Zeitwort buhbolare 
(von einem Schallworte bu bu\ das 1. „donnern", 2. „murmeln", 
3. „vor Kälte zittern" bedeutet. Es läge demnach in obiger 
Redensart eine Kontamination von bubbolare „zittern" und 
bubbola „Wiedehopf" vor. 



Die Schwalbe. 

Deutsch Schwalbe geht zuiiick auf mhd. stmlwe, ahd. 
swalawa; es ist verwandt mit engl, swallow, das seiner- 
seits auf altengl. swealwe, altsächsisch swala beruht. Die 
romanischen Bezeichnungen: ital. rondine, rondineUa, span. 
golondrina, frz. hirondelle, Diminutiv von altfrz. aronde, gehen 
sämtlich auf lat. hirundo zurück. Für verschiedene Schwalben- 
arten wird der Name des heil. Martin gebraucht, so frz. 
martinetf Diminutiv von martin, für „Hausschwalbe"; ebenso 



Die Schwalbe. 135 

Span, martinete für „Uferschwalbe" und engl, martin oder 
martinet für „Schwalbe" überhaupt (die Spezialisierung erfolgt 
durch Vorsetzung eines Substantivs, wie bank-martin, house- 
maHin etc.). Auch auf andere Tiere wird dieser Taufname 
angewendet. So werden im Ital. mit martinaccio „häßlicher 
Martin" die Silbermöwe, der Eisvogel und die Gartenschnecke 
bezeichnet. Für den Regenpfeifer wird neben piviere auch 
martinello (Diminutiv von martinö) gebraucht. Im Span, heißt 
der Seeaal martina. Der Eisvogel wird span. maHin pescador 
„Martin der Fischer", frz. martin picheur genannt, während 
im Ital. mit martin pescatore ein Seefisch bezeichnet wird. Ein 
interessantes Beispiel von Bedeutungsspezialisierung ist die 
Bezeichnung der Schwalbe im Patois von Limousin mit ozdo 
„Vogel", wozu sich in galizisch aviön (von atis) ein Analogon 
findet. (Vgl. ital., span. oca, frz. oie „Gans" aus lat. avica 
„Vögelchen".) 

Auf das Äußere des Vogels bezieht sich im Deutschen 
der metaphorische Gebrauch von Schwalbenschwanz, 
womit man zunächst die spitz zulaufenden Frackschöße und 
dann metonymisch den ganzen Frack bezeichnet. Die Be- 
ziehung auf die langen Schwanzfedern des Vogels liegt 
auf der Hand. Dieselbe Metapher findet sich im Engl. 
{swallow-tait) und im Ital. {abito a coda di rondine), während 
der Franzose queue de mortie „Stockfischschwanz" dafür sagt. 
Schwalbenschwanz ist übrigens auch die Bezeichnung 
eines Schmetterlings mit geschwänzten Hinterflügeln: engl. 
swalloW'tail, frz. qneue dlnrondeUe. Ferner ist frz. martinet hier 
zu nennen als Bezeichnung eines Leuchters mit schwalben- 
schwanzartigem Griffe. 

Die Schwalbe ist ein sehr beliebter Vogel und erfreute 
sich schon bei den Alten großer Sympathie, wie aus dem Ge- 
brauche von hirundo als Liebkosungswort (bei Plautus) her- 
vorgeht. Unsere Vorliebe für die Schwalbe mag wohl zum 
großen Teile auf dem Umstände beruhen, daß ihr Kommen 
ein Anzeichen der schönen Jahreszeit ist, und sie somit als 
Frühlingsbote gilt.*) Hierauf bezieht sich das allen Kultur- 
sprachen geläufige Sprichwort: Eine Schwalbe macht 

*) Bei den Engländern heißt der 15. April swalUnc-day „Schwalbentag". 



136 I>ie Schwalbe. 

noch keinen Sommer, d.h. ein Beispiel macht noch keine 
BegeL Engl.: One swallotv does not make a summer, Ital. : 
Una rondine non fa primavera. Frz. : üne hirondelle ne fait pas 
le printemps. Span.: üna golondrina no hace verano. Dieses 
Sprichwort beruht auf der 304. Fabel des Äsop „Der ver- 
schwenderische Jüngling und die Schwalbe", wo erzählt wird, 
wie ein Jüngling; der seine Habe bis auf den Mantel vertan, 
auch diesen verkaufte, als er die erste Schwalbe heimkehren 
sah. Danach aber fror es noch so, daß die Schwalbe starb 
und der frierende Verschwender ihr Worte des Zornes über 
die Täuschung nachrief. (Vgl. Büchmann, Geflügelte Worte, 
pag. 411 flf.) Auf die Schwalbe als Frühlingsvogel bezieht 
sich auch ital. fico rondinino „Schwalben-, d. h. Frühfeige". 
Treffend bezeichnet der Pariser die italienischen Kastanien- 
händler und savoyardischen Schornsteinfegerjungen, die im 
Winter nach Paris kommen, um daselbst ihr Brot zu ver- 
dienen, mit AirowefeZfe^d'Äiwr „Winterschwalben". Ebenso werden 
die aus der Provinz angekommenen Arbeiter gern hirondeües 
genannt. (Bei uns heißen die im Frühling eintreffenden ital. 
Arbeiter „Schwalben".) Auf den Zugvogelcharakter der 
Schwalbe bezieht sich femer span. golondrino als Bezeichnung 
eines unsteten Menschen ; im Soldatenargot wird dieses Wort für 
einen Deserteur gebraucht. Dem Deutschen „Der Vogel ist aus- 
geflogen" entspricht im Span. Volö el golondrino, das Schwalb- 
chen ist fort. Das unermüdliche Hin- und Herschießen der 
Schwalbe in der Luft*) erklärt die Verwendung des Wortes 
für Leute, deren Beruf es mit sich bringt, beständig von 
einem Ort zum anderen zu wandern. So werden im Pariser 
Argot Handlungsreisende und Mietkutscher hirondelles genannt. 
Der Gendarm muß sich sogar die Bezeichnung hirondelle de 
potence „Galgenschwalbe" gefallen lassen. Hierher zu ziehen 
ist auch ital. rondone „Mauerschwalbe", womit der Italiener 
einen Pflastertreter bezeichnet. Überhaupt gilt die Schwalbe 
dem Italiener als Sinnbild der Lebhaftigkeit und Baschheit, 
daher er von einer flinken Person gern sagt, sie sei behende 
wie eine Schwalbe {essere vispo, lesto come una rondine). Auf 

*) Speziell anf die Hansschwalbe, die gern durchs Fenster ein- und 
ausfliegt, spielt an die ital. Bedensart fare la via delle rondinif den Weg 
der Schwalben machen, d. h. durchs Fenster steigen. 



Die Drossel (Amsel). 137 

den Zugvogelcharakter der Schwalbe spielt ferner an das frz. 
Sprichwort: Ami par interit est une hirondelle sur le toU, ein 
egoistischer Freund ist eine Schwalbe auf dem Dache, d. h. 
man kann auf ihn nicht zählen, denn er kann einen jeden 
Augenblick verlassen geradeso wie die Schwalbe. 

Auf einem Vergleich der zu einem Backenstreich aus- 
holenden Hand mit der die Luft in raschem Fluge durch- 
schneidenden Schwalbe beruht im Deutschen der allerdings 
landschaftlich beschränkte Gebrauch von Schwalbe für 
„Ohrfeige" (vgl. „Wachtel"). Sieht man genau zu, so liegt 
hier eigentlich eine Metonymie vor, indem die Ursache für 
die Wirkung gesetzt erscheint. 

Wenn der Pariser von einem, bei dem es nicht recht 
richtig zu sein scheint, sagt: II a une hirondelle dans le soliveauj 
er hat eine Schwalbe unter dem Dach, so vergleicht er dabei 
die wirren Gedanken mit der hin- und herschwirrenden 
Schwalbe. Man vergleiche damit die deutsche, im selben 
Sinne gebrauchte Redensart „einen Vogel haben". 

Die Schwalbe gilt vielfach im Gegensatze zur Eule als 
glückbringender Vogel,*) worauf im Ital. des 16. Jahrhunderts 
die Redensart andar di rondone im Sinne von „gut ausfallen" 
beruht {rondone = Mauerschwalbe). 

Auf das fröhliche Gezwitscher der Schwalbe bezieht sich 
das deutsche „schwalb ein", d. h. schwatzen, plaudern. 



Die Drossel (Amsel). 

Deutsch Drossel aus mhd. drdschel, ahd. droscala, drosca 
ist verwandt mit engl, throstle aus altengl. prostle. Eine zweite 
Form thrmh geht auf altengl. prysce zurück. Darauf beruht 
auch frz. tröle. 

Eine spezielle Bezeichnung für die Schwarzdrossel ist 
deutsch Amsel**) aus ahd. amsala, verwandt mit engl, ousel 

*) Man denke an den sagenhaften Schwalbenstein (celldonid), der 
Angenübel heilt. — Ein Schwalbennest zerstören gilt in den meisten Ländern 
als Sacrileg. Im D6p. der Charente heiüt die Schwalbe poule de Dieu 
„Gotteshuhn". (Vgl. RoUand, Faune pop., 11, pag. 317 ff.) 

**) Schwarzamsel oder Dreckamsel wendet man im pfälzischen 



138 ^ie Drossel (Amsel). 

,,AinseP' aus altengl. ösle {ös ist entstanden ans Qtns, ams). 
Das gewöhnliche Wort für „Amsel" im Engl, ist jedoch black- 
hird „schwarzer Vogel". Vögel werden in allen Sprachen 
gern nach der Farbe des Gefieders benannt. Die romani- 
schen Benennungen der Drossel gehen sämtlich auf lat. turdus 
zurück: itaL, span. tordo^ firz. tourd^ tourde. Tourd bezeichnet 
übrigens auch einen Fisch, den „grünen Klippfisch". Da- 
neben existiert im Franz. grive, dessen Etymologie jedoch noch 
nicht feststeht. Nigras Hypothese, daß grive das Fem. von 
altfrz. griu „griechisch" sei, ist wohl aus semasiologischen 
Gründen zurückzuweisen. Wie käme die Drossel, die über 
ganz Europa verbreitet ist, dazu, die „Griechin" genannt zu 
werden? Nigra selbst äußert sich auffallenderweise mit 
keinem Worte darüber. Die romanischen Bezeichnungen für 
die Amsel, ital. merla, merlo, span. mierlo, mirla, frz. merle 
beruhen auf lat. merula, worauf wahrscheinlich auch die 
romanischen Benennungen des Stockfisches : ital. merluzzo, span. 
merluza^ frz. merluche (merlan bedeutet „Weißling") zurückgehen. 

Da das Äußere der Drossel nichts Auffallendes hat, so 
kommt dasselbe für den metaphorischen Gebrauch dieses Vogel- 
namens wenig in Betracht. Nur auf die Färbung des Ge- 
fieders beziehen sich einige Metaphern. So bezeichnet man 
im Span, mit caballo tordo ein drosselgraues Pferd; ebenso 
spricht man im Franz. von einem gris tordüle „Drosselgrau" 
(aber nur mit Bezug auf Pferde). 

Auch das schwarze Gefieder der Amsel lieferte eine 
Metapher — im engl. Cant nannte man nämlich die ge- 
fangenen Neger am Bord eines Sklavenschifi'es blackbirds 
„Amseln". Das Wort wurde im metaphorischen Sinne so- 
gar zeitwörtlich gebraucht, indem auf das Einfangen der 
Neger der Ausdruck to blachUrd angewendet wurde. Wie 
man im Deutschen von einem „weißen Raben" spricht und 
damit etwas sehr Seltenes meint, so wendet der Franzose die 
weiße Amsel als Symbol des Seltenen an in der Redensart äre 
rare comme un merle blanc, selten sein wie eine weiße Amsel. 
(Die weiße Färbung ist bei der Amsel ebenso wie beim Raben 

Dialekt auf einen schmutzigen Menschen, sowie auf ein brünettes Mädchen 
au. H a a r a m s e 1 ist eine scherzhafte Bezeichnung der Laus. (Vgl. Heeger, 
Tiere im pfälzischen Volksmund, 2. Teil, pag. 11, § 24, 9.) 



Die Drossel (Amsel). 139 

eine Anomalie, die auf der pathologischen Erscheinung des 
Albinismus beruht.) 

Sehr verschieden ist die Auffassung von den geistigen 
Fähigkeiten der Drosseln. Die Naturgeschichte schildert uns 
die der Drosselgattung angehörigen Vögel als sehr intelligente 
Tiere und in Übereinstimmung damit wird im Ital. merJo 
(verstärkend: dal becco gicdlo „mit gelbem Schnabel") und im 
Franz. fin merk auf einen schlauen, verschmitzten Menschen 
angewendet. Hierauf bezieht sich auch die ital. Eedensart 
canta merlol Sing nur, Amsel! mit welchem Zuruf man einem 
schlauen Verführer zu verstehen gibt, daß man seine Absichten 
durchschaut und sich durch seine Überredungskünste nicht 
fangen läßt. Im direkten Widerspruche zu dieser Auffassung steht 
ital. tordo als Bezeichnung eines unpraktischen oder geistig be- 
schränkten Menschen sowie ital. merlone, merloUo (jenes Augmen- 
tativ, dieses Diminutiv von merlo) oder merh grullo, dem etwa 
unser „Einfaltspinsel" entsprechen würde. (Davon abgeleitet 
merlotaggine „Dummheit".) Analog nennt der Franzose einen 
dummen Menschen gern beau merk „schöne Amsel". Hierher 
gehört femer die ital. Eedensart dar la caccia ai merli, auf die 
Amseln Jagd machen, was man auf Mädchen anwendet, die sich 
ihre Liebhaber auf der Straße suchen.*) (Vgl. engl, to go ot4 spar- 
roW'Catching, auf die Spatzenjagd gehen.) Von pessimistischer 
Auffassung zeugt auch der Gebrauch des deutschen Drossel 
als verächtlicher Bezeichnung für ein altes Weib (dialektisch 
alte Trutschel), wozu wir in frz. vilain merk „garstige 
Amsel", das auf einen widerwärtigen Menschen angewendet 
wird, ein Seitenstück finden. 

Auf die große Lebhaftigkeit der Drossel, die vom frühen 
Morgen bis zum späten Abend immer in Bewegung ist und 
schier unermüdlich scheint, bezieht sich eine Reihe von 
Metaphern. Bedeutet doch tordo loco, die Bezeichnung der 
Schwarzdrossel im Span., wörtlich „verrückte Drossel" mit un- 
verkennbarer Anspielung auf die außerordentliche Munterkeit 
der Amsel. Hierauf ist möglicherweise zurückzuführen die frz. 
Redensart Stre soül comme une grive, betrunken sein wie eine 



*) In oberitalienischen Dialekten wird mit merlo das männliche Glied 
bezeichnet, wohl mit obscöner Anspielung anf das Einfangen in den Käfig. 



140 l^iö Drossel (Amsel). 

Drossel, die auf einer Metonymie beruhen würde, indem nach 
einem leicht begreiflichen Analogieschluß als Ursache der 
Lustigkeit Trunkenheit angenommen würde. EoUand hin- 
gegen (Faune pop., II, pag. 235) führt diese Kedensart auf 
die Vorliebe der Drosseln für die Weintrauben zurück und 
weist auf eine veraltete Bedeutung von grive hin = personne 
qui a trop hu ou trop mange, jemand, der zu viel getrunken 
oder gegessen hat. (Vgl. ital. grasso come un tordo, fett wie 
eine Drossel.) Ein Analogen hierzu findet sich in der deut- 
schen Studentensprache des 16. Jahrhunderts, wo man für 
„Bierzecher" auch Bieramsel sagte. Von grive abgeleitet 
ist grivoiSj das in der Bedeutung von „lustig, schlüpfrig" ge- 
braucht wird und auch substantivisch auf einen lustigen 
Menschen angewendet werden kann. Anders erklärt Nigra 
die Herkunft von grivois (Archivio glottologico, XV, pag. 116). 
Die Drosseln, bzw. Amseln, sind aber nicht nur lustige, sondern 
auch dreiste Vögel, worauf der Gebrauch von frz. grivoise als 
Bezeichnung einer etwas zu resoluten Frauensperaon beruht. 
Eine günstigere Beurteilung findet das ungenierte Wesen der 
Amsel in der frz. Redensart etre franc comme une merle, oft'en- 
herzig sein wie eine Amsel. Brehm nennt den Vogel sogar 
„freisinnig", was zu frz. franc trefflich stimmt. Speziell auf 
die Amsel als Singvogel bezieht sich im Deutschen die Redens- 
art wie eine Amsel, d. h. schön singen. Auf die ün- 
ermüdlichkeit dieses Vogels im Gesänge spielt der Franzose 
an in den Redensarten siffler, jaser comme un merle, wie eine 
Amsel (deutsch: Staarmatz) pfeifen, schwätzen. 

Einigen Drosselarten stellt man ihres schmackhaften 
Fleisches wegen eifrig nach. Vor allem gilt der Krammets- 
vogel als ein Leckerbissen, wie erhellt aus dem frz. Sprich- 
wort fauie de grives*) on mange des merles, wenn man keine 
Krammetsvögel hat, so ißt man Amseln, wofür man im Deut- 
schen derber sagt : In der Not frißt der Teufel Fliegen. Eine 
ähnliche Redensart findet sich im Ital., wo es von einem, 
der bald in Überfluß, bald in Elend lebt, heißt: Ora a tordi, 
ora a grilli, bald lebt er von Krammets vögeln, bald von 
Grillen. Wenn der Italiener von einem, der Maulaffen feil- 



*) grive bezeichnet speziell die Wachholderdrossel (Krammetsvogel). 



Die NachtigaU. 141 

hält, sagt : Aspetto ü merlo, er wartet auf die Amsel, so meint 
er damit natürlich auch eine gebratene Amsel. Im Deutschen 
tritt an Stelle der Amsel die Taube, im Franz. die Lerche. 
(S. bei „Lerche" pag. 160.) Von dem Drosselfang hergenommen ist 
die im 16. Jahrhundert gebräuchliche ital. Eedensart schiacdare 
il capo dl tordo, der Drossel den Kopf zerdrücken, d. h. einen 
Schlag ausführen, einer Sache ein Ende machen.*) Hierher ge- 
hört auch der frz. Ausdruck dinicheur de merles „Ausnehmer 
von Amseln" für einen Glücksritter. Die Amseln werden hier 
mit dem unlauteren Gewinn verglichen, auf den es der chevälier 
d'indtistrie abgesehen hat. 



Die Nachtigall. 

Deutsch Nachtigall aus mhd. nahtegal, ahd. nahtigala, 
dem engl, nightingale aus altengl. nightegala entspricht, bedeutet 
„Nachtsängerin". Der erste Bestandteil des Wortes ist ohne 
weiteres klar, der zweite geht auf altgerm. galan „singen" 
zurück. (Vgl. hiermit die griechische Bezeichnung für „Nachti- 
gall", &r]dd}v von q!deiv „singen".) Die romanischen Namen 
für diesen Vogel: ital. usignuolo^ frz. rossignol, span. ruisenor 
beruhen sämtlich auf lat. lusciniola (Dim. von Imdnia). 

Die Nachtigall'ist namentlich durch ihren schönen Gesang 
bekannt, was im Deutschen und Engl., wie oben gezeigt 
wurde, im Worte selbst zum Ausdruck kommt. Daher ver- 
gleicht man gern eine gute Sängerin mit einer Nachtigall. 
Sie singt wie eine Nachtigall ist das höchste Lob, das 
man einer Sängerin zollen kann. So auch im Franz. : Gest un 
rossignol, eile a une voix de rossignol, eile a des rossignols dans la 
gorge, das ist eine Nachtigall, sie hat eine Stimme wie eine 
Nachtigall, sie hat Nachtigallen in der Kehle. Rossignoler heißt 
geradezu „schön singen" und analog bildet der Engländer von 



*) RoUand, Faune pop.^ n, pag. 236, zitiert femer fare che il tordo 
non dia dietrOf machen, daß die Drossel nicht zurückweicht, non ne passa 
ogni giomo di questi tordi^ solche Drosseln ziehen nicht aUe Tage vorüber, 
il tordo h andato nella ragna^ die Drossel ist ins Netz gegangen, pigliar 
due tordi ad una pania, zwei Drosseln mit einem Leim fangen (vgl. deutsch 
zwei Fliegen mit einem Schlag). 



142 I>ie Nachtigall. 

nighUngak nightingdlise, ein allerdings selten gebrauchtes Wort. 
Da die Nachtigall durch ihren schönen Gesang alle Herzen 
gewinnt, so sagt man im Franz. von einem Weibe, das viele Er- 
oberungen macht : Cest un rossignol, auch wenn dies mit anderen 
Mitteln als mit dem Gesänge geschieht (Bedeutungserweiterung). 
Auch im folgenden Sprichwort erscheint die Nachtigall als Symbol 
des Sängers, bzw. der Sängerin : Quand le rossignol a vu ses petits, 
il ne chante plus, wenn die Nachtigall ihre Kinder gesehen 
hat, singt sie nicht mehr, d. h. hat man erst Kinder, ist's mit 
dem sorglosen Leben vorbei. Dieses Sprichwort beruht übrigens 
auf einer ganz richtigen, von der Naturgeschichte bestätigten 
Beobachtung. Im ironischen Sinne bezeichnet man im Franz. 
einen schlechten Sänger als rossignol d'Ärcadie, arkadische 
Nachtigall. Ein Analogon hierzu findet sich in ital. usigmwlo 
di maggio „Mainachtigall", einer scherzhaften Bezeichnung des 
Esels. Ahnlich nennt der Franzose das Schwein rossignol ä 
glands „Eichelnachtigall", mit Anspielung auf die Lieblings- 
kost dieses Tieres. Auf den schönen Gesang der Nachtigall 
bezieht sich ferner der Gebrauch dieses Vogelnamens als Epi- 
thetons für Dichter. So nannte man z. B. Luther mit An- 
spielung auf seine geistlichen Lieder die „Nachtigall von 
Wittenberg", Hans Sachs die „Nürnberger Nachtigall". Auch 
auf Gedichte selbst wurde diese Metapher metonymisch ange- 
wendet. Die 1822 edierten „Neuen Lieder" von Hoffmann von 
Fallersleben betiteln sich „Schöneberger Nachtigall". (Vgl. 
Sachs, Zusammenhang von Mensch und Tier, Neuphil. Zentralbl. 
1904, pag. 165.) 

Im Franz. hat rossignol noch verschiedene andere Be- 
deutungen, wie „Dietrich", „schlechte, alte Ware", „alte 
Jungfer", die mit dem Grundbegriff des Wortes in keinem 
Zusammenhang zu stehen scheinen. Gleichwohl lassen sie sich 
alle von der eigentlichen Bedeutung ableiten, wie im folgenden 
gezeigt werden soll. Von „Nachtigall" zu „Dietrich" ist ein 
großer Sprung und dennoch ist die zweite Bedeutung aus der 
ersten unmittelbar hervorgegangen. Rossignol für „Dietrich" 
war offenbar ursprünglich ein Ausdruck der langue verte, des 
Verbrecherargots, der in kühnen und originellen Metaphern 
Unglaubliches leistet. Tatsächlich gehört der Dietrich zu 
den unentbehrlichen Werkzeugen des Einbrechers. Wenn 



J 



Der Rabe. 143 

dieser nun seinen Nachschlüssel, mit dem er vorzugsweise in 
der Nacht arbeitet, „Nachtigall" nennt, so ist das tertium 
comparationis zweifelsohne die Nacht, während welcher sich 
die Nachtigall im Gesänge betätigt. Verdankt doch auch 
im Deutschen der Nachschlüssel die Bezeichnung „Diet- 
rich", was eigentlich ein nomen proprium ist, dem Gauner- 
witz, der diesem Instrument noch andere Taufnamen, wie 
„Peterchen" und „Klaus", beilegt. (Vgl. Waag, Bedeu- 
tungsentwicklung unseres Wortschatzes, pag. 163.) Ein 
Dietrich ist kein besonders wertvoller Gegenstand und so 
wurde das Wort, indem es den Umfang seiner Bedeutung er- 
weiterte, zur Bezeichnung wertloser und daher schwer an den 
Mann zu bringender Waren. Auf Personen übertragen, ge- 
langte es schließlich zur Bedeutung „alte Jungfer", wobei das 
„schwer an den Mann bringen" wörtlich zu verstehen ist. 

Nichts mit dem Vogel zu tun hat im Engl, nightingdle 
als Bezeichnung einer Art von Krankenhemden aus Flanell. 
In diesem Falle ist nightingale ein zum appellativum gewordenes 
nomen proprium. (Vgl. deutsch Heller, Kaiser, frz. renard, 
cälepin etc.) Diese Hemden sind nämlich nach einer Dame, 
Fhrence Nightingale, benannt, die sich im Krimkriege als 
Krankenpflegerin hervortat. 



Der Rabe. 

Deutsch Rabe*) geht zurück auf mhd. rahe, ahd. rdbo. 
Daneben existiert im Mhd. eine Form raben^ die im Ahd. 
rahan oder hrdban lautet. Hierzu gibt es eine verkürzte 
Doppelform, mhd. ram, ahd. hram, die noch in den Tauf- 
namen Bertram und Wolfram erhalten ist.**) Mit 
Babe verwandt ist engl, raven, das auf altengl. hraefn beruht. 
Eine Nebenform zu Rabe ist Rappe, womit man im Nhd. 
ein schwarzes Pferd bezeichnet, das ursprünglich nur eine 
oberdeutsche Scheideform zu mitteldeutsch „Rabe" ist. Hier- 



*) Nach Brehm Schallwort vom Rufe des Vogels (raab). 

**) Außerdem in westpfälzisch Bamm, sowie in den Ortsnamen 
Ramberg, Ramstein. (Vgl. Heeger, Tiere im pfälz. Volksmunde, 2. Teil, 
pag. 10, § 24, 8.) 



144 Der Rabe. 

her gehört ferner Rappe als Bezeichnung einer schweize- 
rischen Münze im Werte von fünf Centimes. Der heute rätsel- 
haft scheinende Zusammenhang mit Rabe ergibt sich sofort, 
wenn man weiß, daß diese zuerst in Freiburg i. B. geprägte 
Münze ursprünglich einen Vogelkopf trug. Dieses Wort ist, 
wie übrigens auch andere Münzbezeichnungen, z. B. Gulden, 
Krone, ein lehrreiches Beispiel für den durch die Anpassung 
an die Kulturverhältnisse geschaffenen Bedeutungswandel. 
(Vgl. Waag, Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes, 
pag. 181.) — Die romanischen Bezeichnungen für „Rabe" be- 
ruhen sämtlich auf lat. corvus:*) ital. corvo, span. cuervo, frz. 
corbeau = corbellm (Dim. von corbits = corvus). 

Die große Verbreitung dieses Vogels, der nahezu in ganz 
Europa zu finden ist, erklärt zur Genüge die wichtige Rolle, 
die er in der Phraseologie der modernen Kultursprachen spielt. 
Beginnen wir mit den auf das Äußere des Raben bezüglichen 
Metaphern, so finden wir zunächst, daß die glänzendschwarze 
Farbe seines Gefieders in allen hier zur Behandlung gelangen- 
den Sprachen verwertet ist. Die rabenschwarzen**) Haare 
finden ein Analogon in engl, raven-locks „Rabenlocken", wie 
auch häufig raven-black „rabenschwarz" gebraucht wird. Ebenso 
geläufig ist diese Metapher den romanischen Sprachen. Niger 
tamquam corvus, schwarz wie ein Rabe, sagten schon die Römer 
und ebenso gebraucht heutzutage der Italiener nero come un 
Corvo,***) der Frsiiizosenoircommeun corbeau. ^to dt cort?o „Raben- 
flügel" ist im Ital. die Bezeichnung einer schwarzen Farben- 
sorte. Hierher zu ziehen ist gleichfalls das span. Sprichwort: No 
ptiede ser el cuervo mos ne-gro que las alas, der Rabe kann nicht 
schwärzer sein als seine Flügel, d. h. ein größeres Unglück 
kann nicht mehr geschehen. Eine adjektivische Weiterbildung 
von ital. corvo liegt vor in ital. corvino: z. B. chioma corvina 
„Rabenhaar". So beruht auch der Gebrauch von Rappe, 
einer ursprünglichen Nebenform von Rabe, für ein schwarzes 
Pferd auf einer Metapher, bei der das tertium comparationis 

*) Schall wort vom Rufe kiork, kolk, wovon auch deutsch Knikrabe, 
Kolkrabe. (Vgl. Winteler, Natnrlaute und Sprache, pag. 14.) 

**) Verstärkt kohlrabenschwarz. 

***) Im Venezianischen sagt man : El non vederia un corvo in un caMn 
de latte, er würde einen Baben in einer Schüssel Milch nicht sehen. 



Der Rabe. 145 

eben die schwarze Farbe ist. Da mit dem Raben der Begriif 
dieser Farbe unzertrennlich verknüpft ist, so wurde der 
weiße Rabe zum Symbol des Seltenen, Unerhörten. (Weiße 
Raben sind, worauf bereits bei der Amsel hingewiesen wurde, 
Anomalien und daher äußerst selten.) Schon bei Juvenal 7, 202 
finden wir den corvus albus als Bezeichnung für einen Aus- 
nahmemenschen. (Vgl. Büchmann, Gefl. Worte, pag. 502.) 
Dementsprechend sagt man im Ital. : Una cosa i piü rara dei 
corvi biancM, eine Sache ist seltener als die weißen Raben. 
Im selben Sinne wird im Deutschen diese Metapher gebraucht. 
Im Franz. tritt — wie andernorts gezeigt wurde — an Stelle 
des weißen Raben die weiße Amsel, Je merle Uanc, (Vgl. 
Rolland, Faune pop., 11, pag. 111 ff.) Einen Raben weiß 
waschen heißt im Schweizerdeutsch: etwas Unmögliches 
versuchen. Hierher zu ziehen ist auch das deutsche Sprich- 
wort: Es hilft kein Bad am Raben. (Vgl. engl.: Crows 
are none the whiter for washing themselves, Krähen werden nicht 
weißer, wie sehr sie sich auch waschen.) 

Auf den starken, gekrümmten Schnabel des Vogels be- 
zieht sich der Gebrauch von lat. corvm als Bezeichnung einer 
Stange mit Widerhaken, die die Alten bei Belagerungen zum 
Einbrechen von Mauern benutzten. Daher frz. mit dem Bei- 
satz dimolisseur „Zerstörer". Neben corvus wird für diese 
Belagerungsmaschine grus „Kranich" gebraucht, da dieser 
Vogel auch einen kräftigen Schnabel hat. 

Früher bezeichnete man im Franz. mit corbeau eine 
Enterbrücke, wozu das ital. becco corvino „Rabenschnabel" als 
Benennung des Enterhakens ein Analogen bietet. Hierher zu 
ziehen ist ferner frz. bec-de-corbin oder bec-de-corbeau, womit die 
Splitterzange der Wundärzte bezeichnet wird. Im Deutschen 
wird Rabenschnabel gleichfalls in diesem Sinne gebraucht. 

Da der Rabe ein großer Freund von Aas ist, so wird er 
als zur Umgebung von unbeerdigten Leichen gehörig betrachtet 
und erscheint geradezu als Leichenvogel. Darauf nimmt Be- 
zug das ital. Sprichwort : I corvi volano dove sono le carogne, 
die Raben fliegen dorthin, wo Aas ist. Im Deutschen tritt der 
Geier, der ebenfalls ein aasfressender Vogel ist, an Stelle 
des Raben: Wo Aas ist, da sammeln sich die Geier. Auf 
dieser Eigenheit des Raben beruht auch die Bezeichnung eines 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 10 



146 ^er Rabe. 

aufgemauerten Richtplatzes mit Rabenstein, dem wörtlich 
engl, ravenstone entspricht. Daher wird Rabenaas im 
Deutschen als Schimpfwort gebraucht. (Vgl. den griechischen 
Fluch dg nÖQCMag sowie das deutsche Sprichwort: Was den 
Raben gehört, ertrinkt nicht.) Hingegen ist es bei 
dem Gebrauch von ital. corvo, frz. corheau, span. cuervo als 
Spitzname für Priester zweifelhaft, ob sich diese Metapher auf 
die schwarze Tracht oder auf die wichtige Rolle bezieht, die 
der Priester bei der Beerdigung spielt.*) Möglicherweise haben 
beide Momente bei der Bildung dieser Metapher mitgewirkt. Im 
Franz. werden auch die Leichenträger corheaux genannt. Bei uns 
nennt man sie „Leichenvögel'^, wobei man wohl an Raben denkt. 
Im Engl, ist hier an Stelle des Raben die in England viel 
häufigere Krähe {crow) getreten. Diese pessimistische, jedoch 
immerhin auf dem wirklichen Wesen des Tieres beruhende 
Auffassung hat ihre Wurzeln in altgermanischer Zeit, wo der 
Rabe als mythischer Vogel galt. Ist er doch der stete Be- 
gleiter Odins, mit dem er in die Schlacht zieht, wo er sich 
vom Blute der Gefallenen nährt. Hierher zu ziehen ist auch 
die Bezeichnung „Galgenvogel" für Rabe in einigen Gegenden 
der Schweiz und Österreichs. 

Das heisere Gekrächze des Raben, das eine gewisse 
Mannigfaltigkeit von Tönen aufweist, sowie seine außer- 
ordentliche Intelligenz — man vergleiche die deutsche 
Metapher ein weiser Rabe — machen es begreiflich, 
daß die Alten ihm die Gabe der Weissagung zuschrieben, 
u. zw. galt er nicht als Unglücks vogel schlechtweg, es 
wurden vielmehr sein Flug und Gekrächze zur Rechten 
als glückverkündend gedeutet. Bei den modernen Kultur- 
völkern wird der Rabe ähnlich der Eule vorzugsweise als 
Unglücksvogel betrachtet, u. zw. wohl wegen der ihm an- 
haftenden Leichenatmosphäre. (Siehe weiter oben.) So nennt 
man im Deutschen den Überbringer schlechter Botschaften 
einen Unglücksraben und in demselben Sinne spricht der 
Italiener von einem corvo delle male nuove, der Franzose 
von einem corheau de mauvais augure. (Vgl. den deutschen 

'^) In der Languedoc glaubt man, daß die schlechten Priester nach 
ihrem Tode Baben werden und die Nonnen Krähen. (Vgl. Rolland, Faune 
pop., II, 117, 8.) 



Der Rabe. 147 

Spruch: Rab' auf dem Dach, Fuchs vor der Tür, 
hüt' sich Mann und Roß dafür.) Überhaupt gilt der 
Rabe als ein Ausbund aller schlechten Eigenschaften, was im 
Deutschen zum Ausdruck gelangt in dem anderen Tieren 
gegenüber gebrauchten Schimpfwort Rabenvieh. So macht 
z. B. die deutsche Hausfrau ihrer Entrüstung über die Katze, 
die ihr ein Stück Fleisch gestohlen, mit diesem kräftigen 
Worte Luft, wobei das tertiura comparationis hauptsächlich 
in dem Begriff des Stehlens liegt, da der Rabe als diebischer 
Vogel mit Recht verschrieen ist. Er stiehlt wie ein Rabe, 
sagt man im Deutschen von einem frechen Dieb. (Vgl. frz. 
^oler comme une chouäte.) 

Wichtig für die Metaphorologie des Raben ist die Rolle, 
die der Vogel in der Bibel spielt. Auf dieser beruht zum 
großen Teil die mittelalterliche Tiersymbolik, die in der 
Sprache manche Spuren hinterlassen hat. Die in der heiligen 
Schrift vom Wesen des Raben vorherrschende Auffassung ist 
eine pessimistische. Da ist vor allem der Rabe Noahs, der 
von seinem Herrn aus der Arche als Kundschafter ausgesandt 
wird, sich am Aase gütlich tut und darüber das Wiederkommen 
vergißt. (Vgl. frz. ne pas revenir comme le corbeau de Tarche, 
nicht wiederkommen wie der Rabe der Arche.) Hierauf be- 
ruht im Ital. die Redensart aspettare ü corvo, den Raben er- 
warten, d. h. vergeblich auf jemd. warten. Ebenso wünscht 
der Spanier einem unliebsamen Gaste beim Abschiede die ida 
(Abreise) del cuervo an. (Dieser Zug von der ünverläßlichkeit 
des Raben findet sich in der griechischen Mythologie wieder.) 
Auch sonst ist in der Bibel vom Raben mehrfach die Rede; 
so beschuldigt z. B. der gottesfürchtige Hiob den Raben, daß 
er die Jungen aus dem Neste werfe. Ebenso heißt es in einem 
Psalme Davids: Gott gibt den jungen Raben, die zu ihm 
schreien, ihr Futter. Die mittelalterliche Symbolik erblickte 
in dem herzlosen Verhalten der alten Raben den Ausdruck 
des Unwillens darüber, daß die Jungen mehr weiß als schwarz 
zur Welt kommen. Diese würden aber auf das liebevollste 
gepflegt, sobald sie gefiedert seien. (Vgl. Kolloff, Die sagen- 
hafte und symbolische Tiergeschichte des Mittelalters in 
Raumers Histor. Taschenbuch 1867, pag. 239 ff.) In Wirk- 
lichkeit ist gerade das Umgekehrte der Fall. Die alten 

10* 



148 ^er Rabe. 

Baben hegen und pflegen ihre Jungen so lange, als sie noch 
nicht flügge sind. Sie werfen sie aber nach Raabvögelart 
aus dem Neste, sobald sie ausgewachsen sind. (Vgl. Zell, 
Tierfabeln, Anhang, pag. 84.) Hierauf gründet sich im Deut- 
schen der Gebrauch von Rabenvater und Rabenmutter, 
bzw. Rabeneltern für lieblose Eltern. 

Die umgekehrte Auffassung, nach welcher der junge 
Rabe als Symbol der Lieblosigkeit und des Undanks gegen 
die Eltern erscheint, ist vertreten in dem deutschen Sprich- 
wort: Erziehst du dir einen Raben, so wird er 
dir ein Aug' ausgraben, wozu sich Analoga in den 
romanischen Sprachen finden. So lautet es ital. : Nutrim ü corvo, 
cMa fin ti caverä gli occhi, span.: Cria cuervos y te sacardn los 
qjos, franz.: Nourris un corbeau, il te crh)era Tceü, Auch das 
Deutsche schließt sich mit Metaphern wie Rabensohn und 
Rabentochter (im Gegensatz zu „Rabenvater", „Raben- 
mutter") dieser Auffassung an, die auf der Verquickung zweier 
verschiedener Tiersagen beruht. Vom Raben berichtet nämlich 
die Tiersymbolik im Anschluß an die Salomonischen Sprich- 
wörter, daß er mit Vorliebe nach den Augen hacke. Hin- 
gegen erzählt sie vom Geier, der auch ein Raubvogel ist 
und daher viele Züge mit dem Raben gemein hat, daß sich 
die Jungen an den alt und schwach gewordenen Eltern für 
die ihnen zuteil gewordene grausame Behandlung rächen, 
indem sie sie ohne weiteres töten. Direkt an die Stelle des 
Geiers tritt der Rabe in dem lat. Sprichwort : Mali corvi malum 
Ovum, von schlechtem Raben schlechtes Ei. Analoga bieten 
die romanischen Sprachen: Ital. Di mal corvo mal tuwo, 
span. Cual el cuervo, tal su huevo, franz. De mauvcns corbeau 
mauvais cmf. Im Deutschen heißt es generalisierend : Schlechter 
Vogel, schlechtes Ei, aber schwäbisch: Üble Raben, üble 
Eier. Im Engl, übernimmt die nah verwandte Krähe die 
Rolle des Raben: lAJce crow, like egg, wie die Krähe, so das 
Ei. Im Gegensatz zu dieser ungünstigen Auffassung erscheint 
der Rabe in der Bibel einmal als Helfer in der Not. Er 
bringt im Auftrage Gottes dem Propheten Elias in der 
Wüste sein tägliches Brot Daß gerade dem Raben diese 
Rolle übertragen wurde, ist kein Zufall, sondern beruht auf 
scharfer Naturbeobachtung, denn bei der unersättlichen Freß- 



Der Rabe. 149 

gier der jungen Raben müssen die Eltern unaufhörlich darauf 
bedacht sein, ihnen Nahrung zu verschaffen. Mit Bezug auf 
diesen biblischen Raben gebraucht der Spanier die Redensart 
viene el cuervo, es kommt der Rabe, im Sinne von : „Die Hilfe 
naht." Auch im Deutschen findet sich manchmal „Rabe" 
ähnlich gebraucht. (Vgl. das deutsche Sprichwort: Die 
jungen Raben brauchen Futter.) 

Originell ist im Span, die Bezeichnung eines Kupplers 
mit echacuervos, d. h. einer, der Raben paart Das paar- 
weise Vorkommen dieser Vögel mag wohl der Anlaß zur 
Entstehung dieser Metapher gewesen sein. Brehm sagt dies- 
bezüglich: „Der Rabe lebt gewöhnlich, also auch im Winter, 
paarweise. Hört man den einen des Paares, so braucht man 
sich nur umzusehen, der andere ist nicht weit davon." Da 
Kuppler in der Regel verworfene Leute sind, so wurde mit 
Erweiterung der ursprünglichen Bedeutung echacmrvos auf 
einen lasterhaften Menschen im allgemeinen angewendet. Von 
echacmrvos sind abgeleitet echacorveria „Kuppelei" und echa- 
corvear „kuppeln". Auf die Verträglichkeit der Raben unter- 
einander bezieht sich das frz. Sprichwort : Le corbeau r/arrache 
paint V (eil au corbeau. Ebenso heißt es ital.: Corvi con corvi 
non si mangian gli occhi, portug.: corvos a corvos näo se tiräo 
OS olhos. Im Deutschen und Engl, tritt an Stelle des Raben 
die Krähe: Eine Krähe hackt der anderen kein 
Auge aus (aber bairisch: Ein Rab' hackt dem anderen 
das Auge nicht aus). One crow never pulls out another^s 
eye. Schließlich sei noch des ital. Zeitworts corbellare „necken, 
zum besten halten" gedacht, das man von corvus^ bzw. corbus, 
abzuleiten geneigt ist. Diese Ableitung erscheint insofern 
sehr wahrscheinlich, als der Rabe tatsächlich in gezähmtem 
Zustande zu jeder Art von Neckerei aufgelegt ist und nament- 
lich an Kindern gern seinen Mutwillen ausläßt. Auch legte 
man im Mittelalter das Rabengekrächze als höhnisches Ge- 
spött aus. 

Auf das hohe Alter, das die meisten Raben erreichen, 
bezieht sich im Deutschen die Redensart alt sein wie ein 
Rabe mit der Nebenvorstellung der sich auf Lebenserfahrung 
gründenden Weisheit. 



150 I>ie Krähe. 



Die Krähe. 

Die Benennungen der Krähe beruhen in allen Sprachen 
auf dem Ruf des Vogels. (Vgl. Winteler, Naturlaute und 
Sprache, pag. 14 f.) Deutsch Krähe, mit „krähen" zusammen- 
hängend, geht zurück auf ahd. kräja {krätoa), mhd. krcee {krd, 
Icrdtoe), Hiermit verwandt ist engl, crow^ das auf altengl. 
crdtoe beruht. Lat. cornicula, Dim. von cornix, ist das Etymon 
für die romanischen Bezeichnungen der Krähe : ital. cornacchia 
(möglicherweise durch gracchia beeinflußt), span. corneja, frz. 
Corneille. Ein anderes Wort für Krähe (namentlich die Turm- 
krähe bezeichnend) ist lat. gracula oder gractdus, das im Ital. 
gracchia (veraltet), gracchio und graccio, im Span, graja, grajo, 
im Franz. graule und daneben grolle (Saatkrähe) ergab. Ein 
Synonym von grolle ist freiix^ das über altfrz. frvsc auf alt- 
ndfränk. Äröife zurückgeht. Dieses hrök findet sich auch im 
Altengl. Neuengl. lautet es rook und bedeutet wie freux 
„Saatkrähe". Für die Turmkrähe wird im Deutschen Dohle 
gebraucht, das auf mhd. dähele, tdle, tähe, ahd. tdha ^surück- 
geht, lauter onomatopoetische Bildungen. Gleichfalls schall- 
nachahmend sind nach Winteler (Naturlaute und Sprache, 
pag. 15) die Benennungen der Dohle in den übrigen Sprachen : 
engl, chough, daw, ital. taccola (früher auch „Elster"), span. 
cayOj frz. choucas. Engl. jacMaw (jach = Jakob) beruht auf 
volksetymologischer ümdeutung des Eufes jäck.*) 

Da die Krähe eine nahe Verwandte des Raben ist, so ist 
es begreiflich, daß beide Tiernamen in ihrer metaphorischen 
Verwendung eine gewisse Analogie aufweisen. So spielt 
im Englischen die Krähe die Rolle, die in anderen Sprachen 
dem Raben zugedacht wird, was darauf hindeutet, daß in 
England der Rabe selten, die Krähe aber häufig ist. Während 
in den romanischen Sprachen als Spitzname für den Priester 
„Rabe" üblich ist (siehe bei „Rabe" pag. 143), wird im Engl. 
crow oder rook dafür verwendet. Auch in Bezug auf die vom 

*) In Körtings lat.-rom. Wörterbuch figuriert ein suppon. altd. käwa 
(belegt ist kaha) als Etymon von span. chova „Dohle", choya „Saatkrähe", 
altfrz. choe „Alpenkrähe", doch dürften diese Namen wohl auch direkt 
schallnachahmend sein. (Vgl. „Eule", pag. 115.) 



Die Krähe. 151 

schwarzen Gefieder hergenommenen Metaphern macht im Engl, 
die Krähe dem Raben erfolgreich Konkurrenz. As black as a 
crow, schwarz wie eine Krähe, hört man häufiger als raven- 
black „rabenschwarz". Ein Analogon hierzu findet sich im 
Altfrz. — noir come choe, — was von Littre und Godefroy 
falsch gedeutet wird, indem sie, durch neufrz. chouette irre- 
geführt, choe mit „Eule" wiedergeben, was ganz widersinnig 
ist, da es keine schwarzen Eulen gibt. Daß mit choe die 
Alpenkrähe gemeint ist, hat Cornu überzeugend nachgewiesen 
(Zeitschrift f. rom. Phil., XVI, pag. 520). Dem „weißen Raben" 
entspricht im Engl, die „weiße Krähe". So sagt der Engländer 
von einem Aufschneider treflfend: Eis crow is the whit^ evei- 
Seen, seine Krähe ist die weißeste, die man je gesehen. Weiße 
Krähen sind für das Volk ebenso unerhört wie weiße Raben. 
Auf die gleiche oder ähnliche Färbung beider Vögel nimmt 
Bezug ein span. Sprichwort, u. zw. in Form eines kurzen 
Dialogs zwischen Krähe und Rabe: Dijo la corn^a al cuervo: 
quitate aUd, negra; y el cuervo d Ja corneja: quitdos vos alldj 
negra. Zum Raben sagte die Krähe: Geh' weg von hier. 
Schwarzer; und der Rabe zur Krähe: Geht weg von da. 
Schwarze. (Vgl. frz. taupe vaut marotte) Denselben Gedanken 
drückt aus das deutsche Sprichwort: Der Rabe hat der 
Krähe nichts vorzuwerfen. Hierher gehört auch das 
derbe, aber eine gesunde Moral verratende span. Sprich- 
wort : La puta y la Cornea, mientras mds se lava — mds negra 
senieja, die Hure und die Krähe, je mehr sie sich waschen, 
desto schwarzer scheinen sie, wozu sich im Franz. des 17. 
Jahrhunderts ein Analogon findet: Putain fait comme la Corneille, 
plm se lave et plm noire eile est. Hiermit läßt sich vergleichen 
das engl. Sprichwort: Crows are none the whiter for washing 
themselves, Krähen werden nicht weißer, wie sehr sie sich auch 
waschen, wofür man im Deutschen sagt: Einen Mohren kann 
man nicht weiß waschen. 

Mit dem Raben teilt die Krähe die lange Lebensdauer, 
daher dieser Vogel im Lat. häufig die Epitheta annosa {seil, 
cornix) „bejahrt" oder vetula „alt" bekommt. In den modernen 
Sprachen findet sich hierzu kein Analogon ; im Deutschen gilt 
der Rabe als Symbol des hohen Alters. 

Wie dieser ist auch die Krähe eine Liebhaberin von Aas. 



152 I>ie Krähe. 

worauf die derbe engl. Redensart to give the crows a ptidding^ 
den Krähen einen Pudding geben, d. h. sterben, beruht. Dem- 
entsprechend nennt man im Engl, eine Schindmähre, die dem 
Verrecken nahe ist, treflfend crow-bait „Krähenköder". Auch 
der Schnabel der Krähe mußte wie der des Eaben zur Bildung 
von Metaphern herhalten. Crow's-bül „Krähenschnabel" heißt 
im Engl, die Splitterzange des Chirurgen, während sie im 
Deutschen und Franz. „Rabenschnabel", bzw. bec - de - corbeau 
genannt wird. (Vgl. pag. 145.) Mit cornacchia bezeichnete man 
im Ital. früher häufig einen Türring in Form eines Krähen- 
schnabels, womit sich im Griech. die Verwendung von Tcoga^ 
„Rabe" für einen Türklopfer vergleichen läßt. Schließlich er- 
scheinen die beiden Tiernamen als metaphorisch gleichwertig, 
wenn man das deutsche Sprichwort: Eine Krähe hackt 
der anderen das Auge nicht aus vergleicht mit den 
analogen Sprichwörtern im Ital. und Franz., wo an Stelle der 
Krähe der Rabe tritt. Auch der Aberglaube schlingt ein ge- 
meinsames Band um beide Vögel. Das Gekrächze der Krähe wird 
wie das des Raben vom Volke als unglückverheißend gedeutet. 
Daher ruft der Italiener aus : Uh, che cornacchia, Hu, was für eine 
Krähe ! wenn ihm jemd. irgend etwas Unangenehmes prophezeit. 
Indessen hat die Krähe in der Metaphorologie ihre eigene 
Domäne, wie aus den folgenden Metaphern und Redensarten 
hervorgeht. 

Was zunächst den deutschen Ausdruck. Krähenfüße 
betrifft, so wird er mit Bezug auf die schwarzen Füße der 
Krähe zunächst für ein unleserliches Gekritzel gebraucht, 
wofür der Italiener ähnlich raspattira di gaUina (wörtlich: 
von Hühnern aufgescharrter Boden), der Franzose pattes de 
mouche „Fliegenfüße" oder pattes de chat „Katzenpfoten" sagt. 
Nur mit Anspielung auf die Form, nicht aber auf die Farbe, 
wird dieselbe Metapher im Deutschen und Engl, {crow's-foot) 
zur Bezeichnung der sich im Alter an den äußeren Augen- 
winkeln bildenden Fältchen verwendet. Hiermit läßt sich 
vergleichen im Span, patas de gallo „Hahnenfüße" und im 
Franz. pattes d'oie „Gänsefüße". Es ist also hier — wie sich 
aus dem Vergleiche mit anderen Sprachen ergibt — nicht ein 
charakteristisches Merkmal, das die Metapher veranlaßt hat, 
sondern es erscheint die Krähe infolge ihrer Häufigkeit als 



Die Krähe. 153 

Vertreter der ganzen Vogelgattung überhaupt. Am deutlichsten 
zeigt sich dies im engl, scarecrow oder crotv-keeper „Krähen* 
scheuche", wofür man im Deutschen „Vogelscheuche" ge- 
braucht. Hierher gehört auch der metaphorische Ausdruck 
Krähenauge als populäre Bezeichnung der als Arznei 
gebrauchten giftigen Samenkörner der nux vomica, wofür 
man ebensogut „Vogelauge" sagen könnte, da sich das Auge 
der Krähe nicht wesentlich von dem anderer Vögel unter- 
scheidet. Dieselbe Metapher wird im Norddeutschen auf die 
hornartige, schmerzhafte Verhärtung an den Zehen ange- 
wendet, wofür man allgemeiner „Hühnerauge" sagt, genau so, 
wie der Spanier für „Krähenfüße" patas de gallo gebraucht. 
(Vgl. frz. ceil de perdri^ „Rebhuhnauge".) Hierbei ist das 
tertium comparationis einerseits die Wölbung, anderseits die 
kreisrunde Form. Auch „Elsterauge" ist in manchen deutschen 
Gegenden üblich. 

Auf die schrittweise, steife Gangart der Krähe, die leicht 
als Ausfluß des Stolzes oder der Selbstüberhebung erscheinen 
mag, bezieht sich die engl. Redensart to strut like a crow in 
a guUer, wie eine Krähe in einer Rinne (deutsch dafür: wie 
der Storch im Salat) einherstolzieren. 

Als Symbol des Ehrgeizes erscheint die Krähe in der be- 
kannten Asopschen Fabel von der „stolzen Krähe und dem 
Pfau". Es ist daselbst die Rede von einer Krähe, die sich 
mit den Federn eines Pfaues schmückt, aber damit weder bei 
den Pfauen noch den Krähen Anklang findet. Auf dieser 
Fabel beruht die deutsche Redensart sich mit fremden 
Federn schmücken, die angewendet wird auf einen, der 
bemüht ist, fremdes Verdienst als sein eigenes darzustellen. 
Der Franzose nennt ein solches Individuum schlechtweg la 
Corneille d'^sope^ „die Krähe des Äsop". 

Die Gesamterscheinung der Krähe macht durchaus keinen 
vorteilhaften Eindruck, ja, dieser Vogel erscheint im Deutschen 
gelegentlich sogar als Sinnbild der Häßlichkeit, wie z. B. 
Goethe für ein häßliches Mädchen irgendwo den Ausdruck 
„Krähe" gebraucht. So gaben auch die Franzosen der dritten 
Tochter Ludwigs XV. wegen ihrer Häßlichkeit den Spitz- 
namen graille „Krähe". (Vgl. das engl. Sprichwort : The crow 
ihifiks her own hirds the fairest, die Krähe hält ihre Jungen 



154 Die Krähe. 

für die schönsten.) Mit dem unsympathischen Äußeren steht 
im Einklänge die tiefe, heisere Stimme des Vogels, der un- 
aufhörlich sein häßliches kra kra ertönen läßt, nach welchem 
Kufe die Krähe in allen Sprachen benannt ist. Hierauf 
beruht die im Deutschen übliche Bezeichnung Krähe flir 
einen Menschen, der sich mit lautem Geschrei breit macht. 
Da sich die meisten Krähenarten zur Nachahmung fremder 
Laute, einige sogar zum Sprechen abrichten lassen, so ist es 
einleuchtend, daß die Krähe, die schon bei den Römern die 
Epitheta loquax, garrula hatte, zum Symbol der Geschwätzig- 
keit wurde. So ist im Deutschen Krähwinkel die Bezeich- 
nung eines Klatschnestes. (Über die Genesis dieser Metapher 
vgl. BüchmanU; Gefl. Worte, pag. 253.) Dieselbe metaphorische 
Verwendung erfährt die Krähe in einigen romanischen Sprachen. 
Was zunächst das Ital. betrifft, so nennt man ein schwatz- 
haftes Weib gern cornacchia. Von dieser Metapher sind als 
Weiterbildungen zu verzeichnen cornacchiare „schwätzen" und 
cornacchiaia „Geschwätz". In merkwürdigem Gegensatze hierzu 
bezeichnet man einen einsamen, verschlossenen Menschen mit 
cornacchia di campanile „Turmkrähe", was wohl so zu erklären 
ist, daß man von der Vorliebe dieser Vögel für alte Türme 
und sonstige unzugängliche Örtlichkeiten auf ihre üngesellig- 
keit schließt. Gleichfalls mit Bezug auf das übeltönende Ge- 
krächze der Krähe nennt man in Pistoja die durch ihr 
schnarrendes Geräusch das Ohr unangenehm berührende Kar- 
freitagsklapper cornacchia (schriftsprachl. : tabella). Zahlreiche 
Sprossen hat im Ital. gracchio (gracchia) getrieben. Zu aller- 
erst ist das Verbum gracchiare zu nennen, das zunächst von 
dem Gekrächze der Krähe auf die stimmliche Betätigung 
anderer Tiere übertragen wurde, dann aber auf das laute 
Schimpfen und Schelten von Personen angewendet wird. 
Gracchiare in der Bedeutung „ohne Sinn und Verstand 
schwätzen" bezieht sich auf die zum Nachsprechen von Wörtern 
abgerichtete Krähe. Von gracchiara wiederum abgeleitet sind 
die Verbalsubstantiva gracchiamento, gracchiata, gracchio „das 
Krächzen, das Geschwätz", femer gracchiatore „Schwätzer, 
Schreier, keifende Person" und gracchione „Zänker".*) Span. 



*) Auch von taccola „Dohle" liegen Ableitungen vor, die einen ahn- 



Die Krähe. 155 

^rajear wird nur in der eigentlichen Bedeutung von „krächzen" 
verwendet, hingegen wird frz. graiUer von dem heiseren Ge- 
krächze der Krähe auf die heisere Stimme des Menschen 
übertragen. Auch kann das Wort „ins Hifthorn blasen" be- 
deuten, wobei es einen Bedeutungswandel in bonam partem 
erfahren hat. Von grailler abgeleitet ist graülonner „Schleim 
aushusten", worin wir eine Metonymie zu erblicken haben, 
indem die Ursache für die Wirkung gesetzt erscheint, denn 
nicht die Schleimaussonderung selbst, sondern nur das der- 
selben vorhergehende Räuspern kann mit dem Gekrächze der 
Krähe verglichen werden. 

Die Krähe ist ein sehr unreinlicher Vogel und verbreitet 
^inen unangenehmen Geruch. Daher nennt der Franzose ein 
unreinliches Weib Marie Graillon (grailhn = Dim. von graule). 
Ein Analogon hierzu bietet, mit Übertragung auf das moralische 
Gebiet, ital. cornacchia als Bezeichnung eines Freudenmädchens 
{bei Cellini). Auf den Geruch bezieht sich frz. graillon „übler 
Fettgeruch" sowie span. grajo „Negergeruch", wobei in 
zweiter Linie auf die Farbe angespielt wird. (Metapher und 
Metonymie.) Von grajo abgeleitet ist grajiento „nach Neger 
duftend". 

Infolge der großen Verbreitung der Krähe wurde, wie 
schon oben angedeutet, ihr Name in Fällen metaphorisch 
verwendet, wo man ganz allgemein das Wort „Vogel" ge- 
brauchen könnte. Hierher gehört zunächst die frz. Redens- 
art : bayer aux corneiUes, den Krähen zusehen (nämlich wie sie 
fliegen), d. h. Maulaflfen feil halten. Von scarecrow (crow- 
keeper) war weiter oben die Rede. Hierher zu ziehen sind 
auch aus dem Engl, crow^s-nest „Krähennest" als Bezeichnung 
des Mastkorbes auf Walfischfahrem sowie crow-flight {as the 
crow flies, wie die Krähe fliegt) „Krähenflug" für „Luftlinie". 
Nach Brewer (Dict. of Phrase and Fable, pag. 198) zeichnet 
sich die Flugart der Krähe durch besondere Geradlinigkeit aus. 

Die Krähe bringt, wenigstens unmittelbar, keinen Nutzen. 
Ihr Fleisch ist im Gegensatze zu dem vieler anderer Vögel 
nicht oder kaum genießbar. Hierauf bezieht sich die engl. 

liehen Sinn haben, jetzt aber veraltet sind, wie taccolare „schwätzen", 
taccolata taccoleria „Geschwätz" taceoUno „Schwätzer". 



156 I>ie Krähe. 

Redensart to tat (row, Krähenfleisch essen , was unserem 
deutschen „in den sauren Apfel beißen" entspricht. Eben in- 
folge der Ungenießbarkeit des Fleisches ist es eine ganz un- 
nütze Arbeit, wenn man die Krähe rupft, weswegen im Engl. 
to plucJc (he craw, die Krähe rupfen, „sich um ein Nichts be- 
mühen" bedeutet. Unmittelbar an diese Redensart schließt 
sich eine andere an, nämlich to have a crow to pltick with a 
person, mit jemd. eine Krähe zu rupfen haben, d. h. mit 
jemd. zu tun haben, und zwar in unangenehmer Weise^ 
um eine Streitsache auszumachen. Das Rupfen einer Krähe 
ist eben wegen der Nutzlosigkeit der Arbeit, der dabei auf- 
zuwendenden Mühe — die Krähenfedem sitzen fest — und 
nicht zuletzt wegen des dem Vogel eigenen üblen Geruchs 
keine angenehme Beschäftigung. Im Deutschen tritt an Stelle 
der Krähe das Huhn (ein Hühnchen mit jemd. zu pflücken 
haben), was die Erklärung der Redensart bedeutend erschwert. 
(Siehe Schrader, Bilderschmuck der deutschen Sprache, pag. 240.) 
Auch im Span, erscheint das Krähenrupfen als Symbol einer 
unangenehmen Sache, der man lieber aus dem Wege geht. 
No entiendo de graja pelada, ich verstehe nichts vom Krähen- 
rupfen (wörtlich: von der gerupften Krähe), sagt der Spanier 
namentlich dann, wenn er hinter irgend einem Handel einen 
Betrug wittert, was zum Bilde vortreflflich paßt^ da, wer die 
Krähe rupft, um sich an ihrem Fleische zu laben, der 
Gefoppte ist. Eine Metapher, die in den übrigen Sprachen 
kein Analogen hat, ist das engl, landschaftlich beschi'änkte 
crow'time „Krähenzeit" für „Abendzeit". Bevor sich nämlich 
die Krähen zu ihrem Schlafplatze begeben, versammeln sie 
sich in der Dämmerungsstunde auf großen, freien Plätzen. 

Von den ethischen Eigenschaften der Krähe wird nur 
eine einzige, und zwar in anscheinend widersprechender 
Weise, metaphorisch verwertet. Während im Deutschen die 
Krähe nicht selten als Symbol der Feigheit erscheint, wird 
im Engl, das allerdings landschaftlich beschränkte crowish 
„krähenhaft" im Sinne von „mutig" gebraucht. Was auf 
den ersten Blick ein Widerspruch scheint, erweist sich als 
ganz logisch, wenn man der Sache auf den Grund geht. 
Wenn der Deutsche einen Feigling „Krähe" schilt, so denkt 
er dabei an das Verhalten der Krähe dem Menschen gegen- 



Die Elster. 157 

Über. Bekanntlich sind die Krähen infolge der Nachstellungen, 
deren Gegenstand sie sind, äußerst scheu. Der Engländer 
hingegen, der in der Krähe ein Bild des Mutes sieht, denkt 
an das Verhältnis der Krähe zu den anderen Vögeln, z. B. 
dem Uhu, der von den Krähen mit großer Entschiedenheit 
angegriffen wird. 

Speziell auf die Saatkrähe {rook), die dem Landmann 
wegen des Aufpickens von Getreidekörnern und Wegstibizens 
reifer Früchte ein Dorn im Auge ist, bezieht sich im Engl, 
der Gebrauch von to rook für „stehlen, betrügen". Auch als 
Substantiv wird rook für „Gauner, Schwindler** gebraucht. 
(Vgl. deutsch stehlen wie ein Rabe.) Treffend ist die 
Bezeichnung rookery „Krähengenist" für ein schmutziges, ver- 
rufenes Stadtviertel. Die Saatkrähen nisten nämlich in großen 
Massen, so daß nach Brehm ein Baum oft gegen 20 Nester 
beherbergt. Ein solcher Brutplatz ist infolge des unreinlichen 
und lärmenden Wesens seiner Bewohner ein nichts weniger als 
anmutiger Ort. 

Die Gewohnheit der nördlich lebenden Krähenarten, bei 
strenger Winterkälte Streifzüge nach südlicheren Gegenden zu 
unternehmen, erklärt das deutsche Sprichwort : Eine Krähe 
macht keinen Winter, ein Analogen zu dem häufiger 
gebrauchten: Eine Schwalbe macht keinen Sommer. 



Die Elster. 

Deutsch Elster beruht auf mhd. egelster, ahd. agalstra*) 
Daneben sind in den verschiedenen Gauen Deutschlands eiüe 
Unzahl von Dialektformen üblich, die man bei Winteler, 
Naturlaute und Sprache, pag. 30 ff., zusammengestellt findet. 
Davon ist die gebräuchlichste wohl atzel, das auf ahd. agazza 
zurückgeht.**) Damit ist verwandt altengl. agu, das jedoch 
im Neuengl. durch das romanische pie (magpie), von dem weiter 
unten die Rede sein wird, ersetzt wurde. Zahlreich sind auch 



*) Nach Winteler onomatopoetisch. 

**) Die Form AI st er findet sich in den Ortsbezeichnnngen Alster- 
weiler, Alstertal. (Vgl. Heeger, Tiere im pfälz. Volksmimde, 2. T., 
pa«:. 10.) 



158 Die Elster. 

die Benennungen der Elster in den romanischen Sprachen. 
Das lat. pica (picm = Specht) ist erhalten in ital. ptca, span. 
pega, picaza, frz. pie, wovon engl. pie. Im Ital. wird ferner 
puäa „Mädchen'^ aus lat. putida „stinkend^' für die Elster 
gebraucht, wie auch verschiedene Mädchennamen zur Be- 
zeichnung dieses Vogelnamens herhalten müssen. So im Ital. 
Checca, Cecca = Dim. von Francesca, Berta, span. Marica = Dim. 
von Maria, Urraca (jetzt als Eigenname nicht mehr ge- 
bräuchlich), frz. Jacque, Jaquette, Margot = Dim. von Mar- 
gtierüe; dementsprechend engl, mag = Dim. von Margaret 
(landschaftlich beschränkt). (Vgl. Rolland, Faune pop., 11^ 
pag. 132.) Das allgemein gebräuchliche Wort für „Elster" 
im Engl ist magpie, eine Zusammensetzung von mag und pie. 
Auf ahd. agazza gehen zurück ital. {a)gazza {gazzera) sowie frz. 
agace und afrz. agacin „Hühnerauge". (Vgl. deutsch land- 
schaftlich Elsterauge.) Span.' cotarra (bei Körting fehlend) 
ist möglicherweise onomatopoetisch. Über ital. taccola vgl. 
pag. 160. 

Was zunächst die äußere Erscheinung der Elster, an der 
vor allem das butschillernde Gefieder auffällt, betrifft, so be- 
zieht sich darauf der Gebrauch von pie im Franz. und Engl, 
zur Bezeichnung von scheckigen Tieren. So nennt man im 
Franz. ein scheckiges Pferd chevaJ pie, eine scheckige Taube 
pigeon pie. (Vgl. im älteren Fremz. pioU, pigeassi „scheckig".)*) 
Wenn im älteren Englisch im Volksmunde der Bischof 
magpie „Elster" genannt wurde, so verglich man dabei die 
Schleppe des bischöflichen Talars mit dem langen Schwänze 
der Elster. (Vgl. ital. abito a coda di gazza, Rock mit Elstem- 
schwanz.) Es ist diese Metapher ein interessantes Seitenstück 
zu den Vogelnamen, die der kirchlichen Hierarchie entlehnt 
sind, wie „Mönch", „Dompfaff", „Prälat", „Kardinal". Auf 
den bläulichen Schimmer des Gefieders bezieht sich ital. 
gazzerino „elsternfarben". So gebraucht man namentlich occhi 
gazzerini. 

Was aber die Elster besonders charakterisiert, ist ihr 



*) Winteler, Naturlaute und Sprache, pag. 33, wiU auch deutsch 
scheckig von Schack (Schackelster), einem dialektischen Namen der 
Elster, ahleiten und weist vergleichsweise auf die etymologische Verwandt- 
schaft von lat. picus „Specht" und griech. TtotxiXoe „hunt" hin. 



Die Elster. 159 

Geschrei, das sie mit staunenerregender Uneimüdlichkeit 
stundenlang ertönen läßt. (Vgl. ital. noioso come una gcuszera, 
lästig wie eine Elster.) Daher gilt der Vogel mit Recht als 
Symbol der Geschwätzigkeit, u. zw. in allen Eultursprachen. 
Schon Petronius gebraucht pica im Sinne von „Schwätzerin". 
Dieselbe metaphorische Verwendung weisen die romanischen 
Sprachen auf: ital. gazza und gaiszera werden zwar an und 
für sich nicht in übertragener Bedeutung gebraucht, wohl 
aber sind von diesen Wörtern einige Ableitungen zu ver- 
zeichnen, die nur metaphorisch verwendet werden, wie gazzarra 
„Freudenlärm", gazzeroiio „Schwätzer", gazzetta „Zeitung", 
eigentlich „Schwätzerin". 

In der ital. Redensart fare come le ptäte al lavatoio hat 
ptitta, das jetzt für „Elster" gebraucht wird, noch die ältere, 
ursprüngliche Bedeutung von „Mädchen". (Vgl. venezianisch 
putela „Mädchen".) Die Redensart bedeutet also: es machen 
wie die Mädchen am Waschtrog, d. h. schwätzen. Übrigens 
liegt in der Bezeichnung der Elster mit dem Worte puita eine 
Metapher vor, die ein interessantes Gegenstück zu den oben 
angeführten Redensarten bildet. Während man nämlich von 
einem plauderlustigen Mädchen sagt, es sei eine Elster oder 
schwätze wie eine Elster, nennt man umgekehrt die Elster 
ein „Mädchen". Auch dem Span, ist das Bild der geschwätzigen 
Elster geläufig. So sagt der Spanier von einer geschwätzigen 
Frauensperson: Habla mos qtie una urraca, una cotorra, sie 
spricht mehr als eine Elster. Von cotorra, das auch den Sittich, 
eine Papageienart, bezeichnet (tertium comparationis ist eben 
die Geschwätzigkeit), abgeleitet sind cotorrear „schwätzen", 
cotorreo „Weibergeschnatter" , cotorrera „Papageiweibchen, 
geschwätziges Frauenzimmer", cotorreria „Schwatzhaftigkeit". 
Aus dem Franz. ist gleichfalls anzuführen, bec de pie „Elster- 
schnabel" für Schwätzerin, ferner jaser comme une pie, 
schwätzen wie eine Elster, sowie jacasser „plappern" von Jaque^ 
einer dial. Bezeichnung der Elster. (Vgl. Rolland, Faune pop., 
II, pag. 133, 8.) 

In den germanischen Sprachen finden wir dieselbe 
Metapher. Während im Deutschen geschätzig sein wie 
eine Elster zu den alltäglichen Redensarten gehört, ge- 
braucht der Engländer aus dem Volke das Wort mag „Elster" 



160 I>ie Elster. 

im Sinne von „Geplapper'^ Der Bedeutungswandel ist der, 
daß mag zunächst metaphorisch die Zunge und dann meto- 
nymisch die von derselben hervorgebrachte Wirkung, das Ge- 
schwätz, bezeichnet. Ganz deutlich erhellt dies aus der in 
volkstümlicher Sprache gebräuchlichen Redensart: Hold your 
mag für hold your iongue, halt deine Zunge, wo mag direkt für 
tongue gesetzt wird. Auch wurde pie in älterer Sprache auf 
eine schwatzhafte Person, namentlich weiblichen Geschlechtes, 
angewendet und heute noch wird to mag im Slang im Sinne 
von „plaudern" gebraucht. 

Auf dem Verhältnisse der Elster zu anderen Vögeln beruht 
die Redensart zänkisch sein wie eine Elster, wozu 
sich engl, to mag „zanken" sowie frz. iaquiner „necken" (wenn 
zu taccola gehörig) und schließlich agacer „reizen" von agace 
stellen lassen. (Vgl. diesbezüglich Borchardt - Wustmann, 
Sprichwörtl. Redensarten, pag. 119.) Der streitsüchtigen 
Elster wird die sanfte Taube gegenübergestellt in dem deut- 
schen Sprichwort: Keine Elster heckt eine Taube. 

Mit Bezug auf den unbeholfenen Gang der Elster, den 
Brehm als ein „erbärmliches Hüpfen" bezeichnet, gebraucht 
man im Deutschen das Sprichwort: Die Elster läßt das 
Hüpfen nicht im Sinne von: Art läßt nicht von Art. 
(Vgl.: Der Fuchs läßt seine Tücke nicht, die Katze läßt das 
Mausen nicht.) Der Umstand, daß die Elster den Schwanz 
wippend bewegt, erklärt die frz. Redensart se carrer comme 
une pie, sich brüsten wie eine Elster. (Vgl. engl, to strtU like 
a crow in a gutter, deutsch: umherstolzieren wie der Storch 
im Salat.) 

Bekannt ist die Sucht der Elster, glänzende Gegen- 
stände zusammenzutragen. Besonders locken Gold und Silber 
den Vogel an. Daher ist die Elster in nahezu allen Sprachen 
Symbol des Diebes. So sagt man im Deutschen von einer 
Person, die sich gegen das siebente Gebot zu vergehen 
pflegt, sie sei diebisch wie eine Elster, im Engl, he 
steals like a magpie, im Franz. ü est larron comme une pie, 
im Ital. h ladro come una gazza. Im engl. Slang wird to mag 
ohne weiteres für „mausen" gebraucht. Hierzu findet sich 
in ital. gazzerare, das infolge Bedeutungserweiterung „betrügen" 
bedeutet, ein Analogen. (Vgl. im Altfranz, den Vergleich plus 



Die Elster. 161 

fausse que pie, falscher als eine Elster, von weiblichen Wesen.) 
Möglicherweise sind auch ital. taccagno, span. tacano „geizig" 
zu taccola „Elster" (jetzt „Dohle") zu stellen. Eine Bekräfti- 
gung fände diese Etymologie in der span. Metapher urraca = 
geizige Person sowie in der ital., bzw. franz. Redensart dar 
beccare dlla puUa, donner ä mang er ä la pie, die Elster füttern, 
was man auf knickerige Spieler anwendet, die ihren Ge- 
winnst heimlich in die Tasche stecken. Ebenso stimmt tacano 
in der Bedeutung „betrügerisch" vortrefflich zu ital. gazzerare 
„betrügen". (Vgl. das deutsche Sprichwort: Der Elster 
ist ein Ei gestohlen, das man auf einen betrogenen Be- 
trüger anwendet.) Auf der Sucht der Elster nach glänzenden 
Dingen beruht ferner span. pka, eine gelehrte Scheideform zu 
pega, womit in der Medizin der Hunger nach ungewöhnlichen 
Dingen benannt wird. 

Der Elster wird aus verschiedenen Gründen eifrig nach- 
gestellt, zunächst wohl deshalb, weil sie sich leicht abrichten 
läßt und in gezähmtem Zustande äußerst amüsant ist; dann 
aber werden ihr in einigen Gegenden Deutschlands und Frank- 
reichs auch Zauberkräfte zugeschrieben. So gewähren die an 
den Hauseingang gehefteten Elsternflügel Schutz gegen Fliegen 
und die Asche des verbrannten Vogels ist ein Heilmittel gegen 
Epilepsie. Materialistisch gesinnte Gemüter, die sich lieber ans 
Tatsächliche halten, lassen den erbeuteten Vogel in die Küche 
wandern, nicht um ihn zu verbrennen, sondern um ihn zu 
braten, denn sein Fleisch soll recht genießbar sein. Nach 
alledem ist es begreiflich, daß der Fang einer Elster als ein 
Glück betrachtet wird, um so mehr als dem Vogel sehr schwer 
beizukommen ist. Hierauf beruht die frz. Redensart trouver la 
pie au nid, die Elster im Neste finden, im Sinne von „etwas 
Seltenes finden. Glück haben". Auf die Eigenheit der Elster, 
auf den höchsten Baumwipfeln zu nisten, bezieht sich offenbar 
die frz. Redensart itre au nid de la pie, im Elsternneste sein, 
im Sinne von „auf dem Gipfel des Glückes stehen". Anders 
— u. zw. nicht sehr überzeugend — erklärt die Redensart 
Brinkmann (Metaphern, pag. 21 und 536 ff.). Auf den Elstern- 
fang, der namentlich in Italien eifrig betrieben wird, spielt 
auch an das ital. Sprichwort: Nido fatto, gazza morta, das Nest 
ist fertig, die Elster tot, das man auf einen anwendet, der gerade 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 11 



162 I>ie Lerche. 

dann stirbt, wenn er anfängt, in günstige Lage zn kommen. 
Ähnlich heißt es span. : La jatda hecha, picaza muerta, der Käfig 
ist fertig, die Elster tot. Hierher zu ziehen ist ferner die 
Eedensart pelar la gazza senza farla stridere, die Elster rupfen, 
ohne sie schreien zu machen, d. h. eine derbe Zurechtsetzung 
beabsichtigen, aber aus Zaghaftigkeit nicht mit der Sprache 
herausgehen, sich glimpflich ausdrücken. Im Deutschen und 
Franz. tritt die Henne an Stelle der Elster: die Henne rupfen, 
ohne daß sie schreit — plumer la poule sans la faire crier. 
Auf die gezähmte Ekter bezieht sich die ital. Metapher pidfa 
scodata „Elster ohne Schwanz". (Der gefangenen Elster 
werden die Schwungfedern gestutzt, damit sie nicht davon- 
fliegen kann.) Hiermit bezeichnet man einen sehr schlauen 
Menschen, da die angeborene Intelligenz der Elster durch die 
Abrichtung noch bedeutend erhöht wird. 



Die Lerche. 

Deutsch Lerche beruht auf mhd. lerche, ahd. lerahha. 
Hiermit ist verwandt engl, lark aus altengl. Idwrice. Lat. 
alauda, ein Wort keltisch-gallischen Ursprungs, ist das Etymon 
von ital. allodola, lodola, altfrz. aloe, wovon neufrz. dim. aloueUe, 
altspan. aloa, aloefa, neuspan. alondra, angeglichen an caiandra, 
„Kalenderlerche". Ebenfalls keltischen Ursprungs ist frz. 
mauviette „gemeine Lerche", verwandt mit mauvis „Rohrdrossel". 
(Vgl. Rolland, Faune pop., II, pag. 243.) Eine andere roma- 
nische Bezeichnung einer Lerchenart, und zwar der soge- 
nannten Kalenderlerche, die hauptsächlich im Süden Europas 
vorkommt, beruht auf griechisch ^iXavöga^ das direkt in die 
romanischen Sprachen eingedrungen ist: ital. caiandra, span. 
calandria, frz. calandre. Im Deutschen wurde das unverständ- 
liche calandre volksetymologisch zu „Kalender** umgebildet, 
daher die Bezeichnung Kalenderlerch e.*) Die über ganz 
Europa verbreitete Haubenlerche ist in allen Kultur- 
sprachen nach dem beweglichen, haubenähnlichen Federbüschel 

*) Über die Bedeutung der Kalenderlerche in der mittelalterlichen 
Tiersymbolik vgl. KoUoflf, Die sagenhafte und symbolische Tiergeschichte 
des Mittelalters in Baumers bist. Taschenbuch, 1867, pag. 249 ff. 



4 
I 



Die Lerche. 163 

benannt, das sie auf dem Scheitel trä^. So heißt sie engl. 
<:rested, copped, tufted larh „geschöpfte" Lerche, ital. loddla 
cappelluta, cappellaccia (Pejorativ von cappeUo „Hut"), span. 
cogujada, (lat. cucullm „Hülle des Kopfes"), frz. cochevis = 
cochet (Dim. von coq) + altfrz. vis = vivus (heißt also wörtlich : 
„lebhaftes Hähnchen"). Daneben wird umschreibend dlouette 
Jhuppee „geschöpfte Lerche" gebraucht. Ital. toUavüla^ span. 
cotovia, totovia sind wahrscheinlich onomatopoetischen Ursprungs. 
(Anders erklärt diese Wörter Eönsch, Jahrbuch für rom. und 
engl. Sprache und Literatur, XV, pag. 343.) 

Die Mehrzahl der Metaphern, die die Lerche der Sprache 
liefert, bezieht sich teils auf die Sangesfreudigkeit, teils auf 
die kulinarische Verwendbarkeit dieses Vogels, so daß sowohl 
die idealistische als auch die realistische Seite der Betrach- 
tungsweise in der Sprache zum Ausdruck kommt. 

Als Symbol des Sängers erscheint die Lerche besonders 
in der deutschen Poesie des 18. Jahrhunderts, daher sie in 
poetischer Sprache den Namen Barde oder Bardel führt. 
Auf dem fröhlichen Charakter des Lerchengesanges beruht im 
Deutschen und Engl, der Vergleich munter wie eine 
Lerche (merry a$ a lark), den man namentlich auf junge 
Mädchen anwendet, deren muntere Laune sich in fröhlichem 
Liede äußert. Analog sagt der Italiener von einem sanges- 
lustigen Mädchen: Cania come una calandra, sie singt wie 
^ine Lerche.*) (Die Kalenderlerche übertriflft an Melodien- 
reichtum bei weitem unsere deutschen Lerchenarten.) Daß 
die Lerche eine Frühaufsteherin ist, kommt zum Ausdruck 
in der frz. Redensart s^Sveiller au chant de Valottette, mit dem 
Oesang der Lerche, d. h. sehr früh aufwachen. Auch hört man 
wohl im Deutschen: Er steht mit den Lerchen auf. 
Auf die ünermüdlichkeit der Lerche im Gesang bezieht sich 
im Ital. der Gebrauch von calandra als Bezeichnung eines 
Schwätzers und der von calandria im span. Rotwelsch als 
Spitzname für einen öffentlichen Ausrufer.**) Häufig gebraucht 



*) Heeger, Tiere im pf&lz. Volksmunde, 2. T., pag. 12, führt lercheln 
an für „flöten wie eine Lerche". 

**) Da die Ealenderlerche sehr häufig als Stuhenvogel im Bauer ge- 
iialten wird, nennt der Spanier aus dem Volke einen Obdachlosen, der sich 

11* 



164 I^ie Lerche. 

der Franzose „Lerche" (mauviäte), wo wir ganz allgemein 
„Vogel", bzw. „Vögelchen" sagen. So nennt man im Franz. 
ein zartes, schwächliches Kind gern mauviette und manger 
comme une mauviette, essen wie eine Lerche, heißt „wenig 
essen". (Deutsch auch: essen wie ein Spatz.) Als Vertreter 
der ganzen Vogelklasse erscheint die Lerche femer in dem 
engl. Sprichwort: If the shy falls, we shall catch larks, wenn 
der Himmel einstürzt, werden wir Lerchen fangen. Ähnlich 
im Franz.: Si le ciel tombait, il y aurait bien des alouettes 
prises. Im Deutschen und Ital. findet sich dieses Sprichwort 
auch, nur mit dem Unterschied, daß für „Lerche" „Vogel" 
gesagt wird: Wenn der Himmel zusammenfällt, so sind alle 
Vögel gefangen. — Se il cielo rovinasse, si piglierebbero di molti 
uccelK Dies Sprichwort wendet man an, um eine absurde 
Hypothese durch eine noch absurdere zu übertrumpfen. 

Wie schon oben angedeutet, ist die Lerche nicht bloß ein 
Liebling des Naturfreundes, sondern sie hat sich durch ihr 
wohlschmeckendes Fleisch auch das Herz oder vielmehr den 
Magen des Feinschmeckers erobert. Es ist für die Güte 
des Lerchenfleisches ein rühmliches Zeugnis, daß gewisse 
Speisen, gleichsam der Eeklame halber, „Lerchen" genannt 
werden, wie z. B. eine Art Würstchen die Bezeichnung Stol- 
berger Lerchen*) führen. Hiermit läßt sich vergleichen 
im Franz. der Gebrauch von aloyau, Dim. von altfrz. aloe, als 
Bezeichnung für den Lendenbraten, Nach Tobler (Sitzungsb* 
der Berl. Akad. d. Wiss., philos.-hist. KL, vom 13. Jan. 1893) 
ist das tertium comparationis allerdings nicht der Geschmack,, 
sondern die Zubereitung des Fleisches. Er erklärt aloyau 
als „eine Fleischschnitte, welche wie ein kleiner Vogel (ein 
Lerchlein) am Spieße gebraten wird".**) Daß in Italien^ 
wo täglich Tausende von Singvögeln hingeschlachtet werden^ 
die Lerche als kulinarischer Artikel eine bedeutende Rolle 
spielt, darf nicht wundernehmen. Wie hoch der Italiener das 



krank stellt, um im Spital bleiben zu können, calandria. Die Scheuheit 
dieses Vogels erklärt die Bezeichnung calandria für einen Feigling. 

*) Die Leipziger Lerchen sind ein vielbegehrtes Gebäck. 

**) Ein Analogen hierzu bietet deutsch ,. Spitzvogel-, womit man zu- 
nächst einen am Spieß gebratenen Vogel, dann auch mit Speck gespicktes,, 
am Spieß gebratenes Ealbfleisch bezeichnet. 



Die Lerche. 165 

Lerclienfleisch schätzt, erhellt aus der Redensart dare carne 
di lodola oder kurz dare lodola, jemd. Lerchenfleisch geben, 
d. h. ihm schmeicheln, wohl mit wortspielerischer Bezugnahme 
auf lodare „loben". Demgemäß sagt man von einem, der sich 
gern loben hört : Mangia carne di lodola, er ißt Lerchenfleisch. 
Ebenso gilt den Franzosen die Lerche als ein besonderer Lecker- 
bissen. So entspricht unserem Spruche: „Ohne Fleiß kein 
Preis" im Franz. das Sprichwort: Les alouettes röties ne se 
trouvent pas sur les haies, die gebratenen Lerchen flnden sich 
nicht auf den Hecken. Einen ähnlichen Sinn hat das Sprich- 
wort: 11 attend que les alouettes lui tombent ioutes roties, er wartet, 
daß ihm die gebratenen Lerchen (deutsch: Tauben) ins Maul 
fliegen. Daß auch der Engländer das Lerchenfleisch zu 
schätzen weiß, geht hervor aus dem Diktum : Om leg of a 
lark is worfh the tvhole hody of a kite, ein Lerchenbein ist einen 
ganzen Geier wert. 

Auf die Vorliebe der Lerche für sandiges Terrain bezieht 
sich im Franz. die Bezeichnung terre ä alouettes „Lerchenland" 
für eine Sandwüste. Hiermit läßt sich im Deutschen ver- 
gleichen die bei Sanders angeführte Redensart: Land, das 
die Lerche mistet, d. h. unfruchtbares Land. Da die 
Lerche auf der Erde nistet, ist ihr Nest besonders gefährdet. 
Sobald sie sich beobachtet sieht, entfernt sie sich von ihrem 
Neste, um den Glauben zu erwecken, daß es sich in einer 
anderen Richtung beflndet. Hierauf beruht die frz. Redens- 
art donner la bourde de Valouette {boiirde = Lüge, Täuschung), 
den Lerchenschwindel aufführen, d. h. die Aufmerksamkeit 
einer Person von einer Sache, die man ihr verbergen will, 
ablenken. (Vgl. Rolland, Faune pop., II, pag. 243.) 

Mit Bezug auf das plötzliche Herabschießen der Lerche 
aus der Luft sagt man in der deutschen Sportsprache von 
einem, der vom Pferde fällt: Er schießt eine Lerche. 
(Vgl. einen Purzelbaum, einen Bock schießen.) Die Lerche 
wird häufig mit Spiegeln gefangen, durch welche der Vogel 
geblendet wird. Daher im Franz. se laisser prendre au miroir 
comme Valouette, sich wie die Lerche mit dem Spiegel fangen 
lassen, d. h. sich durch Schmeicheleien betören lassen. (Vgl. 
Rozan, Les animaux dans les proverbes, II, pag. 76.) 



166 I>er Fink. 



Der Fink. 

Die germanischen und romanischen Namen dieses Vogels 
sind onomatopoetisch (nach dem Lockmfe pink oder fink) und 
zeigen daher eine grofie Ähnlichkeit. Das deutsche Fink 
geht zurück auf mhd. vinke, ahd. fincho. Hiermit ist verwandt 
engl, finch aus altengl. finc. Für die romanischen Benennungen : 
ital. pincione, frz, pinson, span. pincon, pinchön, nimmt Schuchardt 
als Grundwort ein supponiertes pincio an. Lat. fringuillus 
ist erhalten in ital. fringuello, filmigtiello, frz. fringille. Der 
Name des Vogels ist sehr wenig ergiebig für die Metaphoro- 
logie, was wohl seinen Grund darin haben mag, daß der Fink 
vom Volke sehr häufig mit dem Spatzen — der übrigens ins 
Finkengeschlecht gehört — verwechselt wird und er daher 
stillschweigend an den auf den Spatzen bezüglichen Metaphern 
partizipiert. 

Geradeso wie im Span, der Sperling als häufigster Vogel 
durch Bedeutungserweiterung zum Vertreter der ganzen 
Gattung wurde (span. pdjaro „Vogel" = lat. passer „Sperling"), 
so wird im Dialekte von Helgoland „Fink" ganz allgemein 
für „Vogel" gebraucht. Derselbe Bedeutungswandel hat sich 
in dem Worte finken oder finkein vollzogen, das soviel 
als „Vögel fangen" bedeutet. Auch in der studentischen 
Bezeichnung Fink für einen Studenten, der keiner farben- 
tragenden Verbindung angehört, erscheint der Fink als Vogel 
not* €^oxi]v, indem das tertium comparationis wohl der Zustand 
der Freiheit ist. 

Spatz und Fink erscheinen als identisch, wenn man 
das deutsche Sprichwort: Ein Sperling in der Hand ist 
mehr wert als eine Taube auf dem Dache vergleicht mit 
dem ital. Sprichwort: Meglio e fringuello in mano che tordo 
in frasca, besser ein Fink in der Hand als eine Drossel auf 
dem Zweig. Auf der nahen Verwandtschaft der beiden Vögel 
beruht ferner das deutsche Sprichwort: Spatzenarbeit, 
Finkenlohn, d.h. wie die Arbeit so der Lohn. In einigen 
Gegenden Deutschlands wird der Sperling Mistfink ge- 
nannt, wohl deshalb, weil er, namentlich im Winter, seine 
Nahrung sich aus dem Kote der Tiere hervorsucht. Im über- 



Der Fink. 167 

tragenen Sinne wird Mistfink, dafür auch Dreckfink 
oder Schmutzfink, für einen unreinlichen Menschen ge- 
braucht. Mistfink ist gleichfalls eine scherzhafte Bezeich-, 
nung des Landmanns. Im älteren Deutsch wurde Fink, in- 
dem von der physischen auf die psychische Schmutzigkeit ge- 
schlossen wurde, allgemein auf einen ausschweifenden Menschen 
angewendet. 

Auf die Munterkeit des Vogels beziehen sich im Franz. 
die Redensart elre gai comme un pinson, fröhlich sein wie ein 
Fink (deutsch: wie eine Lerche), sowie die Verba fringuer 
und fringoter „tanzen und springen". (Vgl. ital. fringuellare.) 
Mit Bezug auf die Sangesfreudigkeit des Finken sagt der 
Italiener von einem guten Sänger: Canta come un filunguello, 
er singt wie ein Fink, oder auch verstärkt : come un filunguello 
cieco, wie ein blinder Fink, womit auf die barbarische Sitte 
angespielt wird, die Singvögel zu blenden, wodurch ihr Gesang 
angeblich gewinnt. 

Als Symbol der Einfalt — zwar mit Unrecht — er- 
scheint der Fink in der engl. Redensart to pull a fimh, 
einen Finken rupfen, d. h. jemd. übervorteilen, namentlich 
in pekuniärer Beziehung. Die Federn, die man dem Vogel 
ausrupft, sind in diesem Falle die Geldstücke, die man 
jemandem ablockt. Der Deutsche gebraucht dieselbe Redens- 
art, nur mit dem Unterschiede, daß er anstatt des Finken 
im allgemeinen eine bestimmte Art desselben, nämlich den 
Gimpel, setzt (einen Gimpel rupfen). Der Gimpel er- 
scheint im Deutschen überhaupt als Sinnbild der Dummheit, 
wegen der angeblichen Leichtigkeit, mit der er ins Garn gelockt 
wird. (Daher einen Gimpel fangen = jemd. betrügen.) 

Was den Namen des Gimpels anlangt, so ist über dessen 
metaphorische Verwendung in den übrigen Sprachen nichts 
zu sagen, wohl aber ist es interessant, die Benennungen dieses 
Vogels im Deutschen und in den romanischen Sprachen mit- 
einander zu vergleichen. Im Deutschen ist nämlich für den 
Gimpel auch die Bezeichnung Dompfaff üblich. In analoger 
Weise wird der Vogel im Ital. monachino (Dim. von monaco 
„Mönch") „Mönchlein", im Span, frailecillo (Dim. von fraik 
„Klosterbruder"), im Franz. prelre „Priester" genannt. Zu dieser 
Bezeichnung mag wohl die gedrungene Gestalt des Vogels, die 



168 Der Zeisig. 

ihm das Aussehen der Beleibtheit verleiht, sowie der schwarze 
Scheitel, der entfernt an die Kopfbedeckung der Ordensgeist- 
lichen erinnert, Anlaß gegeben haben. (Vgl. Rolland, Faune 
pop., n, pag. 167.) 

Der Zeisig. 

Deutsch Zeisig beruht auf mhd. jsi^ec, ztse*) Letztere 
Form ist noch erhalten in dem Dim. Zeischen und Zeis- 
lein. Verwandt mit dem deutschen Worte ist engl, siskin. 
(Vgl. deutsch - dialekt. S i s c h e n.) Die romanischen Be- 
nennungen dieses Vogels zeigen keine Einheitlichkeit. Ital. 
lucherino geht wahrscheinlich zurück auf lat. ligurinus (von 
Ligtir) „ligurinisch, genuesisch", welche Etymologie semasio- 
logisch allerdings unklar ist. Span, verderöl oder verderon 
kommt von verde (lat. viridis) „grün", bezeichnet den Vogel 
also nach seiner Farbe. (Vgl. deutsch „Grünling".) Die Her- 
kunft von frz. serin ist noch nicht sichergestellt, wahrschein- 
lich ist das Etymon lat. serenus „heiter". ^Seriai^ wäre dem- 
nach eine Scheideform zu serein und der Zeisig der „lustige 
Vogel", welche Benennung zu dem Wesen des Tierchens vor- 
züglich paßt. Das Etymon von frz. tarin „Erlenzeisig" vßt 
mutet man in einem supponierten lat. tenerinus von tener 
„zart". Tarin wäre demnach der „zarte Vogel".**) 

Der Zeisig hat ein ziemlich buntes Gefieder, an dem die 
vorherrschenden Farben Gelb und Grün sind. Hierauf beruht 
die Mehrzahl der auf den Zeisig bezüglichen Metaphern. 
So nennt man in Österreich Zeiserlwagen diejenigen 
Eisenbahn Waggons , die erst- und zweitklassige Coupes 
enthalten, indem häufig die ersteren gelb, die letzteren 
grün angestrichen sind. (Vgl. span. cangrcjo „Krebs" als 
Bezeichnung der rot angestrichenen Straßenbahnwagen in 
Madrid.) Nur auf das Grün im Gefieder des Zeisigs be- 



*) Winteler, Naturlaute und Sprache, pag. 22, bezeichnet das Wort 
als Schallvergleichungsname und bringt es in Zusammenhang mit lat. 
tintinulare (lautverschoben zinzinulare), einer Ableitung von tinnire. 

**) Nach Heeger, Tiere im pfälzischen Volksmund, 2. Teil, pag. 11, 
nennt man ein zartes, schmächtiges Kind Zeiserle, wozu das Ad j. z e i s e r - 
lieh „zierlich, schmächtig". 



/ 



Der Zeisig. 169 

zieht sich der in den ital. Gegenden Österreichs für den 
sich gern in Grün kleidenden Steirer übliche Spitzname 
Jucherino (dialektisch lughero). Ebenso berjihl, wie gezeigt 
wnrde, im Span, die Bezeichnung des Vogels auf der grünen 
Farbe. Wenn hingegen der Pariser den Gendarmen scherz- 
weise sertn nennt, so vergleicht er hierbei dessen gelbes 
Lederzeug mit den gelben Streifen au den Flügeln des 
Zeisigs. Daß bald das Gelb, bald das Grün als die ausschlag- 
gebende Farbe am Gefieder des Zeisigs erscheint, zeigt sich 
auch darin, daß Italiener und Franzosen von giallo lucherino, 
bzw. serin jaune sprechen, während Deutsche und Engländer 
den Ausdruck zeisiggrün, bzw. siskin-green gebrauchen. 

Unter den Finken ist der Zeisig entschieden der leb- 
hafteste. Sein Treiben macht den Eindruck ausgelassener 
Lustigkeit, daher man im Deutschen einen fröhlichen Kumpan 
gern einen lustigen Zeisig nennt. (Zu dieser Metapher 
stimmt vortrefflich die Etymologie serin = serenus „heiter".) 
Hingegen hat tadelnden Sinn der Ausdruck lockerer Zeisig, 
womit man einen leichtsinnigen Menschen bezeichnet. Die 
Charakteristik, die Brehm von dem Vögelchen gibt, bestätigt 
die in dieser Metapher zum Ausdruck kommende Auffassung. 
Er sagt nämlich vom Zeisig, er sei bis zu einem gewissen 
Grade „leichtsinnig" zu nennen! ^ 

^Wege n der großen Leichtigkeit, mit der sich der Zeisig 
fangen läßt, gilt er dem Franzosen als Symbol der Einfalt, 
spielt also im Franz. dieselbe Rolle, wie im Deutschen der 
ihm so nah verwandte Gimpel, und zwar liegt die Ent- 
stehung dieser Metapher klar vor Augen, indem serin als 
Adjektiv zunächst „leicht zu fangen" bedeutet. Der Ge- 
brauch des Wortes für einen einfältigen Menschen beruht 
somit auf Metonymie. (Die Folge [das Überlistetwerden] 
wird für die Ursache [Dummheit] gesetzt.) Da der Zeisig 
leicht abzurichten ist und sogar Melodien nachpfeifen lernt, 
so wird im Franz. ein von serin abgeleitetes seriner für das 
Abrichten von Vögeln im allgemeinen gebraucht: seriner un 
oiseau heißt wörtlich „einen Vogel zum Zeisig machen" oder 
„ihn wie einen Zeisig behandeln", d. h. zum Nachpfeifen 
abrichten. Dann wird das Wort infolge von Erweiterung 
des Bedeutungsumfanges im Sinne von „jemd. etwas ein- 



170 I^er Sperling. 

trichtern^ gebraucht, und da die Abrichtang rein mechanisch 
geschieht, nämlich durch fortwährendes Vorpfeifen einer und 
derselben Melodie, so nimmt das Wort metonymisch die 
Bedeutung von Jemd. etwas beständig vorleiern" an. Dem- 
entsprechend bezeichnet serinette sowohl das mechanische Ein- 
trichtern wie auch das Instrument dazu, die Vogelorgel. 



Der Sperling. 

Deutsch Sperling*) beruht auf mhd. sperlinc, das eine 
diminutive Ableitung aus mhd. spar, ahd. spare ist. Hiermit 
ist verwandt engl, sparrow aus altengl. spearwa. Dasselbe 
Wort ist erhalten in deutsch Sperber aus mhd. sp^rwoerey 
sparwcere, d. i. wörtlich „Sperlingsaar". Der zweite Bestand- 
teil des Wortes ist ari = Aar. Man vgl. damit die engL 
Bezeichnung für „Sperber", sparrow-harh , altengl. spearhafoe 
„Sperlingshabicht". Neben Sperling ist Spatz gebräuchlich^ 
was die Koseform zu mhd. spar ist. 

Was die romanischen Sprachen betrifft, so ist lat. passer 
erhalten in ital. passera, passero, sowie in den davon gebildeten 
Diminutiva passeroUo, passerino, ferner im frz. Dim. passereau 
sowie in span. pdjaro, das infolge Bedeutungsgenerali- 
sierung den Vogel im allgemeinen bezeichnet. (Vgl. die um- 
gekehrte Bedeutungsentwicklung [Verengung] in ital. span. 
oca, frz. oie „Gans" aus avica „Vögelchen".) Bezüglich des 
Span, sei noch bemerkt, daß Tolhajasen in seinem Wörterbuch 
bei pdjaro „Vogel" auch noch die ursprüngliche Bedeutung 
„Sperling" angibt, während das Wörterbuch der Akademie 
von dieser zweiten Bedeutung nichts weiß. Auf jeden Fall 
ist das Bewußtsein der ursprünglichen Bedeutung noch nicht 
ganz geschwunden, da pdjaro vorzugsweise auf kleinere Vögel 
angewendet wird. Übrigens hat auch im Rumänischen pdsere 



*) Nach Winteler, Natur] ante nnd Sprache, pag. 14, schallnachahmend 
(vom Wamongsrnfe terrj ter, ter, wofür man auch sper setzen könne). 
Wenn jedoch Winteler in dem deutschen Dialektnamen Dieh eine voUu- 
etymologische Umdeutnng eines Rufnamens sieht, so scheint mir dies zu 
weit gegangen, heißt doch der Haussperling in einigen Gegenden Portugals 
pardal ladro {ladro = Dieh). 



Der Sperling. 171 

die allgemeine Bedeutung von „Vogel" angenommen. Der 
gewöhnliche Name des Sperlings im Franz. ist moineau, ein 
semasiologisch interessantes Wort. Als Etymon hierfür wird 
ein von musca „Fliege" abgeleitetes, supponiertes muscio an- 
genommen. Das Wort würde also offenbar soviel bedeuten 
als „kleiner Vogel". (Oder sollte damit ursprünglich der 
„Fliegenfänger" bezeichnet worden sein?) Wenigstens hat 
mouchon im Hennegauschen die Bedeutung „kleiner Vogel"^ 
moisson hingegen heißt im Normannischen mit Bedeutungsver- 
engung „Sperling", was ein interessantes Gegenstück zu span. 
pdjaro bildet. Frz. moineau beruht auf dem Dim. von moisson^ 
ffKmnel, wobei das Wort jedenfalls volksetymologisch von moineau 
(Dim. von maine) „Mönchlein" beeinflußt wurde. Tertium com- 
parationis ist hierbei wohl die Farbe. (Die Mönchskutte ist braun.) 
Ein Analogon hierzu bietet der portug. Name des Sperlings^ 
pardal (von pardo „braun"), der übrigens auch im Span, neben 
gorrion gebraucht wird. Man vgl. im Deutschen die Bezeichnung 
„Mönch" für das Schwarzblättchen sowie die Benennungen 
des dem Sperling so nah verwandten Gimpels im ItaL 
(monachino) und im Span. (fraileciUo). Einen zweiten Namen 
für den Spatzen besitzt das Frz. in pierrot, dem Dim. von 
Pierre „Peter". In den meisten Wörterbüchern wird das Wort 
im Zusammenhange mit pierrot „Hanswurst" angeführt, gleich- 
sam als wäre es eine bildliche Verwendung letzteren Wortes. 
Nach unserer Auffassung ist es jedoch davon zu trennen 
und direkt von dem Taufnamen Pierre abzuleiten, wie über* 
haupt die Benennung von Tieren nach Personennamen eine 
ganz gewöhnliche Erscheinung ist. So leitet man span. 
perro „Hund" von lat. Petrus ab und wahi'scheinlich ist dies 
Wort auch das Etymon von perroquet „Papagei". (Vgl. span. 
pericOj bezw. Perico „Papagei" und „Peterchen".) Man denke 
ferner an den Petersvogel (die Sturmschwalbe) und den Peters- 
fisch (ital. pesce San Pietro). Überdies findet sich in der 
Gegend von Lübeck für den Sperling der Name Dakkpeter 
„Dachpeter". (Vgl. Korrespondenzblatt für niederdeutsche 
Sprachforschung 1892, XVI, pag. 83 und Glöde, Der Sperlings- 
name, in Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 1894, 
pag. 267 f.) wo auch andere niederdeutsche Sperlingsnamen 
besprochen werden.) Eine dritte, landschaftlich beschränkte 



172 I^er Sperling. 

Bezeichnung des Sperlings im Franz. ist gtiüleri, was zunächst 
das Gezwitscher des Sperlings und dann metonymisch den 
Sperling selbst bezeichnet. Dabei ist es gewiß nicht not- 
wendig, Entlehnung aus schwedisch qvittra „zwitschern" an- 
zunehmen, sondern man kann das Wort als direkte Schall- 
nachahmung auffassen. Von guilleri „Spatz" ist jedenfalls 
das Adjektiv guüleret „lebhaft, ausgelassen" abzuleiten (fehlt 
bei Körting), wenigstens stimmt seine Bedeutung ganz zum 
Wesen des Spatzen. Ein Analogen hierzu bietet friquet, die 
Bezeichnung des Feldsperlings, aus altfrz. frique „munter, 
lebhaft" (verwandt mit deutsch „frech").*) Die gebräuchlichste 
Bezeichnung fiir den Sperling im Span, ist das etymologisch 
noch nicht aufgeklärte gorrion. Daneben wird pardal ge- 
braucht (s. oben). Es wäre demnach der Spatz der „braune 
Vogel". Benennung von Vögeln nach der Farbe ihres Ge- 
fieders kommt auch sonst vor. (Vgl. deutsch „Grünling", engl. 
Uackbird „schwarzer Vogel" für „Amsel".) 

Wegen seiner Häufigkeit — er ist wohl überhaupt der 
verbreitetste und numerisch am stärksten vertretene Vogel 
in Europa — erscheint der Sperling in gewissen Metaphern 
und metaphorischen Redensarten als Vertreter der ganzen 
Vogelklasse überhaupt, welche Funktion — wenn man so 
sagen darf — er mit der gleichfalls sehr häufigen Krähe teilt. 
Ein Analogen hierzu bietet die Bedeutungsentwicklung von 
passer im Span, und Rumänischen, in welchen Sprachen, wie 
bereits erwähnt, das Wort heute die Bedeutung „Vogel" hat. 
Auch im Frz. wird moineau volkstümlich auf kleine Vögel im 
allgemeinen angewendet. (Vgl. Rolland, Faune pop., II, pag. 156, 
Anmerkung.) Die im folgenden zu besprechenden Metaphern 
kennzeichnen sich eben dadurch, daß sie sich auf Eigenschaften 
beziehen, die der Sperling mit anderen Vögeln teilt und die 
daher für ihn nicht charakteristisch sind. Von Metaphern, 
die sich auf das Äußere des Sperlings beziehen, sind zunächst 
anzuführen die Spatzen (schwäbisch: Spätzle) als Be- 
nennung einer Mehlspeise (ein Mittelding zwischen Nudeln 
und Klößen). Im Wasser eingekocht, heißen sie W asser - 



*) Vgl. die Redensart Ure gai comme un pierrotj lustig sein wie 
ein Spatz. 



Der Sperling:. 173 

Spatzen. Das tertinm comparationis ist ganz allgemein 
die Gestalt. (Vgl. ital. toppini als Bezeichnung von kleinen 
Klößen, deutsch „Mäuschen" für eine Mehlspeise.) Hierher 
gehört femer Spatzenwaden als scherzhafte Bezeichnung 
dünner Waden, (Vgl, frz. pattes de coq „Hahnenwaden".) Als 
Vertreter der ganzen Vogelklasse erscheint der Spatz auch in 
der franz. Redensart manger comme un moineau, essen wie ein 
Spatz, d. h. wenig essen. (VgL deutsch „essen wie ein Vögel- 
chen", franz. appStÜ eCoiseau „Vogelappetit", itaL mangiare 
quanV un canarino, essen wie ein Kanarienvogel.) Ganz die- 
selbe Bolle spielt der Spatz in der frz. Redensart coucher ä 
l'hotel des trois moineaux, im Hötel der 3 Spatzen übernachten, 
d. h. im Freien schlafen. Hierher zu ziehen ist ferner die 
spezifisch deutsche Redensart Sperlinge unter dem Hnte 
haben, d. h. ungern grüßen, gleichsam als fürchte man, 
durch das Lüften des Hutes den Sperlingen Gelegenheit zu 
geben zu entkommen. Daß schon bei den Römern der Spatz 
der Vogel xav i^o/jjv war, ergibt sich aus dem Gebrauch von 
passercida (Dim. von passer) im Sinne unseres „Vögelchen" 
als Liebkosnngswort für ein junges Mädchen. Hierin zeigt 
sich übrigens eine sehr optimistische Auffassung vom Wesen 
des Spatzen im Gegensatz zu den modernen Sprachen, die 
an diesem Vogel nur Mängel entdecken. Auffallend ist der 
Ausdruck einsamer Spatz als Bezeichnung eines einsam 
lebenden Menschen, denn er steht im direkten Widerspruch 
zur Wirklichkeit, da die Spatzen im Gegenteil äußerst ge- 
sellige Vögel sind und immer in S<^hwärmen vorkommen. Der 
Sachverhalt ist nämlich der, daß einsamer Spatz ur- 
sprünglich eine volkstümliche Bezeichnung der tatsächlich 
in einsamen Gegenden vorkommenden Blauamsel ist. (Vgl. 
„Rohrspatz" für „Rohrdrossel".) Dem Laien allerdings ist 
der Ursprung der Redensart nicht bewußt und er denkt dabei 
natürlicherweise an den Sperling. Analog wird im Ital. nnd 
Span, die Blauamsel mit passera solitaria, bzw. päjaro . 
bezeichnet. Für das Spanische ist diese Benennuu 
übrigens wie im Deutschen auch metaphorisch gel 
wird, besonders lehrreich, da sie in päjaro den Überga 
der Bedeutung „Sperling" zu der von „Vogel" deutl 
kennen läßt Im Franz. ist gleichfalls ein oiaeau solitaire 



174 I^er Sperling. 

bei Sachs findet sich jedoch hierbei die Bemerkung, daß es 
einen jetzt nicht mehr bekannten Vogel bezeichnet. Die Blau- 
amsel heißt im Frz. metzle de montagne. 

Wegen seiner stark erotischen Veranlagung ist der Spatz 
in den meisten Sprachen das Symbol der Geilheit. Naumann 
sagt von dem Sperling, es sei kein Vogel bekannt, der ihm 
an Ausdauer in der Ausübung physischer Liebe zuvorkomme. 
Er ist sozusagen der Don Juan unter den Vögeln. Daher war 
er der Venus geheiligt, die ihren Wagen von Sperlingen 
ziehen ließ. Bei den alten Autoren finden sich Stellen, in 
denen ausdrücklich diese Eigenschaft des Sperlings betont 
wird. So spricht z. B. Cicero irgendwo von der voluptas, quae 
passeribus nota est otnnibus. Dementsprechend sagt man im 
Deutschen von einem in erotischer Beziehung sehr leistungs- 
iUhigen Menschen: Er kann wie ein Spatz, im Ital.: iJpiü 
liissurioso che le passere^ im Span, und Franz.: Es was ardiente 
que un gorriön, bzw. il est pltis chaud qu'un moineau, er ist 
hitziger als ein Spatz. Hierher könnte man auch die engl. 
Slangredensart ziehen io go out sparrow - catching , auf den 
Sperlingfang ausgehen, wenn man es nicht vorzieht, hierin 
ein Analogen des deutschen „Gimpelfangs" zu erblicken. 

Das unstete Wesen des Spatzen, der trotz seiner ver- 
hältnismäßig plumpen Gestalt*) eine große Beweglichkeit verrät, 
hat ihn in den Ruf des Leichtsinns gebracht. Da Leichtsinn 
auf Mangel an Überlegung beruht, so wird Spatzenkopf 
im Deutschen zur Bezeichnung eines unüberlegt oder töricht 
handelnden Menschen gebraucht. (Vgl. frz. tete de linotte 
„Hänflingskopf".) Analog sagt der Italiener von einem solchen 
Menschen: Ha cervello qtuinto un passero, er hat nicht mehr 
Hirn als ein Spatz. Hierauf beruht die auf den ersten Blick 
befremdende Bedeutung „Fehler, Schnitzer", die das Wort 
unter Umständen annehmen kann. Die Bedeutungsentwick- 
lung ist jedenfalls metonymisch vor sich gegangen. (Spatz 
— Handlungsweise eines Spatzen. Ursache für Wirkung.) 
Allerdings stellt sich hierbei die Sprache in Gegensatz zur 
Naturgeschichte, die uns den Spatzen als einen äußerst 



*) Auf den großen plampen Schnabel des SperUngs bezieht sich engl. 
^parrow-mouthed „spatzenmänlig" für „großmäulig". 



Der Sperling. 175 

intelligenten und mit einem merkwürdigen Gedächtnis be- 
gabten Vogel schildert. (Vgl. jedoch ital. piü furbo cPuna 
passera, schlauer als ein Spatz.) Allein die Sprache macht 
das Volk und dieses kümmert sich — was wir im Laufe 
unserer Untersuchung schon oft zu konstatieren Gelegenheit 
hatten — wenig um die Ergebnisse wissenschaftlicher Be- 
obachtung, sondern urteilt nur nach dem äußeren, oberfläch- 
lichen Eindruck. Scheinbar gehört auch hierher die ital. 
Eedenart: NeUa stm testa c'^ andato covare un passer o, in seinem 
Kopf hat sich ein Sperling eingenistet, d. h. er ist geistig 
nicht ganz normal. In Wirklichkeit ist passero hier in ganz 
anderem Sinne gebraucht. Der Sperling erscheint hier nämlich 
als Symbol der hin- und herschwirrenden Gedanken. (Vgl. 
frz. avoir des moineatix dans la fete, avoir une hirondelU dans le 
soliveauj deutsch: einen Vogel haben.) Hierher zu ziehen ist 
ferner die Redensart cacdar U passere, die Sperlinge, d. h. die 
lästigen Gedanken verjagen. 

Der Spatz gilt aber nicht bloß als Symbol harmlosen 
Leichtsinns, er wird auch als Sinnbild der Liederlichkeit ver- 
wendet, wozu seine erotische Unersättlichkeit nicht wenig 
beitragen mag. Dementsprechend nennt der Spanier einen 
Schlupfwinkel für liederliches Volk gorrionera, was wörtlich 
einen Ort bedeutet, wo viele Spatzen hausen. So sagt auch 
der Franzose zu einem Individuum, das sich in moralischer 
Beziehung eine starke Blöße gegeben hat, ironisch: Tu es 
v,n jöli moineau , Du bist ein netter Spatz. (Vgl. ital. : Tu 
sei un bei merlo,) Neben seinen sonstigen schlechten Eigen- 
schaften hat der Spatz noch eine sehr unangenehme, da- 
bei aber kräftige Stimme, die er mit großer Unermüdlicli- 
keit erschallen läßt. Es ist sehr begreiflich, daß das un- 
harmonische, jeder Melodie entbehrende Gezwitscher des 
Spatzen den Eindruck des Schimpfens machen konnte. Dies, 
verbunden mit der in Vergleich zu anderen Vögeln großen 
Kühnheit des Sperlings, erklärt zur Genüge die Metaphern, 
in denen dieser Vogel als Bild der Frechheit erscheint. So sagt 
man im Deutschen von einem dreisten Menschen geradezu: 
Er ist frech wie ein Spatz, und mit Bezug auf das fort- 
währende Gezwitscher des Vogels gebraucht man Spatzen- 
zunge im Sinne von „Lästermaul". Hingegen bezieht sich 



176 I^er Sperling. 

die im Deutschen sehr gebräuchliche Hedensart schimpfen 
wie ein Rohrspatz nicht auf unseren Sperling, sondern 
auf die zur Gattung der Schilfsänger gehörige RohrdrosseV 
die vom Volke auch Rohrsperling genannt wird und eine 
unangenehm knarrende, entfernt an das Froschgequak er- 
innernde Stimme besitzt. Die Spatzenfrechheit wird auch im 
Franz., wo man den Sperling gern gamin de Paris,*) Pariser 
Straßenjunge, nennt, metaphorisch verwendet, wie erhellt aus 
der Redensart itre hardi comme un pierrot, dreist sein wie ein 
Spatz. Hierher zu ziehen ist ferner ital. passeraio „Sperlings- 
gezwitscher", welches Wort metaphorisch auf das Durchein- 
anderreden vieler Leute angewendet wird. Wenn man im 
Deutschen sagen will, daß ein Geheimnis in aller Munde ist, 
so bedient man sich häufig der Redensart die Spatzen 
pfeifen's auf den Dächern, wobei das Gezwitscher der 
Spatzen mit dem böswilligen Geklatsch der Leute ver- 
glichen wird. (Vgl. im Normannischen pierrotter von pierrot 
„Sperling" = havarder „schwatzen".) 

Der Spatz repräsentiert keinen großen Wert, da er weder 
als Zimmervogel gehalten noch auch kulinarisch verwendet 
wird (außer in Italien, wo alle Vögel gegessen werden). 
Deswegen wird er, namentlich im Französischen, zum Aus- 
druck des Wertlosen, Unbedeutenden verwendet, so z. B. in 
der Redensart appelez-vous cela des moineaux? nennen Sie das 
Sperlinge? d. b. Ist denn das nichts? (Vgl. ital. che son 
mosche? sind denn das Fliegen?) Demgemäß sagt der Franzose 
von einem, der sein Geld auf Kleinigkeiten vergeudet: 11 
tire sa poudre aux moineaux, er verschießt sein Pulver auf 
Sperlinge. Hingegen bedeutet die deutsche Redensart mit 
Kanonen nach Sperlingen schießen: zur Wider- 
legung leicht zu bekämpfender Behauptungen das ganze 
Rüstzeug der Logik ins Feld führen. Desgleichen erscheint 
der Sperling als Bild des Wertlosen in dem deutschen Sprich- 
wort: Ein Sperling in der Hand ist besser als eine 
Taube auf dem Dache, wofür man auch sagt: Besser 
ein Sperling in der Hand als ein Kranich, der 



*) Im Deutschen bezeichnet man den Sperling als den „Gassenjongeik 
unter den Vögeln". 



Die Wachtel. 177 

fliegt Über Land. Ebenso wird im Franz. dem Sperling 
der Kranich gegenübergestellt in dem Sprichwort : Un moineau 
dans la main vaut mieux qu'une grue qui vole, während im 
Engl, der Fasan an Stelle des Kranichs tritt: A sparrow in 
the hand is worth a pheasant flying by. (Vgl. itaL Meglio h 
fringuello in mano che tordo in frasca\ span. Mas vale päjaro 
in mano qae buitre (Geier) volando, wo päjaro die ursprüng- 
liche Bedeutung von „Sperling" bewalu-t hat.) Schließlich 
-sei noch aus dem Engl, sparrow-grass „Spatzengras" als 
volkstümliche Bezeichnung des Spargels erwähnt. Es ist dies 
jedoch nur scheinbar eine vom Spatzen hergenommene Me- 
tapher, in Wirklichkeit ist das Wort nichts anderes als eine 
scherzhafte auf Volksetymologie beruhende Verballhornung 
von asparagus „Spargel". 



Die Wachtel.*) 

Deutsch Wachtel beruht auf mhd. wahtelj ahd. tvaktakij 
quaktela**) worauf die romanischen Bezeichnungen: ital. 
-qucylia, frz. caille, altfrz. quaille, zurückzuführen sind. Letzteres 
ist wiederum das Etymon zu engl quaß. Der lateinische 
Name der Wachtel, coturnix, ist erhalten in ital. coturnice, 
'Cotornice (seltener gebraucht als qaaglia), und in span. codorniz. 

Die Wachtel liefert unserer Betrachtung nur spärliches 
Material. Auf das Äußere des Vogels, und zwar auf seine 
Wohlbeleibtheit, bezieht sich im Ital. und Frz. die Eedensart 
^ssere grosso come una quaglia, bzw. etre gras comme une caiUe, 
fett sein wie eine Wachtel. 

Wenn im Deutschen der Name des Vogels für „Ohifeige" 
verwendet wird, so beruht diese Metapher auf derselben Art 
von Bedeutungswandel wie der Ausdruck Schwalbe (siehe 
pag. 137), womit dieselbe körperliche Züchtigung bezeichnet 
wird. Von dieser Metapher ist ein Verbum gebildet, nämlich 



*) Vgl. was Lorentz in seiner Abhandlung „Kulturgeschichtliche Bei- 
träge zur Tierkunde des Altertums" (Jahresbericht des königl. Gymnasiums 
2U Würzen) 1903/04 über die Wachtel sagt. 

**) Onomatopoetisch nach dem Ruf des Vogels. (Vgl. Winteler, Natur- 
laute und Sprache, pag. 17.) 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 12 



178 I>ie Wachtel. 

wachtein, das durch Erweiterung des Begriftsumfangs zur 
Bedeutung „zflchtigen" gelangte. 

Mit Bezug auf die Unersättlichkeit der Wachtel in der 
Befriedigung des Geschlechtstriebes nennt der Franzose ein 
Weib, das seine Verliebtheit in unzweideutiger Weise zu er-^ 
kennen gibt, caüle coiffie, verliebte Wachtel, oder er sagt wohl 
auch von ihr: Elle est chaude comme une caille, sie ist hitzige 
wie eine Wachtel .*) Hierauf beruht der Gebrauch von engL 
quail (daneben callet) für eine Dirne (jetzt wenig mehr ge- 
bräuchlich). Ebenso kann quail auf eine alte Jungfer an- 
gewendet werden, insofern sie nicht darauf verzichtet hat,, 
einen Mann zu finden. (Namen von Vögeln aus dem Hühner- 
geschlechte werden überhaupt sehr häufig zur verächtlichen 
Bezeichnung von weiblichen Wesen gebraucht. Vgl. deutsch 
Gans, Schnepfe, frz. oie, dinde, grue usw.) 

Während die Sprache häufig Namen von Tieren, die von 
der Naturgeschichte als intelligent geschildert werden, als^ 
Symbole geistiger Beschränktheit verwertet, gebraucht sie 
merkwürdigerweise den Namen der intellektuell minder be- 
gabten Wachtel zur Bezeichnung eines schlauen Menschen,, 
so wenigstens im Ital. : Essere una qtiaglia sopraffina bedeutet 
soviel als „sehr schlau sein^. Semasiologisch interessant ist 
der Gebrauch des Wortes „Wachtel" für den zum Wachtel- 
fang abgerichteten Hund (allerdings mit Geschlechtswandel: 
D e r W a c h t e 1). Es läßt sich diese auf Metonymie beruhende 
Begriffsentwicklung vergleichen mit dem in itaL cucula 
(Kuckuck - Vogelnetz) zutage tretenden BedeutungswandeL 
(Die zum Fangen eines Tieres dienende Vorrichtung mit 
dem Namen dieses Tieres bezeichnet.) Allerdings wäre es 
denkbar, daß „Wachtel" für „Wachtelhund" eine einfache 
Kürzung ist.**) (Vgl Nyrop, Leben der Wörter, pag. 174, wo 
für diese sprachliche Erscheinung eine Reihe von Beispielen 
aus dem Dänischen angeführt wird.) 

Zum Wachtelfang bedient man sich auch einer Lockpfeife, 



*) Im Patois von Valenciennes ist carcaillon „Wachtel" Bezeichnung: 
des Penis. 

**) Vgl. „Dachs" für „Dachshund". 



Der Kranich. :t79 

die den schnarrenden Ruf*) des Weibchens genau nachahmt, 
daher im Engl, im Volksmunde quailrpipe „Wachtelpfeife^ so- 
viel als „Weiberzunge" bedeutet, wobei das tertium compara- 
tionis der schnarrende Ton ist. 



Der Kranich. 

Deutsch Kranich beruht auf mhd. kranech, ahd. chranuk^ 
chranih. Neben Kranich kommt eine kürzere Form Kr ahn 
vor, die im Nhd. nur metaphorisch gebraucht wird und zu- 
rückgeht auf mhd. krane, altniederdeutsch krano. Die altengl. 
Form ist cran, woraus neuengL crane „Krahn" und „Kranich". 
Das Wort ist noch erhalten in Krammetsvogel, mhd. 
kranewitvogel. Kranewit ist im Mhd. die Bezeichnung des 
Wacholders (heute noch im bayrisch - österreichischen Dia- 
lekte in der Form „Kronaweta" gebräuchlich).**) Der zweite 
Bestandteil des Wortes ist ahd. loüo „Holz" (vgl. engl. wood). 
Kranewit bedeutet demnach „Kranichsholz". (Vgl. engl, crane- 
berry, cranberry „Moosbeere".) 

Die romanischen Benennungen des Kranichs gehen sämt- 
lich auf lat. grtis***) bzw. gruicula^ gruiculus zurück, das mit 
griechisch yiqavog und ahd. chreia stammverwandt ist. Sie 
lauten : ital. grue^ gr% span. gm, gruoj grulla, gruUo, frz. grue. 

Was beim Kranich am ersten auffällt, ist sein ungemein 
langer Hals, daher engl, crane-necked „kranich = langhalsig", 
dem frz. cou de grue, ital. collo del gru „Kranichhals" als 
Bezeichnung eines langen Halses entsprechen. Auf diesem 
physischen Merkmale beruht die allen Sprachen gemeinsame 
Bezeichnung einer allbekannten Hebevorrichtung mit dem 
Namen dieses Vogels. Dieselbe besteht aus einer Säule und 
einem an oder mit dieser drehbaren, meist schräg aufwärts 
gerichteten Balken, von welchem eine zum Tragen bestimmte 
Kette herabhängt. Dieser Balken ist es nun, der mit dem 



*) Auf diesen Huf bezieht sich frz. caiüette „ Schwätzerin '', wovon 
cailletage „Geschwätz". 

**) Analog wird der Erammetsvogel in Istrien gineprone genannt 
(von ginepro == juniperua „Wacholder"). 

***) Onomatopoetisch nach dem Rufe des Vogels (kruuh). 

12* 



180 ^cf Kranich. 

ausgestreckten Halse des Kranichs oder vielmehr mit der von 
Hals und Schnabel gebildeten Linie verglichen wird. Dies 
ersieht man ganz deutlich aus der für den Balken üblichen 
Bezeichnung „Schnabel^. Im Deutschen wird als Benennung 
der ganzen Maschine die kürzere Foim „Kran" verwendet, 
die heute nur mehr in dieser übertragenen Bedeutung 
gebraucht wird. (Dialektisch auch „Kranich".) Im Engl., 
Ital., Franz. und schon im Altgriechischen werden Vogel und 
Maschine mit demselben Worte bezeichnet. Im Span, hin- 
gegen sind wie im Deutschen Doppelformen vorhanden, von 
denen die eine, grua^ auf die Hebevorrichtung, die andere, 
grülla (aus lat. gruicula, Dim. von grus), heute nur mehr auf 
den Vogel angewendet wird. Das Portug. besitzt sogar drei 
Scheideformen : grou, grua, grülha. Grou bezeichnet den Vogel, 
grua den Kran, grulha wird mit Bezugnahme auf das fort- 
währende Piepen der jungen Kraniche im Sinne von „Schwätzer" 
gebraucht: davon grulhar „lärmen, schwätzen" und jrrwZ- 
hada „Lärm". Hierher gehört noch frz. grue als ehemalige 
Bezeichnung eines als militärisches Strafinstrument dienenden 
Halseisens {mettre qn. ä la grue). 

Auf die Eigenheit des Kranichs, beim Fliegen seinen 
Hals lang auszustrecken, beziehen sich die engl. Redensart 
to crane one's neck, den Hals vorstrecken, und to crane at a 
thing als Terminus der Hetzjagd. Damit bezeichnet man 
nämlich das vorsichtige und ängstliche Ausspähen des Beiters 
nach kommenden Hindernissen und allgemein überhaupt ein 
Innehalten, Zögern. Der Vergleich ist treffend, da die Kraniche 
äußerst vorsichtige Vögel sind und auf ihren Wanderungen 
durch die geringste Gefahr beunruhigt werden. Man be- 
zeichnet daher im Engl, mit craner einen allzuängstlichen 
Menschen, dessen Vorsicht an Furchtsamkeit grenzt. Absolut 
gebraucht erscheint to crane in der Wendung to crane down 
„sich niederbeugen". 

Auch vom Schnabel des Kranichs sind einige Meta- 
phern hergenommen. So gebraucht man im Lat, Span, und 
Franz. den Namen des Vogels metonymisch für einen im 
Altertum bei Belagerungen verwendeten Sturmhaken (häufiger 
allerdings nach dem Schnabel des Baben benannt). Hierher 
gehört ferner crane^s-bill „Kranichschnabel" als chirurgischer 



Der Kranich. 181 

Terminus für eine lange Zange. (Vgl. frz. bec-de-corbin, deutsch 
„Babenschnabel'^.) 

Wie alle Stelzenvögel sind die Kraniche gewandte Läufer 
und bewegen sich mit derselben Sicherheit auf der Erde wie 
in der Luft. Auf den mit langgestrecktem Halse daher- 
stolzierenden Kranich, der stets den Eindruck macht, als ver- 
folge er unentwegt ein bestimmtes Ziel, bezieht sich die engl. 
Redensart to crane at the girls, den Mädchen nachlaufen. (Vgl. 
„nachsteigen^ in der deutschen Studentensprache.) 

Da die Kraniche wie die Störche oft stundenlang regungs- 
los verharren, wobei sie manchmal nur auf einem Beine stehen 
(vgl. provenz. pata „Bein" = Kranich), so sagt man im Franz. 
von jemand, der lange Zeit an einer Stelle wartend verweilt: 
Tl fait le pied de grue, er macht das Kranichbein, oder nur: 
II fait Ja grue, er macht den Kranich.*) Hiermit mag es zu- 
sammenhängen, wenn im Pariser Argot grue auf eine gewisse 
Art von Dämchen angewendet wird, die auf offener Straße 
oder in Caf6s auf zahlfähige Klienten passen. 

Mit Bezug auf die schlanke Gestalt des Vogels nennt 
man in einigen Gegenden Englands einen mageren Menschen 
crane-gutted „kranichbäuchig", während man im Franz. ein 
großes, linkisches Frauenzimmer gern mit grm bezeichnet, 
da in der unsymmetrischen Gestalt des Vogels tatsächlich 
etwas Unbeholfenes liegt. (Vgl. chameau.) 

Schließlich wird grue häufig auf ein beschränktes weib- 
liches Wesen angewendet und entspricht als Schimpfwort 
unserer „dummen Gans". (Vgl. frz. dinde.) Auch adjektivisch 
wird grue in diesem Sinne gebraucht. Von grue abgeleitet ist 
gruerie „Dummheit". Hiermit geschieht dem guten Kranich 
allerdings bitteres Unrecht, denn dieser Vogel gehört nach dem 
übereinstimmenden Zeugnis aller Ornithologen zu den klügsten 
Tieren. Übrigens steht der Kranich nicht bloß im Franz. 
in solch üblem ßuf, sondern er wird auch im Span, ge- 
legentlich als Sinnbild geistiger Beschränktheit verwendet. 
So ist in der span. Literatur Pero OruUo „Peter Kranich", 
ein Seitenstück zum frz. Priid'homine, der Typus des bornierten 

*) Über das Spiel pied de gnte, das so heifit, weil die Hauptperson 
auf einem Beine stehen mnfi, vgl. BoUand, Faune pop., 11^ pag. 370. 



182 Der Kranich. 

Philisters, der sich in hohlen Phrasen und lächerlichen 
Gemeinplätzen (perogruUadas) gefällt. Demnach steht es 
außer Zweifel, daß das ital. Adjektiv grtdlo „dumm, albern'^ 
identisch ist mit span. grüllo „Kranich^ und somit auf lat. 
gruiculus beruht und nicht auf einem supponierten corrotulus 
„zusammengerollt", wie Pascal (Studi di fll. rom. Vn, 94) will. 

Im Altertum hatte man trotz der sonst höchst un- 
klaren naturhistorischen Begriffe eine richtigere Vorstellung 
von dem wahren Wesen des Kranichs. Man denke nur an 
die Kraniche des Ibykus und an die Rolle, die diese Vögel 
als elbische Tiere in der germanischen Mythologie spielten. 
Als kluges oder wenigstens vorsichtiges Tier erscheint der 
Kranich in dem span. Sprich worte: Dos d uno, tornarme he 
grtdlo, wörtlich: Zwei gegen einen, ich werde mich in einen 
Kranich verwandeln, d. h. davonfliegen, womit gesagt wird, 
daß es ein Gebot der Klugheit ist, dem Stärkeren zu weichen. 
Tatsächlich ist es äußerst schwer, diese Vögel, die an Vor- 
sicht das Größtmögliche leisten, zu fangen. 

Auf den geselligen Charakter der Kraniche, die ihre 
Wanderungen stets in großen Schwärmen unternehmen, be- 
zieht sich span. gruWada als Bezeichnung einer größeren Ge- 
sellschaft, die freundschaftlich zusammengeht. Auch wird das 
Wort auf einen Trupp alguaciUs angewendet, der nachts die 
Kunde macht. Hierher zu ziehen ist femer das span. Sprich- 
wort: Grtdla trasera pasa d la delanfera, d. h. der im Zuge 
letzte Kranich wird mit der Zeit der erste sein, was unserem 
deutschen „Eile mit Weile" entspricht. 

Im Mittelalter wurde der Kranich, dessen Fleisch auf 
keiner fürstlichen Tafel fehlen durfte, eifrig gejagt, und zwar 
wie sein Verwandter, der Reiher, mittelst Falken. Den zu 
dieser Jagd abgerichteten Falken nannte man span. halcön 
grullero oder auch nur gruUero, frz. famon gruyer „Kranichs- 
falke". Da in der Regel die Forstmeister mit der Falken- 
beize betraut waren, so nannte man sie nach ihrer Beschäfti- 
gung gruyers, während der Forstlehnherr frz. seigneur gruyei% 
span. senor grullero hieß. Hiermit wird die von Diez aufge- 
stellte Etymologie, nach welcher frz. gruyer auf mhd. gruo 
„grün, Wiese" zurückgehen soll, von selbst hinfallig. 

Schließlich sei noch erwähnt, daß in einigen Gegenden 



Die Schnepfe. 183 

Englands infolge von Bedeutungsgeneralisiernng dem Kranich 
verwandte Vögel, wie Keiher und Störche, mit crane bezeichnet 
werden. So heißt z. B. die bei uns unter dem Namen „Storch- 
schnabel" bekannte Pflanze engl. crane's-biU „Kranichschnabel^. 



Die Schnepfe.*) 

Der Name dieses Vogels ist semasiologisch insofern inter- 
essant, als alle Sprachen ihn nach demselben Merkmal, nämlich 
seinem langen Schnabel, benennen. Was zunächst deutsch 
Schnepfe betrifft, so geht das Wort zurück auf mYA.snepfe, 
ahd. snepfa und ist verwandt mit „Schnabel". In der Forms^w^ppa 
ist es in ital. Dialekte eingedrungen. Verwandt mit dem 
deutschen Worte ist engl, snipe aus mittelengl. snipe. Eben- 
so beruhen die gebräuchlichsten romanischen Bezeichnungen 
dieses Tieres (ital. beccaccia, span. becaisa, becada, frz. bicasse) 
auf lat. beccus „Schnabel". (Vgl. ital. becco, frz. bec) Hierbei 
ist nicht zu übei*sehen, daß das Suffix aceus dem Worte 
eine pejorative Nuance verleiht. (Vgl. itaL omaccio, donvaccia 
usw.) Es ist demnach beccaccia „der Vogel mit dem häß- 
lichen Schnabel", wie ja tatsächlich die unverhältnismäßige 
Länge des Schnabels der Schnepfe ein häßliches Aussehen 
verleiht. Hierher gehört auch span. pitorra, ein Synonym von 
iecaza, wenn man den dem Worte zugrunde liegenden Stamm 
pit identifizieren darf mit dem Stamme pic, der ursprünglich 
den Schall bezeichnet, den das Hacken gewisser Vögel mit 
dem Schnabel hervorbringt, dann aber durch Übertragung der 
Gehörsempfindung auf andere Sinnessphären die Bedeutung 
des Stechens und Spitzseins annimmt. (Vgl. lat. picus „Specht'', 
pica „Elster"; ital. pkco, frz. pic „Bergspitze"; span. pico 
^,Schnabel" ; ital. piccare, span. picar, fi'z. piqtier „stechen".) 

Daneben gibt es allerdings noch einige andere Namen für 
die Schnepfe, wie z. B. engl, wood-cock „Waldhahn". (Das 
Tier benannt nach seinem Aufenthaltsort.) Im Ital. heißt eine 
Schnepfenart {gallinago maior) coccohne (croccohne) mit Bezug 
auf ihren geduckten Gang {coccohrsi „sich ducken"). Im Span. 



'*') In NiederöBterreich der Schnepf. 



184 I>ie Schnepfe. 

wird der Vogel wegen seiner (mehr scheinbaren als wirklichen) 
Dummheit perniz chocha „dummes Rebhuhn^' oder mit Weg- 
lassung des Substantivs einfach chocha genannt. Ein anderer 
span. Name der Schnepfe ist gaUina ciega „blindes Huhn^^ Der 
Umstand, daß der Vogel seine Nahrung durch Tasten findet^ 
verleitet das Volk zu dem Glauben, er sei blind. (VgL 
Holland, Faune pop., 11, pag. 355, 8.) Endlich ist noch 
eine ital. Bezeichnung für die Schnepfe anzuführen, nämlich 
das landschaftlich beschränkte, auf ein dunkles lat. acceia zu- 
rückgehende acceggia, dem span. arcea entspricht. 

Die metaphorische Verwendung des Wortes, das eigent- 
lich selbst eine sehr durchsichtige Metapher ist, steht ink 
innigsten Zusammenhange mit seiner Etymologie. Wenn einer- 
seits die Schnepfe das „geschnabelte Tier'* genannt wird, so 
werden andererseits spitze Ausladungen von Objekten gern 
mit dem Namen der Schnepfe bezeichnet. So wendet man 
z. B. im Deutschen den Ausdruck S neppe (niederdeutsche 
Nebenform zu „Schnepfe") auf den spitz zulaufenden Teil 
einer weiblichen Kopfbedeckung oder einer Kleidertaille*) an; 
in gewissen Gegenden wird die Schnauze einer Kanne mit 
Sneppe bezeichnet Im Engl, gebraucht man von spitz- 
schnauzigen Hunden gern den Ausdruck snipe-nosed „Schnepfen- 
nasig". Hierher zu ziehen ist auch der engl. Slangausdruck 
snijpe als Spitzname eines Advokaten. Was hat aber der 
Advokat mit dem Schnabel der Schnepfe gemein? Nur auf 
Umwegen läßt sich dieser anscheinend rätselhaften Metapher 
beikommen. Der Ausdruck snipe wird zunächst auf eine 
lange Rechnung angewendet, wobei das tertium compara- 
tionis die Länge ist. Man kann sich sehr gut vorstellen, da& 
jemand, der Vergleiche aus dem Tierreiche liebt (z. B. ein 
Jäger), bei dem Anblick einer langen Rechnung ausruft: 
„Die ist ja lang wie ein Schnepfenschnabel!" (Vgl. die 
frz. Redensart avoir le nez long comme une becasse) Da die 
Advokaten wegen ihrer langen Rechnungen — man denke 
an gewisse endlose Prozesse — berüchtigt sind, so wird dieser 
Ausdruck hauptsächlich mit Bezug auf Advokatenrechnungen 



*) Nach Heeger, Tiere im pfälz. Volksmimde, 2. Teil, pag. 12, heißt 
eine Mütze mit Schild Schneppenkappe. 



Die Schnepfe. 185 

gebraucht. (Bedeutungsspezialisierung.) Von „Advokaten- 
rechnung" zu „Advokat" ist nur mehr ein Schritt. Es findet 
hier nämlich eine ganz einfache und regelrechte Metonymiie 
statt, indem die Bezeichnung für das Hervorgebrachte auf den 
Hervorbringer übergeht. Hierher gehört ferner das ital. Sprich- 
wort: ^0 sempre si riconosce Facceggia äl becco lungo, nicht 
immer erkennt man die Schnepfe am langen Schnabel, d. h. 
nicht immer macht das Kleid den Mann. Deutsch heißt es 
umgekehrt: Man erkennt den Vogel an seinen Federn. 

Wie so viele andere Vögel wird auch die Schnepfe als 
Symbol der Dummheit verwendet. Wenngleich dieser Vogel 
sich nicht durch besondere Intelligenz auszeichnet, so ist er 
doch immerhin besser als sein Buf und er verdankt diesen 
wohl seinem überlangen Schnabel, der ihm ein albernes Aus- 
sehen gibt. So wird becasse im Franz. zur Bezeichnung eines 
törichten Frauenzimmers gebraucht und analog wird im Engl. 
woodcock (seltener snipe) auf geistig beschränkte Individuen 
angewendet. Weil man die Schnepfe für ein dummes Tier 
hält, so wird angenommen, daß man ihrer leicht habhaft 
werden kann.*) Wenigstens kommt dies zum Ausdruck in der 
frz. hyperbolischen Redensart tendre le sac aux becasses, den 
Schnepfen den Sack hinhalten, d. h. jemanden anfuhren. Daß 
auf eine so kindlich-naive Weise sich auch der dümmste Vogel 
nicht fangen läßt, ist selbstverständlich. Auf den Schnepfen- 
fang bezieht sich femer die Redensart brider la bicasse^ die 
Schnepfe zäumen, zügeln, d. h. einen überlisten. In ähnlicher 
Weise bezeichnet Shakespeare hinterlistige Nachstellungen als 
springes to catch woodcocks, Schlingen, um Schnepfen zu fangen.**) 

Wie im Engl, die Wachtel, im Franz. der Kranich, so ist 
im Deutschen, namentlich in studentischen E[reisen, die Schnepfe 
das Symbol der galanten Dame. Das tertium comparationis 
ist hierbei die Art der Bewegung; die Schnepfe hat einen 



*) Auf dem Umstand, daß die Schnepfe erst auffliegt, wenn der Jäger 
in ihrer unmittelbaren Nähe ist, beruht der frz. Vergleich saurd comtne une 
hecdssef taub wie eine Schnepfe. (Vgl. RoUand, Faune pop., U, pag. 35ö, 10.) 

**) Im Ital. bedeutet pigliar Vacceggia, die Schnepfe fangen, „sehr lange 
auf jemd. warten müssen^. Diese Redensait spielt auf die ünberechenbar- 
keit der Schnepfe au, da der Jäger weder Ort noch Zeit des Durchzugs 
dieses Vogels sicher vorausbestimmen kann. 



ISß Der StruiS. 

waekelniva Gang, wotnit wobi das Sicfawiegen in den Höften 
vei^Iicben werden soll, das man bei dieser Art von Weibern 
beobacbteo JtaoD. Hit dieser Hetapber hBngt aoch die Redens- 
art aaf den Strich gehen zasammen, womit man das 
atlabendliche Auf- und Abpatroaillteren dieser GieschSpfe in 
gewissen Strafien bezeichnet (Vgh was Naumaiin in seiner 
„Naturgeschichte der Vögel", IX, pag. 167ff., über den 
Schnepfenstrich sagt.) 

8chlie6lich tet ans der älteren deutschen Studentensprache 
noch der Glebranch des Wortes „Schnepfe" fSr gemünztes Geld 
anzuführen. Hierbei ist das tertinm comparationis das Fort- 
fliegen; es erscheint hiermit die Schnepfe als Vertreter der 
ganzen Vogelklasse, wie man ancb fDr goldene Mfinzen Üea 
Aosdrnck „goldene Vögel" gebraucht und z. B. si^: „Das 
Geld hat Flügel" oder „es fliegt nur so". (Vgl. span. moaea 
„Fliege" in der Bedeutung „gemünztes Geld".) 



Der Strauß. 

Wie die Nauieii der meisten exotisclien Tiere, gehen auch 
die BenennuDgeu des Stranfies auf das Griechische, bzw. 
Lateinische zurtkck. So beruht ital. strtizzo auf lat. struÜw) 
aus griech. mfov&iuiv, span. avestruz and frz. autruehe ist je- 
doch ans Btntthio „Vogel Strauß". Engl, ostrich ist aus altfrz. 
oatriche hervorgegangen, welches Wort das altengl., direkt auf 
struihio beruhende Btryia verdrängt hat. Dieselbe Herknnft 
wie atri'iia scheint ahd., mhd. strüz aufzuweisen, worauf nhd. 
Strauß beruht. Allerdings wäre es möglich, daß strüz 
nung aiifi dem Ital. (slruzzo) ist. Meist setzt man 
/■orte verdeutlichend „Vogel" voraus. Es entspricht 
:h unser Vogel Strauß genau span. avestrue, frz. 
f. (Vgl. deutsch „Kameltier".) Zu erwähnen ist noch 
Engl, vorkommende Bezeichnung „Kamelvogel" (eamel 
lie wohl auf einer gewissen Ähnlichkeit beider Tiere 
md Beine) und vielleicht auch auf der gemeinsamen 
; beruht. Übrigens ist stmthio camebis die wissenschaft- 
lezeichnung des Vogels, 
iben dem Papagei ist der Strauß unter den ezotiscben 



Die Schildkröte. 187 

Vögeln der einzige, der für die Phraseologie der modernen 
Sprachen einige Bedeutung hat. Die Ausnahmsstellung, die 
der Strauß infolge seiner abnormen Gestalt und seiner merk- 
würdigen Lebensweise unter den Vögeln einnimmt, macht es 
begreiflich, daß er die Aufmerksamkeit der abendländischen 
Völker frühzeitig auf sich zog. Besonders auffallen mußte er 
durch seine große Gestalt — ist er doch der größte Vogel 
überhaupt. Hierauf beruht das span. Sprichwort: Ea, sus, y 
traga el avestruz, wohlan, verschlucke nur den Vogel Strauß. 
So sagt man nämlich zu jemand, der die kleinsten Fehler 
des Nächsten bemerkt, selbst aber viel größere begeht. (Vgl. 
die Bedensart: „Mücken seigen und Kamele verschlucken'^, 
die sich im Deutschen, Engl, und Franz. findet.) Auf die 
Gestalt des Straußes bezieht sich auch frz. autruche als Be- 
zeichnung eines lang aufgeschossenen Menschen mit der Neben- 
vorstellung geistiger Beschränktheit, wobei auf die bekannte, 
von der Naturgeschichte bestätigte Dummheit des Vogels an- 
gespielt wird.*) 

Der Strauß hat wohl unter allen Tieren den stärksten 
Magen; es scheint überhaupt für ihn nichts Unverdauliches 
zu geben. Steine und Eisenstücke verschlucken ist ihm eine 
Kleinigkeit. Darauf beruht die Bezeichnung Straußen- 
magen für einen äußerst kräftigen Magen, wobei man aller- 
dings ebensosehr an die Quantität als an die Qualität der 
Nahrung denkt. Dieselbe Metapher findet sich im Ital. (stomaco 
di struzgo) und im Franz. {estomac d'autruche). 



Die SchUdkröte. 

Im Deutschen verdankt die Schildkiöte ihren Namen dem 
eigentümlichen Panzer, der wie ein Schild den Rumpf des 
.Tieres einschließt. Darauf ist auch zurückzuführen die Be- 
nennung der Schildkröte im Lateinischen. Testudo kommt von 
iesta „Scherbe, Schale" und lebt in ital. testudine, testuggine 



*) Der Ausdruck Vogel-Strauß-Politik, den man auf jemd. an- 
wendet, der meint, er werde nicht gesehen, weil er niemand sieht, beruht 
4iuf der vermeintlichen Eigenheit dieses Vogels, bei einer Verfolgung den 
Kopf in den Sand zu stecken. 



188 I>ie Schildkröte. 

fort. Daneben kommt botta sctdeUaia vor, was wörtlich denr 
deutschen „Schildkröte" entspricht*) (boUa = Kröte, scxtdo =^ 
Schild.) Gebränchlicher ist tartaruga^ das mit span. torttiga, frz. 
Uniue auf ein supponiertes lat. tartma aus tortus „gekrümmt^ 
gewunden" zurückgeht. Es ist demnach die Schildkröte das 
„gekrümmte Tier", wohl mit Bezug auf den gewölbten Rücken- 
schild. Desselben Ursprungs sind engl, turtle und tortoise. Noch 
nicht erklärt ist span. gäldpago. 

Die auffallende Erscheinung der Schildkröte, ihre bizarre, 
von der anderer Tiere völlig abweichende Gestaltung, mußte» 
entschieden auf die Phantasie des Volkes wirken und tat- 
sächlich gibt es eine Beihe von Metaphern, die sich auf die 
Gestalt der Schildkröte, d. h. auf die gewölbte Form ihre» 
Bückenpanzers beziehen. So bezeichneten die Bömer mit 
testudo das hölzerne, bei Belagerungsarbeiten errichtete Schutz- 
dach, wie auch das Schilddach, das die Soldaten aus den über 
den Köpfen zusammengefügten Schilden bildeten. Analog^ 
nennt der Engländer die Überdachung eines Dampfers am 
Bug turtle-back „Schildkrötenrücken", während der Franzose 
ein Fährschiff mit dachförmigem Deck geradezu mit tortue 
bezeichnet. Femer wurde der Name der Schildkröte im Lateini- 
schen in poetischer Diktion auf gewölbte Saiteninstrumente,, 
wie z. B. die Lyra, angewendet und auch ital. testtiggine findet 
sich bei einigen Dichtem so gebraucht. Ebenso gehört hierher 
span. gaUpago als Bezeichnung eines leichten Sattels ohne 
jegliche Erhöhung. Dasselbe Wort bezeichnet verschiedene 
Gerätschaften, die zur Aufnahme anderer Objekte bestimmt 
und daher hohl und gewölbt sind, wie z. B. die bei der Ziegel- 
fabrikation verwendete Form oder die eiserne Presse der 
Büchsenmacher, die zum Festhalten der Gewehrläufe dient^ 
wenn dieselben gereinigt werden, u. a. m. 

In allen Sprachen ist die Schildkröte, die sich nur äußerst 
langsam fortbewegt, Symbol der Langsamkeit und Trägheit* 
Er ist langsam wie eine Schildkröte (häufiger: 
Schnecke) sagt man im Deutschen von einem in seinen Be- 
wegungen allzu bedachtsamen Menschen, während der Eng- 
länder in diesem Sinne den Ausdruck turtle- footed „Schildkröten- 

*) Vgl. im galizischen Dialekt aapo concho (sapo = Kröte, concha = 
Schild). 



Die Eidechse. 189 

fiißig" gebraucht. Analog sagt der Italiener von einer lang- 
sam gehenden Person: Cammina come una tartaruga^ er geht 
wie eine Schildkröte, und ebenso der Franzose: 11 marche ä 
pas de tortm. Der Spanier geht noch weiter, er schließt 
nämlich von der langsam schleichenden Bewegung auf heim- 
tückische Gesinnung und bezeichnet mit galäpago einen bos- 
haften, hinterhältigen Menschen. (Vgl. deutsch „Schleicher".) 
Die Metapher erfährt noch eine Steigerung in der Eedensart: 
Tiene mos conchas que un galäpago^ er hat mehr Schalen — 
damit sind die Homplatten des Eückenschildes gemeint — als 
^ine Schildkröte. 

Auf der Eigentümlichkeit der Schildkröte, monatelang 
jegliche Nahrung entbehren zu können, beruht im Franz. die 
volkstümliche Redensart faire Ja tortm^ die Schildkröte spielen, 
d. h. fasten. 

Alles in allem ist die Schildkröte ein häßliches Tier und 
4er Pariser Arbeiter will seiner Frau daher gewiß kein Kom- 
pliment machen, wenn er sie „meine Schildkröte" {ma tortue) 
nennt. Ein Analogen hierzu bietet portug. tartaruga als 
Schimpfwort für ein altes, häßliches Weib. 

Semasiologisch interessant ist im Deutschen die Bezeich- 
nung der hornartigen Materie des Panzers als Schild- 
patt. Es bedeutet dieses Wort ursprünglich nichts anderes 
als „Schildkröte", denn Schildpad (vgl. nid. padde, engl. 
paddock) ist die niederdeutsche Bezeichnung der Schildkröte. 
Schildkrot (Kröte = dial. Irot) wird gleichfalls in diesem 
Sinne gebraucht und schließlich bietet auch ital. tartart4ga, das 
„Schildkröte" und „Schildpatt" bedeutet, ein Analogen hierzu. 
Es liegt in allen diesen Fällen eine einfache Metonymie vor, 
indem das Ganze für den Teil gesetzt wird. 

Die Eidechse. 

Das deutsche Wort Eidechse (mhd. ^gedehse^ ahd. ^gidehsa) 
hat den Sprachforschem viel Kopfzerbrechen gemacht. Von 
den vielen Deutungen, die man zur Erklärung des Wortes 
versucht hat, kann keine befriedigen. Interessant sind die 
dialektischen Umgestaltungen des Wortes, wie tirol. kegedex, 
^gerex, schlesisch hädoxy edox usw., die unverkennbar An- 



190 Die Eidechse. 

lehnnng an „Hecke'' zeigen, semasiologisch also jenen Tier- 
namen zuzuzählen sind, die das Tier nach seinem Aufenthalts- 
orte bezeichnen. Mit dem deutschen Worte verwandt ist alt* 
engl, äpesce, das ein neuengl. asJc, asker ergab, dessen Oebrauch 
jedoch landschaftlich beschränkt ist. Die in der Naturgeschichte 
für die Ordnung der Saurier übliche Bezeichnung Echsen ist 
eine junge Bildung und beruht auf willkürlicher Worttrennung. 
Nach ihren vier Beinchen ist die Eidechse im Dänischen 
(firebeen) und Schwedischen (fyrfota) benannt, wozu sich in 
fränkisch - hennebergisch fircheU ein Analogen findet. Im 
amerikanischen Engl, wird für eine gewisse Art von Eidechsen 
smft gebraucht, was von Hause ein Adjektiv ist und „flink, 
hurtig'' bedeutet. Beiläufig sei bemerkt, daß auch Vögel, die 
sich durch schnellen Flug auszeichnen, wie z. B. die Mauer- 
schwalbe, ferner eine Taubenart so bezeichnet werden. Dem 
engl, smft entspricht die wissenschaftliche Bezeichnung der 
grauen Eidechse^ lacerta agilis „flinke Eidechse". 

Die romanischen Benennungen dieses Tieres gehen auf 
lat. lacerta^ bzw. lacertus zurück: ital. lacertola, häufiger lucer* 
tola, Dim. eines älteren, nicht mehr gebräuchlichen lucerta^ 
(aus lacerta wohl durch volksetymologische Einmischung von 
Itice ,. Licht" entstanden), span. lagarto*) frz. lezard (altfrz. auch 
laissarde). Semasiologisch interessant ist, daß im Portugiesi- 
schen lagarto „Eidechse", lagarta aber „Kaupe" bedeutet. Im 
Ital. ist für die Smaragdeidechse die Bezeichnung ramarr(y 
üblich (wahrscheinlich von rame „Kupfer" — Benennung des 
Tieres nach der Farbe; vgl. schweizerisch Eupferschlängeli 
als Name der Smaragdeidechse). 

Bei der Eidechse fallt in linguistischer Beziehung zunächst 
auf, daß sie in den Sprachen des Südens eine bedeutend 
wichtigere Holle spielt als in denen des Nordens, was seinen 
Orund darin hat, daß die Eidechsen als licht- und wärme- 
liebende Tiere häufiger in südlichen als in nördlichen Ländern 
vorkommen. 

Was die Verwendung der Eidechse in der Metaphorologie 
betrifft, so bezieht sich auf die schlanke Gestalt des Tieres^ 
frz. Uzarde als Bezeichnung eines Bisses in der Mauer; davon 

*) DaraoB «ntstellt span. aligador, portug. aUigaior, der Name de» 
amerikanischen Krokodils. 



Die Eidechse. 191 

ist verbal gebildet se lezarder „rissig werden". Bei der Bil- 
dung dieser Metapher mag der Umstand mitgewirkt haben, 
daß die Eidechsen sehr gern an Mauern herumklettem. 
Wenn man im Ital. in volkstümlicher Sprache von einem 
magern Menschen sagt: Pare ehe mangi le laceriole, er sieht 
aus, als esse er Eidechsen, so beruht diese Redensart auf der 
naiven Vorstellung, daß man durch den Genuß des Fleisches 
magerer Tiere selbst mager werden könne. (Vgl. secco 
came una lucerfda, mager wie eine Eidechse.) Ital. lacertOj 
span. lagarto „großer Armmuskel" gehören streng genommen 
nicht hierher, da sie auf ein gleichbedeutendes lat. lacertus 
zurückgehen. Allerdings steht es außer Zweifel, daß lat 
lacertus „Oberarmmuskel" nur eine Metapher von lacertus 
„Eidechse" ist. (Vgl. musculus „Mäuschen" als Benennung 
des Muskels im allgemeinen.) Hingegen ist ital. lucertöh 
„Eeulenstück" — wohl hergenommen von einer minder 
schlanken Eidechsenart — eine diminutive Bildung von lucerta 
und als Scheideform zu lucetiola aufzufassen. Auf die grüne 
Färbung der Smaragdeidechse bezieht sich im Ital. der 
Vergleich verde come un ramarro, grün wie eine Eidechse 
(von der Gesichtsfarbe). Hingegen schwebt dem Spanier eine 
buntgefärbte Eidechsenart vor, wenn er lagartado im Sinne 
von „buntscheckig" gebraucht. Das lebhafte Auge der Ei- 
dechse hat gleichfalls metaphorische Verwendung erfahren. Ha 
Tocchio dt ramarro^ sie hat ein Eidechsenauge, sagt man von 
einem Mädchen, das ein ausdrucksvolles Auge hat. Auch 
sonst wird die Eidechse zu Vergleichen mit jungen Mäd- 
chen herangezogen. So nennt man im Ital. mit Bezug auf 
die außerordentliche Behendigkeit der Eidechse ein flinkes 
Mädchen lucertolina oder lucertoletta, während der Spanier noch 
origineller sagt: Estä hecka de rabos de lagarto^ sie ist aus lauter 
Eidechsenschwänzchen zusammengesetzt (fehlt in den mir zu- 
gänglichen Wörterbüchern). Tatsächlich ist es der lange 
Schwanz, der der Eidechse zur Erhaltung des Gleichgewichts^ 
dient und ihr eine so große Behendigkeit verleiht. Des- 
gleichen nennt man im Ital. den Zugordner bei einer Pro- 
zession ramarrOj weil er durch das fortwährende Hin- und 
Herlaufen die Vorstellung einer Eidechse erweckt. Hierher 
gehört femer frz. Uzarde, der Name eines kleinen Flüßchens 



192 Die Eidechse. 

in der Normandie, wobei das tertium comparatioDis speziell 
die sclilängelnde Bewegung ist. 

Da die Eidechsen eine besondere Vorliebe für altes Ge- 
mäuer haben, nennt man im Span, ein altes, verfallenes Schloß 
gern lagartera „Eidechsenhöhle^ und analog sagt der Franzose 
von einem einsam lebenden Menschen : II vit comme un Uzard, 
er lebt wie eine Eidechse. 

Mit Bezug auf das Wärmebedttrfnis des Tierchens, das 
sich an sonnigen Plätzen am wohlsten fühlt — im Altertum 
war die Eidechse dem Sonnengott geheiligt — gebraucht man 
im Deutschen die Redensart sich sonnen wie eine Ei- 
dechse, ital. siar dl sole come le Iticertole, frz. se chauffer au 
soleil comme un Uzard*) (Vgl. Rolland, Faune pop., III, pag. 10.) 
Im Franz. ist auch der Vergleich paresseux comme un lezard, 
träge wie eine Eidechse, üblich. 

Wenn man bedenkt, daß die Eidechse infolge ihrer voll- 
kommenen Wehrlosigkeit ihren Feinden, zu denen namentlich 
die Schlangen gehören, schutzlos preisgegeben ist und daß sie 
ferner in nördlichen Ländern von der Kälte viel zu leiden 
hat, so begreift man, daß sie dem Menschen als ein bedauerns- 
wertes Geschöpf erscheint, was auch im Franz. zum Ausdruck 
kommt, indem pauvre Uzard „arme Eidechse" im Sinne von 
„armer Kerl" gebraucht wird. Von dem engl. Sprichwort: 
Ifs beUer to he head of a Uzard than tail of a lion und seinem 
ital. Analogen : ^ meglio esser capo di lucertola che coda di Uone, 
worin die schwache Eidechse in Gegensatz zu dem mächtigen 
König der Tiere gebraucht wird, war bereits beim Löwen, 
pag. 24, die Rede. 

Wenn der Italiener einen habgierigen Menschen bocca di 
ramarro „Eidechsenmaul" nennt, so denkt er dabei jedenfalls 
an die Eigentümlichkeit der Eidechse, ihre Beute im Sprunge 
zu erhaschen, was den Eindruck großer Gier macht. Da das 
Tier das einmal Gefaßte nicht mehr losläßt, wird ramarro auch 



*) In Btirgund gebraucht man in diesem Sinne lizarder, prendre un 
hain de Uzard, ein Eidechsenbad nehmen. — Da die Sonne die Eidechsen 
ans ihren Verstecken hervorlockt (vgl. Schweiz, sunneheggi für „Eidechse"), 
sagt man im Ital. mit Bezug auf die Freiheitsgeltiste junger Leute: Le 
lucertole comindano a senHr il söle^ die Eidechsen fangen an, die Sonne 
zu spüren. 



Schlange, Natter. 193 

auf einen eigensinnigen Menschen angewendet (bocca di ramarro 
che piglia e non laacia andare),*) 

Die verhältnismäßig hochentwickelte Intelligenz der Ei- 
dechse rechtfertigt den Gebrauch von span. lagarto für einen 
schlauen Menschen. (Vgl. portug. lagarteiro „verschmitzt".) 
Im span. Rotwelsch wird das Wort auf einen geriebenen 
Dieb angewendet, der öfter die Kleider wechselt, um uner- 
kannt zu bleiben. Man hat darin eine Anspielung auf die 
mehrmalige Häutung der Eidechse zu sehen. Ebenso sagt 
der Pariser von einem; der seinen Anzug alle Augenblicke 
versetzt: B fait le lezard^ er macht's wie die Eidechse, was 
auch heißen kann: Er bummelt, mit Beziehung auf das un- 
stete ümherwandern der Eidechse. 

Schließlich bedarf noch die itaJ. Redensart aver la lucer- 
icia da due code, die Eidechse mit den zwei Schwänzen, d. h. 
Oliick haben, einer Erklärung. In gewissen Gegenden Italiens 
schreibt das Volk der doppelgeschwänzten Eidechse prophetische 
Gaben zu, wie überhaupt schon der Besitz eines Eidechsen- 
schwänzchens als glückbringend gilt. (Vgl. Rolland, Faune 
pop., ni, pag. 12.) 

Schlange, Natter. 

Deutsch Schlange beruht auf mhd. slangef, ahd. slango 
und ist Ablautsbildung zu schlingen, mhd. dingen ^ ahd. 
slingan, das die Bedeutung von „schleichen'^ hatte. Englisch 
heißt die Schlange snake, das auf altengl. snaka zurückgeht 
(von einer deutschen Wurzel snak^ erhalten in ahd. snahhan 
„kriechen"). Deutsch Natter kommt von mM.nätery n&tere^ 
ahd. nätara, dem altengl. nceddre entspricht, das in neuengl. 
odder das anlautende rt verloren hat (Vgl. ostdeutsch Otter 
als Bezeichnung der Natter.) 

Die romanischen Benennungen der Schlange gehen auf 
lat. serpens (part. praes. von serpere „kriechen") zurück: ital. 
serpej serpenUj span. sierpe^ serpiente^ frz. serpent^ das auch ins 



*) Im Franz. des 16. Jahrhunderts war langue de ISzard „Eidechsen- 
xnnge'' im Sinne von „böse Zunge*" gebräuchlich. (Vgl. Rolland, Faune 
pop., m, pag. 10.) 

Riegle r. Das Tier im Spiegel der Sprache. 13 



194 Schlange, Natter. 

Engl, (serpent) eindrang. Auf das Diminutiv von serpensj 
serpetUicula, führt Parodi span. sabandija „Geschmeiß, Gewürm" 
zurück. 

Als Bezeichnung giftiger Schlangen ist in den romanischen 
Sprachen lat. vipera üblich, das im Ital. vipera, im Span, viborüj 
im Franz. vipire (gelehrtes Wort) ergab. Deutsch Viper, 
engl, viper sind Lehnwörter. Lat. colubra^ die Bezeichnung 
einer kleinen ungiftigen Schlangenart, lebt fort in span ctdebra^ 
frz. couieuvre. Ln Schriftital. existiert dieses Wort nicht, wohl 
aber findet es sich in itaL Dialekten, wie sard. cohra, sizil. 
culovria beweisen. Ein von colubra gebildetes cöluhrimts ist 
das Etymon von ital. coluhrina, span. ctdebrina, frz. couleuvrinCy 
engl, culverin „Feldschlange". 

Lat. aspis „Natter" ist erhalten in ital. aspide, span. äspid^ 
äspide, frz. aspic und in engl, asp oder aspic (bei Körting nur 
als ital.-dialektisch fortlebend angegeben). 

Semasiologisch interessant ist, daß lat. bestia „Tier" neben 
der ursprünglichen Bedeutung, die es in ital-span. bestia, frz» 
bSte bewahrt hat, auch derivata mit der Bedeutung „Schlange" 
aufweist: ital. biscia, altfrz. bisse, span. bicha „Schlange in der 
Heraldik", bicho „Wurm, Gezücht". 

Schließlich ist noch ital. lucia „giftige Schlange, Natter" 
anzuführen, wohl identisch mit dem in Italien sehr ge- 
bräuchlichen Taufnamen Lucia. Wenn man bedenkt, daß 
die Schlange häufig als Symbol des Weibes verwendet wird, 
so darf es nicht befremden, daß ihr ein weiblicher Name bei- 
gelegt wird. (Vgl. altgermanische Frauennamen wie Ger- 
lind, Siglind, Alflind, deren zweiter Bestandteil lind 
„Schlange" ist.) 

Die große Bedeutung, die die Schlange für die Meta- 
phorologie hat, erklärt sich aus dem kollektiven Charakter 
des Wortes. Zahlreich sind die Metaphern, die sich auf das 
Äußere der Schlange beziehen. Gibt es doch eine Unzahl 
von Objekten, die mit dem langgestreckten, walzenförmigen 
Körper der Schlange größere oder geringere Ähnlichkeit 
aufweisen. Allen Kultursprachen gemeinsam war ehedem 
die Bezeichnung „Schlange" (deutsch Feldschlange, da- 
neben Natter) für ein Geschütz mit langem Rohr, wobei 
letzteres Veranlassung zur Metapher wurde. Die Nebenvor- 



Schlange, Natter. 195 

Stellung des Gefährlichen — man denke an den feuerspeien- 
den Drachen — mag dabei mitgewirkt haben. (Englisch hieß 
die Feldschlange culverin, serpent oder aspic, ital. coluhrina^ 
serpente, span. culebrina, serpentina, frz. couleuvriney portug. hin- 
gegen lagartixa „Mauereidechse".) Wenn der Italiener sagt: 
Le cose Junghe diventan serpi, die langen, d. h. langwierigen 
Dinge werden zu Schlangen, so verknüpft er hierbei die 
Vorstellung der Länge mit der der Gefährlichkeit. Er will 
damit sagen, daß es gefährlich ist, gewisse Dinge, wie z. B. 
die Heilung einer Krankheit, hinauszuschieben. 

Von der sich windenden Schlange hergenommen ist die 
Bezeichnung einer Art Eakete mit schlängelnder Bewegung 
im Engl. {serpent\ Ital. {serpentello = Dim. von serpente) und 
Franz. (serpenteau). Ebenso war im älteren Deutsch hierfür die 
Bezeichnung „Schlange" üblich, jetzt gebraucht man in diesem 
Sinne den Ausdruck „Schwärmer". Auf demselben Bilde be- 
ruht das im älteren Englisch für lange Perückenlocken ge- 
bräuchliche snakes, wie auch deutsche Dichter dunkle Locken 
braune Schlangen nennen. Überhaupt bezeichnet man 
im Deutschen eine gewundene Linie als Schlangenlinie, 
der im Engl. Serpentine line, im Ital. linea serpeggiante, span. 
linea serpentina, frz. ligtie Serpentine entsprechen. Auch wurde 
manchmal im älteren Deutsch für Schlangenlinie kurzweg 
„Schlange" gebraucht. So sagt z. B. Wieland von einem 
Flüßchen, es ziehe sich in langen Schlangen 
hinunter. Analog spricht man von Schlangenweg, 
Schlangengang, Schlangenwindung. Hierher ge- 
hört ferner engl. - amerik. sndke-fence oder serpent - fence 
„Schlangenzaun", für eine sich schlängelnde Einfriedigung 
gebraucht. Treffend ist die frz. Bezeichnung serpent für die 
Geldkatze,*) denn diese ist ein langer Geldbeutel, der wie 
ein Gurt um den Leib geschnallt wird. (Vgl. im span. 
Rotwelsch ciUebra = Gürtel.) Wenn der Italiener den Sitz 
hinter dem Kutscherbock serpe nennt, so vergleicht er 
nicht den Sitz selbst mit einer Schlange, sondern die ge- 
wundenen Eisenstangen, die ihn tragen. (Metonymie; Teil 



*) Diese Bezeichnung beruht auf einer Metonymie, da die Geldkatze 
meistens aus KatzenfeU gefertigt ist. 

13* 



196 Schlange, Natter. 

f&rs Ganze.) So wurde auch im älteren Span, ein eiserner 
Jagdspieß wegen seiner gewundenen Gestalt serpentina ge- 
genannt. Hierher zu ziehen ist femer span. culdmUa (Dim. 
von ctddfrd), die Bezeichnang der Flechte, einer Hautkrank- 
heit; die sich im Auftreten von gewundenen Linien auf der 
Haut äußert. Ohne weiteres einleuchtend ist im Ital. der 
Gebrauch von lucia „Natter" für einen Tanz mit schlangen- 
ähnlichen Bewegungen. Von einer Tänzerin, die diesen aus- 
führt, sagt man : Fa la lucia, sie macht die Natter. (Vgl. den 
Ausdruck „Serpentintänzerin".) Beiläufig sei hier erwähnt, 
daß man im Ital. von einem Kinde, das schläfrig wird, sagt: 
Ha la lucia, es hat die Natter, welche Redensart wohl darauf 
beruht, daß die Schlangen nach eingenommener Mahlzeit vom 
Schlafe befallen werden. Ein Seitenstück zur Serpentintänzerin 
ist der Schlangenmensch, d. L ein Akrobat, der mit seinem 
Körper höchst komplizierte, schlangenähnliche Windungen und 
Drehungen ausfuhrt (itaL uomo serpente, frz. homme serpent). 
Mehr auf die Länge der Schlange als auf die Art ihrer Be- 
wegung spielt an die im franz. Schülerargot gebräachliche 
Redensart faire un serpent, eine Schlange machen, d. h. im 
Gänsemarsch gehen. Wenn im span. Botwelsch der Dietrich 
mit sierpe bezeichnet wird, so liegt hier nicht ein Vergleich 
mit der Gestalt der Schlange vor, sondern diese Metapher 
bezieht sich vielmehr auf die außerordentliche Geschmeidigkeit 
des Reptils, mit der e^s in Löcher und Erdspalten eindringt 

Auf das geistige Gebiet übertragen, wird die sich windende 
Schlange zum Sinnbild des Ärgers. So wenigstens im Engl., 
wo it gives htm a snake (wörtl.: es gibt ihm eine Schlange) 
soviel bedeutet als „es ärgert ihn". (Vgl. deutsch: es wurmt 
ihn.) Der quälende Gedanke ist gleichsam eine Schlange, die 
der Mensch in seinem Innern trägt und die ihm durch ihre 
Windungen Unbehagen oder gar Schmerz verursacht. 

In allen Eultursprachen existieren verbale und adjek- 
tivische Weiterbildungen von „Schlange". Was die ersteren 
anlangt, so ist zunächst aus dem Deutschen zu verzeichnen 
schlängeln, das jetzt im eigentlichen Sinne nur reflexiv 
gebraucht wird, im 18. Jahrhundert aber allgemein intransitiv 
verwendet wurde. (Z. B. heißt es bei Voß: Ein Drache fuhr 
schlängelnd empor.) Im Engl, wird snake in vulgärer Sprache 



Schlange, Natter. 197 

verbal gebraucht, (im Am. -Englisch jedoch allgemein), be- 
sonders mit Bezug auf fließende Gewässer : A rwer snaies alüngj 
ein Fluß schlängelt sich dahin. In transitiver Verwendung 
hat to snake along oder to stiake out die Bedeutung „mit einer 
Kette winden, holen" und dann verallgemeinert „herausziehen". 
Neben to snaJce kommt — allerdings selten — to serpent 
vor, u. zw. intransitiv und transitiv gebraucht. Im Ital. ist 
von serpe serpeggiare gebildet, im Span, von serpiente serpentear 
und von culehra synonym cukbreary wovon dann wieder das 
Verbalsubstantiv culdtreo abgeleitet ist. Daneben ist um- 
schreibend hacer culebra gebräuchlich. Im Frz. schließlich 
liegt ein von serpent gebildetes serpenter vor. Adjektivisch© 
Ableitungen sind aus allen Sprachen mit Ausnahme des 
Deutschen zti verzeichnen. So im Engl, maky, Serpentine; 
daneben wird serpent adjektivisch gebraucht, davon abge^ 
leitet serpentry „Schlangenwindung". Im Ital. ist serpentino 
in der Bedeutung „ineinander verschlungen" nicht mehr ge- 
bräuchlich, wohl aber werden serpentino im Span, und Serpentin 
im Franz. in der Bedeutung „sich schlängelnd" gebraucht. 

Auf der Färbung der Haut gewisser Schlangen beruht 
die Bezeichnung Serpentinstein (ital. pietra serpentina, 
Span. Serpentin^ serpenfina, frz. Serpentin, engl. Serpentine) für 
eine marmorähnliche Gesteinart, die durch mehr oder minder 
dunkle Adern und Flecken charakterisiert ist und so an die 
Zeichnung gewisser Schlangen erinnert.*) 

Vom Zischen der Schlange hergenommen ist ital. bisciolo 
(von biscia), das auf Personen angewendet wird, die beim 
Sprechen mit der Zunge anstoßen, sowie portug. bichanar (von 
bicho), das „zischeln, flüstern" bedeutet. Nach einem im Mittel- 
alter allgemein verbreiteten Volksglauben galt die Natter 
fBr taub. Allerdings war diese Taubheit eine freiwillige, 
da die Sage zu berichten weiß, daß die Natter, um den 
lockenden Tönen des Bezauberers zu widerstehen, sich das 
eine Ohr mit Schlamm füllt, während sie in das andere 
ihren Schwanz steckt. Diese Tierlegende geht auf die 
heil. Schrift zurück, denn schon in den Psalmen heißt es von 
den ungerechten Richtern : „Sie haben Gift, gleich der tauben 

*) Nach Plinias heifit der Stein so, weil er den Schlangenbiß hdlf. 



198 Schlange, Natter. 

Natter, die ihr Ohr verstopft und nicht hört auf die Stimme 
des zauberkundigen Beschwörers." Auch von den Kirchen- 
vätern wurde diese Tiersage häufig symbolisch verwertet (Vgl. 
EoUoff, Die sagenhafte und symbolische Tiergeschichte des 
Mittelalters in Kaumers bist. Taschenbuch, 1867.) Noch zu 
Shakespeares Zeiten glaubte man an die Taubheit der Natter, 
wie hervorgeht aus verschiedenen Stellen seiner Dramen, so 
z. B. in Heinrich VI. (A. 3, Sz. 2). What art thou like ihe 
adder waxen deaf? was, bist du wie die Natter taub geworden? 
So auch in Troilus und Cressida (A. 2, Sz. 2) pleasure and 
revenge have ears more deaf than adders, Vergnügen und Each- 
«ucht haben Ohren tauber als die Nattern. — Diese „Tier- 
fabel" mag dem Umstände, daß bei den Schlangen der 
Gehörgang nicht unterscheidbar ist, ihre Entstehung ver- 
danken. Übrigens ist nach der Ansicht einiger Naturhistoriker 
der Gehörsinn bei den Schlangen tatsächlich wenig ent- 
wickelt. 

Aus der deutschen Studentensprache wäre der Ausdruck 
Schlangenfraß anzuführen, der mit Bezug auf den Nahrungs- 
erwerb der Schlangen — nähren sie sich doch zum größten 
Teil von Eidechsen und Fröschen — ein ekelerregendes Ge- 
richt bezeichnet Auf die feste Haut der Schlange bezieht 
sich der ital. Vergleich aver la peUe piü dura d'un serpente, eine 
härtere Haut haben als eine Schlange. 

Die Schlange, die bereits in der Symbolik der Alten eine 
bedeutende Rolle spielte, ist bei den modernen Völkern das 
Sinnbild der Falschheit, Tücke und Bosheit. Der instinktive 
Abscheu des Menschen vor allem kriechenden Getier wird 
noch gesteigert durch die Giftigkeit mancher Schlangen, deren 
Biß den sofortigen Tod zur Folge haben kann. Durch die 
christliche Symbolik, die den Satan als Verführer in der Ge- 
stalt der Schlange erscheinen läßt, erfuhr diese Auffassung eine 
Bekräitigung. Daher die auffallende Übereinstimmung der 
modernen Kultursprachen in der metaphorischen Verwertung 
dieses Tiernamens. Im Altertum war indes das Verhältnis 
des Menschen zur Schlange kein durchaus feindseliges. Wenn 
die Schlangen auch einerseits die unzertrennlichen Attribute 
der Eumeniden, der Göttinnen der Rache und des Neides, 
waren, so galten sie doch andererseits als Sinnbilder der 



Schlange, Natter. 199 

Klugheit und Heilkunst. Daß sie auch den Germanen 
nicht durchweg antipathisch waren, erhellt aus der Ver- 
wendung von Und „Schlange" zur Bildung weiblicher Eigen- 
namen, worauf schon pag. 194 hingewiesen wurde. Bei 
einigen Völkern wnrde ihnen sogar göttliche Verehrung zu teil, 
wie es heute noch bei den Indiem Schlangenanbeter gibt 

Freilich ist in letzter Linie das Motiv dieses Kultus die 
nngemessene Furcht, die die Schlange dem Menschen einflößt. 
Im Mittelalter verlieh die Phantasie des Volkes der Schlange 
Flügel und schuf so die Gestalt des Drachen, der in der 
mittelalterlichen Sagenwelt — besonders als Wächter ge- 
fangener Prinzessinnen — eine hervorragende Rolle spielt. 
Es steht wohl außer Zweifel, daß die Metaphern, in denen 
die Schlange als häßliches Tier erscheint, sich nicht auf die 
Schlange schlechthin, sondern auf den Drachen beziehen, 
der der Sage nach mit allen Attributen abschreckender 
Häßlichkeit ausgestattet ist. So entspricht dem deutschen 
„Drachen" als Bezeichnung eines häßlichen Weibes ital. serpente, 
span. sierpe, wogegen „Drache" in den romanischen Sprachen 
und im Engl nur für ein böses, zänkisches Weib gebraucht 
wird, welche Bedeutung das Wort auch im Deutschen haben 
kann. (Vgl. die scherzhafte Bezeichnung „Hausdrache".) 

Am zahlreichsten sind unter den auf die Schlange bezüg- 
lichen Metaphern jene, in denen sie als Symbol der Falschheit 
und Bosheit erscheint Daß diese Auffassung zum großen 
Teil auf der biblischen Versuchungsgeschichte beruht, wurde 
bereits gesagt. In der Kirchensprache ist „Schlange" und 
namentlich „alte Schlange" geradezu ein Synonym von „Teufel". 
Aus der Bibel rührt auch die Redensart her der Natter 
den Kopf zertreten, d. h. einen gefährlichen Gegner 
unschädlich machen. (Gott prophezeit Eva, einer ihrer 
Nachkommen werde der Natter den Kopf zertreten, d. h. 
Christus werde Satan vernichten.) Ein falsches Herz nennt 
man im Deutschen häufig ein Schlangenherz und eine ver- 
leumderische Zunge eine Schlangenzunge. Letztere 
Metapher findet sich in allen übrigen Kultursprachen: engl. 
viperous {viperisK) tongue, ital. lingua serpentina^ lingua di 
inpera, span. lengua serpentina {viperina), frz. langtie de vipire, 
langue d'aspic. Im ähnlichen Sinne gebraucht man im Deut- 



200 Schlange, Natter. 

sehen kollektiv Schlangenbrut, Schlangengezflcht^ 
bzw. Natternbrnty Natterngezücht, im Franz. racede 
vipire^ engeance de vipire. Ebenso wendet man auf eine falsche^ 
verleumderische Person schlechtweg den Ausdruck Schlange^ 
bzw. Natter an, u. zw. nicht bloß im Deutschen, sondern auch 
in allen übrigen Kultursprachen. Einen falschen Freund nennt 
der Engländer a snake in the gross, eine Schlange im Gras,, 
was an das lateinische Sprichwort : Ixxtet änguis sub herMsy im 
Grase ist die Schlange verborgen, erinnert, das den Kontrast 
zwischen dem äußeren Schein und dem wirklichen Wesen ver-- 
sinnbildlicht. Auch in den modernen Kultursprachen findet sich 
dieses Sprichwort. So im Deutschen : D a ist eine Schlange 
unter dem Laube versteckt, im Engl.: Look before you 
leapj for snakes awong sweet flotoers do ereep, sieh' zu, bevor 
du springst, denn zwischen lieblichen Blumen kriechen 
Schlangen, im Ital.: Ne' fiori com la serpe, unter den Blumen 
liegt die Schlange verborgen, im Franz.: Le serpent est cache 
80US les fleurs (wie ital.). 

In einigen Sprachen erscheint die Schlange als Symbol 
unedlen Zornes, welcher der Ausfluß gehässiger Gesinnung 
ist und darauf ausgeht, den Gegner tödlich zu verletzen. 
Tatsächlich ist das Auffahren und Zischen der gereizten 
Schlange ein treffendes Bild des Jähzornigen. Im Ital. sagt 
man von einem solchen: Pare una vipera, er gleicht einer 
Natter. Femer gebraucht man die Redensart rivoltursi a uno 
come una vipera, gegen jemd. wie eine Viper losfahren. Den- 
selben Sinn hat das von vipera gebildete inviperire. Ebenso 
wird im Span, sierpe auf einen zornmütigen Menschen angewendet 
und im Franz. sagt man von einem, der seinen Zorn verbeißt: R 
avale des couieuvres, er verschluckt Nattern. Zorn und Haß sind 
nahverwandte Begriffe und es darf nicht wundernehmen, daß 
die Schlange im Engl, auch Symbol des Hasses ist Adder- 
hate „Nattemhaß** bezeichnet den höchsten Grad des Hasses. 
Dementsprechend bedeutet adder-like „haßerfüllt, rachsüchtig". 

Motiv des Hasses ist sehr häufig der Neid, wie auch nach 
christlicher Vorstellung die Feindschaft des Satans gegen die 
ersten Menschen auf dem Gefühle des Neides beruht, den ihre 
Glückseligkeit ihm einflößt Daher die Schlange auch den 
Neid versinnbildet, wie z. B. hervorgeht aus engl, snak^proofy 



Schlange, Natter. 201 

das wörtlich ^gegen Schlangengift gefeit" und übertragen 
soviel als „gefeit gegen Neid" bedeutet. Im Deutschen und 
Franz. spricht man in poetischer Diktion von den Schlangen 
des Neides (les serpents de Tenvie). 

Da die Schlange an und für sich das Prinzip des Bösen 
verkörpert, so kehrt sie sich selbst gegen den, der ihr Gutes 
erwiesen hat, sie ist daher Symbol des Undankes, wie her- 
vorgeht aus der Redensart eine Schlange am Busen 
nähren, d. h. einen Undankbaren mit Wohltaten überhäufen. 
Der Ursprung dieser Redensart ist in einer Fabel Äsops zu 
suchen, wo von einem Bauer die Rede ist, der auf der Straße 
eine halb erfrorene Schlange erblickt und sie mitleidig an 
seinem Busen erwärmt. Ins Leben zurückgerufen, lohnt die 
Schlange ihrem Wohltäter, indem sie ihm einen Biß versetzt^ 
der ihn ums Leben bringt. Übrigens findet sich obige Redens« 
art schon im Lateinischen: viperam stU) ala nutricare. Von den 
modernen Eultursprachen ist sie außer dem Deutschen noch 
geläufig dem Engl.: to cherish a serpent in one^s bosom, dem 
Ital. : dUevarsi una serpe in seno, dem Franz. : nourrir une vipire 
dana son sein oder mit unmittelbarem Anschluß an die Fabel : 
richauffer un serpent dans son sein^ eine Schlange an seinem 
Busen erwärmen. 

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, daß 
die Schlange als Sinnbild des bösen Prinzips verwendet wird 
zur Symbolisierung aller jener Leidenschaften, in denen ein 
feindliches Verhältnis zum Mitmenschen und somit das Be- 
streben, diesem zu schaden, zum Ausdruck gelangt. 

Daneben gibt es aber eine Reihe von Metaphern und 
metaphorischen Redensarten, in denen die Schlange schlecht- 
weg als das gefährliche Tier erscheint und somit 
eine ähnliche Rolle spielt wie Löwe, Wolf, Bär u. dgl. Raub- 
tiere. So sagt der Engländer von einem, der mutwillig eine 
Gefahr heraufbeschwört: He tmkes snäkes, er weckt Schlangen 
auf. Viel Phantasie verrät die Redensart to have snakes in 
one's boots, Schlangen in seinen Stiefeln haben, d. h. sehr 
aufgeregt sein. Daß einer, der plötzlich in seiner Fußbeklei- 
dung eine Schlange verspürt, in große Aufregung gerät, ist 
begreiflich. (Metonymie: Ursache für Wirkung.) Analog sagt 
man im Span, von einem, der unversehens in eine gefährliche 



202 Schlange, Natter. 

Lage gerät : Una culehra se le lia, eine Natter ringelt sich nm 
ihn. Auf den gefährlichen Charakter der Schlange spielt auch 
an das deutsche Sprichwort: Den einmal die Schlange 
beißt, der fürchtet sich vor jedem gewundenen 
Seil. Genau so heißt es im Engl.: He that hos been bitten 
hy a serpeni is afraid of a rope. Ein Analogen findet sich im 
Ital.: Chi dalla serpe i punto ha paura delle lucertdU^ wer von 
der Schlange gebissen ist, fürchtet sich vor den Eidechsen, 
d. h. wer sich in eine große Gefahr begeben hat, wird so 
vorsichtig, daß er auch die kleinste Gefahr scheut — oder 
besser gesagt — selbst dort Gefahren sieht, wo keine sind. 
(Vgl. frz. Chat echaudi craint Peau froide) Obiges Sprichwort 
findet sich noch in anderer Form: Äl tempo delle serpi le 
lucertole fanno paura, zur Schlangenzeit fürchtet man sich vor 
den Eidechsen. 

Auf dem Volksglauben, daß alle Schlangen giftig seien, 
beruht das ital. Sprichwort: Ogni serpe ha ü suo veleno, jede 
Schlange hat ihr Gift, wozu sich im Franz. ein Analogen 
findet: 11 rCy a si petit serpent qui ne porte son venin^ es gibt 
keine noch so kleine Schlange, die nicht ihr Gift hätte, d. h.: 
Auch dem Sanftmütigsten geht die Geduld einmal aus. Auf die 
Tatsache, daß früher Schlangengift zu Heilzwecken verwendet 
wurde, spielt an das ital. Sprichwort: La biscia morde il dar- 
latano, die Schlange beißt den Quacksalber, was von einem 
Geschäftsmann gesagt wird, der, anstatt etwas zu verdienen, 
auch noch Schaden an der Sache hat. 

Speziell von der Wassernatter, die vorzüglich schwimmt 
und sich von Fischen nährt, ist die itaL Redensart her- 
genommen metter la serpe fra TanguiUe^ die Schlange zwischen 
die Aale setzen, wofür man deutsch sagt „den Wolf unter die 
Schafe hetzen". (Vgl. die ital. Redensart mettere le pecore in 
guardia dl lupo) Hierher zu ziehen ist femer span. culebrazo, 
womit das plötzliche Inschreckenversetzen einer Person be- 
zeichnet wird. Ursprünglich ist damit der durch den Anblick 
oder den Biß einer Schlange verursachte Schrecken gemeint^ 
dann aber wird das Wort infolge Bedeutungserweiterung auf 
jede Art plötzlichen Schreckens angewendet. 

Während die Schlange in all diesen Metaphern und 
Redensarten dem Menschen gegenüber als angreifender und 



Schlange, Natter. 203 

siegreicher Feind erscheint, spielt sie in der ital. Redensart 
andarci come la serpe aW incanto, irgendwohin gehen wie die 
Schlange zur Bezauberong (d. h. nicht ohne Argwohn und 
Widerwillen) die Rolle des Opfers. Damit wird angespielt 
auf den in ünteiitalien von den sog. incantatori*) betriebenen 
Schlangenfang. (Die Schlangen werden durch die lockenden 
Töne eines Musikinstruments in eine Art Extase versetzt und 
lassen sich in diesem Zustand leicht fangen.) 

Schließlich muß noch jener Metaphern gedacht werden, 
in denen die Schlange als Symbol der Klugheit erscheint, 
welche Auffassung eine gewisse Sympathie für das Tier durch- 
blicken läßt. Aber auch hierin trifft die Sprache, wie so oft, 
nicht das Richtige, da die Schlangen nach dem Urteil 
der Tierbiologen nicht bloß „stumpfsinnig'', sondern auch 
„stumpfgeistig" sind. Der biblische Spruch: „Seid klug wie 
die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben" beruht 
also keineswegs auf getreuer Naturbeobachtung, wenigstens 
was die erste Hälfte des Diktums betrifft. Übrigens galt die 
Schlange auch bei den Griechen und Römern als kluges Tier. Die 
auf die vermeintliche Klugheit der Schlangen Bezug nehmenden 
Metaphern sind jedenfalls unmittelbar auf obigen Spruch zu- 
rückzuführen. Dem Deutschen schlangenklug enspricht 
engl, snaky und im Span, gebraucht man das Augmentativ 
von cülebra, culebrön, für einen besonders klugen Menschen. 
Auch sagt man von einem solchen: Sabe mos que las 
culebras, er weiß mehr als die Schlangen. Ein Gegenstück 
zu culebron ist das österreichische Schlangerl, namentlich 
als liebkosender Ausdruck schalkhaften Kindern gegenüber 
gebraucht und dem schriftdeutschen „Schelm" entsprechend. 
Hierher zu ziehen ist noch ital. occhio serpentino „Schlangen- 
auge" für „kluges Auge". 

Eine hervorragende Rolle spielt die Schlange in Märchen 
und Sage, was wohl zurückzuführen ist auf ihre Bedeutung 
in der altgermanischen Mythologie. (Vgl. engl, snahe-story 
„Schlangengeschichte" für „fabelhafte Geschichte".) In vielen 
deutschen Gauen glaubt man an Hausschlangen oder Unken, 
die Goldkrönchen auf dem Haupte tragen, die Kinder be- 

*) Im Franz. wird enäormeur de couUwwres „Schlangenbezanberer" 
anch im Sinne von „Schmeichler" gebraucht. 



204 ^^ FroBcli. 

Bchfltzen und mit diesen sogar aus einem Napfe Milch trinken. 
Es macht sich hierbei bezüglich des Wesens der Schlange 
eine durchaus optimistische Auffassung geltend, die im Wider* 
sprach steht mit der sonstigen metaphorischen Verwertung 
der Schlange. In das Gebiet des Märchens gehört auch die 
riesenhafte Seeschlange, von der phantasievoUe Seefahrer ab 
und zu zu berichten wissen.'*') Hierauf beruht die meta- 
phorische Verwendung von Seeschlange, engl, sea-snäke^ 
frz. serpent de mer für eine Ifigenhafte Zeitungsnachricht 

Oanz vereinzelt steht der originelle Gebrauch von itaL 
biscia in der adv. Redensart a biscia „in Menge''. Diese 
Metapher bezieht sich auf die Eigenheit der Vipern und 
Ereuzottem, dutzendweise in einem Knäuel zusammengerollt, 
den Winterschlaf zu halten. Bei dem außerordentlichen 
Schlangenreichtum Italiens ist es nicht zu verwundern, daß 
die Schlange im Italienischen eine viel ausgiebigere meta- 
phorische Verwendung erfahr als in anderen Sprachen. 

Wenn der Pariser in seinem Argot ein schwangeres Weib 
catdeuvre „Natter'' nennt, so schwebt ihm hierbei jedenfalls die 
Ringelnatter vor, die ihre Beute lebend verzehrt und diese 
ganz wieder ausspeit, wenn sie in Schrecken versetzt wird. 



Der Frosch. 

Deutsch Frosch beruht aaf mhd. vrosch, ahd. frosk. Im 
Altengl. wurde frosk durch Metathese zu /brsc, neuengl.- 
dialektisch lautet es wie im Ahd. frosk, schriftsprachlich frog^ 
Lat. rana ist erhalten in ital.-span. rana, frz.-dialektisch raine^ 
Auf ein sapponiertes D«m. ranuculm gehen zurfick ital. ranocchio 
(häufiger als rana), altfrz. renouille, neufrz. grenouüle. (Das g 
erklärt sich darch Angleichung an graisset „Laubfrosch", von lat 
crassm „dick".)**) Hingegen ist das belegte Dim. ranunculus 
erhalten in ital ranunculo „Hahnenfaß". (Vgl. frz. grenouüleUe 
„Hahnenfuß", grenouiUet „Froschbiß".) Diese Benennung be- 

*) Die längste Seeschlange erreicht nach Brehm eine Länge von zwei 
Metern. 

**) Im Altfranz, heißt der Laubfrosch mit Anspielang auf die Farbe 
verdier {vert = grün). 



Der Frosch. 206 

ruht auf dem Vorkommen der Pflanze in sumpfigem Terrain, 
das die Domäne der Frösche ist. 

Was zunächst die auf das Äußere des Frosches bezüg- 
lichen Metaphern betrifft, so ist im Deutschen von den her- 
vorstehenden Augen des Frosches hergenommen die Metapher 
Froschaugen, die sich auch im Franz. findet (avoir les yeux 
comme la grenouüle; vgl. span. ojos de sapo „Krötenaugen"). — 
Mit Anspielung auf die kugeligen Schaliblasen des Frosches, 
die beim Schreien anschwellen, nennt man im Deutschen einen 
«ingebildeten Menschen einen aufgeblasenen Frosch. 
(Vgl. ital. gonfio come un ranocchio.) Es ist dies eine Re- 
miniszenz an die auch von Lafontaine behandelte Phaedrus- 
fabel vom Frosch, der groß werden wollte wie ein Ochs und 
sich solange aufblähte, bis er barst. Übrigens sagt schon 
Petronius von einem Großtuer : Inflat se tamquam rana, er bläht 
sich auf wie ein Frosch. (Vgl. Borchardt- Wustmann, Sprich- 
wörtliche Redensarten, pag. 31.) — Auf die nackte Haut des 
Frosches bezieht sich die span. Redensart: Cuando la rana 
tenga pelos, (etwas wird geschehen), wenn der Frosch Haare 
haben wird, d. h. nie und nimmer.*) (Vgl. engl, to be fuU 
of money as a toad of feathers; frz. Hre fourni (Pargent comme 
le crapaud de plumes.) Gleichfalls im negativen Sinne be- 
zieht sich auf das Äußere des Frosches die deutsche Redens- 
art: Er kann nichts dafür, daß die Frösche keine 
Schwänze haben, die im Sinne von „Er hat das Pulver 
nicht erfunden" gebraucht wird und sich genau so im Franz. 
findet: II rCest pas cause que les grenouiUes n'ont pas de queue. 
Nach Rozan (Les animaux dans les proverbes, II, pag. 289) 
beruht diese merkwürdige Redensart darauf, daß das Schwinden 
des Schwanzes beim Frosche vom Volk als eine Art Wunder 
betrachtet wird. — Mit Bezug auf die Froscharten, die der 
Zähne ermangeln — andere haben Hakenzähne — gebraucht 
■der Italiener das Sprichwort: II ranocchio non morden percM 
non ha denti, der Frosch beißt nicht, weil er keine Zähne hat, 
4. h. mancher tut nur deshalb nichts Böses, weil ihm die 
Macht dazu fehlt. — Auf der Ähnlichkeit mit der Gestalt 



*) Dafür sagt man anch: Cuando la rana crie^ wenn der Frosch 
säugen wird. 



206 ^er Frosch. 

eines Frosches bernht im Engl, die Bezeichnung frog für den 
Schnurverschluß eines Mantels, bestehend aus einem mit Posa- 
menten besetzten großen Knopf und einer Schlinge. Im Plural 
wird das Wort mit Bedeutungserweiterung für die Ver- 
schnürungen der Bockbrust überhaupt gebraucht (Daher 
to frog = mit Schnüren besetzen.) Hierher gehört auch 
der franz. Argotausdruck grenouille als Bezeichnung einer 
Vereinskasse. Diese auf den ersten Blick rätselhaft scheinende 
Metapher wird sofort verständlich, wenn man sich daran er- 
innert, daß in Frankreich für Kinder Sparbüchsen in Frosch- 
gestalt üblich sind. Geht der Kassierer mit der Vereinskasse 
durch, so sagt der Franzose logischerweise : 11 a fait sauter la 
grenouille, er hat den Frosch springen lassen, oder wohl auch : 
II a mavge la grenouille, er hat den Frosch gegessen. (VgL 
Rozan, Les animaux dans les proverbes, II, pag. 287 ff.) Was 
übrigens die Redensart faire sauter la grenouille betrifft, so 
wäre man beinahe geneigt, sie in Zusammenhang zu bringen 
mit der im Verbrecherargot üblichen Verwendung von crapaud 
„Kröte" im Sinne von „Vorlegeschloß", zumal auch in süd- 
slavischen Dialekten das Vorlegeschloß mit zabica „Fröschchen" 
bezeichnet wird. (Tertium comp.: das Aufspringen.) Auf 
soliderer Basis ruht jedoch zweifelsohne die erste Erklärung. 
— Schließlich wird im Franz. nach der gesprenkelten Färbung 
des Frosches eine Art ähnlich gefärbter Apfel reinette „Frösch- 
chen" genannt. (Dim. von dial. raine „Frosch", angeglichen 
an reine „Königin".) Darauf beruht auch die im Argot übliche 
Bezeichnung grenouilles für „Sommersprossen". 

Daß der Frosch als häßliches Tier gilt, geht hervor aus 
dem frz. Sprichwort: II n'y a pas de grenouille qui ne trouve 
pas son crapaud, es gibt keinen Frosch, der nicht seine Kröte 
fände, d. h. es gibt kein Weib, das so häßlich wäre, daß es 
nicht einen noch häßlicheren Mann fände, der froh ist, wenn 
es ihn erhört. 

Charakteristisch für den Frosch ist die Art der Fort- 
bewegung, die in einem ruckweisen Springen besteht. Daher 
wird der Frosch in Westfalen geradezu höpper „Hüpfer" *) ge- 



*) Ober die plattdentschen Froschnamen höpper, padde, pogge, lorkf 
ütschCf quäk nsw. vgl. Schwartz, Die yolkstüml. Namen für Kröte, Frosch 



Der Frosch. 207 

nannt. Vom Hüpfen des Frosches hergenommen ist ferner die 
Bezeichnung Froschspringen (vgl. engl. feap-Zrogr „Spring- 
frosch") für ein Hüpfen in gebückter Stellung. Analog wird 
im Waadtland das sonst franz. saut-de-motdon „Bocksprung" 
genannte Kinderspiel mit jeu de la grenouiUe „Froschspiel" 
bezeichnet. (Vgl. Rolland, Faune pop., III, pag. 73, 17.) Wenn 
im Deutschen und Engl, in der Pyrotechnik ein mit Pulver ge- 
fülltes Papier, das angezündet umherspringt, Frosch, bzw. frag, 
genannt wird, so ist das tertium comparationis gleichfalls 
das Hüpfen. Der Franzose gebraucht hierfür analogerweise 
grenouüUre „Froschquappe". Ebenso beruht auf dem Vergleich 
mit der stoßweisen Fortbewegung des Frosches die im engh 
Cant gebräuchliche Bezeichnung frog's-march „Froschmarsch" 
fär die Beförderung eines widerspenstigen Arrestanten. 
Ähnlich sagt man im Ital. von einer Person mit hüpfender 
Gangart: Va a sdlti come i ranocchi, sie geht sprungweise wie 
die Frösche. (Vgl. deutsch hüpfen wie der Frosch 
im Mondschein.) Die im frz. Argot übliche Bezeichnung 
grenouiUe für „Fehler" dürfte sich ebenfalls auf das Springen 
des Frosches beziehen. Fehler beruhen meist auf Gedanken- 
sprüngen. (Vgl. Redensarten wie „etwas überspringen", „eine 
sprunghafte Darstellung".) Die ital. Redensart aver delle 
rane nella tesfa für „nicht ganz normal sein" gehört ebenfalls 
hierher. Die wirren Gedanken werden mit umherspringenden 
Fröschen verglichen. (Vgl. engl. -franz. „Ratten im Kopfe 
haben".) Auch viele Insektennamen werden so gebraucht. 

Vom Froschgequake hergenommen ist die Redensart einen 
Frosch in der Kehle haben, d. h. heiser sein, wozu 
sich im amerikanischen Engl, ein Analogen findet: to have a 
frog in iJie Üiroaf. Davon ist abgeleitet froggy „heiser". Analog 
sagt der Italiener von einem, dem der Magen knurrt : Pare che 
dbhia tma rana nel corpo, er scheint einen Frosch im Leib zu 
haben. Wenn in der deutschen Soldatensprache der falsche 
Ton* des Hornisten „Frosch" genannt wird (vgl. frz. couac = 
quak), so beruht diese Bezeichnung auf Metonymie, indem 
der Name des Tieres für dessen lautliche Betätigung ge- 



nnd Begenwurm in Norddentschland nach ihren landschaftl. Gruppierungen 
in Zeitschrift des Vereins f. Volkskunde, V, pag. 246 ff. 



208 I)«r Frosch. 

setzt wird. (Vgl. im amerikauischen Engl, tiger für „Tiger- 
gebnill^.) Schließlich wird im Pariser Argot ein geschwätziges 
Weib häufig als grenouüle bezeichnet. (Über grenouiUe = 
Dirne siehe pag. 210) 

Die besprochenen Metaphern und Redensarten beziehen 
sich auf den ITrosch im allgemeinen; doch hat der Wasser- 
frosch speziell der Sprache einige Redensarten und Metaphern 
geliefert. So nennt der englische Matrose die Holländer frag- 
landers „Froschländer'^ mit Anspielung auf die morastige Be- 
schaffenheit ihres Landes. Wo viel Moräste sind, gibt's viel 
Frösche.*) Hierher gehört femer das itaL Sprichwort: Bana 
di palude sempre salva, solange der Frosch im Teiche bleibt^ 
ist er sicher, d. h. wer Gefahren scheut, der bleibe zu Hause. 
Daß der Sumpf die Heimat des Frosches ist, besagt auch das 
deutsche Sprichwort : Setz' einen Frosch auf gold'nen 
Stuhl, er hüpft doch wieder in den Pfuhl. Hierzu 
bieten das Engl, und Ital. Analoga: The frog cannot out of 
her bog, der Frosch kann nicht aus seinem Sumpf. — Non i 
possibile cavare il ranocchio dal pantano, es ist nicht möglich, 
den Frosch aus dem Sumpf herauszukriegen. Als Wassertier 
xaT* €§oxr]v erscheint der Frosch im franz. Argot. Wenn 
jemand zu viel Wasser trinkt, ruft man ihm warnend zu: Tu 
attraperas des grenouilles, du wirst Frösche (im Magen) be- 
kommen, und läßt sich im Unterleibe eines begeisterten Wasser- 
trinkers ein verdächtiges Glucksen vernehmen, so sagt man 
von ihm : II a des grenouilles dans le venire, er hat Frösche im 
Hauch. Demgemäß nennt der Franzose das Wasser scherz- 
weise sirop de grenouilles „Froschsyrup". (Vgl. deutsch „Gänse- 
wein".) Einen Wassertrinker nennt er grenouiUard. (VgL 
ioire comme une grenouüle,**) trinken wie ein Frosch, d. h. zu 
viel Wasser trinken.) Grenouillard wird ebenfalls auf einen 
Liebhaber von Flußbädern angewendet, wie denn auch für 
eine Badeanstalt der Ausdruck grenouülere gebraucht wird. 



*) Vgl. im Franz. die scherzhaften Benennungen des Frosches: 
roBsignol des marais „Sumpfnachtigall'', rossignol de Hollande „holländische 
NachtigaU". 

**) Auch grenouiller; Rolland, Faune pop., III, 66, 3, zitiert femer 
faire le metier de grenouille, das Froschgeschäft betreiben. Diese Redensart 
wendet man auf Zechbrüder an, die trinken und schwatzen wie die Frosche. 



Der Frosch. 209 

Da die Frösche wie alle Lurche kaltes Blut haben und 
sich daher kalt anfühlen, gebraucht man im Deutschen den 
Vergleich kalt wie ein Frosch. 

Auf die kulinarische Verwendbarkeit des Frosches — 
Froschkeulen gelten als Leckerbissen — bezieht sich der 
Spottname frog-eater „Froschfresser", den die Engländer, die 
keine Froschliebhaber zu sein scheinen, den Franzosen bei- 
gelegt haben. Bekanntlich werden die Spitznamen der 
einzelnen- Völker gern von ihren Lieblingsspeisen entlehnt. 
(Vgl. Jack Pudding, Pickelhering, Jean Potage, Maccaroni, 
Hans Wurst.) Hiermit ist nicht zu verwechseln der alte 
Spottname frogs (franz. Jean Grenouille), mit dem seinerzeit 
die Franzosen und speziell die Pariser mit Bezug auf die drei 
Frösche oder Kröten im alten Wappen der Stadt Paris benannt 
wurden. (Vgl. Brewer, Dict. of Phrase and Fable, pag. 320.) 
Daß die Frösche auf dieselbe Weise wie die Fische, nämlich 
mit einem Köder, gefangen werden, erhellt aus der ital. Redens- 
art pigliar älcuno dl boccone come la rana, jemd. wie den Frosch 
mit dem Köder fangen, d. h. jemd. durch Versprechungen und 
Geschenke berücken. 

Der Frosch ist infolge seiner vollständigen Wehrlosigkeit 
ein sehr furchtsames Tier und gerät bei dem geringsten An- 
zeichen von Gefahr in größten Schrecken; daher ist er das 
Symbol zunächst der Feigheit und dann der moralischen oder 
sozialen Minderwertigkeit überhaupt. So sagt z. B. schon 
Petronius von einem Mann, der aus niederem Stande zu hohem 
Ansehen gelangte : Qui fuit rana, nunc est reXj der ein Frosch 
war, ist jetzt König. Auch der Spanier meint von einem, 
dessen Tüchtigkeit man unterschätzt : No es rana, er ist kein 
Frosch, d. h. es steckt mehr hinter ihm als man glaubt Im 
Deutschen sagt man zu jemd., der bei einem Unternehmen, 
das Mut oder mindestens Energie erfordert, nicht mittun will : 
Sei doch kein Frosch! Ähnlich drückt der Wiener 
„Strizzi" seinen Gegnern seine Geringschätzung aus, indem er 
ihnen herausfordernd zuruft : „Da müssen Leut' kommen, 
aber keine Frosch'". Analog bezeichnet der deutsche 
Universitätsstudent im Gefühl seiner Vollwertigkeit den 
armen Pennäler als „Frosch". Als Symbol der Schwäche und 
Ohnmacht wird der Frosch zum mächtigen Adler in Gegen* 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 14 



210 I>ie Kröte. 

Satz gebracht im ital. Sprichwort: L'aquik non fanno guerra 
ai ranocdd*) die Adler fuhren nicht Krieg mit den Fröschen, 
d. h. der Starke hält es unter seiner Würde, den Schwachen 
zu bekämpfen. Im selben Sinne sagt man im Ital.: II hone 
non piglia mosche^ der Löwe (deutsch: Adler) fängt keine Fliegen» 
Im Franz. erscheint grenouüle als verächtliche Bezeichnung 
für intellektuell oder moralisch niedrigstehende weibliche Wesen. 
Namentlich wird das Wort auf Kokotten angewendet, wozu 
das altgriechische g)Qvvr] „Kröte" als Hetärenname ein inter- 
essantes Analogen bietet. Treffend nennt der Pariser die von 
solchen Damen besuchten Kaffeehäuser aquariums. 



Die Kröte. 

Deutsch Kröte beruht auf ahd., mhd. krota, welche Form 
sich in oberdeutschen Dialekten als Krot erhalten hat. Das 
Englische besitzt zwei Ausdrücke für „Kröte": toad aus alt- 
engl, tddie und paddock aus altnordisch padda, wovon nieder- 
deutsch Padde.**) Was die romanischen Sprachen betrifft, 
so ist auffallend, daß lat. bufo in keiner derselben weiterlebt^ 
und daß sie überhaupt keine gemeinsame Bezeichnung für das 
Tier besitzen. Ital. rospo führt man auf ein von ruspare 
„kratzen" gebildetes hypothetisches rüspidus „rauh, kratzig"^ 
zurück. Somit wäre rospo „das Tier mit der rauhen Haut". 
(Vgl. frz. peau de crapaud „Krötenhaut" = peau rugmuse „rauhe 
Haut".) Dazu stimmt die Ableitung des span. escuerzo „Kröte" 
von suppon. lat. excortkare „abrinden, abschälen", aus cortex^ 
„Binde". Das häufiger gebrauchte span. sapo ist baskischen 
Ursprungs. Im Ital. kommt neben rospo botta vor, das man 
mit botta „Stoß, Hieb, Stich" zusammengestellt und dem- 
gemäß von germ. bötan „schlagen, stoßen" abgeleitet hat. Es^ 
wäre demnach die Kröte „das stechende, bzw. beißende Tier" 
und tatsächlich gilt im Volksglauben die Kröte als giftigea 



*) Umgekehrt heißt es: 1 granchi vogliono mordere le balene, die 
Krehse wollen die Walfische beißen. 

**) Bezüglich der niederdeutschen Krötennamen, die vielfach mit den. 
Benennungen des Frosches identisch sind, vgl. pag. 206, Anm. 



Die Kröte. 211 

Tier, vor deren Biß man sich hüten müsse.*) Frz. crapomd 
führt man auf altengl. creöpan „kriechen" zurück. 

Die Eröte ist in allen Kultursprachen das Symbol der 
absehen- und ekelerregenden Häßlichkeit. Die warzige Haut, 
der schwerfällige Gang, namentlich aber der widerliche Geruch, 
den das Tier in gereiztem Zustand verbreitet, sind hinreichende 
Gründe für diese Auffassung.**) Daß, wie schon oben erwähnt, 
die Kröte im Volke für giftig gilt, erhellt ganz deutlich aus 
dem Span. Sprichwort: Antano me mordio el sapo, y hogano me 
se inchö el papo, wörtl. : Voriges Jahr biß mich die Kröte und 
heuer schwoll mir der Kropf an. (Dies Sprichwort wird an- 
gewendet auf einen, der zeitlich weit auseinanderliegende Er- 
eignisse in kausalen Zusammenhang zu bringen sucht.) Hierzu 
stimmt im Engl, die Bezeichnung einer gewissen Art von 
Giftschwämmen als toadstool „Krötenstuhl". 

Als plumpes, schwerfälliges Tier erscheint die Kröte zu- 
nächst in den romanischen Sprachen. So sagt der Italiener 
von einer dicken Person : Pare una boUa, der Spanier ebenso : 
Parece un sapo, sie gleicht einer Kröte. Mit Bezug auf die 
charakteristische, halb hüpfende, halb humpelnde Fortbe- 
wegungsart der Kröte***) nennt der Italiener einen Tanz auf 
den Fußspitzen und in hockender Stellung (vgl. niederdeutsch 
hucksche = Kröte) il hallo delle hotte „Krötentanz". (Vgl. deutsch 
Froschspringen, engl, leap-frog, franz. jeu de la grenouüle,) So 
heißt es auch im Franz. von einem, der unbeholfen springt: 
II saute comme un crapaiid, er springt wie eine Kröte, und 
treffend bezeichnet der Londoner die sogenannten wandern- 
den Anzeigen als toads. Vom Äußeren der Kröte ist ferner 
hergenommen im Franz. der Gebrauch von crapaud für ein 
kleines, niedriges Fauteuil, in dem eine lebhafte Phantasie 
mit einigem guten Willen eine entfernte Ähnlichkeit mit 



*) Im Pfälzischen hört man die Verwünschung: Dich soll aber 
doch die Erott petzen (= zwicken). (Vgl. Heeger, Tiere im pf&lz. 
Volksmunde, 2. Teil, pag. 13.) 

**) Eine gewisse gemütliche Anteilnahme an der hart bedrängten 
Existenz der vielgeschmähten Kröte yerrät die im Lothringischen übliche 
Bezeichnung dieses Tieres : paure (= pauvre) komme „armer Mann". (Vgl. 
KoUandy Faune pop., HI, pag. 47.) 

***) Vgl. im Pfälzischen krotteln für „kriechen". 

14* 



212 I>ie Kröte. 

einer hockenden Kröte erkennen kann. Mit mehr Becht 
vergleicht der Franzose eine aufgeschnittene, am Bost ge- 
bratene Taube mit einer Kröte (pigeon ä la crapaudine). Mit 
Bezug auf die breiten Füße der Kröte nennt der französische 
Infanterist seine Epauletten pattes de crapaud „Krötenpfoten". 

Auf eine andere physische Eigenheit der Kröte, die sie 
allerdings mit allen Lurchen teilt, nämlich die feuchtkalte 
Haut, bezieht sich der engl. Vergleich as cold as a paddock, 
kalt wie eine Kröte (vgl. deutsch: kalt wie ein Frosch), 
während auf die Nacktheit der Haut angespielt wird in 
der engl, sprichwörtlichen Bedensart to be füll of money 
as a toad of feathers. Ebenso sagt der Franzose itre charge 
d^argent comme un crapatui de plumes, mit Geld beladen 
sein wie eine Kröte mit Federn, d. h. keinen Kreuzer Geld 
haben. Vom Äußeren der Kröte hergenommen ist auch im 
Span, die Bezeichnung qjos de sapo „Krötenaugen" für her- 
vorstehende Augen. (Vgl. deutsch „Froschaugen".) Auf die 
Färbung der Augen, die eine glänzend orangerote Begenbogen- 
haut haben, bezieht sich der frz. Argotausdruck ml de crapaud 
„Krötenauge" für Goldstuck. (VgL ital. occhio di civetta.) Wenn 
im Deutschen (provinziell) „Kröte" selbst für „Geld" gesagt 
wird, so hat man darin eine Metonymie (Ganzes für den Teil) 
zu erblicken. 

Die Häßlichkeit des Tieres sowie sein Verweilen an un- 
reinen Orten erklären das franz. Schimpfwort vilain crapaud^ 
garstige Kröte, womit im Engl, dirty toad, schmutzige Kröte, 
als Bezeichnung eines schmutzigen Weibes sowie das Adjektiv 
toady in der Bedeutung „häßlich" zu vergleichen sind. Hier- 
her gehört femer frz. crapaudiire „Schmutzloch". Keines- 
wegs appetitanregend ist daher die engl. Bezeichnung toad in 
a hole „Kröte in der Höhle" für eine Fleischpastete. 

Die Kröte dient auch als Symbol moralischer Häß- 
lichkeit. So nennt der Deutsche eine boshafte Person gern 
eine giftige Kröte und gebraucht das Adj. krötig im 
Sinne von „boshaft". Analog bezeichnet der Engländer einen 
gemeinen Menschen mit nasty toad, ekelhafte Kröte, und 
wendet auf einen, der seinen Zorn in giftigen Worten ausläßt, 
die Bedensart an: He swells like a toad, er schwillt an wie 
eine Kröte. Der Franzose sagt mit Bezug auf die einsame, 



Die Kröte. 213 

menschenscheue Lebensweise des Tieres von einem knickerig 
und duckmäuserig lebenden Menschen: II fait crapaud^ er 
macht's wie die Kröte. Hierher gehört auch die im franz. 
Kasernenargot übliche Kedensart boire en crapaud, nach Kröten- 
art, d. h. allein trinken. Analog bezeichnet man im Ital. einen 
unumgänglichen Menschen mit rospo. 

Im verächtlichen Sinne, manchmal ohne die Nebenbe- 
deutung des Häßlichen, gebraucht man „Kröte^' für Kinder 
und schwache Menschen, so namentlich im Deutschen. Im 
bayrisch - österreichischen Dialekt ist Krot eines der be- 
liebtesten Schimpfwörter,*) im Ital. tituliert man kleine Kinder 
gern mit rospäti oder rospacci und auch der Pariser Lehr- 
junge muß sich die Bezeichnung crapaud gefallen lassen. Das 
Diminutiv von crapaud, crapomsin, wird gleichfalls auf kleine 
Kinder angewendet. (Vgl. pfalz. krottig = klein.) Auch der 
Spanier bezeichnet mit escuerzo einen feigen oder schwachen 
Menschen und der Engländer sagt von einem, der in großer 
Angst ist : He is like a toad under the harrow, er gleicht einer 
Kröte unter der Egge. Ebenso wird in einem ital. Sprich- 
wort die Angst der Kröte vor der Egge metaphorisch . ver- 
wertet : Senza ritorno, come disse Ja botta alP erpice, ohne Wieder- 
kehr, wie die Kröte zur Egge sagte. Dieses Diktum wendet 
man auf einen an, der von einer Person Abschied nimmt, die 
er nicht wiederzusehen wünscht. 

Der unüberwindliche Ekel, den uns die Kröte einflößt, 
kommt zum Ausdruck in der frz. Redensart amier un crapaud, 
eine Kröte verschlucken, das dem deutschen „in den sauren 
Apfel beißen" entspricht. (Vgl. das deutsche Sprichwort: 
Wer eine Kröte fressen will, muß sie nicht lang 
besehen.) Ebenso erscheint dem Engländer der Genuß 
von Kröten als der Gipfel des Ekelhaften und er wendet 
daher toad-eater „Krötenfresser" als härtesten Ausdruck für 
Schmarotzer und Schmeichler an. To eat toads for a person, 
jemd. zulieb Kröten fressen, entspricht unserem „Speichel- 
lecken". Davon toady „Speichellecker" und die Redensart 
to toad oneself into favour, sich bei jemd. einschmeicheln. 
Ein Analogen hierzu bietet die ital. Redensart dar Ja zampa 

*) Heeger, Tiere im pfälz. Volksmnnde, 2. Teil, pag. 13, zitiert Lans- 
krott und Arschkrott. 



214 ^®f Fisch im aligemeinen. 

deUa boüa, die KrStenpfote geben, d. h. sich bei jemd. in 
Gunst setzen. 

Der Spanier vergleicht Schimpfreden, die jemand in großer 
Wut ausstößt, mit Eroten in der Redensart echar sapas y 
cuUbraSj Kröten und Schlangen speien,"^) was auch „Unsinn 
sprechen" bedeuten kann. (Vgl. portug. dvser aapos e sara- 
mantigas contra cdg,, Kröten und Salamander gegen jemd. sagen. 
Analog wird im Portug. dizer cobras [Nattern] e lagartos [Ei- 
dechsen] gebraucht) 

Eine eigentümliche, im Zusammenhange mit dem Vorher- 
gehenden jedoch leicht verständliche Redensart liegt vor in 
span. pisar sapos, auf Kröten gehen, was man von einem sagt, 
der sich aus Furcht vor schlechtem Ausgange nicht in Unter- 
nehmungen einzulassen wagt, im besonderen aber auf solche 
Leute anwendet, die sich in der Frühe schwer von ihrem 
Bette trennen, gleichsam als fürchteten sie, beim Aufstehen 
auf eine Kröte zu treten. So pflegt man auch im Patois von 
Metz zu einem Spätaufsteher zu sagen : II tCy a aucun danger 
que tu marches sur les crapauds, es ist keine Gefahr, daß du 
auf Kröten trittst. (VgL Kolland, Faune pop., III, pag. 48, 11.) 

Von der stimmlichen Betätigung der Feuerkröte (frz. 
crapaud sonnant), die einen dem Gequak der Frösche ähnlichen 
Kuf erschallen läßt, hergenommen ist der frz. Argotausdruck 
crapavder „schreien". 



Der Fisch im allgemeinen. 

Deutsch Fisch und engl fish **) gehen beide auf ahd., bzw. 
altengl. fisc zurück, das seinerseits wieder auf germ. fiska-z 
aus vorgerm. pisko-s beruht. Dieses ist verwandt mit lat. 
piscis, das im Ital. pesce, im Span, peis ergab, während frz. 
poisson aus dem Augmentativ piscio hervorging. 



*) Das Motiv des Erötenspeiens findet sich häufig in Märchen und 
Sagen. (Vgl. Sebülot, Le Folklore de France, HI, pag. 296 f.) 

**) Fish in der Bedentang „Spielmarke" ist nur volksetymologisch an 
den Namen des Tieres angeglichen, in Wirklichkeit ist es das frz. ficht = 
Spielmarke. (Vgl. Andresen, Über deutsche Volksetymologie, 5. Aufl., 
pag. 3a5.) 



Der Fisch im allgemeinen. 215 

Von Metaphern, die sich auf das Äußere des Fisches be- 
ziehen, ist zunächst anzuführen ital. pesce als Bezeichnung 
des Oberarmmuskels. Der Gebrauch von Tiemamen zur Be- 
nennung von Körperteilen, besonders Muskeln, ist in den 
romanischen Sprachen nichts Unerhörtes. (Vgl. lat. musculusy 
span. lagarto, frz. souri^). — Der Eindruck dummen Glotzens, 
den die Augen des Fisches machen (daher neugierig wie 
ein Fisch), rechtfertigen den Gebrauch von engl. /isÄ- 
eyes „Fischaugen" für blöde, ausdruckslose Augen. Die frz. 
Bedensart: Ceia finit en queue de poisson, das endigt in einen 
Fischschwanz, die man namentlich auf ein Kunstwerk an- 
wendet, dessen Ende dem verheißungsvollen Anfang nicht 
entspricht, dürfte auf die märchenhaften Gestalten der Wasser- 
nixen zurückzuführen sein, bei denen der berückend schöne 
Oberleib in einen Fischschwanz endigt. (Vgl. die Geschichte 
der schönen Melusine.) Eine andere Erklärung gibt Bozan, 
Les animaux dans les proverbes, II, pag. 337 flF. — Da den 
Fischen jede stimmliche Betätigung versagt ist, so ist der 
Vergleich stumm wie ein Fisch, engl, mute as a fish, ital. 
muto come un pesce, frz. mt^et cmnme un poisson ohne weiteres 
klar. — Mit Bezug auf die geringe Intelligenz der Fische 
sagt man im Deutschen von einem törichten Menschen, er sei 
einfältig wie ein Fisch. (Vgl. im älteren Ital. niwvo 
pesce und port. peixote für „Dummkopf" sowie im span. Schüler- 
argot p«^ als Bezeichnung eines schlechten Schülers.) — An- 
spielend auf das kalte (naturhistorisch gesprochen: wechsel- 
warme) Blut der Fische nennt man einen Phlegmatiker fisch- 
blütig. (Vgl. engl, cool fish, kühler Fisch = kaltblütiger Mensch.) 

Daß das Wasser ausschließlich das Element des Fisches 
ist, kommt in verschiedenen metaphorischen Wendungen zum 
Ausdruck. So bezeichnet der Vergleich gesund wie ein 
Fisch im Wasser, iUA. sano come un pesce nelV acqua, den 
höchsten Grad physischen Wohlbefindens. Der Fisch fühlt 
sich eben nur im Wasser wohl, da es seine Existenzbedingung 
ist. Mit derselben Behendigkeit, mit der der Vogel die Luft 
durchschneidet, schießt der Fisch im Wasser dahin. Daher 
ital.: svelto come un pesce, flink wie ein Fisch. Bagnato come 
un pesce, naß wie ein Fisch, erklärt sich von selbst. Auf das 
Ethische übertragen, wird das Bild vom Fisch im Wasser 



216 ^^^ Fisch im allgemeinen. 

als Symbol psychischen Wohlbefindens angewendet. Wenn 
z. B. Heine von Paris sagt, er fohle sich daselbst wie der 
Fisch im Wasser, so meint er damit, daß Paiis f&r ihn 
als Großstadtmenschen nnd Franzosenfrennd alle die geistigen 
Lebensbedingungen vereine, deren seine Seele bedurfte. Auch 
den anderen Eultursprachen ist dieses Bild geläufig, allerdings 
kommt es häufig negativ zum Ausdruck, indem von jemand, 
der sich irgendwo nicht in seinem Element fahlt^ gesagt wird, 
er sei wie der Fisch außer dem Wasser; so auch engl: 
to he like a fish out of ihe water, ital. : essere come un pesce ftwr 
dett'(KqfM. Hierzu positiv span. : estdr como el pez en el agua^ 
frz.: ^re comme le paisson dans Veau. 

Auf den Fisch in seiner Eigenschaft als Wassertier be- 
zieht sich femer die Redensart schwimmen wie ein Fisch, 
die sich in allen Sprachen findet Hierher gehört auch das 
portug. Sprichwort: FiOio de peixe sabe nadar, der Sohn eines 
Fisches kann schwimmen, das dem Deutschen „Art läßt nicht 
von Art" entspricht. Daß Fisch und Schwimmen zwei un- 
zertrennliche Begriffe sind, kommt zum Ausdruck in der 
itaL Redensart insegnar nuotar ai pesci, den Fischen das 
Schwimmen beibringen, was von jemand gesagt wird, der seine 
Weisheit an unrechter Stelle an den Mann bringen will. So 
fordert auch der Wirt den Gast, dem er Fische vorgesetzt, 
zum Trinken auf, indem er scherzend meint: Der Fisch 
will schwimmen. (Vgl. lat. pisces natare oportet) Analog 
sagt der Franzose wortspielend : Poisson sans boisson est poison, 
Fisch ohne Getränke ist Gift, und der Italiener: Su pesd, 
mesd, auf Fische mische (d. h. Wein mit Wasser).*) Hierher 
gehört noch die ital. Redensart andar a bastonar i pesci, die 
Fische prügeln gehen (von einem, der zur Galeerenstrafe 
verurteilt wurde). Mit dem Prügeln der Fische ist das 
Rudern gemeint. Ab und zu mag es geschehen, daß ein un- 
vorsichtiger Fisch von einem Ruder einen Klaps bekommt. 
Ein Seitenstück zur ital. Redensart bietet das Englische. Von 
«inem Seekranken, der den Inhalt seines empörten Magens 
den Fluten übergibt, sagt der Engländer scherzend: He feeds 
{he fish, ex futtert die Fische. 

*) Die Italiener, wie alle Komanen, trinken bei den Mahlzeiten den 
Wein nur mit Wasser. 



Der Fisch im allgemeinen. 217 

Die große Bedeutung des Fisches für den Menschen 
kommt zum Ausdruck in den auf den Fischfang bezüglichen 
Metaphern. MiUionen von Menschen nähren sich ausschließlich 
von Fischen und in dem Leben der Strandbewohner spielt 
der Fischfang und alles, was damit zusammenhängt, dieselbe 
Rolle wie für den Bewohner des Binnenlandes der Ackerbau 
oder die Viehzucht. Es ist daher nur natürlich, daß in allen 
Sprachen in Hülle und Fülle Metaphern vorhanden sind, die 
auf dem Fischfange beruhen. Ebenso ist es erklärlich, daß 
diese Tätigkeit mit einem eigenen Worte bezeichnet wird. 
So entspricht dem deutschen fischen engl, to fish, ital. 
pescare^ span. pescar, frz. pScher. Diese Verba haben in 
allen Sprachen analoge Bedeutungsentwicklungen erfahren. 
Zunächst ihrem Wortsinne nach nur für das Fangen von 
Fischen gebraucht, werden sie durch Begriflfserweiterung 
auf andere Tiere oder Dinge und schließlich metaphorisch 
auf Gegenstände angewendet, die man durch List in seine 
Gewalt zu bekommen sucht. Das Verhältnis vom Fischer 
zum Fisch wird sogar auf Personen übertragen. So sagt man 
z. B. im Deutschen von dem bevorzugten Bewerber um die 
Gunst, bzw. Hand eines Mädchens, er habe sie einem 
anderen weggefischt. Mit dieser Redensart hängt zu- 
sammen die Bezeichnung Goldfisch für ein reiches Mäd- 
chen (mit Anspielung auf eine allbekannte Fischspezies). Mit 
Bezug einerseits auf sein Apostelamt, andererseits auf sein 
ehemaliges Gewerbe wird Petrus in der heil. Schrift Menschen- 
fischer genannt. 

Vielfach ist der Fisch Symbol des Gewinnes, so z. B. im 
span. Sprichwort: Pescador que pesca un pez, pescador es, ein 
Fischer, der auch nur einen Fisch fängt, ist immerhin ein 
Fischer, womit man jemand tröstet, der nur einen geringen 
Teil von dem Angestrebten erreicht. Auch im Franz. findet 
sich dieses Sprichwort : Toujours peche, qui en prend un. Hin- 
gegen tadelt der Italiener den Untätigen mit dem Sprichwort: 
Chi dorme non piglia pesci, wer schläft, fängt keine Fische. 
Der praktische Sinn des Engländers verrät sich in dem Sprich- 
wort: AU is fish that comes to net. Alles ist Fisch, was ins 
Netz kommt, d. h. man kann aus allem Vorteil ziehen. Einen 
ähnlichen Sinn hat das span. Sprichwort: Salga pez o sdlga 



218 ^^^ Fisch im allgemeinen. 

rana^ d Ja capacha^ beißt ein Fisch oder ein Frosch an, in den 
Korb damit. Häufig wird die Redensart im Sinne von „auf 
gut Glück^ gebraucht. Auf dem Umstände, daß zuweilen 
zum Fangen größerer Fische kleinere als Köder benutzt werden, 
beruht die engl. Redensart to venture a smaU fish to catch a 
great one, die sich auch im Franz. findet : donner un petit paisson 
pour en avoir un gros^ einen kleinen Fisch preisgeben, um 
einen großen zu fangen, d. h. einen kleinen Vorteil im Interesse 
eines größeren opfern. (Vgl. deutsch: mit der Wurst nach 
der Speckseite werfen.) Vom Fischfang mittels Reusen her- 
genommen ist der engl. Ausdruck a pretty kettle of fish, eine 
schöne Reuse von Fischen (kettle ist hier = kiddk „Reuse"), 
d. h. ein „schönes Durcheinander" mit Anspielung auf die in 
der Reuse durcheinanderwimmelnden Fische. 

Ein Streben nach unlauterem Gewinn wird im Deutschen 
bezeichnet mit der Redensart im Trüben fischen, die 
sich auch in den anderen Kultursprachen findet: engl, to fish 
in troubled water ^ ital. pescar nel torbido, frz. pecher en eau 
trouble. Borchardt- Wustmann, Sprich wörtl. Redensarten, pag. 150, 
erklärt: „Im Trüben fischen — s. v. w. heimlich seinen Vor- 
teil suchen, eine allgemeine Verwirrung benutzen, um unge- 
sehen, wie der Fischer, wenn das Wasser trübe ist, etwas zu 
gewinnen". Hierher gehört femer die ital. Redensart pescar 
per sd, für sich fischen (d. h. die gefangenen Fische für sich 
behalten), was auf jemd. angewendet wird, der nur auf seinen 
eigenen Vorteil bedacht ist. 

Im Ital. und Franz. wird „fischen" auch für ein geistiges 
Erlangen gebraucht, so z. B. in der oft gehörten Frage: 
Dave hai pescato questa notizia? — Oü as-tu p^chi cette nouvelle? 
Wo hast du diese Nachricht aufgefischt? Einem lästigen 
Frager antwortet man im Ital. nicht selten: V^atteT a pesca 
(dialektisch für pescare), geh dir's fischen ! Ebenso sagt der 
Italiener von einer Rede, die ihm unverständlich ist : In questo 
discorso non ci pesco nulla, in dieser Rede fisch' ich nichts, 
und wenn er von jemand sagt: Pesca a fondo, er fischt bis 
zum Grund, so meint er, daß er eine Sache gründlich versteht. 
Von dem Gelehrten, der aus Büchern Notizen sammelt, heißt 
es, daß er in den Büchern fischt : pesca nei libri. Hierher ge- 



Der Fisch im allgemeinen. 219 

Mrt auch die engl, ßedensart to fish for compliments, nach 
Lob haschen. 

Nicht auf den ganzen Vorgang des Fischens, sondern nur 
auf einen Teil desselben, nämlich das Eintauchen der Angel 
oder des Netzes ins Wasser, bezieht sich der in der ital. 
Seemannssprache übliche Terminus pescare, der auf das Ein- 
sinken der Schiflfe und anderer fester Körper ins Wasser an- 
gewendet wird. 

Im Ital. wird häufig das Bild des unerfahrenen Fischers 
verwendet. So ist z. B. von dem Fischer, der die Fische nicht 
2tt unterscheiden versteht, die Redensart hergenommen non 
^aper quello che uno si peschi, nicht wissen, was einer fischt, 
4. h. nicht wissen, was man tut. Auf einem Vergleich mit 
-dem Fischer, der die Tiefe des Gewässers, in dem er fischt, 
nicht genau kennt, beruht die Redensart non saper in quanf 
^cqua %mo si peschi, nicht wissen, in wieviel Wasser einer 
fischt, d. h. nicht wissen, in welchen Verhältnissen er sich 
befindet. (Vgl. die ital. Sprichwörter bei Sachs, Zusammen- 
hang von Mensch und Tier in der Sprache. Neuphil. Zentral- 
blatt 1903, pag. 356.) 

Das Fischerhandwerk ist auf den Zufall angewiesen ; sehr 
häufig muß der Fischer unverrichteter Dinge heimkehren, 
weswegen im Engl, fisherman's luck, Fischers Glück, s. v. w. 
„wenig Glück" bedeutet. Überhaupt ist im Engl, der Fisch 
häufig Symbol des Unsicheren, Unzuverlässigen. This looks 
fishy, das sieht „fischig" aus, sagt der Engländer von einer 
Sache, die ihm verdächtig scheint, und eine unglaubliche 
Geschichte nennt er fish-story „Fischgeschichte". (Vgl. den 
Gebrauch von portug. caranguejöla „großer Seekrebs" für 
„unsicheres Unternehmen".) Damit könnte in Zusammen- 
hang gebracht werden die in romanischen Ländern übliche 
Bezeichnung „Aprilfisch" für den Aprilscherz, ital. pesce d^aprik, 
frz. poissm cPavril, (Vgl. deutsch „in den April schicken".) 
Auch sagt der Italiener von einem, der sich ein Märchen hat 
aufbinden lassen : Ha pigliato un bei pesce, er hat einen schönen 
Fisch gefangen. Nach der gewöhnlichen Erklärung beruht 
jedoch die Bezeichnung „Aprilfisch" auf dem altromanischen 
Brauch, sich anfangs April gegenseitig mit einem der in diesem 
Monat häufigeren Fische zu beschenken. 



220 ^^r Fisch im allgemeinen. 

Alle Sprachen verwenden das Bild des Eödems als Symbol 
des Überlistens. Der Unkluge, der auf trflgerische Lockungen 
und Versprechungen hineinfällt, wird mit dem Fische ver- 
glichen, der auf den Köder anbeißt und so in sein Verderben 
geht Daher wird in allen Sprachen „ködern^ im Sinne von 
„überlisten" gebraucht. (Vgl. engL to hau, to Iure, ital. adescare^ 
span. cebar, frz. appdter, leurrer.) 

Demgemäß sagt man von einem, der sich anführen läßt,, 
deutsch : Er beißt an, engl. : He tdkes the hait, ital. : Äbhocca 
äWamo oier: Va aWesca, span.: (he en el anzuelo oier: Tragael 
anzuelo, frz.: II mord ä Vhame^on. Hierher gehört auch das 
span. Sprichwort: El pez que busca el anzuelo, busca su dudOj 
der Fisch, der die Angel sucht, sucht seinen Schmerz, d. h» 
man soll sich durch den Schein nicht täuschen lassen. Speziell 
auf das Fischen mit der Angel bezieht sich das span. Sprich- 
wort: Pescador de cana mos come que gana, der Fischer, der 
mit der Angel fischt, ißt mehr als er erwirbt. Dieses Sprich- 
wort ist gegen jene gerichtet, die aus Trägheit einen Beruf 
ausüben, der keine Mühe macht, aber geringen Nutzen bringt. 

Auf der Bedeutung des Fisches als Genußmittel beruhen 
in allen Eultursprachen zahlreiche Metaphern und Redens- 
arten. Das Fleisch der Fische wfrd häufig in Gegensatz ge- 
bracht zu dem warmblütiger Tiere; beim Volke gilt es 
überhaupt nicht für Fleisch, weswegen es heißt, man dürfe 
Freitag „wohl Fisch, aber nicht Fleisch essen". Hierauf be- 
zieht sich die allen Eultursprachen geläufige Redensart nicht 
Fisch, nicht Fleisch, d. h. nichts Ordentliches sein. EngL 
to he neiiher fish nor flesh, ital. essere ni came ni pesce, span. 
no ser uno carne ni pescado, frz. ^re ni chair ni poisson. (Vgl. 
Borchardt -Wustmann, Sprich wörtl. Redensarten, pag. 149.) 
Auf dem Gegensatz von „Fisch" und „Fleisch" beruht auch 
die engl. Redensart io make fish of one and flesh of another^ 
aus dem einen Fisch, aus dem andern Fleisch machen, d. h. 
die Leute ungleich behandeln, parteiisch sein. Als Fasten- 
speise erscheint der Fisch in dem engl. Sprichwort: Ifs good 
fasting, when the tahle is covered with fish, es ist gut fasten, 
wenn der Tisch mit Fischen besetzt ist, das dem deutschen 
„Neben dem Schiff ist gut schwimmen" entspricht. Speziell 
dem Deutschen eigentümlich ist die Bezeichnung faule 



Der Fisch im allgemeinen. 221 

Fische für unwahrscheinliche Ausreden, die niemand an- 
nimmt, ebensowenig wie faule Fische. Der Ausdruck be- 
zeichnet im weiteren Sinn verdächtige Handlungen, wie 
überhaupt „Fäulnis" metaphorisch häufig auf moralische Ver- 
derbtheit oder Wertlosigkeit angewendet wird. Tatsächlich 
ist „faul" in der Bedeutung „träge" nichts anderes als eine 
Metapher von „faul = in stinkender Zersetzung begriflfen". 
Der in Verwesung übergegangene Fisch wird auch sprich- 
wörtlich v^erwendet. So sagt man z. B. im Deutschen von 
einem Gemeinwesen, das infolge der moralischen Verderbtheit 
seiner Leiter seinem Ende entgegengeht: Der Fisch fängt 
am Kopfe an zu stinken, d. h. die Verwesung beginnt 
zunächst am Kopf. Ebenso heißt es ital.: 11 pesce puzm dal 
capo und schon lat. : Pisds primum a capite foetet. Allen Kultur- 
sprachen gemeinsam ist der Vergleich eines lästigen Gastes 
mit einem faulenden Fisch. Dem deutschen Sprichwort: Ein 
Gast ist wie ein Fisch, er bleibt nicht lange 
frisch, entspricht im Engl.: Fish and guests smell at three 
days cid, Fische und Gäste riechen, wenn sie drei Tage alt 
sind, im Ital.: L'ospite ^ come il pesce ^ a capo di tre giorm 
puzza, im Span. : El htUsped y el pez d (res dias hiede, im Franz. : 
UMte et le poisson aprhs trois jours puent. Von origineller 
Drastik ist das engl. Sprichwort: Daughters and dead fish are 
no heeping tmres, Töchter und tote Fische sind keine Waren 
zum Aufheben. 

Der Fisch ist wegen der Gräten kein ganz ungefährliches 
Nahrungsmittel, wenigstens erheischt sein Genuß große Vor- 
sicht. Darauf bezieht sich das ital. Sprichwort: Chi ha man- 
giato il pesce, sputi le lische, wer den Fisch gegessen hat, spucke 
die Gräten aus, d. h. wer einen Vorteil gehabt hat, möge trachten, 
auch mit dem damit verbundenen Unangenehmen fertig zu 
werden. Hierher gehört femer das deutsche Sprichwort : K e i n 
Fisch ohne Gräte, kein Mensch ohne Mängel, das 
sich analog im Ital. findet : Non c^h pesce senea lisca. — Bedroht 
man in Osterreich ein Kind mit Schlägen, so sagt man häufig 
ironisch: Du kriegst Fische, aber ohne Gräten. Es 
beruht diese Bezeichnung wohl auf dem Brauche, die Eute 
ins Wasser zu tauchen, um die Schläge schmerzhafter zu 
machen. (Metonymie: Ursache für Wirkung.) 



222 I^er Fisch im allgemeinen. 

Wenn im Engl. Brote und Fische als Symbol der Nahrang 
überhaupt erscheinen, so ist darin eine biblische Reminiszenz 
zu erblicken. So wii*d die Eedensart to withhold loaves and 
fishes, Brote und Fische zurückhalten, im Sinne des deutschen 
„den Brotkorb höher hängen'' gebraucht. Geradezu Sinnbild 
des Gewinnes sind die „Brote und Fische" in der Redens- 
art to höh after loaves and fishes, nach Broten und Fischen 
blicken, d. h. dem Gewinne nachlaufen. Da die Franzosen als 
große Liebhaber von Saucen Fische gern mit solchen zube- 
reiten, darf es nicht wundernehmen, daß die Fischsauce auch 
im franz. Sprichwort eine gewisse Rolle spielt. Manchmal, 
wenn der Fisch nicht mehr ganz frisch ist, dient die Brühe 
dazu, den verdächtigen, das Alter des Fisches verratenden 
Geschmack zu verbergen. Hierauf bezieht sich das Sprichwort: 
La sauce fait manger le poisson, die Sauce macht den Fisch 
genießbar, d. h. oft werden wertlose Dinge nur durch glück- 
liche Beigaben annehmbar gemacht. Dasselbe, nur in anderer 
Form, besagt das Sprichwort: La sauce vaut mietix que le 
poisson, die Sauce ist mehr wert als der Fisch. (Vgl. span. 
Mas vale la salsa que los caracoles, die Sauce ist mehr wert 
als die Schnecken.) Von einem, der nicht weiß, wie er sich 
einer Beleidigung gegenüber verhalten soll, sagt der Franzose : 
11 ne sait ä quelle sauce manger le poisson, er weiß nicht, mit 
welcher Sauce er den Fisch essen soll 

Auf die Tatsache, daß es auch unter den Fischen Raub- 
tiere gibt, die mit Vorliebe ihre kleineren Genossen auffressen, 
— man denke an den Hecht — bezieht sich das deutsche 
Sprichwort: Große Fische fressen die kleinen, d. h. 
der Stärkere unterdrückt den Schwächeren. Analog heißt es 
im Ital. : / pesci grossi mangiano i piccini und im Franz. : Le» 
gros poissons mangent les petits. Auf die bekannte Fischlieb- 
haberei der Katze spielt an das deutsche Sprichwort: Die 
Katze frißt gern Fische, will aber nicht ins 
Wasser, das man auf jemand anwendet, der einem Ziele 
zustrebt, aber nicht die zur Überwindung der im Wege 
stehenden Hindernisse nötige Energie besitzt. Dieses Sprich- 
wort findet sich auch in anderen Kultursprachen. So lautet 
es z. B. im Engl.: The cat doth love the fish, but she will not 
wet her footj im Ital. : La gatta vorrebbe mangiare pesci, ma non 



Der Fisch im allgemeinen. 223 

pescare,*) im Franz. : Le chat aime U poisson, mais il n'aime pas 
ä mouiUer les pattes. 

Jedenfalls der Znnftsprache der Fischer, die ausschließ- 
lich auf Fischnahrung ang^ewiesen sind,**) ist die engl. 
Redensart entlehnt to setul a persoti to fry some other fish, 
w6rtl.: jemd. andere Fische backen schicken, d. h. ihm den 
Laufpaß geben. So sagt man auch : I have other fish to frtfj 
ich habe andere Fische zu backen, im Sinne von „ich habe 
andere Dinge zu tun^. Hierher gehöil; ferner das engl. Sprich- 
wort: DonH hoil your fish tili ihey are hooJced, kocht eure Fische 
nicht, bevor sie geangelt sind, wozu sich im Deutschen und 
ItaL Analoga finden : Man soll nicht rufen: Holt Fische, 
ehe man sie hat. — Non gridar pesci prima di averli presi. 
Gebräuchlicher ist die allen Kultursprachen geläufige Variante: 
Man soll die Haut des Bären nicht verkaufen, bevor der Bär 
nicht erlegt ist. (Siehe bei „Bär" pag. 54.) 

Die deutsche BezeichnuDg Backfisch für ein halb- 
wüchsiges Mädchen ist der Stadentensprache entlehnt, die 
früher auch kurzweg „Fisch" dafür gebrauchte. (Vgl. Kluge, 
Deutsche Studentensprache, pag. 55.) Hierbei ist in wenig 
schmeichelhafter Weise die Dummheit das tertium compara- 
tionis. Allerdings liegt dieser Metapher gleichzeitig die Vorstel- 
lung des Ködems zugrunde, indem der Student den Mädchen in 
ähnlicher Weise nachstellt wie der Fischer den Fischen. Hin- 
gegen bezieht sich Backfisch wohl auf das Lockende, 
Appetitliche des Aussehens.***) (Vgl. portug. peixäo „großer 
Fisch" als Bezeichnung einer hübschen Frau.) Daß das Wort 
„Fisch" auf Personen angewendet wird, dafür liefern uns 
auch andere Sprachen Beispiele. So wird namentlich im 
Engl, fish im Sinne unseres „Kauz" mit nuancierenden Ad- 
jektiven gebraucht. So sagt man a stränge^ odd, cool, queer 
fish, ein sonderbarer, seltsamer, kaltblütiger, kurioser Fisch. 



*) Eine Variante lautet: Noh si pud pigliar pesci senza immoüarsi, 
man kann keine Fische fangen, ohne sich naß zu machen. 

**) Vgl. das franz. Sprichwort : Veux-tu apprendre ä fils de pecheur ä 
manger poisaon? Willst du den Sohn des Fischers Fische essen lehren? 
***) Nach der landläufigen Erklärung bedeutet Backfisch s. y. w. „kleiner 
Fisch**, da nur die größeren Fische gesotten, die kleineren aber geback 
werden. 



224 Hering, Sardine. 

Unserem „großen Tier" (= bedeutende Persönlichkeit) entspricht 
im Span, pez gordo, dicker Fisch. Ganz allgemein für „Mensch" 
wird im Ital. pesce gebraucht in der Frage che pesce sei? was 
bist du denn für ein Fisch? womit man einen Unbekannten auf- 
fordert, sein Inkognito zu luffcen. (Vgl. den analogen Gebrauch von 
„Vogel" in den verschiedenen Sprachen.) Obige Frage kann auch 
bedeuten: Was hast du denn für einen Streich gemacht? In diesem 
Falle hat pesce tadelnden Sinn und ist in dieselbe Eeihe zu 
stellen mit Ausdrücken wie engl, hose fish, loser Fisch, deutsch : 
„sauberer Hecht", span. buena pesca. Letzteres Wort bedeutet 
eigentlich „Fischfang", dann metonymisch die Gesamtheit der 
gefangenen Fische. (Ein Analogen zu dieser Bedeutungs- 
entwicklung findet sich in span. venado „Wüd" aus lat. venatus 
„Jagd".) Mit buena pesca kann allerdings auch im Gegensatz 
zu der in den anderen Sprachen herrschenden Auffassung von 
den intellektuellen Fähigkeiten der Fische eine schlaue Person 
bezeichnet werden. — Semasiologisch interessant ist die Be- 
deutungsentwicklung von span. pescado. Dieses Wort, eigent- 
lich das part. perf. von pescar „fischen", bedeutet zunächst 
„das Gefischte", dann „Fisch" und mit Bedeutungsverengung 
„Stockfisch". Es wird eben die häufigste Gattung der Fische 
nach der ganzen Klasse benannt. (Vgl. ital. span. oca, frz. 
oie „Gans" aus lat. avica „Vögelchen".) Im amerikanischen 
Engl, wird fish ebenfalls häufig auf den Stockfisch einge- 
schränkt. (Über den metaphorischen Gebrauch von paisson 
im Pariser Kokottenargot vgl. Villatte, Parisismen bei „paisson^.) 



Hering, Sardine. 

Deutsch H ä r i n g oder Hering beruht auf mhd. haerinc, 
ahd. hdring. Die ahd., bzw. mhd. Nebenform hering ist wahr- 
scheinlich durch heri „Heer" beeinfiußt, u. zw. mit Bezug auf 
das scharenweise Vorkommen dieses Fisches. Im Altengl. 
lautet das Woit hdring, woraus neuengl. herring. Die romani- 
schen Sprachen haben alle das Wort dem Germanischen ent- 
lehnt: ital. aringa, span. arenque, frz. hareng, was ganz natürlich 
ist, da der Fisch nur in nordischen Gewässern vorkommt 
Für den geräucherten Hering ist im Deutschen das Wort 



Hering, Sardine. 225 

Bücking und mit Anlehnung an Bückling „Verbeugung" 
auch Bückling üblich. Das Wort geht zurück auf ein mhd. 
bäcJcinc, verwandt mit nid. bokJdng, das wahrscheinlich auf 
nid. bok „Bock" zurückgeht. Der Fisch hieß nämlich wegen 
seines unangenehmen Geruches auch bockshärinc. (Vgl. Kluge, 
Etym. Wörterbuch d. deutschen Sprache unter „Bücking".) 
Pickelhering als Bezeichnung der komischen Figur (ur- 
sprünglich nur in Holland) ist von den englischen Komödianten 
am Anfang des 17. Jahrhunderts zu uns gebracht worden 
(engl, pickle-herring = Pökelhering). Die Benennung des Spaß- 
machers im Stegreifspiele nach dem Lieblingsgericht der be- 
treffenden Nation ist eine allbekannte Erscheinung. (Vgl. 
pag. 209.) 

Sind die Bezeichnungen für den Hering germanischen 
Ursprungs, so sind die Benennungen für die verwandte Sardine 
romanischer Herkunft. Schon im Lateinischen gibt es ein 
sarda oder sardina. Letzteres Wort ist dem Ital., Span, 
und Franz. gemeinsam. Im Ital. hat sich auch sarda er- 
halten, wovon das Diminutiv sardella gebildet wurde. Da- 
neben kommt im Ital. ein noch nicht aufgeklärtes acciuga 
vor, dem im Span, anchoa, anchova, im Franz. anchoiSj im 
Engl, anchovy entsprechen. Im Span, wird außerdem für 
„Sardine" noch hoqueron gebraucht, was das Augmentativ von 
boquera „Öffnung" ist (mit Anspielung auf das große Maul 
des Fisches). 

Der Hering hat einen stark zusammengedrückten Leib, 
weshalb er oft als Symbol der Magerkeit verwendet wird. 
So nennt man im Deutschen und Franz. einen mageren Menschen 
gern einen Hering, bzw. hareng^ und im Engl, bedeutet 
herring - gutted „heringsbäuchig" soviel als „dünnbäuchig".*) 
Mit Bezug auf die enganschließende Uniform nennt in 
England das Volk den rotröckigen Infanteristen red- herring 
„Rothering", wozu sich in dem franz. Argotausdruck hareng 
säur „saurer Hering" als Bezeichnung für einen Gendarmen 
ein Analogon findet. (Vgl. Sachs, Zusammenhang von Mensch 
und Tier in der Sprache, Neuphil. Zentralblatt, 1904, pag. 35.) 



*) Im Pfälzischen wird Hering auch von einem mageren Stück Vieh 
gebraucht. (Vgl. Heeger, Tiere im pfälz. Yolksmunde, 2. T., pag. 14.) 
Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 15 



226 Hering, Sardine. 

Im Span, und Ital. tritt die Sardine an Stelle des Herings. 
So nennt der Italiener ein hochaufgeschossenes, mageres 
Mädchen acciughina „Sardinchen", sowie er auch ganz all- 
gemein von einem mageren Menschen sagt: iJ secco come utC 
accitiga, er ist dfirr wie eine Sardine. Genau so heißt es im 
Span.: Parece una sardina, er gleicht einer Sardine. Hierher 
gehört femer die Bezeichnung mrdine für „Finger" im Pariser 
Argot; so bedeutet z. B. serrer les cinq sardines, die fünf 
Sardinen drücken, s. v. w. „die Hand drücken". 

Von der silberglänzenden Farbe der Sardine hergenommen 
ist die Bezeichnung der Yerschnürungen an Uniformen mit 
sardinäes im Span., sardines im Franz., indem damit offenbar 
ursprünglich die Siberverschnürungen bezeichnet wurden. 
Wenn die Sichelschneide im Franz. mrdine genannt wird, so 
ist das tertium comparationis gleichfalls die Farbe. Hin- 
gegen enthält die im Pariser Argot vorkommende Metapher 
yeux bordSs d'anchois, mit Sardellen beränderte Augen, für 
Augen mit geröteten Lidern eine Anspielung auf das rötliche 
Fleisch der marinierten Sardellen. 

Der Umstand, daß die meisten Heringe während der 
Laichzeit gefangen werden, macht den engl. Vergleich dead 
as a shoUen herring ^ tot wie ein Hering, der gelaicht hat, 
ohne weiteres verständlich. Auf die Art der Versendung der 
Heringe, bzw. Sardinen, die massenweise in Tonnen gepackt 
werden, bezieht sich im Deutschen der Vergleich gedrängt 
wie Heringe. Ebenso sagt der Franzose serris comme 
les harengs en caque (caque = Tonne). In den übrigen 
Kultursprachen tritt an Stelle des Herings die Sardine. EngL 
packed as dose as sardines, ital. stare comme le sardelle, pigiati 
come le acciaghe, span. estdr como sardinas en banasta. Hierher 
gehört femer aus dem Span. : La ultima sardina de la banasta, 
die letzte Sardine aus der Tonne, d. h. das Letzte einer Sache,, 
wenn alles andere aufgebraucht ist. Mit Bezug darauf, daß 
den Sardinen vor der Einsalzung die Köpfe abgeschnitten 
werden, bezeichnet der Italiener einen zerstreuten oder ver- 
geßlichen Menschen als senza capo come le acciughe, kopflos 
wie die Sardinen. Hingegen bezieht sich auf den geringen 
Körperamfang der Sardine die ital. Redensart aver cervello 
quanV uri acciuga nicht mehr Hirn haben als eine Sardine.. 



Hering, Sardine. 227 

Vom Eäuchern der Heringe hergenommen ist das engl. 
Sprichwort: Let every herring hang by its own tau, laßt jeden 
Hering an seinem eigenen Schwänze hängen, d. h. Jeder für 
sich". (Vgl. franz. : Ils etaknt pendus comme des harengs ä une 
hroche, sie hingen wie Heringe an einem Spieß.) Auf eine 
andere Zubereitungsart, nämlich das Einpökeln, spielt an das 
franz. Sprichwort : Le hareng sent toujours la caque, der Hering 
riecht immer nach der Tonne. Man wendet dieses Sprich- 
wort auf Parvenüs an, deren niedere Herkunft sich häufig in 
ihren plebejischen Manieren verrät. 

Da Hering und Sardine infolge ihrer Häufigkeit nur 
geringen Wert haben, so erscheinen sie dann und wann 
als Symbole des Wertlosen. So sagt der Franzose von 
einem ärmlich lebenden Menschen: II vit d^un hareng, er 
lebt von einem Hering, und das Sprichwort: On vend au 
marchS plus de harengs que de soles, man verkauft am Markte 
mehr Heringe als Seezungen, will besagen, daß man gewöhn- 
liche Dinge leichter an den Mann bringt als wertvolle. Von 
einem, der um eines größeren Gewinnes willen einen kleineren 
opfert, sagt der Italiener: Butta sardeUe, per prendere lucci, er 
wirft Sardellen aus, um Hechte zu fangen. Dieselbe Bedens- 
art wendet der Spanier an, nur mit dem Unterschied, daß 
an Stelle des Hechtes die Forelle tritt: con una sardina 
pescar una trucha. (Vgl. engl, to venture a smaU fish to catch a 
great one und franz. donner un petit poisson pour en avoir un 
gros.) Wenn man im Ital. eine alte Scharteke mit acciugaio 
bezeichnet, so will man damit ausdrücken, daß sie nur mehr 
zum Einwickeln von acciughe (Sardinen) taugt. Auf moralische 
Minderwertigkeit, besonders Engherzigkeit und philisterhafte 
Gesinnung, bezieht sich im Deutschen Heringsseele, während 
armer Hering ein Ausdruck des Mitleids ist, der sich 
wohl auf die Verfolgungen gründet, denen der Hering ausge- 
setzt ist. 

Gleichsam als wäre das Meer nur zur Züchtung von 
Heiingen da, nennt es der Engländer scherzweise herring-pond 
„Heringteich". 



15* 



228 ^er Kabeljau. 



Der Kabeljau. 

Die Herkunft von deutsch Eabelj au ist ungewiß; soviel 
ist sicher, daß das Wort im 14. Jahrhundert aus dem Nieder- 
deutschen in die deutsche Schriftsprache eindrang. Auch in 
den fibrigen germanischen Sprachen und im Franz. {caiülaud) 
findet sich das Wort. Im Niederländischen wurde ursprüngliches 
kabeljauic durch Metathese zu baJcefjauw, in welcher Form das 
Wort ins Ital. {baccaJa) und Span. (bacälUw, bacdlao) eindrang. 
Daneben ist in den romanischen Sprachen noch eine andere 
Bezeichnung für den Kabeljau üblich, nämlich ital. merluzzo, 
span. merluza, frz. merlache, die nach Joret sämtlich auf lat. 
merula „Amsel^ zurückzuführen sind. (Benennung von Fischen 
nach Vögeln ist nicht selten. Vgl. deutsch Seehahn, See- 
lerche, Meerrabe, Adlerfisch.) Im Franz. ist jedoch die ge- 
bräuchlichste Bezeichnung für den Stockfisch morue, dessen 
Herkunft noch nicht sichergestellt ist. Die Herleitung von 
lat. mutülm „Kragstein, Sparrenkopf" scheint wenig glaub- 
würdig. (Es sollten damit ursprünglich die klumpenartigen, 
eingesalzenen Eingeweide des Fisches bezeichnet werden.) 
Offenbar mit cedna (von lat. supp. siccina aus siccm „trocken") 
„getrocknetes Fleisch" bangt zusammen ceciäl, der span. Name 
des gedörrten Stockfisches. Im Deutschen und Engl, ist fiir 
den gepökelten Kabeljau die Bezeichnung Stockfisch, bzw. 
stock 'fish, üblich, weil der Fisch an Stöcken zum Dörren 
aufgehängt wird. Andera erklärt das Wort, das auch in 
romanische Dialekte, z. B. ins Korsische (stoccafissu), einge- 
drungen ist, Rolland, Faune pop., III, pag. 116. Der ge- 
räucherte Stockfisch heißt im Deutschen auch Laberdan, 
das sich im Engl, in der Form haberdine findet. Dieses 
Wort soll auf franz. le Labourdain beruhen, womit ein 
Teil des Baskenlandes bezeichnet wird. Über das Franz. 
wäre sodann das Wort ins Niederländische und von da ins 
Deutsche eingedrungen. Im Engl, ist der gebräuchlichste 
Name für den Kabeljau codfish oder kurzweg cod, das identisch 
ist mit cod „Hülse, Schale". (Vgl. den deutschen Fisch- 
namen Schellfisch, dessen hauptsächlichster Vertreter der 
Kabeljau ist.) Das Wort ist niederdeutschen Ursprungs und 



Der Kabeljan. 229 

bedeutet eigentlich „Schalenfisch^S ™i^ Bezug auf das sich 
blätternde Fleisch. 

Für die Metaphorologie ist der Kabeljau von keiner be- 
sonderen Bedeutung. Auf die ausgerandete Schwanzflosse 
bezieht sich im Franz. die Bezeichnung habit ä queue de morue 
für einen Rock mit spitzen Schößen. (Vgl. deutsch „Schwalben- 
schwanz".) An den gedörrten Stockfisch denkt der Italiener, 
wenn er einen mageren Menschen baccalä nennt. In dem- 
selben Sinne wird bacälao im Span, gebraucht, während man 
im Deutschen einen hölzernen, steifen Menschen mit „Stock- 
fisch" bezeichnet, wobei der Stockfisch als Vertreter des 
ganzen intellektuell ziemlich niedrig stehenden Fischgeschlechts 
erscheint. (Vgl. deutsch dumm wie ein Stockfisch; 
frz. bite comme un hareng) Umgekehrt nennt man den Stock- 
fisch in Toulouse esixmpido „den Dummen". (Vgl. Rolland, Faune 
pop., III, pag. 117.) Dem Italiener ist der Stockfisch Symbol 
der Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit auf moralischem 
Grebiet; daher wird ein in religiösen Dingen gleichgültiger 
Mensch gern mit baccalä bezeichnet. 

. Der Stockfisch ist infolge seiner Häufigkeit einer der 
wohlfeilsten Fische, es macht ihm in dieser Beziehung nur 
der Hering Konkurrenz. Auf der Minderwertigkeit des Stock- 
fisches beruht — mit Übertragung auf das ethische Gebiet — 
frz. morue als Bezeichnung eines liederlichen Weibes. 

Die Wichtigkeit des Stockfisches für den Handel geht 
hervor aus dem Spitznamen codfish aristocracy „Stockfischadel", 
der im angloamerik. Slang der Geldaristokratie beigelegt wird. 
Es wird damit auf die durch den Handel mit Stockfischen er- 
worbenen Reichtümer angespielt Ein Beweis für die große 
Bedeutung des Stockfisches als Nahrungsmittel ist die Be- 
nennung des niederländischen Hanswursts mit dem Namen 
dieses Fisches (daneben auch Pikelhering, vgl. pag. 225) 
sowie die im Deutschen übliche scherzhafte Bezeichnung 
Heringsbändiger für einen Ladendiener in einem Eß- 
warengeschäft. 



230 I>er A.al. 



Der Aal. 

Deutsch Aal bemht auf mhd., ahd. dl Hiermit ver- 
wandt ist alteng^l. cel, wovon neuengl. eel Die romanischen 
Bezeichnungen des Aales: ital. anguiUa, span. anguila, frz. 
anguiUe gehen auf lat. anguilla^ Dim. von unguis „Schlange", 
zurück*) 

Von der schlangenartigen Gestalt des Aales hergenommen 
ist span. anguila de cabo „Aal aus Strähnen" als Bezeichnung 
der Peitsche für die Galeerensklaven, womit sich engl. saU-eel 
„Pökelaal" als ehemalige Benennung des auf Schiffen zum 
Prügeln dienenden Tauendes vergleichen läßt. Gleichfalls mit 
Beziehung auf die Gestalt des Aales werden im Span, die Bohren 
zur Speisung der Schiffspumpen anguilas genannt. Aus dem 
Ital. ist anzuführen ein von anguüla abgeleitetes anguillare 
als Bezeichnung eines langen, geradlinigen Weinspaliers. Hier- 
herzuziehen ist ferner aus dem Deutschen der Gebrauch von 
„Aal" für eine Falte in der Hose; auch frz. anguille wird 
ähnlich gebraucht. 

Zahlreich sind die Metaphern, die sich auf die glatte, 
schlüpfrige Haut des Aales beziehen, wie überhaupt dieser 
Fisch häufig als Symbol eines Menschen verwendet wird, der 
sich allen Versuchen, ihn irgendwie festzuhalten, zu entziehen 
versteht. (Vgl. Paul, Deutsches Wörterbuch unter „Aal".) 
So sagten schon die Römer von einem schlauen Menschen, dem 
schwer beizukommen war: Anguüla est, elabitur (Plautus), er 
ist ein Aal, er entgleitet. Dieselbe Metapher findet sich in 
den romanischen Sprachen: ital. sguizzare di mano come un' 
anguüla, span. escurrirse como un anguüa, frz. khapper comme 
une anguille. Auch dem Deutschen ist die Redensart wie 
der Aal der Hand entschlüpfen nicht fremd. Von 
einem Menschen, dessen übertrieben höflichen Manieren die 
innere Gesinnung nicht entspricht, sagt man im Deutschen, er 
sei aalglatt, er habe aalglatte Manieren. Am leichtesten 



*) Umgekehrt wird in franz. und ital. Mundarten die Schlange, bzw. 
Natter, nach dem Aal benannt : franz. anguUle de haiea, anguille de buissons 
„Heckenaal", ital. anguiUa di siepe, (Vgl. Rolland, Faune pop., III, pag. 22 f.) 



Der Aal. 231 

entschlüpft der Aal, wenn man ihn beim Schwänze hält. Darauf 
bezieht sich das deutsche Sprichwort: Wer den Aal hält 
bei dem Schwanz, dem bleibt er weder halb noch 
ganz. Im Engl, findet sich ein ähnliches Sprichwort: There 
is as much hold of a womarCs toord as there is of a web eel by 
the taüj es ist ebenso schwer, ein Weib beim Wort zu fassen 
wie einen nassen Aal beim Schwanz. Analog sagt der Franzose : 
Qui prend Tanguille par la queue et la femme par la Parole^ 
peut dire qu'il ne tient rien. Wer den Aal beim Schwanz und 
das Weib beim Worte faßt, kann sagen, daß er nichts in 
der Hand hat. Wörtlich stimmen hiermit uberein die ital. 
und span. Analoga: Chi piglia Vanguüla per la coda e la 
donna per la parola, pud ben dir che non tien niente. — Quien 
prende el anguila por la cöla y la muger por la palabra, bien 
ptiede decir que no tien nada. Demgemäß bedeutet ital. tener 
VanguiUa per la coda, den Aal beim Schwänze halten, „eine 
schwierige Aufgabe auf sich haben". Wie der Deutsche von 
einem, der eine Sache verkehrt anfängt, sagt: Er zäumt das 
Roß beim Schweif auf, so gebraucht der Engländer in diesem 
Sinne die Redensart to sJcin the eel by the tail, den Aal beim 
Schwänze abschuppen. Genau so sagt der Franzose: Archer 
Vanguille par la queue, (Vgl. Rolland, Faune pop., III, 
pag. 102.) Hierher gehört gleichfalls aus dem Franz. die 
sprichwörtliche Redensart pour trop presser Vanguille on la perd, 
wenn man den Aal zu sehr drückt, verliert man ihn, d. h. 
gerade wenn man sich am eifrigsten um etwas bemüht, ver- 
liert man es sehr häufig. Vereinzelt steht das franz. Sprich- 
wort : Ä bon pecheur echappe anguille, auch einem guten Fischer 
entschlüpft manchmal ein Aal, d. h. auch der Tüchtigste kann 
einmal fehlen. 

Mit Bezug auf die außerordentliche Beweglichkeit des 
Aals sagt man im Ital. von einer Person, die an nervösen 
Zuckungen leidet : Ha la voglia delV anguilla. Dementsprechend 
nennt der Italiener eine kleine, magere, bewegliche Frauens- 
person gern anguilla. Ebenso vergleicht der Franzose — mit 
Übertragung auf das moralische Gebiet — däsJVeib mit dem 
Aal in dem Sprichwort : Femme se retourne" fnieux qu^anguille, 
ein Weib dreht sich besser als ein Aal , . d. h. das Weib 
weiß sich immer zu helfen. (Vgl. deutsGl\:iSich wie ein 



232 I^r Aal. 

Aal krümmen.) Auch ein unserem „Plumpsackverstecken'^ 
ähnliches Spiel bezeichnet der Franzose als anguüle, indem 
der zu versteckende Gegenstand mit dem Aal verglichen wird» 
der sich mit Vorliebe in den Höhlen und Bitzen felsiger Ufer 
verbirgt. 

Das Fleisch des Aales ist ein beliebtes Nahrungsmittel, 
Aalpastete ist sogar ein gesuchter Leckerbissen, weshalb 
man im Franz. mit dem Ausruf toujours du päte cTanguiUel 
immer Aalpastete ! ausdrücken will, daß man selbst des Besten 
mit der Zeit überdrüssig werden kann. Seiner kulinari- 
schen Verwendbarkeit wegen wird dem Aale eifrig nachge- 
stellt, u. zw. wird die Aalfischerei besonders in Italien 
erfolgreich betrieben. Auf den Aalfang bezieht sich das 
Sprichwort: Come Vanguüla ha preso Vamo, bisogna che vada 
dove i tirata, sobald der Aal in den Haken gebissen hat, muß 
er folgen, wohin man ihn zieht, d. h. wer A sagt, muß auch 
B sagen. Da der Aalfang nicht nur gewerbsmäßig, sondern 
auch als Sport betrieben wird, gelangt die Redensart pigliar 
anguüle, Aale fangen, durch Generalisierung zur Bedeutung 
„sich vergnügen, bummeln, faulenzen^^ 

Der Aal zeichnet sich durch besondere Zählebigkeit aus ; 
es ist daher keine Kleinigkeit, ihn umzubringen. Hierauf 
bezieht sich die franz. Redensart rompre Tanguille au genou^ 
den Aal am Knie abbrechen, d. h. die schlechtesten Mittel 
zur Erreichung eines Zieles anwenden. Während alle anderen 
Fische zum Zwecke kulinarischer Verwendung abgeschuppt 
werden müssen, löst sich die Haut des Aales beim Sieden von 
selbst, worauf die deutsche Redensart beruht den Aal 
schuppen, d. h. Schwieriges und Unnötiges versuchen.*) 
Auffallend ist die engl. Redensart to catch a blind eel, einen 
blinden Aal fangen, d. h. etwas Wertloses erwischen, als ob 
die Genießbarkeit des Aales von seinem Sehvermögen abhinge. 

Auf die Lebensweise des Flußaals, von dem behauptet 
wird, daß er sich des Nachts auf nah gelegene Felder begebe, 

*) Offenbar anf eine einst sehr bekannte Anekdote spielt an die frz. 
Eedensart: II est comme les anguilles de Melun qui crient avant qu'on les 
horche, er macht's wie die Aale von Melou, die schreien, bevor man sie 
mbschnppt. Nach BoUand, Fanne pop., ni, pag. 103, waren die Aale von 
Helon ehemals sehr berühmt. 



Die Schnecke. 233 

bezieht sich das ital. Sprichwort: Banguüla che vuol mangiar 
insalata, bisogna che venga a tetra, wenn der Aal Salat fressen 
will, muß er ans Land kommen, was ungefähr dem deutschen 
„Ohne Fleiß kein Preis" entspricht. 

Von dem Meeraal hingegen, der sich gern am Strande, 
u. zw. in Felsenritzen*) aufhält, hergenommen ist die franz. 
Eedensart : Ily a anguille sous röche, es ist ein Aal unter dem 
Felsen, d. h. es steckt ein Betrug hinter einer Sache. Es 
spielt hier der harmlose Aal die Rolle der Schlange und für 
eine solche mag er von Unkundigen wegen seines schlangen- 
ähnlichen Körpers wohl auch gehalten werden. (Man denke 
an die Etymologie von lat. anguilla = Dim. von anguis 
„Schlange.) **) Auch das frz. Sprichwort : Le serpent est cache 
sous les fleurs, die Schlange ist unter den Blumen verborgen, 
hat eine dem oben zitierten Sprichwort ähnliche Bedeutung. 

Hingegen wird der Aal als Symbol der Einfalt in Gegen- 
satz gebracht zu der beim Volke für listig geltenden Schlange 
in der ital. Eedensart far la setye tra le anguille, zwischen 
den Aalen die Schlange spielen, d. h. ein Schlaukopf sein 
unter Einfältigen. Unter diesen Schlangen sind Wasser- 
schlangen zu verstehen und die Dummheit der Aale besteht 
darin, daß sie ihren Feind nicht erkennen. 



Die Schnecke. 

Deutsch Schnecke geht zurück auf mhd. sneclce, ahd. 
snecJco. Daneben gibt es im Mhd. eine Nebenform sn^gel, die 
in hessisch Schnegel weiterlebt. Hiermit ist verwandt alt- 
engl. snce^l, wovon neuengl. snaü. Für die nackte Land- 
schnecke gebraucht der Engländer snug-snail, d. h. langsame 
Schnecke, und mit V^eglassung des Substantivs auch einfach 
snug, das infolge Bedeutungsgeneralisierung auf jede Art von 
Schnecken angewendet werden kann. 

*) Vgl. das itaJ. Sprichwort: Non h si grossa anguüla che non abbia 
ü 8U0 bucOy es gibt keinen so großen Aal, der nicht sein Loch hätte, wofür 
man im Deutschen sagt: Jede Maus hat ihr Haus. 

**) Vgl. die ital. Redensart; Mi vorresti far credere che Vanguüle sian 
serpi, du möchtest mir weismachen, daß die Aale Schlangen seien, d. h. 
du möchtest mir ein X für ein U vormachen. 



234 ^'^^ Schnecke. 

Was die romanischen Sprachen betrifft, so beruhen ital. 
lumaca, span. limaza, frz. limace, limagon, colimagonj auf lat. 
limaceus aas Umax „Wegschnecke^. Im Span, ist die Be- 
zeichnung der Wegschnecke babosa, was eigentlich ein Adjektiv 
ist (von baba „Schleim, Geifer") und „schleimig" bedeutet. Die 
Gehäuseschnecke heißt im Span, caracöl, welches Wort man 
als eine Zusammensetzung von cara „Gesicht" und coUum 
„Hals" auffaßt. Das Wort würde also gleichsam „Hals über 
Kopf" bedeuten (mit Beziehung auf die gewundene Gestalt 
des Schneckengehäuses). Es existiert auch im Ital. (caracöllö) 
und im Franz. {caracol, caracole) als Lehnwort, allerdings nur 
in übertragener Bedeutung (siehe pag. 235). Die altfranz. 
Form von escargot „Weinbergschnecke", escargöl, deutet gleich- 
falls auf Entlehnung aus dem Spanischen. Durch Metathese 
ist aus lat. Cochlea (von griech. xoyxUag) clochea und daraus 
ital. (supponiert) chiocchia entstanden, woraus diminutiv gebildet 
chiocciola „Weinbergschnecke". 

Was die auf die Schnecke bezüglichen Metaphern be- 
triflft, so beruht deren Mehrzahl nicht auf einem Vergleich 
mit der Schnecke selbst, sondern mit ihrem spiralförmigen 
Gehäuse. In allen Kultursprachen werden gewundene Gegen- 
stände metonymisch nach der Schnecke benannt. (Vgl. griechisch 
Y,oyyiUag „Schnecke" und „Schraube".) So hieß schon im Mhd. 
die Wendeltreppe „Schnecke" (jetzt Schneckentreppe) und 
analog nennt man einen gewundenen Gang Schneckengang. 
In den romanischen Sprachen finden wir für diesen Begriff 
dieselbe Bezeichnung: ital. scala a chioccicola, span. geradezu 
caracol, frz. escalier en limagon. Ferner wird im Deutschen 
„Schnecke" für verschiedene Schraubenarten verwendet, wozu 
sich in ital. chiocciola „Schraubenmutter" ein Analogon findet. 
Der Gehörgang wird in allen Kultursprachen nach der Schnecke 
benannt: deutsch Schnecke, span. caracol, frz. limagon de 
Voreille, Im Ital. ist dafür das halbgelehrte coclea, eine Scheide- 
form zu chiocciola, im Engl, das ganz gelehrte Cochlea üblich. 
Auch die Spielfeder der Taschenuhr wird im Deutschen, Engl., 
Franz. und Span. „Schnecke" genannt. Im Ital. wird in 
familiärer Sprache metonymisch die ganze Uhr damit be- 
zeichnet {chiocciolina, kleine, chiocciolona, große Taschenuhr). 
Weiter wird im Deutschen „Schnecke" auf eine gerollte Haar- 



Die Schnecke. 235 

locke angewendet. In den übrigen Sprachen findet sich kein 
Analogen. Doch scheint span. caracol in Andalusien dialektisch 
in diesem Sinne gebraucht zu werden. Wenigstens finde ich 
bei Valera, Pepita Jim6nez, pag. 41, dieses Wort gesperrt 
gedruckt und mit dem erklärenden Zusatz versehen: rizos 
sujelos con sendas horquülas „mit mehreren Haarnadeln be- 
festigte Locken^'. Aus dem Deutschen ist noch anzuführen 
der Gebrauch von „Schnecke" für die Volute einer Säule 
sowie landschaftlich für ein gewundenes Gebäck, wozu sich 
in span. caracolülo (Dim. von caracol) „Hohlhippe" ein Analogen 
findet. Schuchardt (Eoman. Etymologien II, 23 ff.) leitet 
auch romanisch coca, die Bezeichnung einer schneckenft)rmigen 
Gebäcksart, von Cochlea „Schneckengehäuse" ab. Auf coca 
beruhen ital. cuccagna, span. cucana^ franz^ cocagne „Schlaraffen- 
land" sowie das deutsche Kuchen. In der span. Sportsprache 
wird metonymisch mit caracol das Herumtummeln des Pferdes 
im Kreise bezeichnet. Auch sagt man von einem, der sich 
in einer gewundenen Linie vorwärts bewegt: Hace caracoles, 
er macht Schnecken. Das Span, besitzt selbst ein Verbum für 
diesen Begriff, nämlich caracolear, wovon wieder das Verbal- 
substantiv caracoleo gebildet ist. Dem entsprechen ital. cara- 
collOy frz. caracole, caracoler, die sich sämtlich als Entlehnungen 
aus dem Span, erweisen. Hierher gehört ferner aus dem Ital. 
die Redensart fare il chiocdolino, das Schneckchen machen, 
d. h. die Beine heraufziehen, wozu sich in franz. se limagonner 
(von limagon) ein Analogen findet. 

Auf die Schleimabsonderung der Schnecke (vgl. frz. sahy 
baveuXj gluant comme une limace, Rolland, Faune pop., III, 
pag. 212) bezieht sich im Deutschen die Bezeichnung der 
Vagina mit dem Namen dieses Tieres. (Tiemamen werden 
nicht selten zur Benennung des weiblichen Geschlechtsteils 
verwendet. Vgl. deutsch „Maus", ital. monnaj frz. chat) Als 
Nebenvorstellung mag wohl die Ähnlichkeit der Mutterscheide 
mit einem Schneckengehäuse mitwirken. Hiermit ist zweifellos 
semasiologisch in Zusammenhang zu bringen die im Pariser 
Argot für eine Soldatendirne übliche Bezeichnung limace, wozu 
wir schon im lat. Umax ein Analogen finden, das Plautus für 
«ine Dirne gemeinster Art gebraucht. Da die Schnecke 
den zurückgelegten Weg durch einen Schleimstreifen kenn- 



236 ^ie Schnecke. 

zeichnet, sagt der Italiener von einem unordentlichen Menschen^ 
der alles wüst umherliegen läßt: Lascia lo sirascico dietro a 
si come le lumache, er läßt eine Spur hinter sich wie die 
Schnecken; dies kann auch auf einen angewendet werden; der 
überall unangenehme Erinnerungen hinterläßt. Mit limace de 
la lüerature „Literaturschnecke" bezeichnet Rivarol einen ober- 
flächlichen Schriftsteller: II laisse partout une trace argenUe^ 
mais ce rCest que de Vecume^ er läßt überall eine silberne Spur 
zurück, aber es ist nichts als Schaum. (Vgl. Sachs, Zusammen* 
hang von Mensch und Tier in der Sprache in NeuphiL Zentral- 
blatt 1904, pag. 258.) Mit Bezug auf die weiße Farbe dieses 
Schleims wird im Ital. ein von lumaca gebildetes aUumacare 
im Sinne von „weiß anstreichen" gebraucht. 

An die gehäuselose Wegschnecke, die durch die wohl- 
gerundete Form ihres Körpers den Eindruck behaglicher 
Körperfülle macht, wird jedenfalls gedacht, wenn man im 
Deutschen ein wohlgenährtes Kind ein fettes Schneckchen 
nennt. Auch an und für sich wird im Deutschen Schneck- 
chen, im Franz. limace, als Liebkosungswort gebraucht. 

Speziell auf die Gehäuseschnecke beziehen sich einige 
Metaphern. So ist im älteren Ital. chioccidla Bezeichnung für 
eine Art Überkleid, in das man sich ganz einwickelte. Hierzu 
finden sich Analoga im mexikanischen Span., wo caracol ein 
weites, aber kurzes Frauenhemd bezeichnet, sowie im Pariser 
Trödlerargot, in dem limace geradezu für „Hemd" gebraucht 
wird. Aus der franz. Soldatensprache ist hierher zu ziehen 
escargot als Bezeichnung eines Soldaten in seinem Zelte. Von 
einem häuslich lebenden Menschen sagt der Italiener mit Be- 
zug auf die Fähigkeit der Schnecke, sich völlig in ihr Gehäuse 
zurückzuziehen: JE come la chiocciola, er ist wie die Schnecke, 
und ähnlich drückt sich der Franzose aus, indem er sagt: 
II est retire chez lui comme un limagon dans sa coquille, er lebt 
zurückgezogen wie eine Schnecke in ihrem Gehäuse. Kluges 
Nachgeben versinnbildet er mit dem Bilde der ins Gehäuse 
zurückkriechenden Schnecke: II rentre dans sa coquille. (VgL 
Bergmann, Die sprachliche Anschauung und Ausdrucksweise 
der Franzosen, pag. 121.) Hingegen vergleicht er einen 
Streber, der sich über seinen Stand erhebt, mit der aus dem 
Gehäuse hervorkriechenden Schnecke : Cest un limagon qui sort 



Die Schnecke. 237 

de sa coquiUe. Von einem Vagabunden, der seine ganze Habe 
bei sich trägt, sagt der Italiener: Fa come le chiocciole che 
portano la casa dietrOj der Franzose : II est comme Vescargot qui 
porte sa maisan, er ist wie die Schnecke, die ihr Haus trägt. 
{Vgl. EoUand, Faune pop., III, pag. 195.) Auch wird escargot 
ohne weiteres für „Lump" gebraucht. 

Auf der Hand liegt der Vergleich eines langsam gehenden 
Menschen mit der scheinbar sich nur mühsam fortschleppenden 
Schnecke. So nennt der Pariser den gemächlich einher- 
schlendernden Schutzmann escargot de trottoir „Trottoir- 
schnecke". Im Deutschen sagt man schleichen wie eine 
Schnecke und im Engl, to proceed at a snaiTs pace oder 
to walk at a snail's trot, analog im Ital. andare come le 
lumache. Die deutsche Schneckenpost findet sich auch im 
Engl. {snaiFs post). SnaiVs gallop „Schneckengalopp" wird 
ebenfalls ironisch gebraucht (vgl. franz. adroitj leste comme un 
^cargot, gewandt, flink wie eine Schnecke) und snail in to snail 
along, wie eine Schnecke dahinschleichen , zeitwörtlich ver- 
wendet. (Hiermit läßt sich bayrisch Schnecken oder 
«chneckeln für „langsam gehen" vergleichen.) Als Ver- 
istärkung des Begriflfe tritt es zu slow (snaü-slow „schnecken- 
langsam"). Im Ital. wird das Augmentativ von lumaca, luma- 
€one, im pejorativen Sinne gebraucht und entspricht unserem 
„Schleicher". (Vgl. Borchardt- Wustmann, Sprichwörtl. Redens- 
arten unter „Schneckengang".) 

Wie die Maus, der Spatz, die Fliege und andere kleine 
Tiere, so erscheint auch die Schnecke hier und da als Symbol 
des Wertlosen, Unbedeutenden. No vale un caracol! No importa 
un caracol! Das ist nicht eine Schnecke wert! ruft der Spanier 
aus, wenn er seiner Verachtung für irgend etwas Wertloses 
Ausdruck geben will. (Hingegen ist die häufig gehörte Ver- 
wünschung caracoles nichts anderes als ein Glimpfwort für das 
qnanständige carajo.) *) Ähnlich dürfte dialektisch Schnecken 
zu erklären sein, womit man jemandes Forderung abschlägig 
beantwortet. Im Ital. dient chiocciola häufig zur pejorativen 



*) Die engl. Beteuerung ^snaüs! gehört nur scheinbar hierher, denn 
dieses ^snails hat nichts mit snail „Schnecke" zu tun, sondern erklärt sich 
eUiptisch aus his (Chrisfs) naüs, bei Christi Kreuz Nägeln. 



238 I>ie Wespe. 

Naanciernng. So nennt man z. B. einen unbedeutenden Maler 
pUtore da ckiocciola „Schneckenmaler". (Vgl. pittore di code di 
topo „Mäuseschwanzmaler".) 

Auf die völlige Harmlosigkeit der Schnecke spielt der 
Italiener an, wenn er von einem, der aus den unschuldigsten 
Dingen Schaden erleidet, sagt: Sino le chiocciok lo cozzanOj 
sogar die Schnecken stoßen ihn. 



Die Wespe. 

Deutsch Wespe beruht auf mhd. w^spe, älter w^fse, ahd. 
wf/sa, älter wixfsa. Im Altengl. lautet das Wort uxBfSy tccsps, 
wovon neuengl. tmsp. Bezüglich der Metathese vgl. man 
österreich.-dialektisch Wepsen für „Wespe". Die romanischen 
Benennungen der Wespe : ital. vespa, span. avispa, franz. gu^Cj 
gehen sämtlich auf lat. vespa zurück. 

Auf einem Vergleich mit dem tiefen Einschnitt, der Brust 
und Hinterleib der Wespe trennt und der ganzen Gestalt ein 
schlankes Aussehen gibt, beruht die Bezeichnung Wespen- 
taille für eine schlanke Taille. Der Ausdruck ist dem 
Franz. entlehnt (taük de gtiSpe\ findet sich aber auch im ItaL 
(vitina di vespa) und im Engl, (wa^-waisted, waspish, mit dünner 
Taille). 

Wegen ihres Stachels, mit dem sie empfindlich stechen 
kann, war die Wespe von jeher Symbol der Reizbarkeit, 
namentlich insofern diese sich in scharfer Replik äußert. (VgL 
portug. responder como a bespa, wie die Wespe antworten.) 
So wird „Wespe" in allen Kultursprachen auf einen reizbaren 
Menschen angewendet. Im Engl, ist von wasp ein Adjektiv 
waspish „reizbar" und von diesem wieder das Substantiv 
waspishness „Reizbarkeit" gebildet Aber nicht bloß eine bos- 
hafte Person (vgl. frz. taquin comme une guepe, Rolland, Faune 
pop., III, pag. 271), sondern auch ein boshafter Einfall wird 
im Engl, tmsp genannt. (Vgl. „Wespen" als Titel eines 
satirischen Witzblattes.) Es liegt hier die in der Semasio- 
logie so häufig auftretende Erscheinung der Übertragung 
eines Sinneseindrucks auf die innere Empfindung vor. Doch 



Die Wespe. 239 

kann im Engl, wasp für „Einfall" überhaupt gebraucht 
werden. He hos his head füll of tmsps, er hat den Eopf 
voll Wespen, heißt „ihm steckt der Kopf voll Einfalle". 
(Vgl. hiermit den Gebrauch von „Maus", „Vogel", „Mücke", 
„Grille" im Deutschen, von rat, hirondeUe im Franz. für den- 
selben Begriff, wobei ganz allgemein das Unstete der Ge- 
danken mit dem Hin- und Herschwirren dieser Tiere ver- 
glichen wird.) 

Kann schon eine einzige Wespe sich sehr unangenehm 
bemerkbar machen, so ist es geradezu gefährlich, ein ganzes 
Wespennest aufzurühren. Daher ist das Wespennest in allen 
Kultursprachen das Symbol der Gefahr, in die man sich ent- 
weder mutwillig oder von ungefähr begibt. So sagt man im 
Deutschen von einem, der eine gefährliche Sache aufrührt oder 
seine Gegner in Menge zum Angriff reizt: Er sticht in ein 
Wespennest. Schon im Lateinischen findet sich dasselbe 
Bild : irritare crabrones (bei Plautus), die Hornisse reizen (vgl. 
frz. il ne faut pas emouvoir les frelons, frelon = supp. fragilio 
aus fragüis „gebrechlich"). Übereinstimmend mit dem Deutschen 
sagt der Italiener stuzzicare un vespaio, der Spanier meterse 
en un avispero, der Franzose tomber dans un guepier, in ein 
Wespennest fallen, wobei allerdings die Neben Vorstellung des 
absichtlichen Reizens fehlt. Treffend bezeichnet im engl. Cant 
tvasp ein venerisches Weib, wobei die beim Beischlaf statt- 
findende Übertragung des Krankheitsstoffes mit dem Stiche 
der Wespe, die ihren Stachel in der Wunde zurückläßt, ver- 
glichen wird. (Vgl. ital. vespaio = Furunkel.) Auf dem Ver- 
gleiche der zum Schlage ausholenden Hand mit der heran- 
fiiegenden Wespe und des erfolgten Schlages mit dem Stiche 
des Insekts, beruht die im Deutschen landschaftlich vor- 
kommende Bezeichnung „Wespe" für „Ohrfeige". (Vgl. 
„Schwalbe", „Wachtel".) Hierher gehört auch span. avispar 
„anspornen, antreiben" (mit Bezug auf Pferde), wobei die 
durch die Sporen oder die Peitsche hervorgerufene Schmerz- 
empfindung mit der durch den Wespenstich verursachten ver- 
glichen wird. 

Anspielend auf die außerordentliche Beweglichkeit der 
Wespe gebraucht man im Span, das Adjektiv avispado im 
Sinne von „fiink". Auf das Summen der Wespen bezieht sich 



240 ^^^ Ameise. 

im Ital. der Vergleich rumorosi come uno aciame di vespe, 
lärmend wie ein Wespenschwarm. 



Die Ameise. 

Deutsch Ameise beruht auf mhd. ameize, ahd. ameiza, 
dem altengl. cemette entspricht, wovon neuengl. emmet, ant. 
Dialektische Formen sind im Deutschen in großer Menge vor- 
handen. Ihre Erklärung, die viel Schwierigkeiten bietet, 
findet man bei Kluge, Etym. Wörterbuch, pag. 12. (Vgl. 
femer über die germanischen Namen der Ameise Transact. of 
the phil. Soc, 1858, pag. 94.) Im Engl, wird neben emmei 
und ant auch mire (aus altengL myre) und ein mit piss „pissen" 
zusammengesetztes pissmire gebraucht, wozu sich im nieder- 
deutschen sSx-amsen {sexen = pissen) ein Analogen findet. 
(Diese Bezeichnungen beziehen sich auf die ätzende Flüssig- 
keit, die die Ameisen in gereiztem Zustande ausspritzen.) Die 
romanischen Benennungen der Ameise: ital. formica, span. 
hormiga, frz. fourmi, gehen sämtlich auf lat. formica zurück. 

Was die metaphorische Verwertung der Ameise in 
den Kultursprachen betrifft, so wird sie zunächst im Ital. 
häufig als Symbol der Kleinheit verwendet. So bedeutet 
scrüf>o a formiche, mit Ameisen geschrieben, s. v. w. außer- 
ordentlich klein geschrieben. Cervello di formica „Ameisen- 
him" nennt der Italiener ein kleines Hirn und bezeichnet 
damit einen beschränkten Kopf. Dementsprechend heißt es 
von einem, der kleine Schritte macht: Va a passi di formica, 
er geht mit Ameisenschritten.*) Im Portug. wird ein von 
formiga gebildetes Adjektiv formigueiro im Sinne von „klein, 
unbedeutend" gebraucht. So wird ein Dieb, der nur Sachen 
von geringem Werte stiehlt, ladräo formigueiro „Ameisendieb" 
genannt. Ebenso sind peccados formigueiros „Ameisensünden" 
kleine Sünden. Desgleichen ist im Franz. die Ameise das Bild 
der Kleinheit, so z. B. in der Bedensail; devenir plus petit qu'une 



♦) Im Dialekt von Warwickshire gebraucht man die Wendung <m an 
anVs footj auf einem Ameisenfuß, im Sinne Ton: in einem Augenblick. 
(Vgl. RoUand, Faune pop., III pag. 275 f.) 



Die Ameise. 241 

fourmi devant qn., vor jemd. kleiner werden als eine Ameise. 
(Vgl. Kolland, Faune pop., HI, pag. 278.) Im Ital. ist die 
Ameise auch Symbol der Schwäche: aver forza quanf una 
formicttj soviel Ki'aft haben wie eine Ameise, heißt „keine 
JKraft haben". Hierher gehört femer das deutsche Sprichwort: 
Ameisen haben auch Galle, d. h. auch von einem an- 
scheinend schwachen Wesen kann uns Gefahr drohen. Das- 
selbe Sprichwort findet sich im Span.: Gada hiyrmiga tiene su 
ira und im Franz.: La fourmi a sa coUre. Im Ital. tritt an 
Stelle der Ameise die Fliege: Anche una mosca ha Ja sua 
coUera. 

Von dem Bilde der kreuz und quer durcheinanderlaufenden 
Ameisen eines Ameisenhaufens hergenommen ist die Redens- 
art wie Ameisen durcheinanderwimmeln, die man 
auf eine bunt bewegte Volksmenge anwendet. In den 
romanischen Sprachen sind die dem deutschen „Wimmeln" 
entsprechenden Zeitwörter von formica abgeleitet : ital. formi- 
cölare (vgl. esserci come le formiche, in großer Menge vor- 
handen sein), span. hormiguear, frz. fourmüler. Davon sind 
wieder gebildet die Verbalsubstantiva : ital. formicolio, span. 
hormigueo, frz. fourmülement Diese Verba, bzw. Substantiva 
bezeichnen fernerhin das Kribbelu, eben weil diese meistens 
durch nervöse Erkrankungen hervorgerufene Sinnesempfindung 
vergleichbar ist mit dem Hautreiz, der sich einstellt, wenn einem 
Ameisen über die Haut laufen. Hierauf beruht gleichfalls 
die franz. Bedensart avoir des fourmis (dans quelque partie du 
Corps), Ameisen haben (an irgend einer Stelle des Körpers), 
d. h. ein Kribbeln verspüren. Im Span, wird hormigueo 
infolge Übertragung auf die innere Empfindung für „Auf- 
geregtheit, innere Unruhe" gebraucht. Auf den hastigen Lauf 
der Ameise bezieht sich im Ital. die Bezeichnung polso formi- 
volare für einen unruhigen Puls, welche Metapher sich schon 
im Lat. findet: pulsus formicabilis. Von den Ameisenzügen, 
bei denen eine Ameise hinter der anderen einherläuft, her- 
genommen ist im Portug. die adverbiale Bedensart ä formiga 
nach Ameisenart, d. h. im Gänsemarsch. Da diese Ameisen- 
züge oft den Tritten unachtsamer oder böswilliger Wanderer 
zum Opfer fallen, sagt der Spanier von einem zu Fuße Beisenden: 
Camina matando hormigas, wörtl.: er reist, indem er Ameisen tötete 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 16 



242 ^c Ameise. 

Ftr den AmeisoihaiifeB besitzen die romanischen Si»tbclim 
eine eigene, tob formica abgeleitete Beaeichnang: ital. for^ 
fmcaiOj span. hormiffuera, frz. faurmilier, welche Wörter aaoh 
die flbertrageue Bedentong von „Menschenhaufen^ haben. Im 
selben Sinne wie vespaio wird formieaio gebraucht in der ital- 
Redensart stuzzkare ü formkaio, einen Ameisenhaufen auf- 
stöbern, d. h. groAes Unheil, arge Verwirrung anrichten. Zwar 
haben die Ameisen keinen Stachel wie die Bienen, doch können 
sie durch die sogenannte Ameisensäure, eine ätzende, stark 
riechende Flüssigkeit, die sie ans einem Bläschen am Ende- 
des Hinterleibes ausspritzen, unangenehm werden. 

Von der Behausung d^ Ameise, die sich selbst ein Loch 
in die Ei^e gräbt, hergenommen ist das ital. Sprichwort : O^ni 
formiea ama il suo bueo, jede Ameise liebt ihr Loch, d. h. 
jeden zieht es nach seiner Heimat zurfick. Auf die m 
hohlen Bäumen nistende Ameise bezieht sich die ital. Redens- 
art fare la formiea del sorbOj die Ameise des Vogelbeer- 
baumes spielen, häufig mit dem Zusatz che non esce per hussctrey 
die nicht herauskommt, wenn man auch klopft Man sagt 
dies von jemd., der den Einflüsterungen eines anderen nicht 
nachgibt oder auf Beleidigungen nicht antwortet. Über- 
haupt erscheint die Ameise häufig als Symbol hartnäckiger 
Ausdauer, was man wohl begreift, wenn man dem Treibe» 
dieser Tierchen zusieht, die mit unermttdlichem Fleiß stunden- 
lang Material f&r ihren Bau herbeischleppen. (Vgl. das span. 
Sprichwort : Chrono d grano bastece la hormiga su gramro, Eom 
auf Eorn fällt die Ameise ihren Speicher.) Sucht man die- 
Ameise auch von ihrem Ziele abzubringen, immer wieder 
kehrt sie, sobald man sie unbehelligt läßt, zu demselbem 
zurück. Auf dieser lobenswerten Eigenschaft beruht die 
Etymologie von emsig, das wohl von Ameise, bzw. 
dialektisch Emse kommt. Hierher gehört ferner die im 
älteren Ital. vorkommende Redensart aver Ja formieoJa d^una 
cosa, wörtL: die Ameise nach etwas haben, d. h. hartnäckig 
wie die Ameise nach etwas streben. Semasiologisch be^ 
merkenswert ist, daß hier für die das Tier besonders charakteri- 
sierende Eigenschaft der Name des Tieres selbst gesetzt wird^ 



Der E&fer im allgemeineB. 243 

Der Käfer im 

Für unsere Untersuchung kommt nur der Gesamtname 
Käfer in Betracht, da die Namen der einzelnen Unterarten 
für die Metaphorologie kein oder nur geringes Intei'esse bieten. 
Was das deutsche Wort Käfer betrifft, so beruht es auf 
mhd. keverj ahd. kevar^ chevaro^ dem altengl. Seafor entspricht, 
wovon neuengl. chafer. „Käfer^ wird in Zusammenhang ge- 
bracht mit mhd. kifen „nag^i^ (heute noch bayrisch - öster- 
reichisch „kiefeln^). Ein AnaJogon hierzu bietet die Etymo- 
logie von engl, beäle (einem Synonym von chafer), aus altengl. 
Utöla^ das wahrscheinlich mit büan „beißen'^ zusammenhängt. 
Die romanischen Benennungen des Käfers gehen sämtlich auf 
lat scarabaeus^ bzw. scarafaius zurück, das von der speziellen 
Bedeutung „Mistkäfer'' durch Generalisierung zu der allge- 
meinen von „Käfer" gelangte : itaL scarafaggio, span. escarabo^Oj 
frz. scarabee (gelehrt), escarhot (volkstümlich). 

Der Käfer gilt häufig als Symbol der Kleinheit, im 
Deutschen mit der Nebenvorstellung der Niedlichkeit. So 
nennt der Deutsche ein hübsches Mädchen einen netten 
Käfer, während der Spanier eine weiß gekleidete, brünette 
Frau mit escardbajo en kche, Käfer in der Milch, bezeichnet. 
(Häufiger mosca en lecke, Fliege in der Milch.) Von der 
Farbe hergenommen ist femer der ital. Vergleich nero come 
uno scarafaggio, schwarz wie ein Käfer, oder genauer: Mist- 
käfer. Hier ist scarafaggio wie auch escarabajo in der oben 
zitierten span. Metapher in der ursprünglichen Bedeutung auf- 
zufassen, denn es sind nicht alle Käfer dunkelfarbig. Wenn^^ 
vielleicht auch nicht der Mistkäfer selbst, so doch eine minder 
schön gefärbte Käferart ist mit escarabajo gemeint im folgenden 
span. Sprichwort: Dijo el escarabajo ä sus hijos: Venid acd, mis 
flores, es sagte der Käfer zu seinen Söhnen : Kommt her, meine 
Blumen, was dem deutschen „Jeder Mutter Kind ist schön" 
entspricht. Im Span, wird escarabajo auch verächtlich im 
Sinne unseres „Knirps" für einen kleinen Menschen gebraucht. 
Hierher gehört gleichfalls das span. Sprichwort: Hasta los 
escarabajos tienen tos, sogar die Käfer haben Husten, das man 
auf Leute aus dem Volke (die „kleinen" Leute) anwendet, die 
die zimperlichen Manieren der Vornehmen nachäffen. (Vgl. 

16* 



244 ^^^ Käfer im aUgemeinen. 

das portug. Sprichwort : Ja a formiga tem catarro, die Ameise 
hat auch schon Katarrh, womit das altkluge Benehmen von 
Kindern getadelt wird.) Wegen seiner Kleinheit wird der 
Käfer oft zertreten, worauf sich die engl. Bezeichnung beeile- 
crusher „Käferzerquetscher" für einen großen, derben Soldaten- 
schuh bezieht, welcher Ausdruck metonymisch auf den mit 
einem solchen Schuh bekleideten Fu£ und schließlich auf 
die ganze Person angewendet werden kann. Das Pariser 
Argot hat sich von escarbot „Käfer" ein Verbum escarbouüler 
gebildet, das „zertreten" bedeutet. Da die meisten Käfer, 
wenn sie in Bedrängnis geraten, sich sehr ungeschickt ge- 
bärden, ja oft blindlings in die Gefahr rennen, so nannte man 
im älteren Engl, einen dummen Menschen gern beeile. (Vgl. 
frz. bete comme un hanneton, dumm wie ein Maikäfer.) Auch 
die Eedensart as blind as a beeile^ blind wie ein Käfer, mag 
darauf beruhen. 

Im Span, wurde von escarabajo ein Verbum escarabajear 
gebildet, das zunächst mit Bezug auf das hastige Hin- und 
Herlaufen der Käfer „krabbeln" und dann infolge Übertragung 
auf die innere Empfindung „quälen, aufregen" bedeutet. (Vgl. 
deutsch „wurmen".)*) Hierher gehört femer escara6q;co „schlechte 
Schrift, Gekritzel", sowie escarabajear „unleserlich schreiben". 
(Gleichsam als liefe ein mit Tinte benetzter Käfer auf dem 
Papiere hin- und her. Vgl. frz. pattes de mouche „Fliegenfiiße".) 

Mit Anspielung auf das Hin- und Herschwirren des Käfers 
sagt man in einigen Gegenden Deutschlands von einem, der 
schlechter Laune ist, er habe einen Käfer (nämlich im Kopf). 
Analog bezeichnet der Franzose eine fixe Idee volkstümlich mit 
Jianneton „Maikäfer". Es wird gewissermaßen angenommen, 
das Umhersummen eines Käfers im Kopfe sei Ursache des Unbe- 
hagens. Auch für „Bausch" wird „Käfer" gebraucht, wobei die 
größere Lebhaftigkeit in Wort und Geste auf das beunruhigende 
Treiben eines imaginären Käfers zurückgeführt wird. (Vgl. in 
den versch. Sprachen den metaphorischen Gebrauch von „Grille", 
„Eaupe", „Vogel", „Schwalbe", „Sperling", „Maus", „Ratte".) 



*) Im Deutschen findet sich ein Anologon in maikäfern, das nach 
Behaghel, Die deutsche Sprache, 3. Aufl., pag. 141, bedeutet „sich zur 
Rede anschicken, wie der Maikäfer, der die Flügel zum Fluge hebt". 



Der SchmetterÜDg. 245 



Der Schmetterling. 

Schmetterling, ursprünglicli ein obersächsisches 
Dialektwort, ist erst im Laufe des 18. Jahrhunderts in die 
deutsche Schriftsprache eingedrungen. Die Ableitung des 
Wortes von Schmetten „Milchrahm" findet ihre Bekräftigung 
in den dialektischen Benennungen des Schmetterlings: Smant- 
lecker (Smant = Schmetten), Milchdieb, Molkendieb, 
Buttervogel, Butterfliege, wozu engl, btdterfly bms alt- 
engl. Mtorfleoge stimmt. Bezüglich dieser auffallenden Namen 
vgl. maU; was Mannhardt, Germanische Mythen, pag. 54, dar- 
über sagt: „Übertragung des alten Eibenglaubens auf die 
Hexen findet statt in der weitverbreiteten Meinung, daß diese 
den Kühen die Milch benehmen können oder Milch und Butter 
auf zauberische Weise entwenden, woher die Hexe wie der 
elbische Schmetterling (Buttervogel), der in der himmlischen 
Wolkenregion seine Heimat hat, Molkentöversche, Milchdieb, 
Milchzauberin heißt". Hierzu stimmt auch die in einigen 
Gegenden Schottlands für den Nachtschmetterling gebräuch- 
liche Bezeichnung mich „Hexe". (Vgl. Kolland, Faune pop., 
III, pag. 315.) 

Der mittelhochdeutsche Name des Schmetterlings war 
vivalter aus ahd. vivaltra, dann aber auch znnfalter, wozu sich 
in Dialekten zahlreiche Varianten finden, von denen die 
wichtigsten bei Kluge, Etym. Wörterbuch, pag. 104, zusammen- 
gestellt sind. Aus vivalter wurde in neuester Zeit falter los- 
gelöst, indem man darin eine Zusammensetzung von vi und 
valter sah. 

Was die romanischen Sprachen betrifft, so zeigen sie 
keine durchgehende Übereinstimmung in der Bezeichnung des 
Schmetterlings. Auf lat. papilio gehen zurück veraltetes ital. 
papiglione (auch parpaglione) sowie franz. papiUon. Scheide- 
formen hierzu sind vorhanden in ital. padiglione, frz. pavillon 
„Zelt'', wozu sich noch span. pdbelUn in derselben Bedeutung 
gesellt. Körting in seinem lat.-roman. Wörterbuch hält es für 
möglich, daß auch ital. farfaUa eine Umgestaltung von parpapU 
ist, indirekt also auf papilio zurückgeht. Allein, wie ist 
der fürs Ital. unerhörte Wandel von p zu f zu erklären ? 



246 ^^ Sehmetteriing. 

Meyer -Lübke (Ital. Grammatik^ pag. 143, § 250) nimmt für 
farfälla ohne weiteres ein Etymon farfaUo an (ans paptlio?), 
erklärt aber das Verhältnis der Endungen f&r unklar. Unter 
solchen Umständen muß zugegeben werden, dafi die Her- 
leitung von farfälla aus papilio mehr als zweifelhaft ist 
Sollte in farfaUa nicht ahd. vivaltra zu erblicken sein? Ist 
doch auch umgekehrt das roman. papilio ins Germanische 
eingedrungen, wie mittelniederländisch pepel, schweizerisch 
pipolder, südwestfalisch pipeldm zeigen.'*') Die spanische Be- 
zeichnung des Schmetterlings, mariposa, entbehrt nicht eines 
gewissen poetischen Beigeschmacks. Mariposa ist nämlich s. 
y. w. Maria posa, Maria, setze dich. Eine ähnliche Bildung 
ist das portug. der Eindersprache entstammende lousapoma 
(von lousa „Schiefertafel" und pousar „sich setzen"). Solche 
trauliche Anreden, die das gemütliche Verhältnis des Menschen 
zum Tiere trefflich charakterisieren, kommen auch sonst als 
Tiemamen vor. (Vgl. franz. -dial. vole-bebS „fliege, Kind" für 
„Schmetterling" und ital.- dial. saUamartin „spring, Martin" 
für „Heuschrecke".) Analogien aus den germanischen Sprachen 
hat Storm, Bomania V, pag. 180, zusammengestellt. Als 
spezielle Bezeichnung des Nachtfalters sind ital., span. falena, 
frz. phaUne aus griech. wdkatva anzuführen. Eine auffallende 
Übereinstimmung weisen dialektische Benennungen des Nacht- 
schmetterlings in weit auseinanderliegenden Sprachgebieten 
auf So ist dem Engl, (sotrf), dem Franz. (äme), dem Griechi- 
schen (ifwxi]) die Bezeichnung dieser Schmetterlingsart als 
„Seele" gemeinsam. 

In der Metaphorologie spielt der Schmetterling keine un- 
bedeutende Rolle. Anspielend auf die zarte, schmächtige Ge- 
stalt nennt der Italiener eine magere Person falena. Dasselbe 
tertium comparationis liegt zugrunde in engl, btäterfly als 
Bezeichnung einer leichten Flußbarke, wobei auch an die 
Behendigkeit des Fluges gedacht wird. (Vgl. franz. mouche 
„Fliege", hirondelU „Schwalbe" als Bezeichnung von Seine- 
dampfem.) Auf einem Vergleich mit den ausgespannten 



*) Schuchardt (briefl. Mitteilung) macht geltend, daß bei farfälla wie 
bei allen Benennungen des Schmetterlings die Lautsymbolik eine gewisse 
EoUe spielt. 



Der Schmettetling. 247 

Plugein des Insekts beruht die bereits oben erwähnte Be* 
^ichnung des Zeltes in den romanischen Sprachen mit dem 
Namen des Schmetterlings. Hierher gehört auch der Gebrauch 
Ton buUerfly für ^Anknöpfschlips^' im amerik. Engl., wobei 
jedenfalls die beiden Zipfel die Vorstellung von Schmetterlings" 
flägeln erwecken. (Vgl. franz. cmvate papilhn.) Wenn femer 
«der Italiener einen Pfandschein oder Wechsel mit farfalla be«- 
seichnety so liegt neben der Metapher Bedentungsverengung 
Tor, indem nicht eigentlich der Wechsel, sondern das flatternde 
Blatt Papier als solches mit einem Schmetterling verglichen 
wird. Ein Analogen hierzu findet sich im Deutschen, 
wo „Buttervogel" zuweilen für „Bechnung" gebraucht wird. 
Nennt der Spanier ein in Öl schwimmendes Nachtlicht mari'»^ 
jposa, so vergleicht er hierbei offenbar das unruhige Flackerli 
-des Lichtchens mit den Schwingungen von Schmetterlings- 
:flügeln. 

Auf den in Bewegung befindlichen Schmetterling bezieht 
sich ital. /a/6na „Nachtschmetterling" in der Bedeutung „herum- 
:fliegende Asche", wobei an die meist aschgraue Färbung der 
Nachtfalter angespielt wird. Hingegen nennt der Engländer 
mit Bezug auf die farbenprächtigen Tagfalter einen bunt ge- 
kleideten Menschen im tadelnden Sinne buUerfly. Einerseits 
auf Ironie, anderseits auf Euphemismus beruht die Bezeichnung 
des menschlichen Auswurfs als falena im Ital. Dieselbe Art 
von Bedeutungswandel macht den volkstümlichen Gebrauch von 
farfaUino „kleiner Schmetterling" für „Laus" verständlich. 

Es liegt nahe, den von einer Schönen zur anderen 
Ratternden Jüngling mit dem Schmetterling zu vergleichen, 
4er von Blume zu Blume gaukelt — Spanier und Franzosen 
gebrauchen hierfür ein einziges Wort (mariposear, papillonner) 
— und so ist auch der Schmetterling in allen Eultursprachen 
•Symbol der Flatterhaftigkeit, besonders in erotischer Be- 
ziehung. Engl, wird buttetHy adjektivisch im Sinne von 
^fiatterhaft" gebraucht und dieselbe Bedeutung hat butterfly- 
winged {wing = Schwinge). Ebenso ist im ItaL farfalla, bzw. 
•das Dim. farfaUino Bezeichnung eines unbeständigen Menschen, 
während das Augmentativ farfaUone speziell auf einen nicht 
'ernst zu nehmenden Hofmacher angewendet wird. Hierher 
gehört auch die Bezeichnung falena „Nachtschmetterling" für 



248 ^6' Schmetterling. 

ein nachts nmherstreifendes Mädchen (vgl. deutsch Nacht* 
falter) und als Synonym von farfalla für ein lebhaftes Kind, 
Desgleichen ist der Schmetterling im Span, und Franz. Sinn- 
bild der Unbeständigkeit. So wird im Franz. mit papillonne^ 
dem Fem. von papillon, die Unbeständigkeit in der Lieb» 
(namentlich bei Frauen) bezeichnet. Von den Verben tnari^ 
posear und papülonner war bereits weiter oben die Rede. 
Als ein Bild des mit der Gefahr spielenden Leichtsinns er- 
scheint der die Flamme umtanzende Schmetterling in dem 
ital. Sprichwort: Tanto va il parpaglione intorno al lume, che 
vi s'dbhrucia^ so lange fliegt der Schmetterling ums Licht^ 
bis er sich daran verbrennt. Im Deutschen tritt die Mücke 
an Stelle des Schmetterlings, im (älteren) Franz. die Fliege: 
La mouche se brusle ä la chandelle, die Fliege verbrennt sich 
an der Kerze. 

Auf dem Flattern des Schmetterlings beruht ferner im 
Franz. der Vergleich von düsteren Gedanken mit schwarzen 
Schmetterlingen (papillons noirs). Auch wird, allerdings ver- 
einzelt, papillon für „Laune" schlechtweg gebraucht. (VgL 
RoUand, Faune pop., III, pag. 315.) Hierher gehört gleichfaU» 
portug. borbetar „phantasieren" von borbeia „Schmetterling".^ 
Insekten symbolisieren sehr häufig Gedanken oder Launen- 
(Vgl. „Grille", „Käfer", „Raupe", „Spinne".) 

Wegen seiner kurzen Lebensdauer sowie der Flüchtigkeit 
seiner Erscheinung gilt der Schmetterling manchmal als Sinn- 
bild der Nichtigkeit. So sagt der Italiener von einem, der 
sich mit nichtigen Dingen abgibt : üccella alle farfaUe, er jagt 
Schmetterlinge. Dasselbe Bild findet sich im Franz.: courir 
aprhs les papillons, den Schmetterlingen nachlaufen. Hierher 
gehört auch das von farfaUa gebildete Verbum sfarfallare in^ 
der Bedeutung „nichtiges Zeug reden, aufschneiden, prahlen"^ 
sowie farfallone „nichtiges Gerede, Prahlerei". Infolge 
Generalisierung gelangt dies Wort zur Bedeutung „Unwahr- 
heit" überhaupt und indem es seinen Begriflfsumfang wieder 
verengt, zu der von „Irrtum, Schnitzer" (unfreiwillige Un- 
wahrheit). 



Die Fliege. 249 



Die Fliege. 

Deutsch Fliege beruht auf mhd. vliege^ ahd. fHuga, dem 
altengl. fieoga entspricht, wovon neuengl. fty. „ Fliege*' ist mit 
„fliegen" verwandt und bedeutet demnach „die Fliegerin", 
Die romanischen Bezeichnungen der Fliege: ital.-span. mosca^ 
frz. mouche, gehen sämtlich auf lat. musca zurück. 

Von allen Insekten ist die Fliege, die im Sommer be- 
sonders in südlichen Ländern zu einer wahren Hausplage 
wird, dem Menschen am vertrautesten, weshalb sie in der 
Metaphorologie eine hervorragende Rolle spielt. Wir müssen 
uns darauf beschränken, von den die Fliege betreffenden 
Metaphern die gebräuchlichsten anzuführen. Eine nicht 
geringe Anzahl derselben bezieht sich auf die äußere Er- 
scheinung der Fliege. So wird im Deutschen, Ital. und 
Franz. ein kleines Kinnbärtchen „Fliege" genannt. Mit mehr 
Recht bezeichnen Italiener und Franzose ein Schönheits- 
pflästerchen als mosca, bzw. mouche. Auch auf ein behaartes 
Muttermal oder eine Warze wendet der Italiener mosca an, 
während der Franzose das (gewöhnlich schwarze) Zentrum 
einer Schießscheibe (vgl. faire mouche^ das Ziel treffen) sowie 
den Kotfleck auf dem Kleide mit der Fliege vergleicht. 

Beruhen die genannten Fälle auf Vergleichen mit der im 
Zustand der Ruhe befindlichen Fliege, so gibt es auch solche 
Metaphern, die von der im Fluge begriffenen Fliege her- 
genommen sind, wie z. B. im Span, der Gebrauch von mosca 
für „Sprühfunke". Nach Parodi sind moscella „kleiner Funke" 
sowie die Verba chamtiscar, charamuscar „sengen" gleichfalls von 
musca abzuleiten. Ebenso nennen Italiener und Spanier die 
Schneeflocken gern mosche bianche, bzw. moscas blancas, weiße 
Fliegen, der Franzose sagt mouches cPhiver „Winterfliegen" — 
ein interessantes Beispiel von volkstümlicher Naturbeseelung. 

Ferner sind einige Metaphern zu verzeichnen, bei denen 
das tertium comparationis lediglich das Fliegen ist, wie im 
Engl, fly als Bezeichnung eines Einspänners. Der Kutscher 
heißt Aemnaidi fly-driver „Fliegentreiber". Nach Brewer (Dict. of 
Phrase and Fable, pag. 307) ist dieses fly jedoch eine Abkürzung 
von fly 'by- night „fliege bei Nacht", womit zur Zeit der 



250 I>ie Flieg«. 

Begentschaft eine Art Sänfte auf Rädern {sedan-chair on 
wheels) bezeichnet wurde. Die dem Personenverkehr dienenden 
Seinedampfer werden gleichfalls mauches genannt. Dieselbe 
Bezeichnung fuhrt im Franz. ein kleines Bekognosziertmgs* 
schiff wozu sich in span. mosca als Benennung eines kleinen 
Seeschiffes ein Analogen findet. Hierher gehört schließlidi 
auch span. mosca in der Bedeutung „gemünztes Geld^. Ffir 
„Geld ausgeben^ sagt demnach der Spanier söUar la moscaj 
die Fliege loslassen. Daneben findet sich aficjar la mosca, 
worin die Metapher nicht mehr gefühlt wird, denn a/2q^ 
heißt „schlaff machen^ und bezieht sich auf das Öffnen des 
mit einer Schnur verschließbaren Geldbeutels. Vgl. die deutsche 
Bedensart: „das Geld fliegt nur so'', sowie den Gebrauch von 
„Vogel'', speziell „Schnepfe", für „Münze*'. Anspielend auf 
die Leichtigkeit, mit der sich die Fliege auf glatten Flächen 
bewegt, nennt der Italiener einen Seiltänzer uomo mosca 
„Fliegenmensch". 

Auf die schwärzliche Färbung der Fliege bezieht sich 
im Ital. die Bezeichnung mosca bianca „weiße Fliege" für 
etwas Unerhörtes, Seltenes. (Vgl im Deutschen „weißer 
Babe", im Engl, white crowj im Franz. merle bianc) Wie 
treffend und humorvoll gerade die volkstümlichenMetaphem sind, 
beweist die Bezeichnung mosca en leche^ Fliege in der Milch, die 
der Spanier aus dem Volke auf ein weiß gekleidetes, brünettes 
Mädchen anwendet, dessen dunkler Teint sich unvorteilhaft 
von dem Weiß des Kleides abhebt. (Vgl. escarabc^o en leche, 
pag. 243.) Dem Franz. {une mouche dam du lait) und dem ItaL 
(una mosca cascata nel latte) ist diese Metapher ebenfalls geläufig. 

Mit Bezug auf das geringe Gewicht der Fliege sagt 
man im Deutschen von einem zartgebauten Mädchen: Sie ist 
leicht wie eine Fliege, ebenso itaL: Pare una mosca. 
Indem von der physischen Minderwertigkeit auf die moralische 
geschlossen wird, wendet man „Fliege" im Deutschen gelegent-* 
lieh auf ein leichtfertiges Mädchen an. 

Überhaupt wird dieses Insekt gern als Symbol der Wert** 
losigkeit gebraucht. Im Pariser Argot übernimmt mouche 
geradezu die Funktion eines Adjektivs mit der Bedeutung 
„schlecht, wertlos, schwächlich". Im Ital. sagt man von einem, 
der das Angestrebte nicht erreicht hat: il rimasto coüe mani 



Die Fliege. 2&1 

pkne di mosche, ihm sind nur Fliegen in d«r Hand geblieben. 
Hierher gehören femer die span. Sprichwörter : Mdsvale una 
4befa que mil moscas, eine Biene ist mehr wert als tausend 
Fliegen (auch schweizerisch), und ÄremoB, dyo la mosea al 
iuey, pflügen wir, sagte die Fliege zum Ochsen, was auf einen 
angewendet wird, der sich in törichter Überschätzung sein^ 
Kräfte einbildet, durch seine Mitwirkung irgend ein Unter- 
nehmen beträchtlich zu fordern, während er in Wirklichk^t 
infolge seiner Unzulänglichkeit vollständig entbehrlich ist 
Im Franz. findet sich ein Analogon in der Redensart faire la 
mouche du coche, die Fliege auf dem Wagen spielen. Es ist 
dies eine Reminiszenz an die Lafontainesche Fabel von der 
Fliege, die sich einbildet, durch ihre Bemühungen ein berg^ui 
fahrendes Fuhrwerk ans Ziel gebracht zu haben. In ähnlicher 
Weise läßt der Engländer die auf dem Wagenrad sitzende 
Fliege (the fly on the coach-wlieeF) zum Kutscher sagen: Was 
für einen Staub wir machen I Hierher gehört auch aus dem 
älteren Franz. die Bezeichnung disner de mouche „Fliegenmahl'* 
für eine ärmliche Mahlzeit. (Vgl. BoUand, Faune pop., III, 
pag. 309.) Analog sagt der Italiener von einem mageren 
Verdienst: Non ci camperebbe una mosea, es könnte nicht eine 
Fliege davon leben. Als Bild des Unbedeutenden, Nichtigen 
erscheint die Fliege gleichfalls in dem deutschen Sprichwort: 
Adler fangen keine Fliegen, d. h. ein großer Geist gibt 
sich nicht mit Kleinigkeiten ab. Dasselbe Diktum findet sich 
auch in den anderen Kultursprachen. So im Engl., bzw. 
Schottischen: Eagles catch nae jßies, im Ital.: Vaquila non 
mangia mosche, im Franz. : Uaigle ne chasse point aux mouches, 
im Lat.: Äquila non captat muscas. Als Symbol physischer 
Ohnmacht wird die Fliege dem Elefanten gegenübergestellt 
in der engl. Redensart to change a fly into an eJephant, eine 
Fliege in einen Elefanten verwandeln, die sich übrigens auch 
im Ital., Franz. und schon im Lat. findet: Fare d^una mosca 
un elefante, faire d'une mouche un eUfani, elephantem ex musca 
faeere. Im Deutschen tritt an Stelle der Fliege die Mücke, 
im Span, der Floh {hacer de una pulga un elefante). Im ähn- 
lichen Sinne gebraucht der Engländer die Redensart to crush 
a fly on a whed, eine Fliege mit einem Rade zerquetschen, 
d. h. einen schwachen Gegner mit wuchtigen Waffen be« 



252 I>ie Fliege. 

kämpfen. (Vgl. im Deutschen: mit Kanonen auf Sperlinge 
schießen.) 

Mit Anspielung auf den unhörbaren Flug der Fliege sagt mau 
im Ital., bzw. Franz. um eine große Stille zu charakterisieren : 
Si sentirebbe volare tma mosca, on entendrait voler une mouchey 
man könnte eine Fliege fliegen hören. So ist zweifelsohne 
der ital. Ausruf mosca! „still"! identisch mit mosca „Fliege*' 
und als Ellipse zu erklären. Der voUständige Satz würde 
etwa heißen: Che non si senta una mosca! nicht eine Fliege 
soll man hören! 

Auf die kurze Lebensdauer der Fliege und ihre geringe 
Widerstandsfähigkeit gegen die Kälte bezieht sich die Redens- 
art fallen wie die Fliegen, wozu sich in anderen 
Sprachen, z. B. im Ital., Analoga finden {morire come le mosclie\ 
Auch gebraucht der Italiener die Fliege geradezu als Symbol 
der heißen Jahreszeit, indem er für cominda la State, der Sommer 
beginnt — la state i finita, der Sommer ist um, häufig sagt: 
Comincian le mosche — le mosche sono finite. (Vgl. das deutsche 
Sprichwort: Fliegen und Freunde kommen im Sommer.) 
Mit Bezug auf die lähmende Wirkung, die die Kälte auf die 
Fliegen ausübt, sagt man im Deutschen, um einen hohen Grad 
von Mattigkeit zu bezeichnen, matt sein wie eine Fliege 
(zu ergänzen: im Winter). 

Auf das massenweise Vorkommen der Fliegen, die nament- 
lich in Räumen mit hoher Temperatur schwarmweise auf- 
treten, bezieht sich der ital., bzw. frz. Vergleich fitto come le 
mosche, dru comme mouches, dicht wie Fliegen, wofür man im 
Deutschen „hageldicht" sagt. 

Von der Beschafl'enheit des Fliegenschmutzes, der schwarzen 
Tupfen gleicht, hergenommen ist ital. moscato, span. mosqueada 
„gesprenkelt, gefieckt" sowie franz. moticheter „sprenkeln". 

Die Fliege, welcher Spezies sie auch immer angehören 
mag, ist dem Menschen stets lästig. Die Stubenfliege um- 
schwärmt ihn, setzt sich ihm bald auf die Stirn, bald auf die 
Nase und ist durch nichts zu vertreiben. Die Schmeißfliege 
belästigt ihn mit ihrem eintönigen Gesumme, die Stechfliege 
schließlich saugt sogar sein Blut. Es ist daher natürlich, daß 
die Fliege in allen Sprachen Symbol der Zudringlichkeit ist 
md zur Versinnbildung alles dessen dient, was den Men- 



Die Fliege. 253 

sehen ärgert und in Zorn bringt. Schon von den lateinischen 
Autoren (Cicero, Plautus) wurde musca als Bezeichnung eines 
neugierigen und zudringlichen Menschen gebraucht (vgl. 
griechisch ^ivla „Fliege" = Unverschämtheit, Keckheit) und 
diese Metapher hat sich in ital.-span. mosca fortgeerbt. Ganz 
besonders wird die Schmeißfliege (ital. moscone^ span. moscarda, 
moscardon) in diesem Sinne verwendet. So werden z. B. im 
Ital. junge Leute, die ein Mädchen in zudringlicher Weise 
umschwärmen, mosconi genannt Ähnlich bezeichnet Lafontaine 
in einer seiner Fabeln die zudringliche Höflingsschar als 
moiiches de cour „Hoffliegen". Der Franzose gebraucht mouche 
sogar adjektivisch in der Bedeutung „lästig, unangenehm" 
und analog verwendet der Spanier moscas! als Interjektion, 
um sich über etwas Lästiges zu beklagen. Auf die Stechfliege 
bezieht sich anscheinend die in Frageform gekleidete Redensart: 
Welche Fliege sticht ihn? ebenso franz.: Quelle mouche 
le pique? die man auf jemd. anwendet, der ohne sichtlichen 
örund in Zorn gerät. Möglicherweise ist das Stechen nicht 
wörtlich zu verstehen, sondern es ist damit wohl nur das un- 
angenehme Gefühl des Kitzels gemeint, das die Berührung 
der klebrigen Fliegenfüfle mit der Haut hervorbringt. Daher 
sagt man im Franz. von einem, den kleine Unannehmlichkeiten 
l)ereits aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen pflegen: 
11 est tendre ä la mouche, er ist gegen die Fliege empfindlich. 
Im Engl, wird das Stechen der Fliege ganz allgemein zur 
Bezeichnung einer Laune, eines Gelüstes verwendet: as the 
ßy stings, wie die Fliege sticht, d. h. wie es einem gerade 
einfällt. Wenn der Italiener von einem in Zorn geratenden 
Menschen sagt: Gli salta la mosca, die Fliege fällt ihn an, so 
laben wir neben der Metapher noch eine Metonymie, indem 
die Ursache (der Angriff der Fliege) für die Wirkung (das 
Wütendwerden) gesetzt wird. Analog sagt der Spanier von 
jemand., der schlecht gelaunt und infolgedessen sehr reizbar 
ist: Estd con mosca oder va con mosca, er hat .die Fliege, und 
ähnlich der Franzose : La mouche lui monte ä la tete, die Fliege 
steigt ihm zu Kopf, il prend la mouche, er „kriegt" die Fliege 
(ebenso ital. prendere la mosca). Im Span, werden zwei von 
mosca gebildete Verba — mosquear und amoscarse — im 
Sinne von „wütend werden" gebraucht. Ebenso wird d' 



254 I>ie Fliege. 

innere Unrnhe im ItaL und Span, gern mit masca bezeichnet. 
So sagt der Spanier, wenn ihn ein lästiger Gedanke beständig' 
quält: Pica la mosca, die Fliege sticht. Hierher zu zieh^i 
ist femer das deutsche Sprichwort: Hnngrige Fliegen 
(^Mücken^) stechen scharf, wozn sich im EngL ein Ana^ 
logon findet: Rungry flies Ute Bore. Aach das Verscheacbea 
der Fliege wird im ItaL und Span, metaphorisch verwertet^ 
und zwar für das energische Abwehren lästiger Dinge. So- 
sagt der Italiener von einem, der nicht mit sich scherzai läßt: 
Si Teva la masca äfä nasOj er dnldet keine Fliege anf der 
Nase,*) und der Spanier gebraucht die Bedensart sacudirse las^ 
"maseas^ sich die Fliegen abschütteln, im Sinne von „Feinde 
gewaltsam aus dem Weg räumen^. Speziell auf die Stech- 
fliege, die besonders Pferden und Bindern sdbr unangenehm 
wird, bezieht sich das deutsche Sprichwort: Die Fliege 
setzt sich immer auf ein mager Pferd, d. h. Aear 
Arme mu£ mehr Haare lassen als der Beiche. Hierzu bietem 
Analoga die übrigen Kultursprachen. So heißt es im Engl: 
Flies go to tean horseSy im Ital. : Äi cavaUi magri vatmo addoss» 
le mosdiSy im Franz.: Äux chevaux maigres vani les mouches* 
Nur der Spanier sagt abweichend : LI perro flaco todo es pulgas^ 
der magere Hund ist ganz yoll Flöhe. Von der Stechfliege 
hergenommen ist auch die span. Bedensart mosquear las espaldas 
(espcUda = Schulter) „peitschen", wobei die von den Peitschen- 
schlägen hervorgebrachten Wunden mit den Fliegenstichen 
in bezug auf die analoge Wirkung verglichen werden. Ähnlich 
bezeichnet der Franzose die Geburtswehen, die sich in stechen- 
den Schmerzen äußern, mit mouches. Hierher gehört ferner 
das von mosca abgeleitete ital. moscaio „Flieg^oschwarm", das 
der metaphorischen Verwendung seines Etymons entsprechend 
für eine lästige, unangenehme Sache gebraucht wird. 

Im Gegensatz zu den bisher zitierten Metaphern und 
metaphorischen Bedensarten, in denen die Fliege durchweg 
die Bolle eines lästigen, zudringlichen Tieres spielt, erscheint 
sie als Bild der Harmlosigkeit in der deutschen sprichwörtr 



'*') Hingegen bedeutet non si lasciar posar le mosche addosso, keine 
Fliegen auf sich dulden, s. y. w. „keinen Augenblick rnhig, immer in Be- 
wegung sein*'. 



Die Fliegre. 255 

Hohen Redensart : Die Fliege an der Wand ärgert ihn, 
d. h. er ereifert sich über jede unschuldige Kleinigkeit. (VgL 
franz.: n suffit 31 WM moudtt pour Vamuser, es genügt eine 
Fliege, um ihn zu unterhalten.) Im Grunde steht diese Bedens* 
art in keinem Widerspruche zu den oben zitierten, da die 
Fliege, solange sie an der Wand bleibt, niemand belästigt. 
Höehst drollig sagt der Pariser von einem Mädchen, das sieh 
dber alle Anstandsregeln hinwegsetzt : EUe envaie des c&ups de 
pkd aux mouchesj sie versetzt den Fliegen FuBtritte, wobei 
sie nolens volens ihre Beine hoch heben muß. 

Auf die primitivste Methode der Fliegenvertilgung spielt 
an die deutsche sprichwörtliche Redensart zwei Fliegen 
mit einer Klappe schlagen, d. h. einen doppelten Zweck 
durch ein Mittel erreichen. Der Engländer gebraucht die^ 
selbe Redensart: to MU iwo flies tvUh one ftap^ der Franzose 
eine ähnliche: aboHre deux fnouches cFun coup de savate, zwei 
fliegen mit einem Schuhklaps niederschlagen. (Vgl. das 
Kapitel „Vogel", pag. 104 f., femer Borchardt-Wustmami^ 
Sprichwörtl. Redensarten, pag. 152.) 

Auf der durch große Kälte hervorgerufenen Erstarrung 
der Fliege beruht im Span, der Gebrauch von mosca muerta 
„tote Fliege" sowie von mascön fttr „Heuchler, Gleißner**. 
Hiermit könnte man in Zusammenhang bringen den Gebrauch 
von mosearddn und mosca für „Spion", da dieser sich auch 
verstellen muß, wenn man es nicht etwa vorzieht, das tertium 
comparationis in der Zudringlichkeit zu sehen, mit der Fliege 
wie Spion ihre Opfer verfolgen. Hierher scheint auf den 
ersten Blick auch frz. mouchard gehörig, das jedoch nur in 
der übertragenen Bedeutung „Spitzel" gebraucht wird. Nach 
Faß, Rom. Forschungen, HI, pag. 485, ist mouchard nur volks- 
etymologisch von mouche „Fliege" beeinflußt, in Wirklichkeit 
aber identisch mit mouchard „Schnüffler", das von moucher 
„schneuzen" (aus lat. muccare) abzuleiten ist. (Vgl. jedoch im 
Pariser Argot mouche = Polizei.) Hierher zu ziehen ist femer 
aus dem Franz. die Bezeichnung fine mouche, feine Fliege, 
fttr ein gewandtes, listiges Mädchen, besonders aus den unteren 
Ständen. Eozän (Les animaux dans les proverbes, II,pag.316ff.) 
allerdings bezieht das fln auf die Geschicklichkeit, mit der 
die Fliege sich einerseits überall eindrängt, andererseits alleF 



256 I>ie Mücke. 

Verfolgungen entgeht. (Vgl. ital. egli v'k mosca, er ist darin 
gewandt.) 

In den meisten Eultursprachen ist das Fliegenschnappen 
Symbol des Müßiggangs. Das Bild ist jedenfalls hergenommen 
von dem müßig in der Sonne liegenden Haushund, der ab 
und zu nach einer Fliege schnappt. (Vgl. engl, to catch flies 
— davon subst fly-catcher, ital. pigliar masche, span. papar 
moscas, frz. gober des mouches „Fliegen schnappen, Fliegen 
fressen", was speziell unserem „Maulaffen feil halten" ent- 
spricht. In etwas weiterem Sinne wird im Span, cazar moscas, 
Fliegen jagen, gebraucht. Auf ein unfreiwilliges Fliegen- 
schnappen spielt an das engl. Sprichwort : A close mouth catches 
no flies, ein geschlossener Mund fangt keine Fliegen, d. h. nur 
der Schwätzer ist der Gefahr des Fliegenschnappens aus- 
gesetzt. Dieses Sprichwort findet sich auch in den romanischen 
Sprachen. So heißt es ital.: In bocca chiusa non entrb mai 
mosca, span. : En boca cerrada no entra mosca, franz. : En bouche 
dose n'entre motiche*) 

Auf einem Vergleich mit der Fliege, wobei das tertium com- 
parationis das Fliegen ist, beruht der franz. Vogelname moineau 
;, Sperling" = altfrz. moisnel aus moisonel, dem Dim. von moisson 
(heute noch im Normannischen gebraucht), das auf supponiertes 
muscio aus lat. musca „Fliege" zurückgeht. (Vgl. pag. 171.) 

Auch der Sperber wurde im älteren Ital. nach der Fliege 
benannt {moscardo, moschetto, moschetta). Über die metaphorische 
Verwendung dieses Wortes siehe bei „Falke", pag. 112. Franz. 
imoxicliet „Sperbermännchen" ist ebenfalls von mouche gebildet.**) 



Die Mücke. 

Deutsch Mücke geht zurück auf ahd. mucTca, das auch 
„Fliege" bedeutet, wie noch heute das Wort dialektisch in 



*) Eine beträchtliche Anzahl von italienischen und französischen 
Sprichwörtern, die Fliege betreffend, findet man zusammengestellt bei 
Kolland, Faune pop., III, pag. 310. — Über ital. mosca cieca „blinde Kuh" 
vgl. Sachs, Zusammenhang von Mensch und Tier in der Sprache, in Neu- 
phil. Zentralblatt 1904, pag. 357. 

**) Möglicherweise sind diese Vögel nach der schwarzgesprenkelten Brust 
80 benannt. (Vgl. ital. moscato, frz. moucheti „gesprenkelt", pag. 252.) 



Die Mücke. 257 

dieser Bedeutung gebraucht wird. Hiermit läßt sich span. 
mosquito, trz. moucheron vergleichen, welche Wörter zwar 
„Mücke" bedeuten, aber Diminutive von mosca „Fliege" sind. 
Mit „Mücke" verwandt ist engl, midge, das altengl. myc§ lautet. 
Neben midge gebraucht der Engländer gnat^ das auf altengl. 
gncet beruht. In Norddeutschland wird für „Mücke" häufig 
Schnake gebraucht, das mhd. snake, ahd. snako lautet. 
Die romanischen Bezeichnungen der Mücke gehen teils auf 
lat. Culex zurück, wie das seltene ital. culice und franz. 
<^otmn (aus cuUdnus, Dim. von cülex), teils sind sie Diminutiv- 
bildungen von miisca „Fliege", wie span. mosquito, frz. moucheron, 
teils sind sie schließlich onomatopoetische Bildungen wie ital. 
zanzara, span. zenzalo und cinife. 

Die meisten Metaphern, die von der Mücke hergenommen 
sind, drehen sich entweder um die Winzigkeit oder die Blut- 
gier dieses Insekts. Was zunächst die ersteren betrifft, so 
:finden wir hauptsächlich in den germanischen Sprachen die 
Mücke als Symbol des Winzigkleinen und Unbedeutenden 
gebraucht. Im Deutschen wird eine schwächliche Person gern 
„Mücke" genannt. Eine ähnliche, mehr auf das moralische 
Gebiet hinüberspielende Bedeutung hat engl, gnat und dessen 
Dim. gnaüing, während midge geradezu „Zwerg" bedeuten 
kann. Ein munteres Kind nennt der Engländer midget und 
in analoger Weise bezeichnet der Franzose einen kleinen 
Jungen als moucheron. Im Ital. nennt man eine schwache 
Stimme vocino di zanzara „Mückenstimmchen", wie auch zanzara 
selbst für eine kleine, schwächliche Person gebraucht wird. 
Hierher gehört ferner aus dem Deutschen der Vogelname 
Grasmücke, dem im Span, mosquüa „Mückchen" entspricht.*) 
Sehr gebräuchlich ist im Deutschen die Redensart aus einer 
Mücke einen Elefanten machen, d. h. Unbedeuten- 
des zu Bedeutendem aufbauschen wollen. In diesem Falle 
wird im Engl., Ital. und Franz. nicht die Mücke, sondern 
die Fliege als Symbol des Kleinen gebraucht. Während in 
diesen Eedensarten die Mücke, bzw. Fliege zum Elefanten 

*) Winteler, Natnrlaute und Sprache, pag. 27 ff., führt in Unkenntnis 
dieser Analogie Grasmücke, bzw. ahd. grasmucca auf ein snppon. gra-smacca 
zurück und leitet dieses von der schallnachahmenden Stammsilbe »mack 
(wovon auch „Schmätzer'') ab. 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 17 



258 ^ie Mtlcke. 

in Gegensatz gebracht wird, erscheint in der aus der Bibel 
stammenden Bedensart Mücken seigen und Kamele 
verschlucken das Kamel als Symbol des Großen. (Nach 
Matth. 23, 24 sagt Jesus zu den Schriftgelehrten und Phari- 
s&ern: „Ihr verblendeten Leiter, die ihr Mücken seigt und 
Kamele verschluckt^.) Diese Bedensart, die auf einen ange- 
wendet wird, der sich in törichter Weise mit Kleinigkeiten 
abgibt und dabei die Hauptsache übersieht, findet sich auch 
im Franz.: rejeier le moucheran et avaler le chameau sowie im 
Engl.: to strain at a gntxt and tx> swaUow a camel^ woher der 
engl. Ausdruck gnat-^rainer (deutsch Mückenseiger) stammt* 
Daß auch der Kleine und Schwache unter Umatänden zu 
fürchten ist, besagt das deutsche Sprichwort: Auch die 
Mücke hat ihre Milz, wobei originellerweise nicht die 
Galle, sondern die Milz als das Organ betrachtet wird, von 
dem die Zomesregung ausgeht Ein Analogon findet sich im 
Ital. : La masca ha la stia milea. (Vgl. deutsch : Ameisen haben 
auch Galle.) 

Daß hauptsächlich in den romanischen Ländern die Mücke 
als Symbol der Zudringlichkeit und des Schmarotzertums ge- 
braucht wird, ist in den klimatischen Verhältnissen der be- 
treffenden Länder begründet. J^ noioso come una zanzara, er 
ist lästig wie eine Mücke, sagt der Italiener von einem zu- 
dringlichen Menschen. Übrigens findet sich schon im Lat 
cükx in diesem Sinne. So nennt beispielsweise Plautus einen 
lästigen alten Liebhaber catia culex, grauhaarige Mücke; ähn- 
lich spricht man im Deutschen vom Mückenschwarm der 
Höflinge. Das franz. cousin wird häufig in der Bedeutung 
„Schmarotzer^ gebraucht. So sagt der Franzose von einem^ 
der sich seiner schmarotzenden Freunde nicht erwehren kann: 
II est mange des cousins^ er wird von den Mücken aufgefressen. 
Anch existiert im Franz. ein Verbum coimner „schmarotzen^. 
Man könnte darin eine Anspielung auf das homonyme cousin 
„Vetter^' sehen, denn sehr häufig setzt sich die Schar der 
Schmarotzer aus den nächsten Verwandten zusammen. In dem- 
selben Sinne wird auch span. dnife gebraucht, obwohl die mir 
zugänglichen span. Wörterbücher davon keine Notiz nehmen. 
In dieser Bedeutung finde ich das Wort wenigstens bei Galdös 
in seinem Bomane El amigo Manso gebraucht, in dem 



Der Floh. 269 

der Held ein ihn beständig mit Geldfordernngen quälendes 
Frauenzimmer wiederholt „mi dnife^y meine Mücke, nennt 

Auf die Vorliebe der Mücken für alkoholische Getränke 
spielen an der franz. Ausdruck chassen^ousin „Mückenvertreiber" 
für einen sauren Wein sowie span. masquäa als Bezeichnung 
eines eifrigen Tabemenbesuchers. 

Wie der Schmetterling wird auch die Mücke von der 
Flamme angelockt. Die das Licht umtanzende Mücke wird 
daher zum Bilde des Unbesonnenen, der leichtsinnig die 
Gefahr herausfordert: Die Mücke fliegt so lange ums 
Licht, bis sie sich versengt. Im Ital. tritt der 
Schmetterling, im Franz. die Fliege an Stelle der Mücke. 



Der Floh. 

Deutsch Floh beruht auf ahd. floh, mhd. vldch (heute 
noch so im bayrisch - österr. Dialekt). Hiermit ist verwandt 
altengl. fleah, wovon neuengl. flea. Das Wort hängt mit 
„fliehen^ zusammen. Seine ursprüngliche Bedeutung ist dem- 
nach „Flüchtiger". (Vgl. die deutsche Redensart springen 
wie ein Floh, sowie die Benennung sauieme, sautereUe 
„Springerin" in vielen franz. Dialekten.) Die romanischen 
Bezeichnungen des Flohes : ital. puke, span. ptdga, franz. pme 
gehen sämtlich auf lat. pulex zurück. 

Wegen seiner winzigen Gestalt erscheint der Floh häufig 
als Symbol der Kleinheit. So entspricht der deutschen Redens- 
art „aus einer Mücke einen Elefanten machen" (vgl. pag. 257) 
im Ital. fare d'una pulce un cavaUo, aus einem Floh ein Pferd 
machen (daneben auch : fare d^una mosca un elefanU\ im Span. 
haeer de una pülga un camelh, aus einem Floh ein Kamel machen. 
Zum Elefanten wird der Floh in Gegensatz gebracht im ital. 
Sprichwort: II morso delle pülci no da noia alV elefante*) der 
Biß der Flöhe läßt den Elefanten gleichgültig, d. h. ein Großer 
braucht die Beleidigungen der Kleinen nicht zu fürchten. 
Kleine Augen nennt der Italiener occhi di puke „Flohaugen", 



*) Daneben anch : VeUfante non teme ü morso ddla pulce, der Ele- 
fant fürchtet den Biß des Flohes nicht. 

17* 



260 Der Floh. 

wofür der Deutsche den Ausdruck „Schweinsäuglein'^ ge- 
braucht. So sagt man im Ital. auch lobend von einem 
Mädchen, das für feine Handarbeiten besonderes Geschick hat : 
Ella sa fare gli occhi alle puld, sie kann den Flöhen die Augen 
machen. Bezug auf die Kleinheit des Flohes nimmt ferner 
die deutsche Redensart die Flöhe husten hören, die man 
auf jemd. anwendet, der sich auf seine intellektuellen Fähig- 
keiten allzuviel einbildet, wobei, wie so oft, von der Schärfe 
der Sinne auf die Schärfe des Verstandes geschlossen wird. 
(Vgl. die Redensart „das Gras wachsen hören",) Nur dem 
Ital. eigentümlich ist cohr ptilce „flohfarben", d. i. dunkel- 
braun. (Vgl. la noire „der Schwarze" als Bezeichnung des 
Flohs in franz. Dialekten.) 

Auf die Springgewandtheit des Flohs bezieht sich im 
Deutschen die Redensart springen oder hüpfen wie ein 
Floh. (Vgl. portug. em passinho de pulga, im Flohschritt, 
d. h. „hüpfend, tanzend".) Unserem „Katzensprung" entspricht 
im Portug. der „Flohsprung" (n^um salio de pulga = in einem 
Nu). Da dieses Insekt infolge seiner Virtuosität im Springen 
seinen Verfolgern leicht entkommt,*) verwendet man im Deut- 
schen die Redensart Flöhe hüten im Sinne von „Unnützes, 
Vergebliches tun". Näheres über die Geschichte dieser Redens- 
art bringt Borchardt -Wustmann, Sprichwörtl. Redensarten, 
pag. 154. Von einem, der die Zeit mit Albernheiten ver- 
trödelt, sagt der Franzose: II tnesure les sauts d!une puce, er 
mißt Flohsprünge. Auf der ungemeinen Beweglichkeit des 
Flohs, durch die er sich wesentlich von seiner schwerfälligen 
Vetterin, der Wanze, unterscheidet, beruht im Span, der Ge- 
brauch von pulga in der Bedeutung „Kreisel". (Vgl. im Franz. 
den Vergleich degourdi, eveilU comme une puce, munter, lebhaft 
wie ein Floh.) Desgleichen bezeichnet der Spanier eine leb- 
hafte Person mit pulguillas, während der Deutsche den auf 
der Landstraße dahinschießenden Radfahrer Chaussee floh 
nennt. Hierher zu ziehen wären schließlich auch ital. pukella, 

♦) Daher das deutsche Sprichwort: Nichts mit Hast als Flöhe 
fangen, wozu sich Analoga im Engl., bzw. Schottischen {Naething to he 
done in haste btit gripping fieas) nnd im Franz. finden: II ne faut se 
^oresser en rien^ excepte pour attraper des puces, (Vgl. Holland, Faune pop., 
III, pag. 277 ff.) 



Der Floh. 261 

franz. pucdle „junges Mädchen, Jungfrau", wenn man Försters 
Vermutung, nach welcher diese Wörter als Diminutive von 
puce „Floh" und nicht von lat. puella „Mädchen" aufzufassen 
sind, Glauben schenken darf. Caix sieht sogar in ital. spiUon- 
zara „junge Frau" ein Derivatum von lat. pulicellm „kleiner 
Floh". 

Zahlreich sind die Metaphern, die sich auf das Schmarotzer- 
tum des Flohs beziehen, der sich vom Blute der Menschen 
und Tiere nährt und selbst bei größter Reinlichkeit nicht 
ganz zu vermeiden ist, weshalb er im Palast des Reichen 
ebenso angetroffen wird wie in der Hütte des Armen. Der 
Biß des Flohes ist weder besonders schmerzhaft noch auch 
gefährlich, weswegen der Engländer mit flea-bite „Flohbiß" 
eine unbedeutende Verwundung zu bezeichnen pflegt. Auf 
Metonymie (Ursache für Wirkung) beruht der im Ital. übliche 
Ausdruck pulce secca „trockener Floh" für einen Kniff in 
die Haut. Ebenso setzt der Franzose für „Flohstich" einfach 
„Floh", indem er das heftige Hautjucken, welches die in 
Taucherglocken Befindlichen befällt, puces nennt. Vom Floh- 
stich hergenommen ist ferner die allen Kultursprachen gemein- 
same Redensart jemd. einen Floh ins Ohr setzen, d.h. 
jemd. eine beunruhigende Mitteilung machen. Engl.: to puta 
flea in a person's ear, ital. : mettere a qd, una pulce *) neW orec- 
chio, span.: echat' la pulga deträs de la or^a, franz.: mettre la 
puce ä Toreille de qn. und dementsprechend avoir la puce ä 
Toreille. So sagt der Spanier von einem übertrieben lebhaften 
Menschen : Tiene pulgas, er hat Flöhe, indem er hierbei an die 
durch die Flohbisse verursachten wetzenden und kratzenden 
Bewegungen denkt. Von einem, der sich eine energische Ab- 
fuhr geholt hat, sagt der Engländer : He was sent off with a flea 
in the ear, er wurde mit einem Floh im Ohre fortgeschickt, 
d. h. er lief mit der Schnelligkeit etwa eines Hundes, dem 
ein Floh ins Ohr gekrochen. Launig ist die franz. Redensart 
charmer les puces, den Flöhen ein Vergnügen machen, d. h. 
schwer betrunken sein. Die Folge der Volltrunkenheit ist 
gewöhnlich ein tiefer Schlaf, während dessen die Flöhe sich 
nach Herzenslust an dem Blute ihres Opfers vollsaugen können. 



") Auch zanzara „Mücke" oder caläbrone „Honiiß". 



262 Der Floh. 

(Vgl. donner ä manger aux puces, den Flöhen zu fressen geben^ 
für „schlafen".)*) Deutsch sagt man scherzhaft: Ange- 
nehmen Flohbiß für „angenehme Buhe". (Vgl. Heeger, 
Tiere im pf&lz. Volksmunde, 2. T., pag. 16.) 

Daß die Flöhe durch ihre hartnäckigen Angriffe den 
Menschen in Wut bringen können, geht hervor aus der span. 
Eedensart fester malas pulgas, böse Flöhe haben, d. h. leicht 
gereizt werden, keinen Spaß verstehen. (Vgl. weiter oben tener 
pulgas.) In ähnlichem Sinne sagt man auch von einem, der 
sich nichts gefallen läßt : No aguanta, no sufre pulgas, er ver- 
trägt keine Flöhe. Mit dem Blutsaugen der Flöhe vergleicht 
der Pariser auch die widernatürlichen Liebkosungen perverser 
Weiber, indem er diese als puces travaüleuses bezeichnet. 

Überhaupt erscheint der Floh, ähnlich der Fliege, als 
Symbol des Lästigen, Zudringlichen, was dem Wesen des 
Tieres vollkommen entspricht. So sagt der Italiener von 
einem aufdringlichen Menschen: il noioso qimnto le puiä, er 
ist lästig wie die Flöhe, und der Pariser nennt den ihn be- 
drängenden Gläubiger um puce ä VoreUUy einen Floh im Ohr. 
(Vgl. weiter oben die Redensart mettre une puce ä ToreiUe de 
qn.) Wenn der Engländer sagt : Lei that flea stick on the wall, 
laß diesen Floh an der Wand, so meint er damit eine heikle 
Geschichte, an der man nicht rühren soll. Aber nicht nur 
der Mensch, auch Tiere haben unter Flöhen zu leiden. Auf 
die Vorliebe dieser Insekten für Hunde bezieht sich das 
deutsche Sprichwort: Wer mit Hunden zu Bette geht, 
steht mit Flöhen wieder auf, d. h. wer sich in an- 
rüchiger Gesellschaft bewegt, wird selbst nicht makellos bleiben. 
Dies Sprichwort besitzt Analoga in den übrigen Kultursprachen. 
Es lautet engl.: He that lies doum unih dogs, will get up with 
fleas, ital. : Chi si corica cai can% si leva colle pulci, span. : Quien 
con perros se echa, con pülgas se levanta, franz.: Qui se couche 
avec des chiens, se Uve avec des puces. 

Daß der Mensch so unangenehme Gäste, wie es Flöhe 



*) Originell ist das franz. Sprichwort: 11 ne faut pas laiaaer de dormir 
potir les puces, der Flöhe wegen darf man das Schlafen nicht lassen, d. h. 
die kleinen Unannehmlichkeiten des Lehens dürfen den Menschen nicht aus 
seiner Buhe hringen. 



Der Floh. 263 

sind, losznwerden sucht, ist begreiflich. Besonders das 
schöne Geschlecht, auf das es die Flöhe namentlich abgesehen 
haben, lebt auf beständigem Kriegsfuß mit diesen kampfes- 
Instigen Tierchen. Die elementarste, allerdings nicht erfolg- 
reichste Art, sich von Flöhen zu befreien, ist das Ausschüttein 
und Ausklopfen der von diesen Insekten bewohnten Kleidungs- 
stücke. Hierauf beruht die span. Redensart sacudirse las pulgas, 
sich die Flöhe abschütteln, d. h. unleidlich, empfindlich sein. 
Auch sagt der Franzose von einem, der Prügel bekommen hat, 
man habe ihm die Flöhe abgeschüttelt, on lux a secouS Jes puoes. 
Mit Bezug auf die Gewohnheit mancher Weiber, unmittelbar 
vor dem Schlafengehen eine Flohjagd abzuhalten, sagt der 
Franzose ironisch von einer viel beschäftigten Frauensperson : 
EUe n'a mSme pas le temps de chercher ses puces, sie hat nicht 
einmal zum Flohsuchen Zeit Hierher gehört femer das span. 
Sprichwort: Coda uno tiene su modo de matar ptdgas, jeder hat 
seine eigene Manier, Flöhe umzubringen, d. h. jeder nach 
seiner Art. Daß aus der Art und Weise, wie der Mensch 
kleine, unbedeutende Vemchtungen des menschlichen Lebens 
erledigt, Schlüsse auf seinen Charakter gezogen werden, ist 
keine Seltenheit. (Eine Reihe origineller auf den Floh be- 
züglicher Sprichwörter findet man bei Rolland, Faune pop., 
ni, pag. 2ö8ff.) Übrigens besitzen alle Kultursprachen ^ür 
den BegriflF „Flöhe fangen" ein eigenes Verbum. Deutsch : 
flöhen, engl.: ioflea, ital. : spuJciare*) span.: espulgar^ franz.: 
epucer. In den romanischen Sprachen werden die betreffenden 
Verba auch metaphorisch gebraucht im Sinne von „ST^^^U} 
nach allen Richtungen untersuchen". 

Da Flöhe dort besonders gedeihen, wo viel Staub und 
Schmutz ist, bezeichnet der Italiener eine schmutzige Be- 
hausung als pulciaio „Flohnest". Hiermit läßt sich vergleichen 
im Pariser Argot pucier für „Bett". 



*) Der Italiener sagt: Vatti far sptUciarCj laß dich flöhen, im Sinne 
des deutschen: Laß dich heimgeigen. 



264 Bie GrUle. 



Die GriUe. 

Was die Benennung dieses Insekts anlangt, so ist sie in 
allen Knltnrsprachen mit Ausnahme des Englischen dieselbe: 
ital.-span. grillo, franz. mit dem Diminutivsuffix on grülon^ 
deutsch Grille. Das gemeinsame Etymon ist griechisch 
yqvXXog, das zunächst ins Lateinische (gryllus) und von da in 
die romanischen Sprachen eindrang. Diesen entlehnte es das 
Deutsche, das übrigens in Heimchen einen eigenen Namen 
für dieses Insekt besitzt. „Heimchen" ist Diminutiv von gleich- 
bedeutend Heime (pfälz. Heimel), das auf mhd.^im^; ahd. 
heimo beruht und von „Heim" abgeleitet ist. Der Name spielt 
auf das Vorkommen der Grille in menschlichen Behausungen 
an. Dem ahd. heimo entspricht altengl. hama, das sich jedoch 
nicht erhalten hat. Im Neuengl. wurde es ersetzt durch cricket 
aus franz. criquet, das auf Schallnachahmung beruht.*) Noch 
deutlicher tritt der onomatopoetische Charakter hervor in frz. 
cri'Cri, einer volkstümlichen Bezeichnung des Heimchens. Ein 
anderes Synonym von grülon ist gresillon, das Diez als Dimi- 
nutiv von grülon auffaßt, das aber wahrscheinlich auf lat. 
gracüis „schlank" beruht und das Insekt nach seiner Gestalt 
benennen würde. Für die Baumgrille haben die romanischen 
Sprachen eine eigene Bezeichnung: ital. cicala, cigala, span. 
cigarra, chicharra, franz. cigaU^ die sämtlich auf lat, ckada 
beruhen.**) 

Die Sprache verdankt der Grille eine beträchtliche An- 
zahl von Metaphern. Von den auf das Äußere des Insekts 
bezüglichen Sprachbildern ist in erster Linie zu nennen span. 
dgarro „Zigarre", welches Wort in die übrigen Kultursprachen 
eindrang (ital. sigaro, franz. cigarre, engl, sigar). Tatsächlich hat 
ein Tabakröllchen sowohl in Bezug auf Gestalt als auch auf Farbe 
eine gewisse Ähnlichkeit mit der Cicade. (Vgl. Körting, Lat.- 
romanisches Wörterbuch, 2. Aufl., pag. 238, Art. 2161.) Hierher 

*) Vgl. die bei Heeger, Tiere im pfälz. Volksniunde, 2. T., pag. 17, 
angeführten Dialektformen vorderpf. Eriksei, Ereksel, eis. Grecker^ 
Grickerle, niederrh. hrechel, ndl. krekeh 

**) Besondere Erwähnungen verdient die im Loiret übliche Bezeichnung 
der Grille: cheval du hon dieu „Pferd des guten Gottes". 



Die Grille. 265 

gehört ferner ital. cicalino (Dim. v. cicala) als Bezeichnung 
einer Hohlhippe. Als Symbol der Kleinheit, meist mit dem 
Nebenbegriflf der Zartheit, erscheint die Grille namentlich im 
Ital. : E fine come un grillo, sie ist schmächtig wie eine Grille, 
sagt man von einer zart gebauten Person und mangiare quanto 
un grillo, essen wie eine Grille, heißt „wenig essen". (Vgl. 
deutsch „essen wie ein Vögelchen".) Von einem beschränkten 
Menschen sagt der Italiener : Ha cervello quanto un grillo^ er hat 
nicht mehr Hirn als eine Grille, wofür es auch heißt: Ha cervello 
quanto un passerotto. (Siehe bei „Sperling", pag. 174.) Ebenso 
sagt der Ital. von einem Kleinmütigen : Ha il cuore d^un grillo, 
er hat ein Grillenherz. Hiermit hängt der Gebrauch von 
grillino als Kosewort für Kinder und Frauen zusammen. 
Hierher gehört ferner franz. criquet als Bezeichnung eines ab- 
gerackerten Pferdes oder einer schwächlichen Person, wobei 
ein Bedeutungswandel in malam partem zu konstatieren 
ist. Einen weiteren Schritt in dieser Begriffsentwicklung tut 
das Wort, wenn es, wie in franz. petit vin criquet, schlechter 
Landwein, geradezu als Synonym von mauvais, „schlecht" 
gebraucht wird. 

Mit Bezug auf das unermüdliche Gezirpe der Grille, das 
ein Ausdruck der Fröhlichkeit zu sein scheint, sagt der Eng- 
länder von einem sangeslustigen Mädchen: She is as merry 
as a cricJcet, sie ist heiter wie eine Grille. 

Wie unter den Vögeln die Elster, so ist unter den In- 
sekten die Grille Sinnbild der Geschwätzigkeit, wobei zu be- 
achten ist, daß in den anzuführenden Metaphern das Grillen- 
gezirpe als etwas Lästiges erscheint, während in dem oben 
zitierten engl. Vergleich die stimmliche Betätigung dieses 
Insekts eine wohlwollende Beurteilung erfahrt. So nennt der 
Italiener einen lästigen Schwätzer gern cicala, welche Metapher 
zahlreiche Sproßen getrieben hat, wie cicalare „schwätzen", 
cicalata, cicalamento, ciccUeccio, cicdlio „Geschwätz", dcalatore, 
cicalino, dcalone „Schwätzer". Auch der Spanier sagt von 
einem redseligen Menschen: Es una chichara, hdbla como una 
chichara, er ist eine Grille, er spricht wie eine Grille. Origi- 
nell ist die gleichfalls hierher gehörige ital. Redensart grattare 
la pancia alla cicala, der Grille den Bauch kratzen, was soviel 
bedeutet wie Jemd. zum Reden bringen". Daß das Grillen- 



266 I>ie ÜriUe. 

gezirpe vom Ohr durchaus nicht als angenehme Musik emp- 
funden wird, beweisen femer ital. ciccUino als Bezeichnung eines 
verstimmten Klaviers sowie franz. ciffäle, das gelegentlich auf 
Straflensängerinnen angewendet wird, die sich bekanntlich 
nicht durch wohltönende Stimmen auszeichnen. 

Da sich die Grille nur im Hochsommer hören läßt, er- 
scheint sie manchmal geradezu wie die Fliege als Sinnbild 
der heißen Jahreszeit, so z. B. bei dem lat. Dichter Juvenalis, 
der cicada ohne weiteres für „Sommer" setzt. Auch in 
folgender ital. Bauernregel erscheint das Grillengezirpe als 
Charakteristikum der Sommerhitze: Quando canta la cicala di 
sette^nbre, non comprar grano per vendere, wenn die Grille im 
September zirpt, d. h. wenn es im September sehr warm ist, 
dann soll man kein Getreide kaufen, um es wieder zu ver- 
kaufen. Canta la chicharra, es zirpt die Grille, sagt der 
Spanier häufig, wenn er ausdrücken will, daß es sehr heiß ist, 
nnd analog bedeutet chicharrero einen „sehr heißen Ort". In 
Frankreich gilt die Grille als Symbol des provenzalischen 
Südens, daher nennen sich die F61ibres gelegentlich „cigaliers^. 

Wie andere Insekten (siehe „Mücke", „Käfer", „Schmetter- 
ling", „Spinne" usw.) werden auch die Grillen als Symbole 
der im Kopf umherachwirrenden Gedanken gebraucht, nament- 
lich wenn dieselben als Ausfluß melancholischer oder phan- 
tastischer Naturanlage zu betrachten sind. So sagt man im 
Deutschen von einem, der trübsinnigen oder wunderlichen 
Gedanken nachhängt, er fange Grillen. (Vgl. ital. awrfare 
alh caccia dei grilli) Denselben Sinn haben die Redensarten 
seine Grillen füttern oder sich mit Grillen plagen. 
Die Melancholie wird daher geradezu die Grillenkrank- 
heit genannt. Ebenso sagt der Italiener von einem launen- 
haften Menschen: Ha il capo pieno di grilli (cicale), er hat den 
Kopf voll Grillen, und analog der Franzose : II a des grillons 
dam la Ute, (Vgl. Rolland, Faune pop., III, pag. 289.) Äd 
uno monta il grilloj einem steigt die Grille in den Kopf, be- 
deutet s. V. w. er hat einen wunderlichen Einfall.*) Wer 
einem Melancholiker die trüben Gedanken zu verscheuchen 



*) Dagegen heißt gli Balta ü griUo {saltare = springen) „er ger&t 
in Zorn". 



Die Heuschrecke. 267 

sucht, von dem heißt es, er vertreibe die Grillen, wozu 
sich in der ital. Redensart levare i griUi dal capo ad unOj ein 
Analogen findet. Einen ähnlichen Sinn wie in den eben an- 
geführten Redensarten hat grüloj bzw. grüla im Span. Wenn 
der Spanier nämlich die Wahrhaftigkeit einer Erzählung be- 
zweifelt, so sagt er gern: Esa es grilla, das ist eine Grille, 
d. h. ein „Hirngespinst^. 

Daneben ist aber die Grille im Span. Symbol der Wertlosig- 
keit, wie erhellt aus der Redensart andar a griUos (nach Analogie 
von andar a cdballo) auf Grillen reiten, d. h. sich mit unnützen 
Dingen beschäftigen. Auch sagt der Italiener von einer wert- 
losen Sache: Non väle una cioalay das ist keine Zikade wert. 

Auf die Lebensweise der Grille, die sich unter der Erde 
Löcher gräbt, bezieht sich itaJ. andar a sentir cantar i grüli, 
dorthin gehen, wo man die Grillen singen hört, d. h. unter 
die Erde, sterben, sowie non saper cavar un grülo (auch ragno 
^Spinne^) da un bucoj nicht imstande sein, eine Grille aus 
ihrem Loch herauszukriegen, d. h. zu nichts taugen. 

Schließlich sei noch erwähnt, daß im Ital. grülo ähnlich 
wie im Deutschen „Kuckuck" oder „Fuchs" als Glimpfwort 
für „Teufel" gebraucht wird. So bedeutet z. B. trovala griUo! 
find's, Grille! „das möge der Teufel erraten!" 



Die Heusohreoke. 

Da bei der Heuschrecke das Springen die hervorstechendste 
Eigentümlichkeit ist, begreift man, daß dies Insekt danach be- 
nannt wird, u. zw. zeigen hierin alle Eultursprachen eine auf- 
fallende Übereinstimmung. Das deutsche Heuschrecke be- 
deutet „Heuspringer", indem in diesem Worte die ursprüngliche 
Bedeutung von schrecken", d. i. „springen" (nicht „schreien", 
wie Brehm angibt) sich erhalten hat. ( Ahd. h^td-skrekko, mhd. äöw- 
schrecTce)*) Der deutschen Bezeichnung „Grashüpfer" ent- 
spricht 9l\AiLg\.g(erS'hoppa^ woraus neuengL^ros^Aopp^- Auch nid. 
sprinkhaan „Springhahn" ist hierher zu ziehen. Eine Parallele 
zu den germanischen bieten die romanischen Benennungen, 

*) Heeger, Tiere im pfälz. Volksmnnde, 2. T., pag. 17, führt au 
Heuhnpser, Hanspring und Hanpert « Hanper (Haohapper). 



268 ^^6 Heuschrecke. 

die gleichfalls die Heuschrecke als „Springerin^ bezeichnen. 
So heiBt sie im Ital. sältabecca {sciUare = springen, heccare = 
beißen), im Span. saUön, saltarin, saltamontes (monte = Berg), 
säUamatos {mato = Gebüsch), sdltacapas {capa = Mantel), salta- 
pericoj wörtl.: „spring, Peterchen"! womit sich itaL-dialektisch 
saltorfnarfin „spring, Martin" ! vergleichen läßt. Auch im Frz. 
ist die gebräuchliche Bezeichnung für die Heuschrecke sautereUe 
{sauter = springen). Da der Kopf der Heuschrecke eine ge- 
wisse Ähnlichkeit mit der Form eines Pferdekopfes hat, wird 
das Insekt in einigen Sprachen nach dem Pferde benannt. 
So ist im Deutschen neben „Heuschrecke" auch „Heupferd" *) 
üblich und im Ital. und Span, wird das Diminutiv von cavallOy 
bzw. caballo „Pferd" für „Heuschrecke" gebraucht: ital. cavalletta, 
span. cabalkta.**) Neben diesen Neubildungen hat sich in 
einigen Kultursprachen lat. locusta erhalten, so in ital. locmtaj 
span. langosta, altfrz. langouste (neufrz. nur in der Bedeutung 
„Seekrebs"), engl, lomst. Da die Gestalt der Heusehrecke 
einigermaßen an den Seekrebs erinnert, wird in einigen Sprachen 
dieser nach jener benannt. (Siehe bei „Krebs", pag. 282.) 

Über die metaphorische Verwendung der Heuschrecke 
ist nicht viel zu sagen. Mit Bezug auf ihre Springgewandt- 
heit sagt der Italiener von einem, der über seine Mitbe- 
werber den Sieg davongetragen: Ha fatto la cavälletta a tutti 
i competitori, er ist über alle Mitbewerber weggesprungen. 
(Vgl. Wiese in seiner Besprechung von Heckers Ital. Um- 
gangssprache, Literaturbl. f. germ. u. rom. Philologie, XIX, 
pag. 303.) Die in manchen Gegenden massenhaft auftretenden 
Wanderheuschrecken, die häufig auf Äckern und Wiesen große 
Verheerungen anrichten, werden nicht selten als Symbol blinder 
Zerstörungswut verwendet. So pflegt man z. B. im Deutschen 
von den Hunnen zu sagen, sie seien wie einHeuschrecken- 
schwarm über Europa hereingefallen. (Vgl. ital. cälarono 



*) „Heupferd" als Schimpfwort für einen dummen Menschen hat wohl 
nichts mit dem Insekt zu tun, sondern ist vielmehr eine scherzhafte Bildung 
nach Analogie von „Heuochs" = heufressender Ochs. 

**) Nach dem Bock, hzw. der Ziege wird die Heuschrecke in zahl- 
reichen franz. Dialekten henannt. So heißt sie z. B. in der Haute-Auvergne 
houquet^ in den Vogesen houcha de fouau „Heuhock", in der Gegend der 
Haute-Loire chhre, (Vgl. Bolland, Faune pop., III, pag. 293 ff.) 



Die Wanze. 269 

come cavaUette su quel paese.) Ähnlich vergleicht der Spanier 
die eine Speisekammer plündernden Kinder mit einem Heu- 
schreckenschwaim, indem er sagt : Los muchachos son langosta 
de las despensas. Auf die Gewohnheit der Kinder, sich gegen- 
seitig mit Heuschrecken zu necken, bezieht sich die ital. 
Redensart fare una cavalleita a qd., wörtL: jemd. eine Heu- 
schrecke machen, A. h. ihm hinterrücks eine Heuschrecke auf- 
setzen, welche Redensart metaphorisch gebraucht wird im 
Sinne von: jemd. einen bösen Streich spielen, ihn begaunern. 
Semasiologisch interessant ist, daß im Span. „Heuschrecke" (ton- 
gosta) geradezu für „Gauner" gebraucht wird. Hierher gehört 
auch der Gebrauch von satUerelle im Argot der Pariser Laden- 
diener für eine Kundin, die sich stundenlang die verschieden- 
sten Waren vorlegen läßt, aber nichts kauft und so gewisser- 
maßen den Verkäufer zum Besten hält. Auch ist sautereUe 
im Pariser Literatenargot die Bezeichnung einer Kokotte. 
Alle diese Metaphern beruhen auf dem Eindruck der Unbe- 
ständigkeit und Leichtfertigkeit, die die immer sprungbereite 
Heuschrecke hervorbringt. 



Die Wanze. 

Deutsch Wanze taucht erst im 13. Jahrhundert auf und 
ist Kurzform zu älterem wantlüs „Wandlaus", das sich im 
Hessischen und Nordpfälz. erhalten hat. Ein Analogon findet 
sich im Dänischen, wo die Wanze vaeggelus {vaeg = Wand) 
heißt. Kluge zieht zur Vergleichung czechisch sUnice heran, 
das von stena „Wand" gebildet ist. So wird auch in einigen 
Gegenden der romanischen Schweiz für „Wanze" parianna 
oder pariola aus lat. paries „Wand" gebraucht. Im Engl, heißt 
die Wanze bog, welches Wort Skeat für identisch hält mit 
dem landschaftlich gebrauchten btig „Kobold". Das tertium 
comparationis liegt wohl im Begriff des Quälens. Was die 
romanischen Sprachen betrifft, so gehen ital. dtnice^ span. 
chinche auf lat. dmex zurück, wogegen franz. punaise von 
puer „stinken" abzuleiten ist, wovon auch puiois „Iltis" und 
putain „Hure". (VgL die franz. Redensart piier comme une 
punaise^ stinken wie eine Wanze.) 



270 Die Wanse. 

Von den Metaphern, die sich auf das Äußere der Wanze 
beziehen, ist vor allem anzuf&hren die Anwendung dieses 
Tiemamens auf die Zwecke in den romanischen Sprachen. 
Das tertinm comparationis ist hierbei die flache Gestalt Hier- 
auf spielt der Franzose an, wenn er von einem, der einen 
leeren Magen hat, sagt : B ale venire piat comme une punaisey 
sein Bauch ist flach wie der einer Wanze. Dabei mag auch 
an die Fähigkeit dieses Insekts, monatelang zu fasten, gedacht 
werden. Auf das ethische Gebiet fibertragen bedeutet plat 
comme un punaise s. v. w. „erbärmlich, kriechend^. Hingegen 
bezeichnet der Engländer ans dem Volke mit big hugs^ dicke 
Wanzen, yomehme Leute die sich satt essen und daher ihren 
Wänsten eine gewisse Fülle verleihen können. Von der 
Färbung der Wanze hergenommen ist im Ital. die Bezeichnung 
cimiei ffir die rotbraunen Flecke auf den Blättern der Orangen* 
und Zitronenbäume. 

Der üble Geruch der Wanze erklärt die Anwendung dieses 
Tiemamens auf das Stinktier im amerikanischen Spanisch 
(chinche) ; auch liegt im Franz. eine allerdings selten gebrauchte 
Weiterbildung von ptmaise, nämlich punaisie in der Bedeutung 
„Gestank" vor. Hierher gehört femer der semasiologisch be- 
merkenswerte Gebrauch von franz. punaise für „Hure", wobei 
neuerdings darauf hingewiesen werden möge, daß putain wie 
punaise etymologisch dasselbe besagen. Ganz besonders ist 
aus dem franz. Soldatenargot pimaise de caserne „Easemen- 
wanze" für „Soldatenhure" anzuführen. Eine Hurenkneipe 
heißt dementsprechend punaisiire. 

Mit Bezug auf die im Vergleich zu anderen verwandten 
Insekten, z. B. dem Floh, auffallende Langsamkeit der Wanze 
in den Bewegungen, pflegte man im Ital. des 16. Jahrhunderts 
von einem trägen Menschen zu sagen: iJ piü poUrone Wuna 
dmice, er ist fauler als eine Wanze. 

Was die Wanze besonders verabscheuenswert macht, ist 
ihre Vorliebe fär Menschenblut, von dem sie sich nächtlicher- 
weile nährt. Auf diese Eigentümlichkeit spielt der Irländer 
an, wenn er die Engländer, seine Unterdrücker, bugs „Wanzen" 
nennt. Aus dem gleichen Grande bezeichnet der Pariser im 
Argot ein böses Weib mit punaise. Da sich dieses Insekt nur 
sehr schwer vertreiben läßt, wird es häufig als Symbol der 



Die Wanze. 271 

Zudringlichkeit verwendet. So sagt der Spanier von einem 
aufdringlichen Menschen: Tiene sangre de chinche, er hat 
Wanzenblut (daher chinchoso „zudringlich"), während der 
Deutsche eine solche Person kurzweg als „Wanze" bezeichnet (be- 
sonders von Zuschauem beim Kartenspiel gebraucht = Kiebitz). 
In ähnlichem Sinne wurde schon im Lat. dmex verwendet Um- 
gekehrt nennt der Portugiese die Wanze persevejo „Verfolger". 

Da die Wanze hauptsächlich dort üppig gedeiht, wo die 
Qebote der Beinlichkeit außer acht gelassen werden, so nennt 
man im Deutschen eine unreinliche Wohnstätte Wanzen- 
nest, wozu sich in ital. dmiciaio und in franz. trou de punaise 
„Wanzenloch" Analoga finden. Auf die ungeheure Vermehrung 
der Wanzen, die dort, wo sie geduldet werden, ganze Kolonien 
bilden, nimmt Bezug die span. Redensart caer como chinches^ 
wie Wanzen, d. h. haufenweise fallen. (Vgl. portug. cahir 
como tordos, wie Drosseln fallen, anspielend auf das plötzliche, 
massenweise Herabsturzen dieser Vögel.) Der Aufenthaltsort 
der Wanze wird schon durch die Etymologie des deutschen 
Wortes angedeutet. (Siehe pag. 269.) Sie hält sich tat- 
sächlich mit Vorliebe in Mauerritzen auf, weswegen der Eng- 
länder den Tapezierer scherzweise bug - destroyer „Wanzen- 
vernichter" nennt. Mit Bezug auf ihr Vorkommen in Schlaf- 
stätten bezeichnet man im Slang das Bett als httg-walk „Wanzen- 
promenade", im Pariser Argot analog als punaisier. (Vgl. 
puder von puce „Floh" in derselben Bedeutung.) Hierher ge- 
hört femer die span. Redensart: No hay mos chinches que la 
manta Uena, es sind nicht mehr Wanzen da als auf dem Lein- 
tuch Platz finden, d. h. es ist Überfiuß an lästigen Dingen 
vorhanden. Daß das Bett ein Lieblingsaufenthalt der wärme- 
liebenden Wanze ist, geht auch hervor aus dem aus lauter 
assonierenden , bzw. reimenden Wörtern bestehenden engl. 
Vergleich as snug as a bug in a rug^ so behaglich wie eine 
Wanze in einer Bettdecke, womit ein hoher Grad von Wohl- 
befinden bezeichnet wird. 

Schließlich sei noch erwähnt, daß in einigen Gegenden 
Englands und Nordamerikas bug infolge Bedeutungsgenerali- 
sierung für „Käfer" gebraucht wird. Aus dem Schriftengl. 
ist hier may-bug „Maiwanze" als die gebräuchlichste Bezeich- 
nung des Maikäfers anzuführen. 



272 Die Latts. 



Die Laus. 

Die Etymologie dieses Wortes bietet keine Schwierig- 
keiten. Es ist gemeingermanisch. Deutsch Laus wie engl. 
Jofise gehen auf ahd., bzw. altengl. Ins zurück. Eine dialek- 
tische Bezeichnung der Laus ist Wibel, Wubel, zum 
Verb wibeln, wubeln, aus mhd. wibelen „wimmeln". 
(Vgl. Heeger, Tiere im pfälz. Volksmunde, 2. Teil, pag. 18.) 
Die romanischen Benennungen der Laus: ital. pidocchio, 
Span, picjo, franz. pou (Dim. von pes „Fuß", bedeutet also 
wörtlich „Füßchen"),*) sämtlich auf lat. pedicultis zurückzu- 
führen. 

Die Lebensbedingungen dieses ekelhaften Insekts, dessen 
Element der Schmutz ist (vgl. franz. laid comme un pou, garstig 
wie eine Laus), erklären den metaphorischen Gebrauch des 
Wortes in deutschen Zusammensetzungen wie Lausbub und 
Lauskerl. Im Franz. findet sich ein Analogon hierzu in 
morpion „Filzlaus" (aus pion = pou und mordre „beißen"), das 
man im Argot ungezogenen Kindern gegenüber als Schimpf- 
wort gebraucht. Die Läuse sind sehr häufig das Attribut der 
untersten Volksschichten und ganz besonders der Bettler (vgl. die 
deutsche Redensart etwas im Griffe haben wie der 
Bettler die Laus und das engl. Sprichwort: A heggar pays 
a henefit mih a louse, ein Bettler bezahlt eine Wohltat mit 
einer Laus); daher ist es begreiflich, daß das Wort „Laus" 
zur Bezeichnung des Schmutzigen und Gemeinen dient. (Vgl. 
franz. se laisser manger aux poux, sich von den Läusen fressen 
lassen, d. h. im Schmutze leben.) Damit hängt auch der Ge- 
brauch von „Laus", bzw. „lausig" für „karg, spärlich" (vgl. 
frz. Champagne pouüleuse) und, auf Personen angewendet, für 
„knickerig, geizig" zusammen, eine Metapher, die allen hier 
in Betracht kommenden Sprachen gemeinsam ist. Die Er- 
klärung ist nicht schwer: der (mit Läusen behaftete) Bettler 
ist gezwungen, mit dem mühsam erbettelten Almosen zu 



*) Auf die Farbe bezieht sich die altfranz. Bezeichnung grison (von 
gris „gran"), daneben kommt auch puce de meiisnier „MüUerfloh" vor. (Vgl. 
Rolland, Fanne pop., III, pag. 352 f.) 



Die Laus. 273 

Mickern. Da man nun häufig ein knickeriges, geiziges 
Wesen bei Individuen trifft, die mit den Attributen des 
Schmutzes, den Läusen, behaftet sind, so wurden diese Tiere 
ohne weiteres zum Symbol des Geizes. In dem engl. Vergleich 
-OS mean as a louse, knickerig wie eine Laus, werden sie 
4Sielbst zu Trägern dieser Eigenschaft gemacht. (Die Kichtig- 
keit dieser Erklärung wird bestätigt durch den Gebrauch des 
Wortes „schmutzig" für „geizig", den wir auch in den übrigen 
Sprachen antreffen: ital.-span. sordido, franz. sordide, engl. 
^sordid.) Demnach nennt man im Deutschen einen filzigen 
Menschen einen Lauser und lausen bedeutet „filzig sein". 
Im Engl, finden sich in gleicher Bedeutung lousy und lousi^ 
•ness, im Ital. pidocchioso und pidocchieria. Im span. piqjeria 
aeigt sich deutlich der Entwicklungsgang der Metapher, da 
-das Wort neben „Knickerei" noch „Bettelvolk, Bettelherberge, 
:äußerste Armut" bedeutet. Im Franz. bezeichnet man mit pou 
-affame, hungrige Laus, weniger einen geizigen als einen ge- 
winnsüchtigen Menschen. Dafür hat das Adjektiv pofMeux 
•dieselbe Bedeutung wie die Analoga der Schwestersprachen 
nnd pouUier bedeutet wie span. piqjeria „Bettlerherberge". 

Die Winzigkeit der Laus erklärt das deutsch-studentische 
nicht die Laus für „gar nichts" sowie den Gebrauch von 
pidocchio in ital. carattere pidocchino, womit eine sehr kleine 
vSchrift bezeichnet wird. Auch sagt man im Deutschen von einem 
Geizigen: Er würde die Laus schinden um des Balges 
willen, wozu sich in den übrigen Kultursprachen Analoga 
^finden. So heißt es im Engl. : I£e*d skin a louse, and send the hide 
to market, er würde eine Laus schinden und den Balg auf den 
Markt schicken, im Ital. : Scorticherebbe il pidocchio per vendere 
Ja pelle, er würde die Laus schinden, um den Balg zu ver- 
kaufen, im Franz. ebenso : II ecorchermt un pou pour en avoir 
Ja peau. (Vgl. die ital. Variante: Scannerehbe una cimice per 
heverne il sangue, er würde eine Wanze schlachten, um ihr 
Blut zu trinken.) Diese Redensart betrachtet Kolland, Faune 
pop., in, pag. 254, als Ausgangspunkt für die oben angeführten 
Metaphern, indem er auf deutsch Knicker = Läuse- 
knicker hinweist. Mir scheint jedoch die oben gegebene 
Erklärung natürlicher zu sein. Möglicherweise haben zur 
Bildung bewußter Redensart die Bedeutungsbeziehungen mit- 

Biegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 18 



274 ^^ Laus. 

gewirkt, die zwischen den Begriffen „Geiz" und „Laus" be- 
stehen. 

Von pedantischen Leuten, die allzusehr auf Kleinigkeiten: 
herumreiten, sagt man im Deutschen: Sie klauben Läuse. 
(Vgl. hiermit im Portug. den Gebrauch von bichinho „Läuschen" 
für „Kleinigkeit" sowie das von bicho abgeleitete Adjektiv 
bicheiro = kleinlich. Dem deutschen „Läuse klauben" ent- 
spricht im Franz. eplucher des icrevisseSj Krebse ausklauben.) 
Hierher gehört femer die franz. Redensart cherdier des pcmax 
sur la Ute de qn^ auf jemds. Kopfe Läuse suchen, d. h. ihm 
Kleinigkeiten vorwerfen. Davon wurde dann das Verbum se 
pouiüer „sich schelten" und von diesem wieder das Substantiv 
les pouiUes „Scheltworte" gebildet. Auch im Deutschen kann 
lausen in der Bedeutung „jemd. derb vornehmen" gebraucht 
werden. Parvenüs, die sich aus kleinen Verhältnissen empor- 
geschwungen haben und sich darauf etwas zugute tun, nennt 
der Italiener treffend pidocchi rivestiti, neugekleidete Läuse, 
der Spanier picjos resucitadosj zu frischem Leben erweckte 
Läuse. 

Ohne Analogien in den übrigen Sprachen ist die Bezeichnung 
eines zudringlichen Menschen als piqjo pegadizo (pegadizo = 
klebrig) im Span, eine treffende Metapher, da die Läuse, wenn sie 
sich einmal festgenistet haben, sehr schwer wegzubringen sind. 
(Vgl. das deutsche Sprichwort: Wenn die Laus einmal 
im Pelz ist, so ist sie schwer wieder herauszu- 
bringen.) (Im ähnlichen Sinne wird „Wanze" im Deutschen 
und Span, gebraucht.) Auf die Kleiderläuse, die sich in den 
Nähten einnisten, bezieht sich die span. Redensart estar como- 
piojos en costura, gedrängt sein wie Läuse in der Naht (im 
Deutschen „wie die Heringe"), sowie das ital. Sprichwort: La 
roba va älla roba, e i pidocehi alle costure, das Gut geht zum 
Gut und die Läuse zu den Nähten. Dieselbe Art von Läusen 
ist gemeint in der deutschen Redensart jemd. eine Laus 
in den Pelz setzen, wofür man häufiger und gewählter 
sagt „jemd. einen Floh ins Ohr setzen", was bedeutet: in 
jemd. Gedanken erwecken, die ihm keine Ruhe lassen. Derb,, 
aber treffend ist die Redensart : wie die Laus im Schorfe^ 
sitzen, d. h. in seinem Elemente sein, sich sehr behaglich 
fühlen. Ähnlich sagt der Franzose von einem, der aus ge- 



Die Spinne. 275 

wissen, dem körperlichen oder moralischen Beinlichkeitssinne 
widersprechenden Neigungen kein Hehl macht: 11 se carte 
comme un pou sur une gale, er brüstet sich wie die Laus im 
Schorfe. Ironisch hingegen ist gemeint die Bedensart sicher 
sein wie eine Laus zwischen zwei Nägeln, frz. itre 
comme le pou entre deux ongles, die auf einen angewendet 
wird, dem von zwei Seiten Gefahr droht. 

Mehr für die metaphorische Verwendung des Wortes 
„Leber" als für die des Wortes „Laus" ist von Belang die 
deutsche Bedensart j e m d. ist eine Laus über die Leber 
gelaufen, was von einem gesagt wird, der plötzlich in Zorn 
gerät. Um diese Bedensart zu verstehen, muß man wissen, 
daß bei den Bomanen allgemein, bei den Germanen zum Teil^ 
die Leber als Sitz der Leidenschaften galt. So wird im Span. 
Mgado, im Ital. fegato geradezu für „Mut" gebraucht, im franz. 
Botwelsch bezeichnet man mit foie blanc „weiße Leber" einen 
feigen Menschen. Übrigens gibt man der Bedensart — jeden- 
falls um das unappetitliche Wort „Laus" zu vermeiden — 
gern die Form einer Frage und fragt einen Zornmütigen: 
Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Im Ital. sagt 
man von einem, der gleich zuschlägt, geradezu: J^ un fegato^ 
er ist eine Leber. 

Nicht ersichtlich ist, warum man (nach deutscher Auf- 
fassung) vom vielen Wassertrinken Läuse bekommen soll, wo- 
gegen das im selben Sinne gebrauchte franz. attraper des 
grenouiUes, Frösche kriegen, ohne weiteres verständlich ist. 



Die Spinne. 

Deutsch Spinne, mhd. ebenso spinne, ahd. spinna, ist von 
dem Verbum „spinnen" abgeleitet, bedeutet also die „Spinnerin", 
während unser Sprachgefühl eher geneigt ist, „spinnen" als 
ein Derivatum von „Spinne" zu betrachten. Ebenso beruht 
engl. Spider, mittelengl. spither, auf altengl. supponiertem spinnere 
aus spinnan = neuengl. spin „spinnen". Analoga hierzu finden 
sich im Ladinischen und in franz. Dialekten, in denen der 
Name der Spinne von filare „spinnen" abgeleitet wird. (Vgl. 
BoUand, Faune pop., in, pag. 236.) Die Benennungen des 

18* 



276 ^^ Spinne. 

Insekts in den romanischen Sprachen : ital. aragna^ ragno^ span. 
arafia^ altfrz. araigne^ gehen sämtlich aaf lat. aranea zurück. 
Im Nenfranz. ist der semasiologisch merkwürdige Fall einge- 
treten, daß für „Spinne" anstatt araigne araignie ans lat. 
araneata gebraucht wird, was ursprünglich „Spinnengewebe" 
bedeutet. (Metonymie: Wirkung ftr Ursache.) Übrigens be- 
deutet schon im Lat. aranea „Spinne" und „Spinngewebe". 
Für „Spinngewebe" sagt das Nenfranz. umschreibend ioüe 
cParaignSe analog dem ital. tela di ragno {ragnatelo, ragnaUla) 
und dem span. telarana. 

Die Sprache konnte an der so auffallenden Erscheinung 
der Spinne, die noch dazu sehr häufig ist, nicht achtlos yor- 
übergehen. Tatsächlich liefert dieses Insekt der Sprache eine 
stattliche Anzahl von Metaphern. Besonders charakteristisch 
für die Spinne sind die acht langen, dünnen Beine, die ihr 
ein unbeholfenes Aussehen verleihen. Hierauf beruht im Engl, 
die Metapher spider - shanked „spinnenschenklig", d. h. dünn- 
beinig. Analog vergleicht der Franzose lange, dürre Finger 
mit Spinnenbeinen und nennt jene somit pattes d^araignee. Lange, 
dünne Buchstaben werden gleichfalls so bezeichnet. Des- 
gleichen finden sich in einigen Sprachen Metaphern, die sich 
auf die Gesamterscheinung der Spinne bezieben, wobei immer- 
hin die langen Beine das Hauptcharakteristikum bilden. So 
fühlt sich der Engländer beim Anblick einer dreifüßigen Brat- 
pfanne an die Spinne erinnert und dieselbe Vorstellung er- 
weckt in ihm der hochrädrige Schlauch wagen der Feuerwehr; 
er bezeichnet daher beide Objekte mit spider, wie auch der 
Franzose für einen auf zwei hohen Rädern ruhenden Wagen 
araignSe gebraucht. Ebenso nennt der Spanier einen Arm- 
kronleuchter arana, indem er die Arme des Leuchters mit 
den Beinen der Spinne vergleicht. Femer wird eine Krabben- 
art, die maia squinado der Zoologen, die sich durch besonders 
lange Beine auszeichnet, Meerspinne genannt, u. zw. außer 
im Deutschen, noch im Engl, (sea-spider) und im Span, (arana 
de mar). Hierher gehört schließlich auch portug. aranhigo 
„Spinnchen" als Bezeichnung einer mageren Person mit dünnen 
Armen und Beinen. 

Der unvorteilhafte Eindruck, den das Äußere der Spinne 
auf den Menschen macht, wird zur Abscheu gesteigert durch 



Die Spinae. 277 

ihre Giftigkeit, die sich übrigens nur an kleineren Insekten 
als wirksam erweist. (Vgl. das deutsche Sprichwort: Die 
Spinne sangt Gift, die Biene Honig aus allen 
Blumen.) Dies erklärt die in einigen Gegenden Deutsch- 
lands beliebte Interjektion Pfui, Spinne! Im Deutscheu 
und Franz. nennt man eine bösartige Person, namentlich 
weiblichen Geschlechts, „Spinne", bzw. araignee, wobei 
die Giftigkeit das tertium comparationis bildet. (Vgl. das 
Kapitel „Schlange".) Der Biß der Spinne ruft beim Men- 
schen nur eine leichte, kaum merkliche Verletzung hervor. 
Hierauf beruht im Span, das von arana abgeleitete Verbum 
aranar, das soviel bedeutet wie „die Haut durch einen Ritz 
leicht verletzen", somit unserem „kratzen" entspricht. (Vgl. 
portug. aranha „Gewissensbisse".) Von aranar ist wieder ab- 
geleitet das Substantiv arano „leichte Verletzung, Kratzer". 
Die Abneigung des Menschen gegen die Spinne kommt be- 
sonders kräftig zum Ausdruck in der deutschen Redensart 
jemd. wie eine Spinne hassen. 

Auch in ethischer Beziehung stehen die Spinnen in keinem 
guten Ruf. Sie sind untereinander höchst unverträglich und 
bekämpfen sich gegenseitig aufs heftigste, worauf im Deutschen 
der Superlative Ausdruck spinnefeind beruht. Auf das 
feindselige Verhältnis der Spinnen untereinander bezieht sich 
femer ein span. Sprichwort in Dialogform, in dem die Zu- 
sammengehörigkeit von arana und aranar recht deutlich zum 
Ausdruck gelangt: Arana^ gqtiien te aranö? Otra arana como yo. 
Spinne, wer hat dich gekratzt? — So eine Spinne wie ich. 
Daß hiermit die Unverträglichkeit unter Kameraden getadelt 
virird, ist ohne weiteres klar. Aus dem Deutschen ist ferner 
hierher zu ziehen das Sprichwort: Nur bei scharfem 
Hunger frißt eine Spinne die andere. Das Aggressive 
im Charakter der Spinne erklärt den Gebrauch von span. 
aranero (von arana) im Sinne von „wild, störrisch, nnlenksam" 
(Jagdterminus). Möglicherweise ist auch altfranz. hargner 
„zanken" sowie neufrz. hargnetix „zänkisch" von aranea, bzw. 
araneare, araneastis abzuleiten. (Vgl. RoUand, Faune pop., in, 
pag. 238. Körting, Lat.-rom. Wörterbuch, unter hargneux 
verzeichnet die Diezsche Etymologie hargner = altndfränk. 
harmjan) 



278 I>i« Spinne. 

Da die Spinne mit der in den Spinnwarzen enthaltenen 
Flüssigkeit, die ihr zur Hervorbringnng der Fäden dient, sehr 
haushälterisch umgehen maß, so wird im Span, häufig eine 
knickerige Person mit arana bezeichnet (davon aranar „zu- 
sammenscharren^). 

Im Yolksaberglauben spielt die Spinne gleichfalls eine ge- 
wisse Bolle. Am Morgen verkfindet sie Unheil, am Abend Glück. 
Dies besagt im Deutschen folgender Spruch: Spinne am 
Morgen macht Kummer und Sorgen, Spinne am 
Abend erquickend und labend. Ähnlich heißt es im 
Franz.: Araignie de matin, chagrin; araignee de soir, espoir, 
Morgenspinne — Kummer, Abendspinne — Hoffnung. (Vgl. 
Solland, Faune pop., III, pag. 241.) Ohne Bezugnahme auf 
eine besondere Eigenheit, sondern ganz allgemein in ihrer 
Eigenschaft als Insekt wird die Spinne im Deutschen ver- 
wendet in der Bedensart jemd. eine Spinne, d. h. einen 
beunruhigenden Gedanken in deuKopf setzen, womit sich 
im Pariser Argot vergleichen läßt die Bedensart avoir une 
araignie dans Je plafondj eine Spinne an der Zimmerdecke 
haben, d. h. geistig nicht ganz normal sein. (Im Deutschen 
gebraucht man spinnen im selben Sinn.) In beiden Fällen 
werden die wirren Gedanken mit dem unsteten Hin- und Her- 
krabbeln der Spinne verglichen. Von analogen Bedensarten, 
in denen an Stelle der Spinne ein anderes Insekt oder auch 
ein Vogel tritt, war im Laufe dieser Abhandlung schon 
öfters die Bede, ihre Wiederholung ist daher an dieser Stelle 
überflüssig. Wohl aber muß die engl. Bedensart to have got 
cobwebs in one^s brain, Spinnweben in seinem Hirn haben, er- 
wähnt werden, da hier bezeichnenderweise das Spinngewebe 
an Stelle der Spinne tritt, wie man im Deutschen in ähnlichem 
Sinne von einem sagt, er stecke voller Hirngespinste. 
(Genau unserem „Hirngespinst" entspricht im Engl, cobwehbery.) 

Überhaupt spielt das Spinngewebe in der Metaphorologie 
der modernen Sprachen keine minder bedeutende Bolle als die 
Spinne selbst. Wenn im Ital. und Span, ein vereinzeltes, 
weißes Wölkchen mit ragnatelo, ragnatura, bzw. telarana be- 
zeichnet wird, so liegt das tertium comparationis einerseits in 
der Farbe, andererseits in der Form. Den Ausdruck ragnature 
wendet der Italiener auch auf fadenscheinige Stellen eines 



Die Spinne. 279 

Kleiderstoffes an, indem er diese mit Spinnweben vergleicht. 
Von ragno liegt femer eine verbale Weiterbildung ragnare 
vor, die in Übereinstimmung mit der metaphorisclien Bedeutung 
von ragnatelo im Sinne von „sich umwölken" und „fadenscheinig 
werden" gebraucht wird. Hierher zu ziehen ist noch die span. 
Redensart teuer iehranas en los qjos, Spinnweben in den Augen 
haben, d. h. etwas nur flüchtig, gleichsam durch ein Spinn- 
gewebe ansehen. 

Das Spinngewebe ist äußerst zarter Struktur und daher 
ieicht zerstörbar. (Vgl. ital. leggero come un ragnatelo, leicht 
wie ein Spinngewebe.) Daher sagt der Italiener von einem 
«ich vergeblich Abmühenden: Fa opera a tela dt ragno und 
der Franzose: II tisse des toiles d'araignSe, er arbeitet mit 
Spinngeweben. (Vgl. Rolland, Faune pop., III, pag. 328.) Im 
Engl, wird cobweb adjektivisch geradezu für „fein, zart" ge- 
braucht. Von einem Geizigen sagt der Franzose : Sa poche est 
pleine de toiles d'araignieSj seine Tasche ist voll Spinngewebe, d. h. 
«r greift nicht gern in die Tasche (vgl. ital. im selben Sinne 
<xvere il granchio in scarsella, die Krabbe in der Tasche haben). 

Infolge seiner leichten Zerstörbarkeit ist das Spinngewebe 
in einigen Sprachen Symbol des Wertlosen. So sagt der 
Italiener von einem, der an einem geringfügigen Hindemisse 
scheitert: Indampanei ragncUeli, er stolpert über Spinnweben, 
und der Spanier meint von einer ungefährlichen Wunde : Eso 
se cura con una telarana, das heilt man mit einem Spinngewebe. 
Tatsächlich herrscht unter dem Landvolke der Brauch, bei 
leichten Verletzungen Spinngewebe auf die Wunde zu legen. 
Im Franz. und Engl, wird das Wort in ähnlicher Weise meta- 
phorisch verwertet. 

Naheliegend ist der Vergleich des Spinngewebes mit einem 
Netz, um so mehr als es der Spinne zum Fangen von Insekten 
-dient. Und in der Tat wird in allen Kultursprachen mit 
Ausnahme des Deutschen „Spinngewebe" im Sinne von „Netz" 
gebraucht. So zunächst engl, cobweb, das auch verbal ver- 
wendet wird — to cobweb bedeutet „mit einem feinen Netz 
bedecken". Im Ital. wird das Fem. von ragno, ragna (bei 
Dante auch „Spinne") zur Bezeichnung eines feinen Vogel- 
netzes gebraucht und ebenso wird in Katalonien und Valencia 
Tirana zunächst auf ein Amselnetz, dann auf das Wurfhetz 



280 ^' Krebs, 

der Fischer angewendet. Dieser Gebrauch von ragno, bzw. 
arana ist semasiologisch insofern interessant, als sich hier 
Metonymie (Ursache fux Wirkung) und Metapher paaren. (Vgl. 
den entgegengesetzten Bedeutungswandel in frz. araignee.y 
Auch wird das weiter oben bereits in anderer Bedeutung er- 
wähnte ragnare im Sinne von ,,yogelnetze stellen'' gebraucht. 
Als Metapher zweiten Grades ist zu bezeichnen der Ge- 
brauch von ital. ragna im Sinne von „List". Ebenso erscheint 
im Franz. die Redensart tisser des toiles d^araignee^ Spinngewebe: 
weben, häufig in übertragener Bedeutung und entspricht dana 
unserem „Fallstricke legen". Und in der Tat eignet sich daa 
Vorgehen der in ihrem Netze auf Beute lauernden Spinne vor* 
z&glich zur Charakteristik hinterhältigen Handelns. So werden 
in verschiedenen Sprachen Personen, deren mehr oder minder 
anständiges Gewerbe es mit sich bringt, auf Kunden zu lauern^ 
mit der Spinne verglichen, namentlich wenn es in der Absicht 
geschieht, dieselben auszubeuten. Hierher gehören engl, spider 
als Bezeichnung eines Individuums, dessen Geschäft es ist^ 
Passanten in ein Spielhaus zu locken, femer aus dem Pariser 
Argot araignee de bastringue „Kneipenspinne" (jetzt häufiger 
araignee de ptssoiUre, pissotiere = Pißwinkel) für eine Dirne,, 
die in Kneip- und Tanzlokalen ihre Galans sucht, wozu da» 
amerikanische Spanisch in aräna „Freudenmädchen" ein Ana« 
logon bietet. Minder anrüchig ist die Bezeichnung araignee 
de comptair ,Jiadenspinne" für einen Schnittwarenhändler, der 
am Eingang seines Ladens durch marktschreierisches An- 
preisen seiner VtTaren die Kauflust der Passanten zu erregen 
sucht. Ähnlich wird araignie de trottoir „Trottoirspinne" für 
einen umherziehenden Spielwarenhändler (camelot) gebrauchte 



Der Krebs. 

Deutsch Krebs, das ganz allgemein sowohl die im Süß- 
wasser als auch im Meere lebenden Krustentiere bezeichnet, 
beruht auf mhd. kr'ebezej Jerebez, ahd. krebae, Icrebiz, Wie weiter 
unten gezeigt werden wird, ist das Wort früh ins Romanische 
eingedrungen. Auch das Lateinische unterscheidet nicht 
zwischen Fluß- und Seekrebs, sondern bezeichnet beide wX 



Der Krebs. 281 

Cancer. In übertragener Bedeutung wird das Wort gerade so 
wie das deutsche „Krebs" für gewisse bösartige Geschwüre 
gebraucht. Nach Sanders ist das tertium comparationis in den 
rings um das Geschwür stockenden Ädern, die das Aussehen 
von Krebsfüüen darbieten, zu suchen. Schließlich bezeichnet 
man damit eines von den zwölf Zeichen des Tierkreises. — 
Die romanischen Sprachen unterscheiden genauer zwischen 
den verschiedenen Krebsarten. Was zunächst das Italienische 
betrifft, so hat in dieser Sprache cancer die Bedeutung „Fluß- 
krebs" an gambero aus griech. Tcdfifiagog abgetreten. In den 
übrigen Bedeutungen hat es sich erhalten, aber immerhin mit 
lautlicher Differenzierung, indem canchero oder cancro als medi- 
zinischer und astronomischer Terminus, granchio (aus dem 
suppon. Diminutiv canGricuhis) für die Meerspinne gebraucht 
wird. Schließlich hat man auch in ganghero „Haken, Tür- 
angel" Cancer erblickt, wogegen weder lautlich noch begrifflich 
etwas einzuwenden ist. Die Metapher beruht auf einem Ver- 
gleich der gekrümmten Krebsenschere mit einem Haken. (VgL 
portug. caramäo „Krabbe" und „Haken" für den Kronleuchter.) 
Im Span, liegt der umgekehrte Fall vor. Da lebt cancriculus 
als cangrejo nur in der Bedeutung „Flußkrebs" weiter, während 
mit gämbaro (auch cdmbaro oder cambaron) eine Krabbenart 
bezeichnet wird. Daneben existiert als gelehrtes Wort cancer 
in übertragener Bedeutung. Das Franz. hat drei Vertreter 
von lat. Cancer: das volkstümliche chancre in der Bedeutung 
„Geschwür" und „Krebsschaden", das halbgelehrte cancre, die 
Bezeichnung einer Krabbenart, und schließlich das ganz ge- 
lehrte Cancer als medizinischen terminus technicus. Für „Fluß- 
krebs" hat das Franz. das ahd. krä>iz entlehnt, das in der 
neufranz. Form ecrevme lautet. Aus dem Altfranz, ist das 
deutsche Wort in der Form crevice in das Engl, eingedrungen^ 
wo es durch volksetymologische Anlehnung an fish zu crayfishy 
crawfish, crab-fish*) wurde. Für den kurzschwänzigen „See- 
krebs" gebraucht der Engländer crab, der Deutsche Krabbe, 
ein Wort niederdeutschen Ursprungs, das mit „Krebs" 



*) Gleichzeitig erinnern diese Wörter an craw „Kropf", crawl „krabbeln**, 
erah „Krabbe**. (Vgl. Andresen, Über deutsche Volksetymologie, 5. Aufl., 
pag. 521.) 



282 I>er Krebs. 

stammverwandt ist und sich auch im Franz. (crabe) findet. 
„Krebs" und „Krabbe" beruhen wahrscheinlich auf der Wurzel 
von „krabbeln". Übrigens finden wir lat. Cancer als gelehrtes 
Wort auch im Engl. Daneben gibt es ein volkstümliches 
cankerj das „Geschwur" und „Krebsschaden" bedeutet. Eben- 
so ist chancre als medizinischer Terminus dem Franz. ent- 
lehnt. 

Für eine gewisse größere Art von langschwänzigen See- 
krebsen wird im Deutschen das Wort Hummer gebraucht, 
das mit griech. Ttd^fiagog „Krebs" stammverwandt zu sein 
scheint und das wir im franz. homard wieder erkennen. Der 
Engländer gebraucht hierfür lobster aus altengl. hpust, das 
dem romanischen locusta „Heuschrecke" nachgebildet ist und 
in der Bedeutung „Hummer** auch in franz. Jangouste, span. 
langosta fortlebt, welch letzteres Wort auch in der ur- 
sprünglichen Bedeutung von „Heuschrecke" gebraucht wii'd. 
(Vgl. venez. grülo de mare „Meergrille" für „Hummer**.) Eine 
gewisse Ähnlichkeit in der Gestalt beider Tiere ist nicht 
zu verkennen. 

Für die Metaphorologie ist vor allem der Flußkrebs von 
Interesse. Bei diesem Tiere fällt zweierlei auf: erstens das 
Eückwärtsschwimmen (nicht Bückwärts g e h e n), sodann 
die hellrote Farbe, die die Schale annimmt, wenn der Krebs 
gesotten wird, welche Eigentümlichkeit er allerdings mit den 
im Meere lebenden Krustentieren teilt. Hierauf beruhen die 
meisten der auf den Flußkrebs bezüglichen Metaphern. 

Was nun zunächst das vermeintliche Eückwärtsgehen an- 
langt, so wird im Deutschen die Redensart den Krebsgang 
gehen besonders in moralischer Hinsicht gebraucht, z. B. 
von einem faulen Schüler, der einst bessere Leistungen auf- 
zuweisen hatte. Auch bezeichnen die Buchhändler solche 
Bücher, die sie unverkauft an den Verleger zurückschicken 
müssen, treflfend als „Krebse", während der Franzose hierfür 
weniger leicht verständlich den Ausdruck ours „Bär" ge- 
braucht. (Siehe pag. 55.) Ebenso sagt der Italiener fare 
(andare) come il gamberOj fare il viaggio del gamberOj es machen 
(gehen) wie der Krebs, die Krebsreise machen, der Franzose 
aller comme um ecrevisse, der Spanier andar como un cangr^o 
oder ironisch adeJantar como un cangr^o, Fortschritte machen 



Der Krebs. 283 

wie ein Krebs. Der Portugiese sagt für andar de caranguejo, 
wie ein Krebs gehen, auch mit einem eigenen Verbum caran- 
gueoar. Im selben Sinne gebraucht der Angloamerikaner to 
cratofish it, was dann weiterhin „einer Sache untreu werden, 
tsich aus der Klemme ziehen" bedeuten kann. Femer be- 
zeichnet man im amerik. Englisch mit crawfish einen politi- 
schen Überläufer, welcher Bedeutungswandel wohl so zu er- 
klären ist, daß das Rückwärtsgehen für jede Art des Verrats, 
somit auch für den Übertritt zu einer anderen Partei ge- 
braucht wird, gerade so wie der Soldat die Sache des Vater- 
landes verrät, indem er entweder vor dem Feinde flieht oder 
1ZU ihm übergeht. Nach Analogie von „rücklings" sagt man 
im Deutschen auch krebslings gehen, ja geradezu krebsen, 
welches Verbum jedoch häufiger die Bedeutung von „Krebse 
fangen", dann mit Begriffserweiteruug die von „fangen" über- 
haupt hat.*) (Vgl. „fischen'-.) Schließlich wird „krebsen" im 
Sinne von „krabbeln" gebraucht. Mit Angleichung an letzteres 
Verbum heißt es auch krebsein. Im Pariser Argot sagt 
man von einem Faselhans: II a une ecrevisse dans la tourte, 
er hat einen Krebs im Schädel, und will damit ausdrücken, 
^aß es mit seinen geistigen Fähigkeiten bergab geht. Aller- 
dings könnte man diese Metapher auch zu jenen stellen, die 
auf einem Vergleich der wirren Gedanken mit dem ümher- 
schwirren von Insekten im Kopfe beruhen. Hier würden also 
^ie konfasen Gedanken mit dem Herunikrabbeln des Krebses 
verglichen werden oder es könnte das Herumkrabbeln als 
Ursache der Gedankenverwirrung gedacht werden. 

Von der roten Farbe des gesottenen Krebses hergenommen 
ist der Vergleich rot wie ein Krebs, den man namentlich 
auf einen anwendet, dem das Blut infolge irgend einer Ge- 
mütsbewegung zu Kopfe steigt. Genau so heißt es im Ital. 
rosso come un gambero, im Franz. rouge comme une ecrevisse. 
Von einem Errötenden sagt der Pariser: II fait cuire son 
homard, er siedet seinen Hummer. Ferner bezeichnet das 
franz. Argot verschiedene, ganz oder teilweise rot ge- 



*) Vgl. das deutsche Sprichwort: Ist es nicht gefischt, so ist 
«s doch gekrebst, d. h. istes auch wenig, was man erreicht hat, so 
ist es immerhin besser als nichts. 



284 I>er Krel». 

kleidete Personen mit homardsj so z. B. einen Bedienten m 
roter Livree, sodann den rothosigen Infanteristen, der von deft 
Kavalleristen ecrevisse de rempart „Wallkrebs" genannt wird 
(vgl. engl, boiled lobster „gesottener Hummer*^ gleichfalls für 
den Infanteristen wegen des roten Eockes), schließlich anch 
den Spahi wegen des roten Bomns. Ebenso wird im franz. 
Botwelsch der Kardinal wegen seines roten Mantels icremsse 
genannt. Analog bezeichnet ihn der Newyorker Slang als 
IcSbster „Hnmmer". Umgekehrt nennt Viktor Hngo den Hummer 
Cardinal de la mer. (Vgl. Sachs, Zusammenhang zwischen 
Mensch und Tier in der Sprache, NeuphiL Zentralbl. 1904, 
pag. 36.) Ebenfalls gehört hierher aus dem span. Argot can- 
grejo als Bezeichnung eines rot angestrichenen Pferdebahn» 
Wagens. 

Die Metaphern, die der Krebs sonst der Sprache geliefert 
hat, sind nicht zahlreich. Im Deutsch des 15. Jahrhundert» 
bezeichnete man den Brustharnisch als „Krebs'', u. zw. wegen 
der Ähnlichkeit mit der Schale dieses Krustentieres. Die 
langen Scheren des Krebses,*) die sich an das vorderste Bein- 
paar anschließen, erklären die metaphorische Bedeutung von 
ital. gamherone (Augmentativ von gamhero) „langbeiniger 
Mensch" (wohl ein Wortspiel mit gamha „Bein"). Ein Analogon 
findet sich im eQgl. Slang, das für die Füße geradezu crabs^ 
gebraucht. Auf der Wehrhaftigkeit des Krebses, der gleichsam 
mit Schutz- und Trutzwaffen ausgerüstet ist, scheint der 
Gebrauch von Krebs für „tüchtiger Kerl" im älteren Deutsch 
(z. B. bei Goethe : das ist eine andere Art von Krebsen) zu 
beruhen. Hoferer, Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht, VHI^ 
pag. 850, fuhrt diese Redensart auf folgendes holländ. Sprich- 
wort zurück : Dat i$ eene andere soort van kreeften, zei de hoety 
en hij brogt hiJcvorschen ter marit, das ist eine andere Art von 
Krebsen, sagte der Bauer, und er brachte Frösche zu Markt. 

Von den Wörtern, die die Krabben bezeichnen, bietet 
hauptsächlich das ital. granchio phraseologisches Interesse.. 
Sehr gebräuchlich ist die Eedensart pigliar un granchio (auch 
gambero oder pesce) eine Krabbe fangen, d. h. einen Schnitzer 
machen. Verständlich wird der Sinn dieser Redensart erst 



") Vgl. frz.-dialektigch taÜleur „Schneider" = Hammer. 



Der Krebs. 285 

durch den Zusatz in seceo „im Trockenen". Oranchio in seeco 
l)edeutet auch die Quetschung eines Fingers, wobei an den 
Xrebs gedacht wird, der das Glied mit den Scheren packt. 
Femer sagt der Italiener von einem Geizigen: Ha il granchio 
in searsdla, er hat die Krabbe in der Tasche, gleichsam als 
fürchte er, von dem Tier gezwickt zu werden, wenn er in die 
Tasche griffe. Ebenso kommt im Deutschen die Kedensart vor 
einen Krebs im Beutel haben, allerdings landschaftlich 
beschränkt. Der Franzose wendet das Wort cancre auf den 
Geizigen selbst an (Metonymie), gerade so wie der Spanier 
mit mona „Affe" ebensowohl die Trunkenheit als den Trunkenen 
selbst bezeichnet. Es wäre noch eine andere Erklärung denk- 
har. Darf man annehmen, daß die Eigentümlichkeit der 
Krabben, Nahrungsvorräte im Sande zu vergraben, dem Volke 
bekannt ist, so würde das Tier selbst als Symbol des Geizes 
gebraucht werden, wie tatsächlich span. cdncer eine tadelnde 
Bezeichnung für Geiz oder Selbstsucht ist (Metonymie). Auch 
einen faulen Schüler nennt der Franzose cancre, welche 
Metapher durch die Redensart aller comme une ierevisse erklärt 
wird. Merkwürdig ist nur, daß in diesem Falle cancre für 
ecrevisse eintritt. Aus dem Deutschen ist hier anzuführen der 
metaphorische Gebrauch von „Krabbe" für ein kleines Kind, 
das noch auf allen Vieren auf dem Boden „herumkrabbelt". 
{Vgl. engl, shrimp „Gameele" in derselben Bedeutung.) 

Von ital. granchio gibt es einige Weiterbildungen, so 
das Verbum grgkndre „anpacken" (wie der Krebs mit den 
Scheren), sodann sgranchirsi (veraltet sgranchiarsi) „sich recken, 
sich dehnen", femer aggranchiarsi, aggranchirsi von den Gliedern 
gebraucht, die vor Kälte steif und krumm werden wie die 
Krebsscheren, daher granchio „Krampf ^ Mit Bezug auf die 
eigentümliche Gangart der Krabben, die sich nicht geradeaus, 
sondern von der Seite fortbewegen, sagt man im Ital. von 
einem Betrunkenen: Ckxmmina per fraverso come i granchi, er 
geht schief wie die Krabben. Auf diese komische Eigenheit 
der Krabben bezieht sich offenbar die Redensart esser piü 
lunatico dei granchi, launenhafter, wunderlicher sein als die 
Krabben. Von der Lebensweise der Landkrabben, die sich 
vorzugsweise in Löchern aufhalten, ist hergenommen die ital. 
Redensart cavare il granchio daUa httca, die Krabbe aus dem 



286 I>er Wurm. 

Loch heranskriegen, d. i. jemd. ans seinem Versteck hervor- 
holen. (Vgl. das ital. Sprichwort : Dov^ i la buca, i il granckiOy 
wo das Loch ist, ist die Krabbe.; Anch sagt der Italiener 
im Sinne des deutschen „für jemd. die Kastanien ans dem 
Feuer holen^ levare il granchio deüa huca colla mano d'aüri, die 
Krabbe mit der Hand eines anderen ans dem Loche holen. 
(Vgl. cavar Ja castagna cölla zampa del gatto) 

In semasiologischer Hinsicht bemerkenswert ist itaL 
canchero, das zunächst ,^ebsgeschwür^' bedeutet, dann seine 
Bedeutung zu „Krankheit, Siechtum^ erweitert und endlich 
eine von Krankheit befallene Person bezeichnet. Die Krank- 
heit kann auch moralischer Natur sein und so kommt schließ- 
lich canchero zur Bedeutung „böswilliger Mensch". Dasselbe 
Wort wendet man auf Gegenstände an, die mit irgend einem 
Fehler behaftet sind, z. B. auf Maschinen, die den Dienst 
versagen. (Vgl. deutsch Krebsschaden.) 

Daß in dem ital. Fluche: Ti mangi il canchero! oder ti 
venga il canchero! die Krebskrankheit gemeint ist, unterliegt 
wohl keinem Zweifel. 



Der Wurm, 

Deutsch Wurm (ebenso mhd. und ahd.) ist urverwandt 
mit lat. vermis. Bezüglich des ahd. Wortes ist jedoch zu be- 
merken, daß es überhaupt jedes kriechende Tier, also auch 
Schlange und Drache bezeichnet. Gotisch waürms und alt- 
engl, wurm (wovon neuengl. worm) bedeuten ausschließlich 
„Schlange". Diese Bedeutung hat sich noch erhalten in 
Lindwurm, welches Wort eigentlich eine Tautologie ist, 
da ahd. lind = Schlange ist, „Wurm" also in diesem 
Falle nur zur Verdeutlichung des ersten, nicht mehr ver- 
standenen Wortes hinzugetreten ist (Vgl. Maultier, Dam- 
hirsch, Windhund usw.) Im Mhd. bezeichnete man sogar ein 
Säugetier, nämlich den Maulwurf, mit Anspielung auf sein 
unterirdisches Dasein als molttcurm „Erdwurm". (Siehe bei 
„Maulwurf" pag. 13.) Die romanischen Bezeichnungen des 
Wurmes: ital. verme, span. verme, franz. ver, gehen sämtlich auf 
lat. ve}*mis zurück. Ebenso hat sich das Diminutiv von vermiSy 



Der Wurm. 287 

vermkulm, in den romanischen Sprachen erhalten, u. zw. in ital. 
vermiglio, franz. vermeil, span. bermejo „hochrot". Der auf- 
fallende Bedeutungswandel von „Würmchen" zu „hochrot" 
findet seine Erklärung in der Bedeutungsverengung des Wortes, 
das speziell auf den Scharlachwurm angewendet wurde und 
dann metonymisch die Farbe desselben bezeichnete. Eine 
WeiterbilduDg dieses Wortes finden wir in der Benennung 
des Zinnobers in den modernen Kultursprachen (ital. vermi- 
glione, span. bermellön, franz. vermeiUon, engl, vermilion). — 
Auf ein suppon. lat. verminem geht zurück ital. vermine^ 
dessen Plural vermini die populäre Bezeichnung der Einge- 
weidewürmer ist, ferner franz. vermine, das kollektive Be- 
deutung hat und wörtlich unserem „Gewürm"*) entspricht. 
Doch bezeichnet das Wort infolge Bedeutungserweiterung jede 
Art von Ungeziefer. Aus dem Franz. ist vermine in derselben 
Bedeutung ins Englische eingedrungen {vermin). Im Span, 
ist das entsprechende Wort Ucho^ das man vom lat. Adj. 
hesüus (von bestia „Tier") ableitet. Baist bestreitet diese Ab- 
leitung (Grundriß der rom. Philologie, 2. Aufi., pag. 901), 
ohne jedoch eine andere Etymologie aufzustellen. Auch 
sabandija, in dem Parodi lat. serpenticula (Dim. von serpens 
„Schlange") erblickt, wird in dem kollektiven Sinne von „Un- 
geziefer, Gewürm" angewendet. Der Italiener gebraucht häufig 
baco (aus bombaco von lat. bombax durch Aphärese entstanden), 
welches Wort ursprünglich nur den Seidenwurm bezeichnet, 
für den Wurm überhaupt. 

Wie die meisten Tiernamen kollektiver Natur (vgl. Vogel, 
Fisch, Schlange) spielt auch der Wurm in der Metaphorologie 
eine wichtige Rolle. — Was beim Wurm zunächst auffällt, 
ist die Art der Fortbewegung, die er mit der Schlange gemein 
hat, daher die auf den Wurm bezüglichen Metaphern sich 
häufig mit den die Schlange betreffenden berühren. So ge- 
braucht z. B. der Engländer für „sich schlängeln, sich 
krümmen" neben to snake dlong (snake = Schlange) to worm 
oder to worm one^s way dlong. Ebenso sagt der Angloameri- 
kaner für snaJce-fence „Zickzackzaun" auch worm-fence. Von 

*) Lnther gebraucht Geschwürm, was eine Kontamination yoü 
„Gewürm" und „Geschwür" ist. (Vgl. Scheu, Die Tierwelt in Luthers 
Bildersprache, pag. 26.) 



288 I>er Wurm. 

den sich windenden Bewegungen des Wurmes ist ferner her- 
genommen engl, worm-screw „Wurmschraube" als Bezeichnung 
des Schraubenziehers. Aus dem Ital. ist anzuführen der Ge- 
brauch von verme fftr die Windungen des Schneckenhauses. 
Auf eine Mehrheit von Würmern bezieht sich span. gtssanear 
^wimmeln", ein Synonym von hormiguear (von hormiga 
^Ameise"), sowie portug. Ucharia „Gewimmel". Auffallend 
ist im Ital. die Bezeichnung poho vermicolante für einen rasch 
gehenden Puls, da die Bewegungen des Wurmes langsam 
sind. Übrigens gebraucht der Italiener daneben passender 
poko formicölante {formica = Ameise). 

Von Metaphern, die sich auf die Gestalt des Wurmes be- 
ziehen, ist nur anzuführen ital. vermicelli „Wurmchen", womit 
die Fadennudeln, eine in Italien sehr beliebte Suppenspeise, 
bezeichnet werden. Der Franzose hat mit der Sache auch 
den Namen adoptiert {vermtcelle). Ebenso nennt der Spanier 
eine Art von Nudeln bermeUetas. Zu bemerken ist ferner, daß 
das Volk, das zwischen den einzelnen Tierklassen nicht genau 
unterscheidet, häufig Insekten als Wllrmer bezeichnet. (Vgl. 
portug. bicho „Wurm" und „Laus*^. Im Bayrischen wird 
die Eaupe Graswurm (ahd. grasawurm) oder Kraut- 
wurm genannt, im Schwäbischen kurzweg „Wurm". In 
der Mundart von Com wall heißt die Küchenschabe black- 
worm „schwarzer Wurm". Analog wird neben „Seidenraupe" 
Seidenwurm gebraucht, u. zw. nicht bloß im Deutschen, 
sondern auch im Engl, {sük-worm), im Span, (gusano de seda) 
und im Franz. {ver ä soie). Das Leuchtkäferchen muß sich 
eine ähnliche Degradierung gefallen lassen. Im Deutschen 
wird es häufig Glühwürmchen genannt, ebenso im Engl. 
(glow'WOrm), im Span, gusano de luz, im Franz. ver luisant. 
Auch auf Säugetiere wird das Wort „Wurm" angewendet. So 
bezeichnet man im Portug. einen jungen Kater mit bichano 
(von bicho „Wurm") und bicho selbst gebraucht man für wilde 
Tiere. {C(xsa dos bichos = Menagerie.) Von mhd. möltumrm 
war schon pag. 286 die Eede. 

Daß im menschlichen Körper vorhandene Würmer die 
Ursache von Krankheitserscheinungen sein können, ist eine 
von der Medizin erwiesene Tatsache. (Man denke an die 
Eingeweidewürmer der Kinder, den Bandwurm usw.) In 



Der Wunn. 289 

früheren Zeiten jedoch, wo man sich ein Krankheitssymptom 
ohne greifbare Ursache nicht denken konnte, führte man die 
verschiedensten Krankheiten auf das Vorhandensein eines 
Warmes in irgend einem Organe des menschlichen Körpers 
zurück. So sprach man von einem Fingerwurm, einem 
Hautwurm, einem Knochenwurm, einem Ohrwurm,*) 
einem Haarwurm, einem Tollwurm, den man für den 
Erreger der Wutkrankheit hielt. Auch an einen Herzwurm 
glaubte man und machte ihn für das Herzklopfen und 
andere Arten von Herzstörungen verantwortlich. Hierzu 
stimmt auffallend der Gebrauch von span. gusanera (von gusano 
„Wurm") „empfindliche Stelle im Herzen", welches Wort man 
figürlich verwendet in der Redensart le dio en la gusanera, 
man traf seine empfindliche Stelle, den wunden Punkt. Auf 
einem ähnlichen Volksglauben beruht der noch heute im 
Deutschen und Engl, übliche Gebrauch von „Wurm" für 
„Marotte, fixe Idee". (Davon im älteren Deutsch wurmi- 
sieren, herumwurmisieren, wurmein im Sinne von 
„grübeln".) Man dachte sich eben wieder einen im Gehirne 
lebenden Wurm als Ursache von Geistesstörungen. Analog 
sagte man im älteren Italienisch von einem hochgradig ver- 
liebten Menschen : Ha il verme, er hat den Wurm. Überhaupt 
wird im Ital. der Wurm häufig als die causa movens ver- 
schiedener Betätigungen des menschlichen Geistes betrachtet. 
So spricht man von einem baco del poeta^ baco del critico, haco 
del polüico und bezeichnet hiermit — meistens ironisch — ver- 
schiedene Geistesrichtungen. Ganz allgemein bedeutet aver i 
bachi^ die Würmer haben, „unruhig, unstet, schlechter Laune sein". 
Die einfachste Erklärung der Redensart ist die, da£ hier mit 
„ftacAi" die Eingeweidewürmer gemeint sind, die den damit Be- 
hafteten begreiflicherweise in eine nervöse, krankhafte Stimmung 
versetzen. Hiermit läßt sich vergleichen das bei Lessing im 
Sinne von „verdrießlich" gebrauchte Adjektiv würmisch. 

Auch von der Existenz eines Hungerwurms war man 
überzeugt. Eine Spur von diesem Aberglauben findet sich 

*) Der Glanbe an einen Ohrwurm, der Schlafenden in die Ohren kriecht 
(daher: geschmeidig wie ein Ohrwurm), ist heute noch verbreitet. 
(Vgl. die portug. Bedensart matar o bicJio do ouvido a alg., jemd. den 
Ohrwurm töten = ihm die Ohren voUschreien.) 

Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache. 19 



290 I>er Wurm. 

noch im Pariser Argot, u. zw. in der heute nur mehr scherz- 
haft gebrauchten Redensart tuer le ver, den Wurm töten, d. h. 
das durch Nüchternheit hervorgerufene Gefühl des Unbehagens 
im Magen mit einem Gläschen Schnaps vertreiben. (Vgl 
portug. matar o bicho,) 

Daß man von der operativen Entfernung des Wurms als 
Krankheitserreger Heilung erhoffte, ist klar. Solche Wurm- 
operationen mögen früher wohl öfters vorgenommen worden 
sein. Dies gibt uns den Schlüssel zur Erklärung der bizarren 
Redensart j e m d. die Würmer aus der Nase ziehen im 
Sinne von Jemd. ein Geheimnis entlocken^. Ebenso heißt es 
span. : sacar el gusano de la nariz ä alg., frz. : firer ä qn. les vers 
du neZj engl schon etwas abgeblaßt : to worm a secret otU of a 
person. Hingegen sagt der Italiener abweichend und minder 
verständlich tirar le passere (auch maccheroni) dal nctöo di qd,, 
jemd. die Sperlinge, bzw. Maccaroni aus der Nase ziehen. 
Wenn man jemand, ein Geheimnis entlocken will, so muß man 
dabei ebenso vorsichtig und behutsam zu Werke gehen wie 
bei einer schwierigen chirurgischen Operation. Goethe, der 
bei uns die Redensart in Schwung gebracht hat, ist sich ihres 
Ursprungs voll bewußt, wie sich ergibt aus einer Stelle des 
Faust, wo er (in der Szene in Auerbachs Keller) Frosch 
mit Bezug auf die anwesenden Studenten sagen läßt: 

Laßt mich nur gehen! Bei einem vollen Glase 

Zieh* ich, wie einen Kinderzahn, 

Den Barschen leicht die Würmer ans der Nase. 

(Vgl. Borchardt -Wustmann, Sprichwörtl. Redensarten, pag. 501.) 
In innigem Zusammenhang mit den oben besprochenen 
Metaphern, in denen dem Wurm eine pathologische Bedeutung 
zugeschrieben wird, steht die Verwendung dieses Tieres als 
Bild für langsam und unsichtbar zerstörende Einflässe physi- 
scher und psychischer Natur. Allerdings muß der arme Wurm 
auch hier wieder vieles auf seine Rechnung nehmen, was nicht 
er, sondern andere verschulden. So ist der Holzwurm (engl. 
wood-wortHj frz. ver du bois), der grimmige Feind des Holzes, 
der so recht die Zerstörungswut versinnbildet , seinem 
Namen zu trotz kein Wurm, sondern ein Käfer. Das Ital. 
und Span, bezeichnen den Holzwurm allerdings mit einem 
eigenen Worte {tarlo, bzw. carcomä), wovon tarlado, bzw. car- 



Der Wurm. 291 

comido „wurmstichig" vom Holze. (Vgl. das ital. Sprichwort : 
Ogni legno ha il suo tarlo und das deutsche Analogon : Jedes 
Holz hat seinen Wurm.) Ebensowenig ist die Obstmade, 
diese Plage der Obstgärten, ein Wurm, sondern die Raupe 
eines Schmetterlings, des sog. Apfelwicklers. Gleichwohl 
wendet man das Wort wurmstichig (engl, worm- bitten^ 
uvrm-eaten, worm-holed, toormed, frz. vireux, vermoülu) auf Holz 
wie auf Früchte an. Desgleichen sagt der Italiener von 
wurmstichigen Früchten bacato (von baco\ der Spanier agmanado 
(von gmano), wie überhaupt im Ital. und Span, zwischen Wurm 
und Made nicht unterschieden wird. Für vermoülu gebaucht 
der Franzose auch umschreibend piqu^ de vers, und wenn er 
von einer Sache sagt: Cela rCest pas pique de vers (daneben: 
Cela n^est pas piqui de mouches, de hannetom, hanneton = Mai- 
käfer), das ist nicht wurmstichig, so meint er damit, daß sie 
ganz vorzüglich sei. Denselben Sinn hat die ital. Redensart : 
Qitesto non ha i bachi, das hat keine Würmer. Hierher gehört 
ferner der Gebrauch von baco für „Irrtum, schädliches Grund- 
prinzip". So heißt scoprire il baco in una dottrina, den Wurm 
in einer Lehre entdecken s. v. w. „das Schädliche einer Lehre 
aufweisen". 

Für den von den Motten angerichteten Schaden werden 
ebenfalls die Würmer verantwortlich gemacht, so wenigstens 
in der dem Pariser Argot angehörigen Redensart avoir des 
vers dans son manchon, Würmer in seinem Muffe haben, d. h. 
kahle Stellen auf seinem Kopfe bekommen. Ebenso nennt der 
Franzose die Raupe der Rebenmotte ver coquin, den „bösen 
Wurm", womit auch der Drehwurm der Schafe bezeichnet 
wird. In übertragener Bedeutung wird ver coquin im Sinne von 
„marotte^ gebraucht, so in dem Sprichwort: Chacun a son ver 
coquin, wofür man auch sagt: Chacun a sa maroite. (Vgl. 
deutsch: Jeder hat seinen Wurm.) 

Häufig wird das Bild des nagenden Wurmes auf psychische 
Vorgänge, namentlich solche, die auf das Gesamtseelenleben 
eine zerstörende Wirkung ausüben, angewendet. So spricht 
man z. B. in allen Kultursprachen von einem Gewissens- 
wurm (engl, ivorm of conscience, ital. verme della coscienjsaj 
tarlo del rimorso, span. gusano de la conciencia, frz. ver rongeur). 

Das Deutsche kennt außerdem einen Wurm des Neides 

19* 



292 I>er Wurm. 

and des Hasses. Analog spricht der Italiener von einem 
boux) deW invidia, deW adio. Metonymisch wird haco (oder auch 
tarlo) geradezu für „Haß** gebraucht in der Redensart aver 
un haco {tarlo) con qd., gegen jemd. einen Wurm haben, d. h. 
Haß gegen ihn fühlen. Ebenso wird das Gefühl des Ärgers 
im Deutschen mit einem nagenden Wurm verglichen. Wenn 
einen etwas ärgert, so sagt man: Es wurmt mich. (Vgl. 
frz. asticoter „ärgern, schikanieren" und asticcieur „ärger- 
licher Mensch" von asticot „Regenwurm" sowie span. escara- 
hajear „ärgern" von escarabajo „Käfer".) Interessant ist es, 
die syntaktische Entwicklung dieser Redensart zu verfolgen. 
Im 18. Jahrhundert wurde „wurmen" intransitiv gebraucht, 
z. B. heißt es bei Schiller: „das wurmte beim alten Karl". 
Derselbe Autor gebraucht das Verbum auch mit dem Dativ, 
z. B.: „und so wurmt es mir oft, daß ich nicht tugendhaft bin". 
Doch taucht bereits im 18. Jahrhundert die heute gebräuch- 
liche Konstruktion mit dem Akkusativ auf. Heine gebraucht, 
wohl mit scherzhafter Tendenz, ein diminutives wtirmeln, 
u. zw. ohne abhängigen Kasus. (Vgl. Paul, Deutsches Wörter- 
buch, pag. 558.) Im Engl, hat to twrm im übertragenen Sinne 
die Bedeutung „heimlich wirken, wurmen, nagen". Von einem 
Streitsüchtigen sagt der Engländer: He hos a worm in his 
tongue, er hat einen Wurm in seiner Zunge, gleichsam als 
würde diese von einem nagenden Wurm in Bewegung gesetzt. 
Auf Volksetymologie beruht der Gebrauch von wormwood 
(wörtl. : Wurmholz) in der Redensart : It is galt and toormwood 
to him. Das altengl. wermod „Wermut" wurde vom Volke zu 
wormwood umgedeutet. Mit Bezug darauf, daß die Wurmer 
im Grabe den menschlichen Leichnam als willkommene Beute 
betrachten, werden sie häufig als Symbol des Grabes, bzw. 
des Todes gebraucht, so z. B. in dem franz. Sprichwort: Ce 
qu'on apprend au bers dure jmqu'atix vers, was man in der 
Wiege lernt, dauert bis zu den Würmern, d. h. bis zum Grabe. 
Die vollständige Wehrlosigkeit des Wurmes, den jedes 
Kind zertreten kann, sowie die scheinbar mühevolle Art seiner 
Fortbewegung lassen ihn als Symbol ohnmächtiger Schwäche 
erscheinen. So nennt man im Deutschen ein hilfloses Kind 
gern einen armen Wurm, früher sächlich ein armes 
Wurm, welche Metapher man auch auf Erwachsene, nament- 



Der Wurm. 293 

lieh weiblichen Geschlechts, anwendete. Analog nennt der 
Portugiese den Menschen mit Anspielung auf seine Ohnmacht 
den Naturgewalten gegenüber bicho - careta , d. h. Wurm mit 
menschlicher Maske. Im Franz. wird speziell der Regenwurm 
{ver de terre „Erdwurm") in diesem Sinne verwendet. So sagt 
man pauvre comme un ver de terre, arm wie ein Regenwurm. 
Dem entspricht im Ital. der Vergleich nudo e bruco come un 
verme, arm und nackt wie ein Wurm. Als Bild der Hilflosig- 
keit und Schwäche erscheint der Wurm ferner in dem deut- 
schen Sprichwoil: Kein Wurm so klein, er krümmet 
sich, d. h. der ärmste, unbedeutendste Mensch fühlt eine 
Kränkung ebenso schmerzlich wie jeder andere. (Vgl. im 
Deutschen s i c h krümmen wie ein Wurm.) Dieses Sprich- 
wort findet sich auch im Engl. : Tread on a worm, and it will 
tum, tritt auf einen Wurm und er wird sich krümmen, und 
im Franz. : II r/y a point de si petit ver qui ne se recoquüU pas, 
quand on marche dessus, es gibt keinen noch so kleinen Wurm, 
der sich nicht krümmte, wenn man darauf tritt. (Vgl. die 
deutsche Redensart j e m d. wie einen Wurm zertreten, 
frz. icraser qn. comme un ver.) Hierher gehört auch die franz. 
Redensart devenir petit comme un ver devant qn., vor jemd. klein 
werden wie ein Wurm, d. h. von jemd. aufs äußerste gedemütigt 
werden. (Vgl. ital. essere un verme dinanizi a qd.) 

Die Bezeichnung „Wurm" gilt jedoch nicht bloß als Aus- 
druck des Mitleids, sehr häufig bedient sich auch die Ver- 
achtung dieses Wortes. Im Deutschen und Engl, bezeichnet 
man mit „Wurm", bzw. worm (auch earth-twrm „Regenwurm") 
einen gemeinen, niedrig handelnden oder denkenden Menschen 
und to worm oneself into the favour of a person heißt „sich auf 
niedrige Weise in die Gunst jemds. einschmeicheln". Eine 
analoge Bedeutung hat das Adjektiv wormy. Der Londoner 
Policeman empfindet den Spitznamen trorm als bittere Kränkung 
und der französische colUgien nennt seinen Kameraden, wenn 
er ihn recht ärgern will, verminard oder vermineux. 

Was das Spanische betriflft, so wird bicho^ das kollektiv 
„Gewürm, Ungeziefer, Geschmeiß" bedeutet, auf einen unge- 
stalteten Menschen angewendet. Ein häßliches Gesicht be- 
zeichnet man dementsprechend als cara de bicho „Wurmgesicht" 
und in der Tat hat der Wurm nichts in seinem Äußeren, was